Das Kutschpferd

Ein Kutschpferd sah den Gaul den Pflug im Acker ziehn
Und wieherte mit Stolz auf ihn.
»Wenn«, sprach es, und fing an, die Schenkel schön zu heben,
»Wenn kannst du dir ein solches Ansehn geben?
Und wenn bewundert dich die Welt?«
»Schweig«, rief der Gaul, »und laß mich ruhig pflügen;
Denn baute nicht mein Fleiß das Feld:
Wo würdest du den Haber kriegen,
Der deiner Schenkel Stolz erhält?«
Die ihr die Niedern so verachtet;
Vornehme Müßiggänger, wißt,
Daß selbst der Stolz, mit dem ihr sie betrachtet,
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Daß euer Vorzug selbst, aus dem ihr sie verachtet,
Auf ihren Fleiß gegründet ist.
Ist der, der sich und euch durch seine Händ' ernährt,
Nichts Bessers als Verachtung wert?
Gesetzt, du hättest bessre Sitten:
So ist der Vorzug doch nicht dein.
Denn stammtest du aus ihren Hütten:
So hättest du auch ihre Sitten.
Und was du bist, und mehr, das würden sie auch sein,
Wenn sie wie du erzogen wären.
Dich kann die Welt sehr leicht, ihn aber nicht entbehren.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Gellert, Christian Fürchtegott. Fabeln und Erzählungen. Fabeln und Erzählungen. Zweites Buch. Das Kutschpferd. Das Kutschpferd. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-C356-6