8.

Nun ist auch dieser Bann gebrochen,
Und friedlich schließt der Tag und klar –
Wir grüßten uns mit Herzenspochen,
[342]
Doch ward kein Wort von dem gesprochen,
Was unsrer Jugend Traum einst war.
Vom Stern und Unstern meiner Reise,
Vom Land Homers erzählt' ich ihr;
Sie sprach vom alten Freundeskreise,
Doch floß die Red' uns träg und leise,
Und endlich ganz verstummten wir.
Da sprang sie auf, und rasch wie immer
Gefaßt, ergriff sie meine Hand,
Und zog mich aus des Mittags Schimmer
Ins hohe, halbverhängte Zimmer,
Wo ihres Knaben Wiege stand.
Sie bog sich auf das Kind hernieder
Und winkte lächelnd mir zu nahn;
Verschlafen dehnt' es ros'ge Glieder,
Und jetzt erhub's die Augenlider
Und sah mit ihrem Blick mich an.
Da hab' ich's auf die heißen Wangen
Geküßt mit leisem Segenswort,
Und all mein Trauern und Verlangen
War wie ein Rauch im Wind zergangen,
Und frei und heiter schritt ich fort.

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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Geibel, Emanuel. 8. [Nun ist auch dieser Bann gebrochen]. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-B665-7