17. Auf Herrn Martin Münsterbergers seines geliebten Söhnleins sein Absterben, von Astrachan nach Moskow gesandt

1638 August.


Teurer Freund der ersten Zeit,
die mich Rußland hieß durchziehen
und auf Weiters was bemühen,
das mich mehr als sehr nun reut,
ist's so, wie mir kömmt zu Ohren,
daß dein Söhnlein ist verloren?
Allzuwahr! Erbarm es Gott!
Er, des Vatern anders Herze
und der Matter süßer Schmerze,
er, der traute Sohn, ist tot.
Ihres Wundsches ganzes Hoffen
hat des Würgers Pfeil getroffen.
[282]
Billich tust du, daß du zagst,
doch so tust du auch hingegen
wie die frommen Priester pflegen,
daß du auch von Troste sagst,
den dir Gottes Buch verehret
und nun seinen Lehrer lehret.
Alles ist mehr nichts als nichts,
Leben, Ehre, Kunst, Vermügen;
es entgeht uns, eh' wirs kriegen;
eh' wirs fassen, so zerbrichts;
es verschwindet, eh' wirs nützen,
Winden gleich und schnellen Blitzen.
Muß es denn gestorben sein,
ei, so ist es balde besser.
Der Verzug macht Strafe größer,
vom Verschube wächst die Pein.
Der ist klug, der allen Fällen
allzeit sich gefaßt kan stellen.
Tröste dich und deinen Trost,
der dir in den Armen weinet!
Sprich: Der Böses gut doch meinet,
der hat über uns gelost.
Unser Leben frei zu bürgen,
läßt sich unser Liebstes würgen.
Iederman, der wirds gestehn:
Jahre häufen Schuld und Sünde.
Wol geschiehet einem Kinde,
das mit Mute hin kan gehn
und den Richter fein darf fragen:
Hast du was auf mich zu sagen?
Und woher entsteht der Graus?
Alten ist das Sterben bitter.
Kinder fallen wie die Ritter,
die den Tod nur spotten aus.
Wert ists, daß man das verlachet,
das nichts fühlt und fühlen machet.
Wen der Höchste herzlich meint,
den versetzt er jung von Jahren
[283]
in der Engel reine Scharen.
Lachen ist es, das ihr weint,
denn auch ihr begehrt zu kommen,
wo er hin ist aufgenommen.
Weiß er schon nichts von der Welt
und von Gottes Wundern drinnen,
er hat itzt den Himmel innen,
welcher Alles in sich hält,
gegen den das Tun der Erden
ganz für nichts geschätzt mag werden.
Gleichwol habt ihr ihn gehabt,
ist er schon hinweg getragen.
Saget, was ihr habt zu sagen,
euer bleibts, was ihr vergrabt.
Und was heißen doch wir Toren,
was uns selbsten sucht, verloren?
Euer Sohn, der gieng voran,
euch die Bahne nur zu brechen
und die Stelle zu besprechen,
da er stets bei euch sein kan.
In des Himmels hohen Thronen
solt ihr ewig bei ihm wohnen.
Gott, der weiß, wenn, wo und wie
wir dem Knaben folgen sollen
und für unsren Wucher zollen.
Die geliebte Seele, die
hat in einem Augenblicke
Welt und Not und Tod zurücke.
Wol dir, kleiner Freund, für dich!
Ich bin fertig dir zu folgen,
will es Gott, noch von der Wolgen,
die mich lange stößt von sich,
daß die Meinen mich empfangen,
wo sie vor mir hin sind gangen.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Rechtsinhaber*in
TextGrid

Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Fleming, Paul. Gedichte. Deutsche Gedichte. Oden. 2. Von Leichengesängen. 17. Auf Herrn Martin Münsterbergers. 17. Auf Herrn Martin Münsterbergers. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-A828-2