49. An einen seinen vertrautesten Freunde auf dessen seiner Buhlschaft ihren Namenstag

1636 November 25.
Anstat, daß wir sie itzund könten küssen,
du Wirien, dein auserwehltes Lieb,
ich Balthien, die mich mehr nicht läßt grüßen,
weil ich ihr nicht bei meinen Worten blieb,
so stehn wir hier mit seufzenden Verlangen
und füllen uns mit leerer Einsamkeit.
Wir wissen nichts vor Unmut anzufangen,
als daß wir stets bereuen unser Leid.
Vergeblich ists um alles unser' Denken,
wie sehr wir auch um unser Freude tun.
Es kan mehr nicht, als die Erinnrer kränken.
So süß' es war, so sauer ist es nun.
Der eitle Wahn, der Kitzel fremder Sachen,
die doch mehr nichts als Wind und Schatten sein,
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und gleichwol uns so viel zu schaffen machen,
was bringen sie als eine lange Pein?
Indessen scheußt die Flut der schnellen Stunden
stets nach und nach, sie eilen für und für.
Die strenge Zeit hat uns an sich gebunden,
sie läuft mit uns, wir laufen fort mit ihr.
Viel besser ists, nichts was gehabet haben,
das unsern Geist mit seiner Lust nam ein,
als können sich entsinnen solcher Gaben,
die uns vor frei und nun verboten sein.
Hier gehn wir oft und schauen mit Erblassen
dein Rasen an, du schaumichter Hirkan!
In was für Not hast du uns zappeln lassen,
bis wir erlangt das Ufer von Schirvan!
Dein falscher Grund der Seichten und der Tiefen
so hat uns ja oft angst, bleich und naß gemacht.
Du ließest uns ja redlich wol vertriefen.
Was wir geweint, das hast du ausgelacht.
Nicht Wellen, nein, ja Berge sinds zu nennen,
die du uns hast mit Sturme vorgeschützt.
Auf deinen Zorn must' auch das Wasser brennen,
bei welcher Glut hat mancher kalt geschwitzt.
Kein Anker hielt, die starken Taue brachen,
Mast und Maisan, die gingen über Bort.
Der Schiffer stund. Was die Madrosen sprachen,
das war für uns ein ach! wie furchtsams Wort.
Das tote Schiff liegt nun vor uns ertrunken.
Hilf Gott! Wie hat es sich mit uns gemüht!
Ach! daß mit ihm nur wäre gleich versunken
all Unglück auch, das nun schon wieder blüht!
Rhamnusi, was ist diese vor ein Handel,
worinnen hastu deine Göttlichkeit?
Bestehest du in einem steten Wandel,
wenn werden wir denn einst auf Leid erfreut?
Was ist dieß Not, Freund, alles zu erzälen,
der du es vor weit besser weißt als ich?
Ich will forthin mich nur um nichts mehr quälen,
will mich forthin bekümmern nur um mich.
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Komm, laß uns itzt durch jene flachen Felder,
so viel sichs schickt, nach Lust spaziren gehn!
Die Brombeersträuch' und Wein- und Apfelwälder,
die werden um und neben uns stets stehn.
Dem Steige hier, der nach dem Strande führet,
dem bin ich nun von Herzen gram und feind.
Freund, hier hinaus wird mehr von Lust gespüret,
da Phöbus her aus jungem Morgen scheint.
Die Trefflichkeit der hohen Gordieen,
auf denen auch der heiße Löwe schneit,
die haben wir gerade vor uns stehen.
Komm, laß uns sehn, wie hoch sie sind, wie weit!
Inzwischen sing' ein Lied auf deine Liebe
und binde sie mit deiner Kunst heut' an!
Sie bleibet die, wie sie dir letztens schriebe,
und ich auch will versuchen, was ich kan.
Und dieses wird viel besser uns gedeien,
als wenn wir uns stets klagen unsre Not,
stets trübe sehn, stets nach Erlösung schreien,
den Niemand doch nicht raten kan als Gott.

In Nisoway der Meden, 1636. 25. Nov.

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TextGrid Repository (2012). Fleming, Paul. Gedichte. Deutsche Gedichte. Poetische Wälder. 4. Von Glückwünschungen. 49. An einen seinen vertrautesten Freunde. 49. An einen seinen vertrautesten Freunde. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-A8D1-6