Letzte Sühne

Meiner Jugend Liebe du,
Bild voll Lust und Schmerzen,
Gehst du wieder auf in Ruh'
Über meinem Herzen?
[263]
Ach, nicht ewig kann die Brust
Schuld um Schuld ermessen,
Eins nur ist mir noch bewußt:
Daß ich dich besessen.
Die mit ihrem finstern Wahn
Mein Gemüt verschattet,
Jeder Groll ist abgetan,
Jeder Gram bestattet.
Lächelnd, wie ich einst dich sah,
Da mein Herz erglühte,
Stehst du wieder vor mir da
In der Anmut Blüte.
Und so schließ' ich schön und hoch,
Sonder Schuld und Fehle,
Mit dem Blick der Liebe noch
Dich in meine Seele.
Nie mehr will ich nur von fern
Deinem Pfad begegnen;
Doch als Jugendmorgenstern
Soll dies Bild mich segnen.
Und am Ende meiner Bahn,
Hoff' ich, soll voll Milde
Mir der Todesengel nahn,
Ach, in diesem Bilde.

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Geibel, Emanuel. Letzte Sühne. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-C11B-D