Das Hospital

Elmire war zur Witwe worden
Und nahm sich vor, nicht mehr zu frein.
Allein sie war noch jung; was macht man ganz allein?
Ich dächte doch, sie könnte wieder frein.
Der Witwenstand ist ein betrübter Orden!
Elmire sah's und schritt zur zweiten Wahl.
Allein sie war das erste Mal
Nicht gar zu wohl verwahret worden.
Denn leider sind die Zeiten so betrübt,
Daß es viel böse Männer gibt.
Elmire tat daher ein feierlich Gelübd',
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Indem sie sich zur zweiten Ehe schickte:
Sie wollte, wenn es ihr mit ihrem Manne glückte,
Ein Hospital für fromme Männer baun;
Denn sie war reich. Und kurz, sie ließ sich wieder traun.
O welche Lust erfolgt oft nach dem Leide!
Das war ein Mann, ein allerliebster Mann!
Fromm wie ein Kind, gefällig wie die Freude,
Und der auf nichts als ihr Vergnügen sann.
Wie hätte sie sich ihn denn besser wünschen mögen?
Sie ließ geschwind den Grund zum Hospitale legen.
Vier Wochen strichen hin. Nun war der Grund gelegt,
Und bald wird man das erste Stockwerk sehen;
Doch nein, Elmire kömmt und heißt, vom Zorn bewegt,
Die Mäurer auseinander gehen.
Wie? sollt' es nicht mehr gut in ihrer Ehe stehen?
Das kann nicht möglich sein, sie sind ja kaum getraut!
Nun kurz und gut, es ward nicht fortgebaut.
Und ungefähr nach einem halben Jahre
Lag dieser Mann auch auf der Bahre.
Der liebe Mann!
Die Frau schwört Stein und Bein,
Ihr Lebelang nicht mehr zu frein;
Und doch war sie nach zweiundfunfzig Wochen
(Der Bau muß ja vollendet sein!)
Bereits das dritte Mal versprochen.
O das war erst ein würdiger Gemahl!
Verständig, zärtlich und verbindlich,
Nicht eigensinnig, nicht empfindlich;
Er bat da nur, wo jener wild befahl;
Die Blicke seiner Frau erfüllt' er als Befehle.
Kurz, beide waren recht Ein Herz und Eine Seele.
Die gute Frau! ich gönn' ihr diesen Mann.
Allein sie wollte doch nicht trauen;
Sie fing nicht gleich, wie eh'mals, an zu bauen.
Ich lobe sie darum und hätt' es selbst getan:
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Der Henker mag den Männern trauen,
Wenn man so leicht zweimal sich irren kann.
Sie fand nunmehr nach einem halben Jahre
Den Gatten noch so liebenswert
Als an dem Tag, da er, gefragt vor dem Altare,
Ihr durch ein seufzend Ja sein zärtlich Herz erklärt.
Der Bau wird fortgesetzt. Ich seh' Elmiren kommen;
Wie freundlich sieht sie diesmal aus!
»Ach Meister, fördert doch das Haus!
Warum habt Ihr's denn angenommen?
Ich geb' Euch ja das Geld voraus:
Laßt doch noch mehr Gesellen kommen.«
Ei das geht gut! Ich kann mich nicht genug erfreun:
Das muß ein rechter Eh'mann sein!
Die Mäurer fördern sich, und binnen vierzehn Tagen
Sieht man das erste Stockwerk stehn:
Und nun läßt sich Elmire wieder sehn.
Man sieht's ihr an, sie hat etwas zu sagen;
Vielleicht sah sie die Mäurer müßig stehn?
Denn leider! pflegt's so her zu gehn.
Vielleicht hat man am Bau etwas versehn?
Das sollte mich doch selbst verdrießen.
Itzt öffnet sie den Mund; nun wird sich's zeigen müssen.
»Ach«, fängt sie heftig an zu schrein,
»Hört auf und reißt den Plunder ein!
Ich lasse keinen Stein mehr tragen.
Wofür verbaut' ich denn mein Geld?
Für Männer, die die Weiber plagen?
Denn andre gibt's nicht auf der Welt.«
Die böse Frau! Man sollte sie verklagen.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Gellert, Christian Fürchtegott. Fabeln und Erzählungen. Fabeln und Erzählungen. Zweites Buch. Das Hospital. Das Hospital. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-C444-2