32. Treue Pflicht

Mein Unglück ist zu groß,
zu schwer die Not,
so mancher Herzensstoß
dreut mir den Tod.
Mein Schmerze weiß von keiner Zahl.
Vor, nach und allemal
häuft sich die Qual.
Ein Mensch hat alle Schuld,
das mich doch liebt.
Das, weil es mir ist huld,
mich so betrübt.
Von Liebe kömmt mir alles Leid.
Ich weiß von keiner Zeit,
die mich erfreut.
Preist jemand ihre Pracht,
so wird mir weh.
Wer ihr gedenkt, der macht,
daß ich vergeh'.
Erinner' ich mich denn der Pflicht,
was Wunder ists, daß nicht
mein Herze bricht.
Licht ist ihr Augenglanz,
klar ihre Zier.
Das macht, daß ich mich ganz
verlier in ihr.
Sie hat es, was mein Herze sucht,
Scham, Schönheit, Jugend, Zucht,
der Tugend Frucht.
An ihr liegt Alles mir.
Was acht' ich mich?
Mein Sinn ist Freund mit ihr
und hasset sich.
Was ich beginne spat und früh,
Was ich gedenk, ist sie,
die Werthe, die.
Sie hat mich ganz bei sich,
das schöne Kind;
[428]
jhr auch zu lassen mich
bin ich gesinnt.
Die Treue, die sie mir verspricht,
find' ich in solcher Pflicht,
sonst nirgends nicht.
Und leb ich mich gleich tot
in solcher Pein,
noch hat es keine Not;
sie, sie kans sein,
die mir das Leben wiedergiebt,
die mich so sehr betrübt,
als sie mich liebt.
Ach! daß ich ihr mein Leid
nicht klagen kan!
Ich bin von ihr zu weit
itzt abgetan.
Von Scheiden kömmt mir alle Not;
diß macht mich blaß für rot,
für lebend tot.
Läuft nun mein Glücke so?
Ach wehe mir!
O! warum ward ich froh
von ihrer Zier?
Für jene kurze Frölichkeit
hab' ich ein langes Leid
auf allezeit.
Bekenne selbst auf dich,
mein kranker Sinn,
hast du nicht Schuld, daß ich
so elend bin?
Warum bewegte dich die Gunst?
Es war ja gar umsonst
mit deiner Brunst.
Leid' ich für jene Lust,
so geht mirs recht.
Mir war nicht unbewußt,
was Frucht sie brächt'.
Und gleichwol kunt' ich ganz nicht ruhn;
[429]
was mich betrübet nun,
das mußt' ich tun.
Euch klag' ich erstlich an,
ihr Augen, ihr.
Wie habt ihr doch getan,
so falsch an mir!
Verräter wart ihr meiner Pein.
Drum müßt ihr ohne Schein
und dunkel sein.
Fliest, (denn diß sollet ihr
zur Buße tun,)
hinfürder für und für,
wie vor und nun.
Quellt ewig, wie mein Schmerze quillt,
so wird mein Leid gestillt,
doch nie erfüllt.
Nicht aber läßt mein Mut
sie eins aus sich.
Das junge treue Blut
beherrschet mich,
so daß ich ganz nicht anders kan,
ich muß ihr um und an
sein untertan.
Liebt einer so, wie ich,
der sage mir,
wie er gehabe sich
bei Liebsbegier.
Ich fühle wol, was mich versehrt;
noch gleichwol halt' ich wert,
was mich gefärt.
Itzt ist es Mitternacht,
da alles ruht.
Mein munter Herze wacht,
tut, was es tut.
Es denkt, von müden Thränen naß,
von ihr ohn' Unterlaß
und weiß nicht was.
[430]
Ein Kranker, der gewiß
am Tode liegt,
der tröstet sich auf diß,
was er auch kriegt.
Das ist gewiß, ich muß dahin,
doch bleib' ich, wie ich bin,
frisch ohne Sinn.
Erbarmens bin ich wert.
Doch klagt mich nicht,
bis daß sie von mir kehrt
der Liebe Pflicht.
Doch wird Dianens Brudern Schein
eh' gehn am Himmel ein,
als dieses sein.
Mit Gott und mit der Zeit
muß Alles sein.
Ein Wechsel kehrt mein Leid
und ganze Pein.
Hat nichts als Unbestand Bestand,
so wird mein Ach zuhand
in Lust verwant.
Habt Achtung auf mein Leid,
auf meine Qual,
ihr, die ihr Wächter seid
in Amors Saal'.
Hebt alle meine Tränen auf
und schafft mir Freude drauf
für guten Kauf.
Ihr Sternen auch, die ihr
vor habt geliebt
und oftmals, wie itzt wir,
auch wart betrübt,
tut, wie man hat an euch getan,
schreibt meine Seufzer an
in Jovis Plan.
Vergess' ich meiner Pflicht,
ja, säum ich nur
und halt' ich dieses nicht,
[431]
was ich ihr schwur,
so sei mir Venus nimmer gut,
so quäle sich mein Mut,
wie er itzt tut.
Nein! Ich will feste stehn.
Sie, wie sie mir verspricht,
wird auch mir gleiche gehn
und wanken nicht.
Des Herzens, das sich selbst nicht schont,
mit Treue Treue lohnt,
bin ich gewohnt.
So steht mein fester Schluß
unwiderruft.
Drauf schick' ich diesen Kuß
ihr durch die Luft.
Diß Lied auch sei von meiner Hand
als meiner Liebe Pfand
ihr zugesant.
Glückt mirs und sagt nicht nein,
der Alles fügt,
so soll sies einig sein,
die mich vergnügt,
Mein letztes Wort ist: Treue Pflicht.
Treu' ist es: der es spricht
mehr kan er nicht.

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TextGrid Repository (2012). Fleming, Paul. Gedichte. Deutsche Gedichte. Oden. 5. Von Liebesgesängen. 32. Treue Pflicht. 32. Treue Pflicht. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-A88D-2