Graf Bothwell

[35]

Personen

Personen.


Maria, Königin von Schottland
Lennox, ihr Schwager
Moray, ihr unebenbürtiger Bruder
Graf Bothwell
Lady Bothwell, seine Gattin
Der Erzbischof von Dublin
Seton
Montgomery
Ashton, schottische Edelleute
Der englische Gesandte in Edinburg
John Craig, ein calvinistischer Prediger
Huntley, Vertrauter Bothwells
Damen der Königin, Volk, Soldaten, schottische Edelleute.

1. Akt

1. Szene
Erste Szene

Galerie im königlichen Schloss zu Edinburg. Es treten von verschiedenen Seiten auf Seton und Montgomery.


SETON.

Wohin so eilig, Lord Montgomery?
MONTGOMERY.
Zum Vorsaal Ihrer Majestät der Königin.
SETON.
Soeben war ich selber im Begriffe
Dorthin zu eilen. Aber sagt, Mylord,
Weshalb so zornig und so aufgeregt?
MONTGOMERY.
Nicht kann ich meinen Zorn beschwichtigen,
Sooft ich jenen Schändlichen erblicke.
Unfasslich ist mir's wie der freche Mörder
Die Stirne haben kann sich hier zu zeigen,
Obwohl doch die verruchte Mordtat klarliegt
Und alle ihn für schuldig hier erkennen,
Aus jedem Winkel in der Königsburg
Es drohend schreit: dies ist der Königsmörder.
Doch unbegreiflicher noch ist es mir,
Dass ihn die Königin nicht gleich ergreifen
Und ins Gefängnis werfen liess; statt dessen
Lässt sie ihn in dem Vollbesitze seines
Vermögens, seiner Ämter, seiner Würden
Und adelt durch ihr Nichthandeln und Schweigen
Gleichsam die freche, fluchbeladne Tat.
SETON.
Montgomery, Ihr seid der ärgste Feind
Graf Bothwells, und da Ihr ihn hasst, so findet
Ihr eben alles an ihm hassenswert.
[37] Was Euch so sehr in Unmut hat versetzt,
Rief grad in mir den ersten Zweifel wach,
Ob er vielleicht nicht doch unschuldig wäre.
Und dieser Euer blinder Hass macht Euch
Selbst gegen Eure Fürstin ungerecht.
Es stehet allerdings Graf Bothwell in
Dem dringendsten Verdacht, die blutge Tat
Veranlasst oder gar vollführt zu haben.
Doch auf den dringendsten Verdacht hin kann
Die Königin den schottschen Edelen
Und einflussreichsten Mann im Staate nicht
In Ketten werfen lassen. Hierüber
Muss ein genau Gericht gehalten werden
Mit strenger Untersuchung. Und zuletzt,
Wie könnt der Gattin Vorwürfe Ihr machen,
Die einsam ihres Mannes Tod beklagt
Und seit sechs Tagen keinen in Audienz
Als höchstens den geheimen Sekretär
Empfangen hat, ganz hingegeben nur
Dem bittren Schmerze, ohne etwas andres
Zu tuen und zu überlegen.
MONTGOMERY.
Seton,
Wie weit Ihr recht, wie weit Ihr Unrecht habt,
Darüber wollen wir uns jetzt nicht streiten.
Sie wird heut zeigen, ob die Trauer über
Den Hingeschiednen nur den Arm gelähmt
Und ihr den Geist erschlafft hat. Heut wo sie
Zum erstenmale wieder handeln will,
Lasst sehn uns, wie sie handeln wird.
Kommt jetzt, Mylord, die Stunde nahet sich,
Die zum Empfang den Pairs sie angesetzt.

Beide ab.

2. Szene
[38] Zweite Szene

Bothwell und Huntley von derselben Seite kommend.


