1.
Der alte König zog zu Wald,
Das ist ein Jagen heute!
Der Renner schnaubt, das Hüfthorn schallt,
Im Busche bellt die Meute.
Und als die Sonn' im Mittag steht,
Da hat im Buchengehege
Des Königs rosiges Töchterlein
Verloren sich vom Wege.
Sie reitet sacht, es reitet mit ihr
Der Pag' im gelben Haare,
Und wäre sie nicht des Königs Kind,
Sie taugten zum schönsten Paare.
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Er schaut sie an, sein Herz erbebt,
Der Forst wird immer dichter,
Die Wangen brennen ihm bis zur Stirn,
Mit brennenden Wangen spricht er:
»Du hold holdselige Prinzeß,
Ich kann's nicht mehr verschweigen,
Mein junges Herz, das bricht vor Lieb',
Mein Herz, das ist dein eigen.
O dürft' ich auf den roten Mund
Ein einzigmal dich küssen!
Ich wäre der seligste Mann von der Welt,
Sollt' ich drum sterben müssen.«
Sie sagt nicht Ja, sie sagt nicht Nein,
Sie hemmt des Rosses Zügel,
Und als sie sich vom Sattel schwingt,
Da hält er ihr den Bügel.
Sie schreiten hinein in den tiefen Wald,
Da sind so schattig die Lauben,
Da singt von Liebe die Nachtigall,
Und girren die Turteltauben.
Da sprießt die rote, die wilde Ros'
In grünen Finsternissen;
Da beut am Grund das frische Moos
Der Lieb' ein Ruhekissen.
Sie ruhn im Moos bei der wilden Ros',
Die Rosse lassen sie grasen,
Sie hören nicht mehr die Nachtigall
Und nicht der Jäger Blasen –
Du alter König, harre nicht!
Die schönste der Prinzessen,
Sie hat in deines Pagen Arm
Dich und die Welt vergessen.