31. An Herrn Hartman Grahmannen, Fürstl. Holstein. Gesandten nacher Moskow und Persien u.s.w., Leibarzt, als derselbe, nachdem er Großfürstl. Bestallung in Reußen überkommen, sich nach Deutschland umb Doctor zu werden begabe

1635 Mai 21.


Ich werde förderhin auf nichts nicht sein bedacht,
als wie dein großes Lob werd' unter Leute bracht,
du mehr als mein Achat! Ich will den Menschen weisen,
die noch nicht Menschen sind, wie sie dich sollen preisen
für deine weise Kunst, die dir noch nie gefehlt.
Erfahrung und Vernunft, die sind mit ihr vermählt,
die Beine der Arznei. Ich habe wol erfahren,
daß dein berühmtes Haus von mehr als hundert Jahren
die Medizin geübt, die durch die Glieder dringt,
eh' man sie hat gebraucht, die die Gesundheit bringt
bald, sicher und mit Lust. Wir sind nun überhoben
der alten Phantasei. Wer will den Arzt doch loben,
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der einen Zettel schreibt fast einer Ellen lang,
umb daß er nur verdient des Apothekers Dank,
der doch setzt diß vor das? Soll man die armen Schwachen
durch einen starken Trunk noch duppelt schwächer machen,
der oft, vom Schmacke nicht geredt, so lieblich reucht,
daß sich der Arzt wol selbst für seiner Luft entzeucht
und hält die Nase zu? Doch wer will jene Blöden,
die Klugen auf den Schein, ein Bessers überreden?
Sie bleiben, wie sie sein. Ihr, Kinder der Natur,
geht einen weisern Weg! Salz, Schwefel und Merkur
sind euer fester Grund, die, wie sie alle Sachen
zu diesem, was sie sein, und eignen Dingen machen,
und so ihr Ursprung sind, so auch ihr Ende sein.
Aus was vor etwas kam, da geht es wieder nein.
Die, wie sie dreie sind die Brunnen alles Bösen,
so müssen sie auch uns hinwieder zu erlösen
drei süße Ströme sein. Ein kluger Arzt, der nimpt
da seine Hülfe her, worvon der Schade kömpt,
löst Salzsucht auf durch Salz, löscht Feuer aus mit Flammen,
das mancher nicht begreift. Ihr zieht die Kunst zusammen,
macht wenig aus so viel, lehrt gründlich, wahr und frei,
wie daß die große Welt ganz in der kleinen sei,
und was sie beide sein. Bald weist ihr auf die Sternen,
wie man von dannen soll der Krankheit Ausschlag lernen.
Bald zieht ihr auf das Feld und tragt die Kräuter ein,
die für so manchen Gift der Schmerzen dienlich sein.
Ihr laßt die Blüten ab, grabt zu gewissen Zeiten
die starken Wurzeln aus, wißt künstlich zu bereiten
aus diesem das und das, erzwingt aus allerlei
den Geist und Seele selbst, darmit es stärker sei.
Bald lasset ihr euch ab in die verborgnen Schlünde,
die Pluto selbst kaum weiß, durchsucht die finstern Gründe,
haut die Metallen aus, legt eure Kunst daran
durch Handgriff' und die Glut. Da wird erst kund getan,
was die Natur vermag. Die Steine müssen schwitzen,
das Erz entfärbet sich und schmelzt für euren Hitzen,
das harte Gold wird Flut, der flüchtige Merkur
hält Fuß und führet euch auf eine schöne Spur,
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die güldner ist als Gold. Kein Spießglas, kein Arsenik,
das muß euch giftig sein. Ihr wirket viel durch wenig.
Von euch tut ein Gran mehr als Jenes langer Trank,
daran ein Frischer wol sich möchte heben krank.
Vom Trinken sag' ich nicht. Die ersten Wundertäter,
die Säulen unsers Heils, der Arzeneien Väter
kennst du so wol als dich. Der weise Podalir,
der stirbt nicht, weil du lebst; Machaon wohnt in dir,
und die man itzt kaum nennt. Was Hermes hat geschrieben,
der dreimal große Man, Herophilus getrieben,
Diokles ausgelegt, was Asklepiades
die Prusier gelehrt, und was Archigenes
von Guten aufgesetzt, das hast du wol durchlesen,
bist umb Hippokrates zu Tag und Nacht gewesen.
Galenus ist dein Freund, wie denn der Celsus auch,
der Ärzte Tullius. Du weißt den rechten Brauch
von Beider Medizin, verstehst die dunkeln Sachen,
die manchen in der Schrift der Weisen irre machen
und lange halten auf. Der hohe Theophrast,
der mehr als billig ist von vielen wird gehaßt,
der ist dir ganz bekant. Was Lullius verstecket,
was Crollius verbirgt, das ist dir ganz entdecket.
Was Bruder Valentin für ein Geheimniß hält,
das hast du an das Licht der Sonnen längst gestellt,