HUNTLEY.
Ich halte alles für verloren, Bothwell.
Das einzge Mittel was Euch übrig bleibt
Ist schnelle Flucht. Noch haben wir die Zeit,
Ein Schiff liegt fertig in St. Andrews.
BOTHWELL.
Hältst du mich für so feige und so töricht,
Dass ich den Plan, der schon seit Jahren mir
Im Kopfe brennt, aufgeben soll, weil etwas
Gefährlicher wie sonst die Dinge stehen?
Dass ich das Feld hier räumen soll zur Freude
Für unsre Widersacher, zur Verachtung
Für unsre Freunde, die für mich und dieses
Gewagte Werk ihr Leben eingesetzt?
Wär das ein Lohn für ihre Treue, Huntley?
HUNTLEY.
Was aber hilft der Freund' und Feinde Achtung,
Wenn man durch des Gerichtes Ausspruch als des
Verrates und des Königsmordes schuldig
Den Hals dem Henker überliefern muss?
Jetzt sorge jeder für sich selbst. Ihr habt
In Schottland Eure Rolle ausgespielt.
Kommt, lasst von einem Freunde Euch beraten
Und flieht das Unheil solang Ihr noch könnt.
BOTHWELL.
Du hältst es für so leicht den Grafen Bothwell
Zum Blutgerüst zu bringen wie den Strauchdieb
Zum Galgen. So schnell brauch ich nicht zu zittern.
Und muss denn unbedingt ich schuldig sein?
Wer wagt es hier mich anzuklagen und
Wer kann mir die Beweise bringen, dass
Ich jene Tat vollführt? Wer kann's?
[39]
HUNTLEY.
Vertraut
Da nicht, wo nichts mehr zu vertrauen ist.
Ein jeder klagt Euch an im Königreich.
Habt Ihr vergessen jene grause Nacht?
Sechs Tage sind ja kaum seitdem verflossen,
Wo wilde Haufen des erregten Volks
Mit wütendem Geschrei die Stadt durchzogen
Und vor der Königin Palaste Euch
Als Mörder Darnleys laut bezichtigten,
Wie man an allen Strassenecken Euch
In riesigen aufreizenden Plakaten
Als den Vollführer von verfluchter Tat
Erklärt.
BOTHWELL.
Was kümmert mich des Volkes Haufen?
HUNTLEY.
Der grösste Teil des Adels, an der Spitze
Der alte Graf von Lennox fordert wütend
Des Mörders Einziehung und strenge Sühne.
Er ladet Euch vor des Gerichtes Schranken.
BOTHWELL.
Und bringe die Beweise.
HUNTLEY.
Und zuletzt
Hat man der Königin auch selber einen
Geringen Dienst getan. Furchtbare Rache
Schwur sie dem Mörder Darnleys, und man hat
Sie sicherlich schon überzeugt wo sie
Denselben suchen muss. Und bei dem allem
Wagt Ihr es in vermessnem Übermut
Das Schicksal auf die Probe noch zu stellen?
Ihr wollt die Stirne allen denen bieten
Die Euch des Mordes zeihen? Ihr erblickt
Das Schwert schon über Euerm Haupte schweben
Und wollt noch hoffen? Seid Ihr rasend, Bothwell?
BOTHWELL.
Ich bin nicht rasend. Stünden meine Dinge
[40] Noch zehnmal schlimmer, was der eine Wurf
Gewinns verspräche, schiene hoch genug mir,
Dagegen Leib und Leben einzusetzen.
Doch jetzt steh ich nicht vor dem Äussersten.
Ich fürchte nicht des Pöbels schmähend Schreien,
Ich fürchte nicht Graf Lennox' tolles Rasen,
Ich fürchte auch nicht des Gerichtes Schranken.
Ich bin schon über Grössres Herr geworden.
Das einzge was ich fürchten könnte ist,
Dass mich Maria selbst für schuldig hält.
Jetzt gleich geh ich zu ihr. Heut ist der erste
Tag an dem wieder sie Audienzen annimmt.
Ich werde ihr beteuern, sie bereden,
Dass ich vom Morde Darnleys nichts gewusst,
Ich mal ihr ihrer, meiner, Gegner Tücke,
Die nur bestrebt sei'n mich mit ihr zu stürzen,
Ich fordre für mich selbst ein streng Gericht.
Sie müsste denn kein Weib sein, wenn sie nicht
An meine Worte glaubt. Sei mutig, Huntley,
Kehr heim zu meinem Schlosse. Tröste meine
Gemahlin mir und ordne wie gewöhnlich
Die Angelegenheiten meiner Güter.
Siehst du mich nicht als Herrn in Schottland wieder,
Bin ich ein Stümper, und dann ist's noch Zeit
Zu fliehn. Doch fühlst du deinen Kopf nicht sicher,
So zwinge ich dich nicht.
HUNTLEY.
Ich hielt Euch stets
Für mutig und für kühn, nicht für vermessen,
Und dem Vermessnen hoff ich wenig Glück..
Doch harr ich aus. Ich habe nicht umsonst
Den Eid der Treue, Bothwell, Euch geschworen.
Sinkt Ihr dahin, so bin ich mitverloren.

