Der Freier

Ein Freier bat einst einen Freund,
Ihm doch ein Mädchen vorzuschlagen.
»Ich will dir zwei«, versetzte jener, »sagen,
Dann wähle die, die sich für dich zu schicken scheint.
Die erste hat, nebst einem Rittersitze,
Ein recht bezauberndes Gesicht,
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Liebt den Geschmack, spricht mit dem feinsten Witze
Und schreibt die Sprachen, die sie spricht.
Sie spielt den Flügel schön und kann vortrefflich singen
Und malet so geschickt, als es die Kunst begehrt,
Und in der Wirtschaft selbst giebt sie gemeinen Dingen
Durch ihre Sorgfalt einen Wert.
Allein bei aller Kunst und allen ihren Gaben
Hat sie kein gutes Herz.
Die andre sieht nicht schön,
Wird wenig im Vermögen haben
Und von den Künsten nichts, die jene kann, verstehn;
Doch bei Verstand und einem stillen Reize,
Der, ohne daß sie's sieht, gefällt,
Besitzt sie, frei von Stolz und Geize,
Das beste Herze von der Welt.
Was thätst du wohl, wenn dich die erste haben wollte?« –
»Ach«, fing der Freier an, »wenn dies geschehen sollte:
So spräch' ich zu der ersten Nein,
Um dadurch bald der andern wert zu sein.«

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TextGrid Repository (2012). Gellert, Christian Fürchtegott. Fabeln und Erzählungen. Fabeln und Erzählungen. Zweites Buch. Der Freier. Der Freier. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-C3B3-5