glückseliger als er. Die Elbe, Saal' und Pleiße,
die schrein einander zu von deinem hohen Fleiße,
den du sie ließest sehn. Was Wittenberg gelehrt,
was Jena weitberühmt und Leipzig macht geehrt,
das hast du ganz bei dir. Des Sachsens Zier, dein Halle,
die Sittenmeisterin, ruft noch mit lautem Schalle
dein erstes Lob weit aus, wie du so glücklich hast
dein Tun allda vollführt, zwar ihr gar kurzer Gast,
doch langer Freund und Preis. Von dannen bist du gangen
in ander' Länder aus, hast da auch angefangen
dein Lob zu machen groß. Hamburg, das kennt dich wol,
gleich als wie Lübeck auch. Ganz Riga, das ist voll
des Ruhmes, der dich ehrt. Dörpt und die Narve wissen,
wie du dich auf ihr Heil so emsig hast beflissen.
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Für diesen allen liebt das schöne Revel dich,
das nun ganz traurig steht, weil es beraubet sich
soll wissen deines Trosts. Und was gedenk' ich dessen,
das ohne mich für sich wol bleibet unvergessen?
Doch kann ich nicht vorbei. Ich muß auch zeigen an,
was du bei unsrer Schaar, den Reisenden, getan.
Wir zogen mit dir aus und kamen mit dir wieder,
nichts fehlet an der Zahl. Es sind noch alle Glieder
des langen Weges frisch. Und war schon der und der
wie vor uns Andern tot, doch strichstu sein Beschwer
als mit dem Finger weg. Die edlen Abgesandten
die waren froh auf dich, die Fremden und Bekanten
begehrten deines Rats. Das große Moskow lief
und wartete dir auf, wenn etwan dich berief
der oder jener Herr. Das Volk, zwar ohne Künste,
doch keiner Kunst nicht feind, nahm dich in seine Günste
und ehrte deinen Witz. Der weise Knes Ivan,
des Reichs Aug' und Pitschir, nahm Unterredung an,
besprach sich viel mit dir. Nasari, der getreue,
weiß, was du ihm gefrommt, wie du ihn wie aufs Neue
ins Leben wiederbracht. Der kluge Stresennov
war dir von Herzen hold, lud dich auf seinen Hof,
nahm Arzenei von dir, die er vor dir genommen
von keinem, wie man sagt. Dein großer Preis ist kommen
bis vor den Kaiser selbst. Wie wenn bei schwarzer Nacht,
wenn Phöbe sich verkehrt und ganz kein Stern nicht wacht,
ein lichter Strahl scheußt hin, der aus den finstern Klüften
sich nach und nach zog auf und in den warmen Lüften
in sich entzündet wird, sein großer Schein bricht aus
und macht, gleich wie die Stadt, so auch des Königs Haus
mit seinem Lichte voll, - so hast du, Glanz der Ärzte,
ganz Moskow auch bestrahlt; du hießest der bewährtste.
Die Krankheit, die zog, aus, wo du nur gingest ein.
Du ließest keinen nicht in Furcht des Elends sein.
Des Todes Tod warst du. Nun schreibt man über Schreiben,
daß du so lange doch nicht wollest außen bleiben.
Ein ieder denkt nach dir, begehret dich bei sich.
Wie dich der Kranke hofft, so wündscht der Frische dich.
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Der Zar, der große Herr, der Reußen Selbsterhalter,
vertraut sein edles Haupt noch deinem jungen Alter,
versichert sich durch dich. Tarassewitz sein' Hand
besiegelt schon den Brief, der dich ruft in ihr Land,
der dein hier warten soll. Gott gebe seine Gnade,
daß durch den langen Weg dich rühre ganz kein Schade!
Er sei stets selbst umb dich, und seiner Wächter Hut!
Wind, Wetter, See und Land, die sein dir fromm und gut!
Diß nimm mit auf den Weg und zeig' es deinen Freunden,
wie denn den meinen auch, die ich mir fast zu Feinden
durch den Verzug gemacht! Zeuch hin, zeig' ihnen an,
daß ich auf dieses Jahr noch schwerlich kommen kan!
Das wird ein Zeuge sein der angenehmen Stunden,
die durch drei halbe Jahr' ich hab' umb dich empfunden,
o du mehr als mein Freund! Was förder wird geschehn,
das hat der höchste Gott von uns schon ausersehn.
Immittels zeuch wol hin und komme glücklich wieder
und mache, daß alsdenn der Vorrat meiner Lieder,
den dir mein Amor singt und Venus schreibet ein,
auf der Minerven Dank nicht mag vergeblich sein!

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TextGrid Repository (2012). Fleming, Paul. Gedichte. Deutsche Gedichte. Poetische Wälder. 4. Von Glückwünschungen. 31. An Herrn Hartman Grahmannen. 31. An Herrn Hartman Grahmannen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-A9BE-C