Huntley ab.


BOTHWELL.
Das Beste hoff, leb wohl, auf Wiedersehn.
3. Szene
[41] Dritte Szene

Bothwell will abgehen, der englische Gesandte tritt ihm entgegen.


GESANDTER.
Dem Grafen Bothwell meinen untertän'gen
Gruss.
BOTHWELL.
Wie, Mylord, Euch seh ich wieder hier
In Edinburg?
GESANDTER.
Zu dienen. Es hat meine
Monarchin mich hierhergesandt, um wichtge
Geschäfte abzuschliessen neuerdings
Mit Ihrer Majestät der Königin
Von Schottland.
BOTHWELL.
Ah! Ich heisse Euch willkommen,
Mylord, soweit mich dieses angeht.

Will abgehen.


GESANDTER.
Kann
Ich einen Augenblick Euch sprechen, Graf?
BOTHWELL.
Ihr mich? Ich wüsste wahrlich nicht ...
GESANDTER.
Ich habe
Geheimen Auftrag meiner Königin
An Euch, den sie von jeher hochgeachtet
Als grössten Mann in Schottland, und sie will
Euch ihren Schutz und ihre Hülfe bieten.
In Eurer gegenwärtgen Lage, denkt sie,
Habt dessen Ihr vonnöten. Und wenn Ihr
In Schottland wieder fest am Ruder sitzt,
So könnet Ihr
BOTHWELL.
Mylord, sagt Eurer Herrin,
Dass ihr Vertrauen maasslos mich geehrt,
Dass hoch ich ihre Freundlichkeiten schätze,
Dass ich jedoch hievon in keiner Weise
Gebrauch zu machen wünsche. Saget ihr,
Dass ich am liebsten auf mich selber baue
[42] Und nur mir selber gern mein Schicksal danke.
Und saget ferner, es sei meine Meinung,
Dass englische Gesandte hier in Schottland
Nur Übel angerichtet und Verwirrung.
Ich bin zu sehr beschäftigt eben, Mylord,
Sie werden meine Kürze darum gütigst
Entschuldgen müssen.

Geht mit Verbeugung ab.

4. Szene
Vierte Szene

Der englische Gesandte allein.


