48. Elegie an sein Vaterland

1636 November 9.
Ach! daß ich mich einmal doch wieder solt' erfrischen an deiner reichen Lust, du edler Muldenfluß,
da du so sanfte gehst in bergichten Gepüschen,
da, da mein Hartenstein mir bot den ersten Kuß!
Wie jung, wie klein ich auch ward jener Zeit genommen
aus deiner süßen Schoß, so fällt mirs doch noch ein,
wie oft ich lustig hab' in deiner Flut geschwommen.
Mir träumet ofte noch, als solt' ich um dich sein.
Itzt wolt' ich mir erst Lust und dir Ergötzung schaffen:
indem ich nach der Kunst, die mich und dich erhebt,
ein unerhörtes Lied, nicht von Gradivus Waffen,
für dem du nun, Gottlob! itzund hast ausgebebt,
ein Lied von stiller Ruh' und sanftem Leben spielte,
wie unser Maro itzt bei seinem Bober tut,
ein Lied, das Himmel hätt' und etwas solches fühlte,
das nach der Gottheit schmeck' und rege Mut und Blut,
als ich denn pflag zu tun vor sieben halben Jahren,
(wo ist sie itzund nur, die liebe schöne Zeit!)
da ich so helle sang bei Philyrenens Paaren,
daß sich mein Ton erschwung bis an die Ewigkeit.
Ich sang der Deutschen Ruhm und ihrer teuren Prinzen,
bis Mars mich da treib' aus, der Unhold aller Kunst.
Da macht' ich mich belobt bei vielerlei Provinzen,
das Lief- und Rußland auch mir boten ihre Gunst.
Rubelle, die ich pflag mehr als mich selbst zu lieben,
Rubelle, von Gestalt und Sitten hochgenamt,
dieselbe hatte mir die Pest auch aufgerieben,
doch hat sich ihre Frucht in mir sehr reich besamt.
Die weiße Balthie, um die zu einem Schwane
Zeus itzt auch würde noch, fing mich mit ihrer Zier.
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Nach dieser wurd' mir hold die lange Roxolane.
Ach aber, ach! wie weit hin ich von beiden hier!
Zwar es verstattet mir das kaspische Gestade,
daß ich um seinen Strand mag ungehindert gehn;
auch bittet mich zur Zeit zu ihrem schönen Bade
auf Urlaub des Hyrkans manch' Asische Siren'.
Ich bin den Nymphen lieb, den weichen Zirkassinnen,
dieweil ich ihnen fremd und nicht zu häßlich bin,
und ob einander wir schon nicht verstehen können,
so kan ihr Auge doch mich günstig nach ihr ziehn.
Was aber soll ich so und auf der Flucht nur lieben?
Kupido wird durch nichts, als Stätigkeit vergnügt.
Was den zu laben scheint, das macht ihm nur Betrüben,
der allzeit alles hat und niemals nichts doch kriegt.
Ich stürbe mirs denn ab, so hoff' ichs zu erleben,
daß, wenn ich diesen Lauf zu Ende habe bracht,
ich dir den ersten Kuß, o Landsmannin, will geben.
Was ferner kan geschehn, das laß ich ungedacht.

Vor Terkii der Zirkassen, 1636. den 9. November.

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TextGrid Repository (2012). Fleming, Paul. Gedichte. Deutsche Gedichte. Poetische Wälder. 4. Von Glückwünschungen. 48. Elegie an sein Vaterland. 48. Elegie an sein Vaterland. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-AAFD-3