[118] VICTOR * ADALBERT

V: Was über unsrer sonnenseligkeit
Im schönen bergland als ein schatten lag
Den froh wir scheuchten – sag nun deine trauer!
A: Da alles volk noch eitle hoffnung nährt
Seh ich in solches wirrsal solches graun
Schon drohend nah – dass ichs nicht teilen mag.
V: Nur mehr gefahr soll uns nur mehr erweisen.
A: Gefahren hab ich lang genug getrozt
Genug im mord gestampft – seit ich genas
Und zur besinnung kam bin ich gewiss
Dass dies ein wahnwitz der mit wahnwitz schliesst
Und dass ich bei dem nächsten eisenhagel
Als erster sinke – lieber scheid ich frei.
V: Doch das ist flucht und flucht ist feig.
A: Für den
Der mit dem leben geizt · das tu ich nicht ..
[119]
V: Du greifst den Göttern vor – sprichst nicht mehr fromm.
A: Sie selber gaben mir das andre auge.
V: Gemahnt ich dich wen all du weinend lässest
Und triffst – wie tief – durch ein unfassbar tun:
So schweigte mich dein wuchtigeres wort.
Doch woher nimmst du · träger du der weihe
Dies recht des raubs?
A: Weil ich die weihe trage
Grad darum will ich mein gesetz erfüllen
Darf ich nichts tun was mich zum mindren macht ·
Mir ziemt ein sturz nicht mehr durch blinden zustoss
Sowenig wie ein dasein langsam welkend
Im kommenden unsäglichen zerfall.
Wenn wir noch bleiben werden wir verwesen ..
Wenn jezt wir frank und stolz die erde lassen
Wird uns der lichte wandel nicht benommen
Werden wir blühen wie die ewigen sterne ..
V: Teurer · begreifst du mich jezt ein? So hör:
Wie sehr dein stärkrer odem mich durchregt
Ich kann mit deinem blick nicht sehn .. dein zwang
Ist nicht mein zwang · an deiner seite wacht ich
Und schlief den schönsten frühling ohne sorge.
Nur manchmal schien seit unsrer lezten einung
Dass etwas dünnres uns umweht als luft
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Dass etwas leichtres in uns pulst als blut.
A: Ich will nicht bitten und ich darf nicht binden
Folgst du nicht meinem – nein – dem andren ruf
So weiss ich sicher deine lippen blassen
Eh noch die gräser gilben. Sieh ich zittre!
In wirklichkeit vermag ichs nicht zu schaun ..
V: So bangt dir nach den wunderbaren stunden
Voll reichtum und voll glanz.
A: Nun ist die wende!
V: Dort liegt der Hexenberg in falbem schein
's ist zeit der grausen tänze .. Eh du · Wilder ·
Nochmals so redest warte bis zum neumond!
A: Du kind machst scherz am grab · der dunkelgeist
Der in mir waltet kennt nicht solchen spuk.
Was unersättigt in mir tobt – du rätst es ..
V: Wirst du auch gehen ohne mich?
A: Ich muss.
V: Ob die gemeinsam langen strahlen-morgen
Ob diese heissen abende im tal
Die heitre ruhe während welten bersten
Zuviel an glück nicht war für erdensöhne
Ob dies nicht sühne heischt – ich weiss es nicht ..
Ob eine andre not als die wir kennen
Die düstre tat befiehlt – ich weiss es nicht.
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Ich spüre keinen götterwink für mich.
Doch glaub ich alles dir was für Dich gilt ..
Und bleibe treu dem schwur der uns verbunden
Im jünglingsjahr den immer wir besiegelt ..
Ich bin untrennbar mit dir · seis auch schuld ·
Und wenn nach deinem schicksal du beschlossen
Durchs dunkle tor zu gehn: so nimm mich mit!
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TextGrid Repository (2012). George, Stefan. Gesamtausgabe der Werke. Das Neue Reich. Sprüche. An die Toten. Victor * Adalbert. Victor * Adalbert. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-CB93-9