Idyll

Hoch auf des Eilands schroffem Vorgebürg,
Vom himmelblauen Meer umgürtet liegt
Das Kloster, dessen offnen Bogengang
Mit weißem Glanz die Morgensonne füllt.
Doch kühl noch ist's im Garten, wo der Hauch
Der See gelind die schwarzen Riesenwipfel
Der hundertjährigen Zypressen wiegt,
Und frisch vom Tau der Nacht die Rose blüht.
Dort wandelt ernst im dunkeln Ordenskleid
Ein alter Mönch; die tiefgefurchte Stirn,
Der Zug gedämpfter Wehmut um den Mund
Verraten, daß er einst die Welt gekannt,
Und daß er erst gescheitert ihr entsagt.
Jetzt übt er treulich jede fromme Pflicht
Und wallt, der Rosen und des lichten Meers
Kaum achtend, hin, vertieft in sein Brevier.
Doch als ein schöner blauer Schmetterling
Sich ihm aufs Buch setzt, lächelt er und wagt
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Den leichtbeschwingten Gast nicht fortzuscheuchen
Und schaut dem Zwinkern seiner Flügel zu,
Der Zeit gedenkend, da er selbst noch froh
Geflattert durch des Lebens Sonnenschein.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Geibel, Emanuel. Gedichte. Gedichte und Gedenkblätter. Vermischte Gedichte. Erstes Buch. Idyll. Idyll. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-BF2A-9