Der verwegne Schotte!
Selbst in dem Augenblicke noch bewahrt
Er seinen ungemessnen Stolz, wo er
Am Abgrund steht auf jener steilen Höhe,
Die nach dem kühnsten Wagnis er erstiegen,
Wo ihn im Handumdrehn des Glückes Spiel
Herniederreissen kann. An ihm erprobe
Ich meine Überredungskunst vergebens;
Soweit der Auftrag meiner Königin
Auf ihn Bezug hat wird's nicht möglich sein
Denselben auszuführen.
Dafür aber
Will ich in andrer Hinsicht desto besser
Ihm nachzukommen suchen. Die Barone
Von Tylibardein und von Arlington,
Vor allem auch Mariens eigner Bruder
Graf Moray, auch Glencair und Ashton sind
Auf unsrer Seite, und mit Klugheit werde
Ich sicherlich noch mehr herüberziehen.
Jetzt muss ich, eh mich noch die Königin
Empfangen wird, erst meinen treusten Diener
Und besten Förderer unsrer Sache suchen.
[43] John Craig vermag mit seiner Zunge mehr
Als fünfundzwanzig Lords mit ihren Schwertern.
Mit seiner Hülfe kann ich viel erreichen.
Zwar sehe ich mit jeder Stunde mehr
Ein, dass mein Auftrag, wenn auch ehrenvoll,
Nicht allzu sehr im Einklang scheint zu stehn,
Infolge seiner Grösse und Bedeutung,
Mit strenger Rechtlichkeit. Doch was soll ich
Hierum mich kümmeren? Man kann den Stein
Zur Rechenschaft nicht ziehn, der listig aus
Dem Hinterhalte abgeschossen ward –
Man such und richte den, der ihn geschnellt.
Ich bin von meiner Königin gesandt.
Was ich hier tu, tu ich in ihrem Willen,
Mein Amt ist's nur, ihn treulich zu erfüllen.

Ab.

5. Szene
Fünfte Szene

Zimmer der Königin im Palaste zu Edinburg. Maria allein.


MARIA.
Nachdem der ersten Schmerzen Ausbruch sich
Gelegt, muss ich nun wieder an die Staatsgeschäfte,
An meine Pflichten denken. Meine Lords
Erinnerten mich daran.

Schellt. Ein Diener, der sogleich wieder abgeht.


Geh, verkünde
Den Herrn im Vorsaal, dass ich sie erwarte.
6. Szene
[44] Sechste Szene

Es treten ein Graf Lennox, Moray, Ashton, Seton, Montgomery und der Sekretär der Königin.


MARIA.
Willkommen, edle Lords, Sie haben mich
Um eine Audienz gebeten. Nun,
Ich bin bereit zu hören. Lieber Lennox ...

Sich setzend.


