An König Wilhelm
Lübeck, den 13. September 1868.
Mit festlich tiefem Frühgeläute
Begrüßt dich bei des Morgens Strahl,
Begrüßt, o Herr, in Ehrfurcht heute
Dich unsre Stadt zum erstenmal;
Dem hohen Schirmvogt ihr Willkommen
Neidlosen Jubels bringt sie dar,
Die selbst in Zeiten längst verglommen
Des alten Nordbunds Fürstin war.
Das Banner, das in jenen Tagen
Den Schwestern all am Ostseestrand
Sie kühngemut vorangetragen,
Hoch flattert's nun in deiner Hand,
In deiner Hand, die auserkoren
Vom Herrn der Herrn, dem sie vertraut,
Das Heiligtum, das wir verloren,
Das deutsche Reich uns wieder baut.
Schon ragt bis zu des Maines Borden
Das Werk, darob dein Adler wacht,
Versammelnd alle Stämm' im Norden,
Die Riesenfeste deutscher Macht;
Und wie auch wir das Banner pflanzen,
Das dreifach prangt in Farbenglut,
Durchströmt uns im Gefühl des Ganzen
Verjüngte Kraft, erneuter Mut.
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Im engen Bett schlich unser Leben
Vereinzelt wie der Bach im Sand;
Da hast du uns, was not, gegeben,
Den Glauben an ein Vaterland.
Das schöne Recht, uns selbst zu achten,
Das uns des Auslands Hohn verschlang,
Hast du im Donner deiner Schlachten
Uns heimgekauft, o habe Dank!
Nun weht von Türmen, flaggt von Masten
Das deutsche Zeichen allgeehrt;
Von ihm geschirmt nun bringt die Lasten
Der Schiffer froh zum Heimatsherd.
Nun mag am harmlos rüst'gen Werke
Der Kunstfleiß schaffen unverzagt,
Denn Friedensbürgschaft ist die Stärke,
Daran kein Feind zu rühren wagt.
Drum Heil mit dir und deinem Throne!
Und flicht als grünes Eichenblatt
In deine Gold- und Lorbeerkrone
Den Segensgruß der alten Stadt.
Und sei's als letzter Wunsch gesprochen,
Daß noch dereinst dein Aug' es sieht,
Wie übers Reich ununterbrochen
Vom Fels zum Meer dein Adler zieht.