[54] AUS: WIE IM TRAUM
ABSCHNITT

Wo sich des waldes wege kreuzen – eines abends
Im sturm · mit meinem schatten – eines abends
Die aschen müd von herden und von jahren
Eh ich die vorbestimmung noch erfahren
Liess ich mich hin.
Die wege zogen nach den tagen hin ·
Ich hätte noch mit ihnen ziehen können ·
Und immerfort
Zu ländern meeren träumen immerfort
Bis zu dem tag
Wo mit der magischen geduldigen hand der Tod
Mein aug geschlossen hätte mit dem siegel:
Mit seiner goldnen friedensblume.
Du weg der stolzen eichen und der einsamkeit ·
Dein herber stein ist schlimm für müdigkeiten ·
Dein spitziges geröll für müde füsse.
Dort wird das blut vergangner jahre bluten
Bei jedem schritt.
[55]
Die stolzen eichen schelten in den rauhen winden
Und ich bin matt.
Du weg der klaren birken die sich zitternd
Entblättern · bleich wie deiner bleichen wandrer schmach ·
Der irrenden in deinem zähen schlämme.
Sie gehn zusammen ·
Sich drehend um sich nicht ins angesicht zu sehn –
Du weg aus kot und schweissenden gewässern ·
Wind flüstert deinen blättern seine klage ·
Der grossen sümpfe silber mond und frost
Stehn still im dämmerlichte deiner fähren ·
Und wer dir folgen will
Den führt gram bei der hand.
Du weg der sanften eschen und des leichten sandes
Wo wind den schritt verwischt und wünscht dass man vergesse ·
Dass man wie er von baum zu baume gleite –
Wie goldner sand ist deiner honigblumen farbe ·
Dein bogen so dass man wo's abweicht nicht bemerkt.
Die stadt zu der du führest ist den fremden hold ·
Sacht würden meine füsse über ihre schwelle treten
Wenn sie nicht an dem andern leben haften blieben
Wo hoffnung weinend aus nach toten schatten späht.
[56]
Ich werde nicht zu euren eichen schreiten
Noch längs der birken längs der eschen ·
Zu euren sonnen städten und gewässern ·
O wege!
Ich höre die vergangenheit! sie blutet ·
Die totgeglaubten schritte – ach sie kommen wieder
Und scheinen mir vorauszugehn mit ihren echo.
O wege!
Du leichter du · du schmählicher · du stolzer!
Ich horche zu
Dem wind · begleiter meiner eitlen züge ·
Der weint und wandert durch die eichen weiter.
O seele mein · der abend trauert wegen heut.
O seele mein · der abend schauert wegen morgen.
O seele mein · dem abend bangt es wegen dir.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). George, Stefan. Gesamtausgabe der Werke. Zeitgenössische Dichter. Zweiter Teil. Frankreich. Henri de Regnier. Aus: Wie im Traum. Abschnitt. Abschnitt. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-C4C9-9