LENNOX.
Erhabne Königin, ich bitte um
Gerechtigkeit. Schon eine Woche ist
Verflossen, seit die freche Mörderhand
Euch Euren Gatten, mir den Sohn geraubt,
Dass sein zerstückter Leichnam draussen auf
Den Feldern vor der Stadt gefunden ward,
Und noch ist nichts geschehn für die Bestrafung
Des Mörders. Frech tritt er die Schwellen des
Palastes, spottet meines herben Schmerzes
Und der Gerechtigkeit und der Vergeltung.
Das schlägt stets neue Wunden meinem Herzen,
Das halb verblutet schon bei jenem Anblick.
MARIA.
Mylord, glaubt, dass der Gattin Schmerzen über
Den Toten nicht geringer sind als die des Vaters,
Dass ich nicht minder den Gemahl will rächen
Wie Ihr den Sohn. Ein bittrer Vorwurf klingt
Aus Eurer Rede und ein ungerechter.
Sogleich nach meines Gatten Tode habe
Ich alle Mittel angewendet um der
Verruchten Bluttat auf die Spur zu kommen,
Doch konnt ich nichts Bestimmtes noch entdecken.
Habt Ihr vielleicht die unumstösslichen
Beweise und die untrüglichsten Zeugen,
Wohlan, Mylord, zeigt mir sie und erklärt:
Dies ist der Täter, und ich werde keine
[45] Minute zögeren ihn festzunehmen.
LENNOX.
Ich kann dies allerdings nicht, Königin,
Doch hoffe ich sie Euch in kurzer Zeit
In Eure Hand zu legen. Aber wer
Gibt mir dann die Versichrung, dass der noch
Zu finden ist und dass er nicht sein Heil
Längst in der Flucht gesucht?
MARIA.
Ich selbst.
Ich kenne Bothwell besser noch als Ihr.
Graf Bothwell fliehet nicht ... Es hat Euch die
Erfahrung dies gelehrt. Doch denket Ihr,
Er kann leicht seinen Entschluss änderen,
Wenn er mit jedem Tage mehr erkennt,
Wie schlimm und drohend seine Lage ist.
Gut, Ihr mögt recht haben, Graf Lennox. Ich
Will dem zuvorzukommen suchen, will
Verbieten ihm, die Mauern zu verlassen,
Und ihm Spione stellen, die sogleich
Beim ersten Fluchtversuche, den er wagt,
Mit Ketten ihn beladen und, wenn er
Zur Wehr sich setzet, ihn durchbohren sollen.
Lesington, fertiget das Schriftstück aus
Und übergebt die Abschrift Bothwell selbst.
So werd ich Euch befriedigt haben, Graf.
Lord Ashton, was habt Ihr mir zu berichten?
ASHTON.
Ruhmreiche Königin! Verzeihet wenn
Zum Heile Schottlands etwas frei ich rede.
Nicht klein ist Bothwells Anhang, aber den
Bei weitem grössten Teil der Ritterschaft
Hat er zu Feinden sich gemacht durch sein
Hochmütig, herrschsüchtig und frech Benehmen.
Sehr viele hat sogar er schon geschädigt.
Auch in dem Volke hasst man seinen Namen,
[46] Wie wir erst kürzlich alle sehen konnten.
Wenn er nun auch am furchtbarsten Verbrechen
Nicht schuldig ist, macht allgemeiner Hass
Ihn unwert, an der Spitze eines Volkes
Zu stehn, mit wichtgen Ämtern überladen.
Um unsrem Lande seinen vollen Frieden
Und seine Ruhe wieder zu verleihen,
Ist es vor allem nötig, Königin,
Dass jener Stein, an dem fast alle Anstoss
Genommen und stets nehmen müssen, aus
Dem Weg geräumt werde, um jeden Preis.
MARIA.
Lord Ashton, für die Sorge, die Ihr tragt
Um Euer Vaterland, sag ich Euch in
Des Vaterlandes Namen Dank. Es wird
In aller Bälde die Gerichtssitzung
Stattfinden über den Verbrecher, der
In jeder Hinsicht ja gefährlich scheint.
Graf Lennox wird des Mords Beweise bringen,
Und auch Ihr, Ashton, Eure Anklagen.
Ein unparteilich strenges Urteil wird
Gefällt. Euer Gerechtigkeitsgefühl,
Mylord, soll keineswegs beleidigt werden.
SETON.
Und was befehlt Ihr, dass zur Dämpfung der
Entstandenen Empörung wir beginnen?
Solln wir mit der Gewalt der Waffen sie
MARIA.
Nein, Seton, wartet, nur nicht gleich die Waffen.
Lasst erst uns sehen, was die freundliche
Ermahnung über sie vermag. Vielleicht
Dass sie der Klugheit Stimme folgen werden.
Doch sorgt, dass baldigst unsre Boten abgehn.

Alle ausser Moray ab.

7. Szene
[47] Siebente Szene

Maria und ihr Stiefbruder Moray.


