[17] AUS: LIEDER OHNE WORTE
VERGESSENE WEISEN

I

Dies ist die müde verzückung ·
Dies ist der liebe bedrückung ·
Dies ist aller wälder gesang
Unter dem kusse der winde ·
Dies ist durch des laubes gewinde
Der kleinen stimmen klang.
O schwaches und frisches flüstern!
Das murmelt und zwitschert im düstern ·
Das ähnelt dem sanften moll:
Dem hauch auf bewegtem korne –
Und fast auf dem ringligen borne
Der kiesel dumpfem geroll.
Die seele die leidende zage
In dieser schläfernden klage
Es ist die unsere · nicht?
Die meine sprich! und die deine ·
Aus ihnen flieht leise der reine
Psalm in das abendlicht.

[18] II

Ich ahne hinter leisem geraun
In feinem umriss alte stimmen
Und in dem tönevollen glimmen ·
Bleiches lieb · ein neues morgengraun.
Herz und seele – in wahnesschleiern –
Sind nur noch ein zwiefach gesicht
Wo zitternd durch trübes licht
Das liedchen dringt von allen leiern.
O stürben wir sacht so dahin!
Lass jahr und tag im gegaukel
Beängstigtes lieb! nur entfliehn –
O sterben auf dieser schaukel.

[19] III

Es tränet in mein herz
Wie es tropft auf die häuser ·
Was für ein sehnender schmerz
Dringt mir ins herz!
Ein sanftes geräusch ist der regen
Auf dem boden auf dem dach.
Für ein herz das die leiden bewegen –
O wie singt der regen!
Es regnet ohne grund
Im herzen das sich verzehret.
Was? kein verrat ward ihm kund?
Die trauer ist ohne grund.
Das sind die ärgsten peinen:
Nicht zu wissen warum ..
Liebe keine – hass keinen –
Mein herz hat solche peinen.

[20] IV

Wir müssen – siehst du – uns versöhnlich einen:
So können wir noch beide glücklich werden ·
Und trifft auch manches trübe uns auf erden:
Sind wir doch immer – nicht wahr? zwei die weinen.
Vermischen wir mit unsren wirren drängen ·
Verschwistert herz · das kindische belieben
Uns fern zu halten von der menschen gängen
Und frisch vergessen was uns weggetrieben.
Wir wollen kindern · jungen mädchen gleichen ·
Den herzen die um nichts verwundert pochen ·
Die unter keuschem blätterdache bleichen
Und wissen sich nicht einmal losgesprochen.

[21] IX

Die schatten der bäume in umnebelten wogen
Wie rauch verzogen!
Und oben in lüften in dem wirklichen laube
Klagt eine taube.
Wie blicken · wandrer · auf dich diese blassen wasser –
Dich selber noch blasser!
Wie traurig weint es in dem hohen laube:
Dein ertränkter glaube!

[22] SPLEEN

Ganz rot die rosen blinken ·
Der efeu ist schwarz wie die nacht.
Teure · wenn leis du nur winkest
Die alte verzweiflung erwacht.
Zu zart und zu blau war der himmel
Zu mild die luft und zu grün die bucht.
Ich erwarte – ich fürcht es immer –
Von dir eine schreckliche flucht.
Den leuchtenden buchs bin ich müde
Des hulstes gefirnisstes dach
Die endlos weiten gefilde
Und alles – dich nur nicht – ach!

[23] GREEN

Hier siehst du blätter früchte blumenspenden
Und hier mein herz · es schlägt für dich allein!
Zerreiss es nicht mit deinen weissen händen!
Lass dir die kleine gabe teuer sein.
Ich komme eben ganz von tau noch blinkend
Den kühler wind an meiner stirn gefriert ·
Geruhe dass sie dir zu füssen sinkend
In teurer rast die müdigkeit verliert.
Mein haupt noch dröhnend von den lezten küssen
Lass michs an deinen jungen busen tun
Dass es genest von starken wettergüssen
Und lass mich da du schläfst ein wenig ruhn!

[24] VÖGEL IN DER NACHT

*

Was verlier ich mich in eitler klage!
Da ich weiss du liebst mich nicht: ists gut.
Dass mich keiner zu bedauern wage
Will ich leiden mit entschlossnem mut.
Ja ich leide da ich dich geliebt ·
Doch ich halte wie ein krieger stand
Der noch liebe voll sein leben gibt
Blutend für ein undankbares land.
Du in der ich liebe · schönheit fand ·
Trifft auch all mein kummer mich durch dich·
Bleibst du immer doch mein vaterland
Wie mein Frankreich toll und jugendlich.

[25] *

Ich gleiche manchmal einem armen schiffe ·
Es läuft entmastet mitten durch die stürme ·
Es sieht kein licht auf Unsrer Frauen türme
Und wartet betend auf den tod am riffe.
Und manchmal leide ich wie jener böse
Der sich verdammt weiss wenn er nicht bekennt ·
Der nicht mehr hofft dass ihn ein priester löse
Und schon im vorgefühl der hölle brennt.
Doch manchmal ach! mich fromme brunst belebt
Des ersten christen vor dem strafgerichte:
Er lächelt seinem heiland zu · ihm bebt
Kein haar am leib · kein nerv im angesichte.

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). George, Stefan. Aus: Lieder ohne Worte. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-D294-0