Fahr wohl

Den letzten Becher bring' ich dir,
Du schöner, fremder Strand!
Ach, bitter wird das Scheiden mir,
Als wär's mein Heimatland.
Fahr wohl, fahr wohl! Im Segel ruht
Der Wind und treibt sein Spiel,
Und rauschend furcht die grüne Flut
Der Barke scharfer Kiel.
Die Sonne sinkt ins Inselmeer,
Die Luft glüht rosenrot -
Dort schimmert noch das Fenster her,
Wo sie mir Abschied bot.
[124]
Wie gern, wie gern, du holdes Kind,
Hätt' ich bei dir gesäumt!
Umsonst, auch dieser Traum zerrinnt
Und war so schön geträumt.
Das ist das Leben: Kommen, Gehn,
Treiben in Wind und Flut;
Fortziehn auf Nimmerwiedersehn,
Wenn kaum wir sanft geruht;
Geliebt sein und vergessen sein,
Selbst lieben - still! - Mir deucht,
Es blendet mich der Abendschein,
Mir wird die Wimper feucht.
Vorbei! vorbei! Die Träne fällt;
Vorbei so Lust als Schmerz!
Und wieder einsam in der Welt
Schlägt nun dies wilde Herz!
Sei's drum! - Des Mondes erster Strahl
Beglänzt das Meer in Pracht;
Die Küste flieht - zum letztenmal,
Mein Mädchen, gute Nacht!

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Geibel, Emanuel. Gedichte. Jugendgedichte. Drittes Buch. Athen. Fahr wohl. Fahr wohl. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-BED9-9