MARIA.
Und was ist dein besondrer Wunsch, mein Bruder?
MORAY.
Maria, ich hab dir nur zu verkünden,
Dass ich den Plan gefasst, Schottland in kurzer
Zeit zu verlassen, da ich eingesehn,
Welch jämmerliche Rolle ich hier spiele,
Dass ich für nichts geachtet bin. Ein Fremder
Wird mich vielleicht für tauglicher befinden
Als meine Schwester mich befindet.
MARIA.
Bruder,
Was treibt dich, solchen Vorwurf mir zu machen?
MORAY.
Nachdem mit jenem lästgen Schwachkopf du
Den Ehebund geschlossen, wurde ich
Zurückgestossen in den tiefsten Winkel
Trotz meiner Abstammung und meines Namens.
Und als du deines Gatten unverschämten
Und rohen Sinn erkannt, da hoffte ich
Für mich auf bessre Zeiten, aber du
Warfst dich in eines andren Arme, der
Nicht minder meinen Einfluss weggeschoben,
Und jetzt, obgleich er deinen Mann ermordet,
Seh ich wie du ihm noch die Stange hältst.
MARIA.
O Bruder
MORAY.
Zeige dich nicht so bestürzt.
Ich habe lang genug geschwiegen und
Den tiefen Groll in meiner Brust verschlossen,
Und hättest du daraus nicht folgern sollen,
Dass ich gebilligt, wenn du mich beleidigt.
Du hast jetzt die Gewalt, und ich muss dulden
[48] Solang ich hier bin, und da ich nicht mehr
Es dulden will, so muss ich mich entfernen.
MARIA.
Höre,
Wir wollen mit einander Frieden schliessen.
Sag mir, was du verlangst. Soweit ich es
Vermag, will ich dir gern gefällig sein,
Nur jetzt verlass mich nicht.
MORAY.
Ich soll dir die
Bedingungen zu unsrem Frieden nennen?
Du kennst sie selbst so gut wie ich sie kenne.
Vor allem schaffe jenen Eindringling
Hinweg und setze mich an seine Stelle,
Mit keiner Einschränkung und Schmälerung,
Wie mir es zukommt. Und wie längst erklärt,
Bewirkst du das Gesetz kraft dessen ich
Und meine Nachkommen ...
MARIA.
Halt ein! nicht weiter.
Zu solcher Ungerechtigkeit kann ich
Mich nie verstehn, wenn auch zu allem andern.
Was haben uns die Hamiltons getan,
Welch schrecklichen Verbrechens sind sie schuldig,
Dass du sie ausgeschlossen haben willst
Von Schottlands Thron? Nie, Bruder, wären wir
Dorthin gelangt, wenn solche ungerechten
Gesetze unsre Vorgänger geschaffen
Und angewendet hätten. Nur damit
Ich deine Herrscherlüste stille, soll ich
Das gute Recht der Hamiltons verletzen?
MORAY.
Nicht weil es gegen die Gerechtigkeit
Verstösst, verweigerst du mir meinen Wunsch.
Es ist der Thronen Vorrecht stets gewesen,
Dass alles sie zum Rechte machen können.
Nein, etwas andres ist es das dich leitet.
Wenn du die Ansprüche mir auf den Thron
Verschafft, so fürchtest meinen Einfluss du
[49] Und meine grössre Macht, mein grössres Ansehn.
Du fürchtest grössre Rücksichten auf mich
Nehmen zu müssen wie du früher tatest.
Du fürchtest dass ich deiner Laune, die
Dem Abenteuerlichen immer nachjagt,
Ein wenig Halt gebieten könnte.
Ja wenn du jetzt auch diesen Schurken
Hinwegräumst, wenn dir der Gedanke
Gekommen, dass es besser sei, dem Bruder
Sich zu vertrauen als dem Fremden, der
Nur seinen Vorteil zieht aus deiner Schwachheit
Und schmeichelnd desto ärger dich betrügt,
Wenn du vielleicht dies heute eingesehn,
Wer sagt mir, dass du morgen nicht, getrieben
Von einer neuen Grille, einem andren
Der durch sein zierliches Gesicht, mit seinem
Süssflötenden Geschwätze dich berückt,
Blindlings dich hingibst..
MARIA.
Wenn auch noch so sehr
Du mich mit Vorwürfen beleidigst und dich
Bemühst für meine reinen Absichten
Für meine so gerechte Handlungsweise
Die niedrigsten Beweggründe zu finden,
Wenn du auch in dem Herzen überzeugt bist,
Dass jene Handlungsweise niedrig sei,
Ich kann aus diesem Grunde sie nicht ändern.
Nie werde ich mich dazu je verstehen,
Was du verlangst, ins Werk zu setzen.
MORAY.
Ist dies
Dein letztes Wort, Maria?
MARIA.
Es muss es
Sein.
MORAY.
Gut, es muss es sein. So muss auch ich den Plan
Den ich gefasst, verwirklichen. Ich gehe,
Vertrieben gleichsam durch dein eigensinnig
[50] Und törichtes Benehmen. Ich muss weichen,
Und nicht so schnell belästig ich dich wieder.
Doch merke dir, Maria, wenn wir uns
Je wiedersehn, ist dies für dich kein freudges
Ereignis: dann sollst du mit Bitterkeit
An diese Stunde denken.
MARIA.
Bruder, halt ....

Moray ab.

8. Szene
Achte Szene

Maria allein.


Was bitte ich noch? Ach, der Undankbare!
Aus jener Nacht, in die entehrende
Geburt ihn hingeschleudert, hab ich ihn
Entrissen und wie meinen Bruder stets
Behandelt, wenn er auch entsprossen war
Aus unerlaubtem Bett. Ich habe ihn
Geehrt, ihn mit Vertrauen überladen,
Doch o wie schlecht hat er mir Dank gewusst.
Er suchte mich zur Ungerechtigkeit
Zu bringen. Recht und Sitte sollt ich ändern
Um ihn emporzuheben. Jetzt erbittet
Er wieder von mir, was er längst verscherzt,
Verlangt von neuem ungerechte Handlung,
Versucht sogar es mit Beleidigungen
Und Drohungen. Was trieb ihn an zu solchem
Vermessnen Übermut?
Und wie verwandtschaftlich
Mein Schwager sich benimmt, wie er mich anklagt,
Wie jene Lords so kecklich reden, wie
Im Lande wieder Unruhen entstehn,
Was ist von allem dem der Grund? Ich dachte
Wohl, dass die Dinge eine andre Wendung
[51] Jetzt nehmen müssten, doch dass dies so schnell
Eintreffen würde, hab ich nicht erwartet.
Es geht mit diesen Lords wie mit den Hunden
Von wilder und von bissiger Natur:
Solang die Peitsche an dem Nagel hängt,
Sind sie zu zügeln und zu leiten, doch
Wenn sie den wuchtgen Stock zerbrochen sehn,
Erheben sie voll Frechheit ihre Köpfe.
Er nur war's, der die Zügel anzulegen
Verstand für jene Zügellosen, und
Mit seinem Sturze brechen sie hervor –
Ein Weib genügt da nicht sie aufzuhalten –
Und werden anmaassend, erheben sich,
Und trennen von der Königsmacht soviel,
Bis sie zum Spielball wird in ihren Händen,
Zum Spielball ihrer Launen und Begierden.
9. Szene
Neunte Szene

Bothwell eintretend und Maria.


BOTHWELL.
Verzeiht, erhabne Königin, ich hab mir
Den Weg hierher gebahnt. Wenn alle Ihr
Anhört, so müsset Ihr auch mich vernehmen.
MARIA.
Wie, du Verwegner, wagest es vor meinem
Antlitze zu erscheinen, den man mir
Als Mörder meines Gatten nennt und anklagt?
Hinweg aus meinen Augen, du Verruchter!
BOTHWELL.
Das wusst ich allerdings nicht, Königin,
Dass mit des niedren Pöbels Schreien und
Dem lästernden Geschwätze meiner Feinde
[52] Allein Ihr überredet werden könntet –
Ich dachte andres von Maria.
MARIA.
Wie?
Du wagst es noch zu leugnen? ha!
Wenn ich dich sehe, zeigt sich unwillkürlich
Mir meines Gatten blutig Bild, den Ihr
Der Himmel weiss aus welchem Grund ermordet.
Hinweg!
BOTHWELL.
Der Ausbruch Eures Zornes gegen
Den, den für Eures Gatten Mörder Ihr
Erkennt, scheint billig mir. Doch nennt Ihr das
Gerechtigkeit, wenn allen Klägern man
Gehör gibt, glaubt, dagegen den Beklagten
Nicht einmal vorlässt, ohne ihn zu hören
Ihn voller Zorn hinwegjagt? Königin,
So ungerecht seid niemals Ihr gewesen.
MARIA.
So sprecht.
BOTHWELL.
Was soll ich mich, o Königin,
Entschuldgen, dass ich jene blutge Tat
Nicht angestiftet und nicht ausgeführt?
Soll ich Euch auseinandersetzen, dass
So gut wie ich noch viele andere
In dem Verdachte stehen können? nein,
Ihr werdet jetzo meiner Rede nicht
Beachtung schenken und für Lug sie halten.
Wenn an dem kommenden Gerichtstage
Graf Lennox seine Anklage erhebt
Und das Gericht genau die Sache prüft,
So wird es klar werden, dass die Beweise,
Die er Euch bringen will, nur Scheinbeweise
Und Gaukeleien sind, die blinder Hass
Und Neid für Wahres ihn erklären hiess.
Dann wird es offen, dass mir grosses Unrecht
Geschehen und dass ich nicht schuldig bin.
Betrachtet meine Kläger nur, Maria,
[53] Des Volkes neidschen Haufen und die Lords,
Die Übermütigen, die nur bestrebt sind
Die Königin von ihrem treusten Diener
Zu scheiden, um dann selbst nach ihrer Willkür
Das Reich zu lenken und zu ihrem Vorteil,
Zu Schottlands aber und der Schotten Unglück..
Betrachtet sie, Maria, und dann zweifelt
Noch, welche Gründe jene leiteten,
Als sie zum Mörder Darnleys mich erklärten.
MARIA.
Für jetzt erklärt die allgemeine Stimme
Für schuldig Euch. Euch trifft am ersten der
Verdacht; nicht kann ich ihn in mir verscheuchen.
Seid Ihr nicht schuldig, so wird das Gericht
Zu Eurer vollen Ehr Euch wieder bringen
Und Eurer Gegner Tücke niederschlagen.
Doch solang müsset Ihr der Täter sein. –
Noch eine Maassregel, die freilich Euch
Sehr bitter kränken muss, wenn rein Ihr seid,
War ich zu treffen angetrieben, Bothwell.
Ihr dürft bei Todesstrafe nicht die Mauern
Von Edinburg verlassen. Lesington
Wird Euch das weitre hierüber verkünden.
Auch rate ich, von dem Palast Euch fern
Zu halten für die kurze Zeit. Jetzt geht
Und handelet nach meinem Willen. Geht.
Ist eine Kränkung widerfahren Euch,
So werd ich gern sie zehnmal Euch vergüten.
Geb es der Himmel, dass ich das Vertrauen
Das ich Euch geb, das niemals gänzlich Ihr
Verlort, an keinen Unwürdgen verschleudert.
BOTHWELL.
Jetzt kenn ich meine gnädge Fürstin wieder.
Gern folg ich Euren Wünschen und Befehlen,
Gern will ich jene Prüfungszeit erdulden.

Ab.

10. Szene
[54] Zehnte Szene

Maria allein.


Dämonisch fühl ich mich mit ihm verbunden.
An seinem Loos hängt gleichsam auch das meine.
Bist du an dem unmenschlichen und mir
Ganz unbegreiflichen Verbrechen schuldig,
So wird man dir das Blutgerüst errichten
Und mir zugleich Gewalt und Glanz vernichten.
Doch wenn am Mord du keine Schuld besitzest
Und spricht dich der Gerichtshof frei davon,
Wenn du mit mächtger Hand mich wieder stützest,
So steh ich sicher auch auf Schottlands Thron.
[55]

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). George, Stefan. Sonstige Werke. Graf Bothwell [Dramatisches Fragement]. Graf Bothwell [Dramatisches Fragement]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-C781-2