[104] AUF DAS LEBEN UND DEN TOD MAXIMINS: DAS ERSTE

Ihr hattet augen trüb durch ferne träume
Und sorgtet nicht mehr um das heilige lehn.
Ihr fühltet endes-hauch durch alle räume –
Nun hebt das haupt! denn euch ist heil geschehn.
In eurem schleppenden und kalten jahre
Brach nun ein frühling neuer wunder aus ·
Mit blumiger hand · mit schimmer um die haare
Erschien ein gott und trat zu euch ins haus.
Vereint euch froh da ihr nicht mehr beklommen
Vor lang verwichner pracht erröten müsst:
Auch ihr habt eines gottes ruf vernommen
Und eines gottes mund hat euch geküsst.
Nun klagt nicht mehr – denn auch ihr wart erkoren –
Dass eure tage unerfüllt entschwebt ...
Preist eure stadt die einen gott geboren!
Preist eure zeit in der ein gott gelebt!

[105] DAS ZWEITE: WALLFAHRT

Im trostlos graden zug von gleis und mauer
Im emsigen gewirr von hof und stiege –
Was sucht der fremde mit ehrfürchtigem schauer?..
Hier · Bringer unsres heils! stand deine wiege.
Im längs umbauten viereck wo die flecken
Von gras durchs pflaster ziehen und verschroben
Bei magren blumen die verschnittnen hecken:
Hast du zuerst den blick im licht erhoben.
[106]
Wie staubt der platz! von welchem lärme pocht er!
Getrab von tritten und geroll von wagen ...
Wie ihre last Maria Annens tochter
Hat hier die mutter dich verkannt getragen.
Nur einst als frühling war fiel grau und silbern
Vom himmel tau und sprühte duftige funken
Und allen kindern haben blau und silbern
Die magren blumen lächelnd zugewunken.
Dies allen gleiche haus ist ziel der reise.
Wir sehn entblössten haupts die nackte halle
Aus der du in die welt zogst ... Sind drei weise
Doch einst dem stern gefolgt zu einem stalle!

[107] DAS DRITTE

Du wachst über uns
in deiner unnahbaren glorie:
Schon wurdest du eins
mit dem Wort das von oben uns sprach.
Wir fragen bei all
unsren schritten des tags deine milde.
So macht ihr diener
das lächeln der könige reich.
Doch senkt sich der abend
in der dir geweihten memorie:
Dann zittert die sehnsucht
dann greifen die arme dir nach ·
Dann drängen die lippen
zu deinem noch menschlichen bilde
Als wärst du noch unter uns ·
wärst uns noch – Herrlicher! gleich.

[108] DAS VIERTE

Klingen schon hörtest du obere chöre ·
Batest um ruhe vor unsrem geschwärm
Dass es · Verwandelter · dich nicht empöre –
Und uns verweisend entflohst du dem lärm.
Du schon geweiht für die ruhe des siebten
Warst unsrem tag ein entfernter genoss ..
Nur dieses zeichen verblieb den geliebten
Dass unsrer erde nicht ganz dich verdross:
Als schon dein fuss nach den sternen sich sezte
Hat noch ein unterer strahl dich durchbohrt ·
Während dein himmlisches auge sich nezte
Klang deine stimme von trauer umflort:
»Frühling · wie niemals verlockst du mich heuer!
Dürft ich noch einmal die knospenden mai'n
Einmal noch sehen mit euch die mir teuer
Lieblichste blumen am irdischen rain!«

[109] DAS FUENFTE: ERHEBUNG

Du rufst uns an · uns weinende im finstern:
Auf! tore allesamt!
Verlöschen muss der kerzen bleiches glinstern ·
Nun schliesst das totenamt!
Was du zu deines erdentags begehung
Gespendet licht und stark
Das biete jeder dar zur auferstehung
Bis du aus unsrem mark
Aus aller schöne der wir uns entsonnen
Die ständig in uns blizt
Und aus des sehnens zuruf leib gewonnen
Und lächelnd vor uns trittst.
[110]
Du warst für uns in frostiger lichter glosen
Der brand im dornenstrauch ·
Du warst der spender unverwelkter rosen
Du gingst vorm lenzeshauch.
Mit deiner neuen form uns zu versöhnen
Sie singend benedein ·
Vom zug der schatten die nichts tun als stöhnen
Dich und uns selbst befrein ·
Die schmerzen bändigen die uns zerrütten –
Gebeut dein feurig wehn
Und soviel blumen hinzuschütten
Dass wir dein grab nicht sehn.

[111] DAS SECHSTE

Du freudenbote führtest weiland
Durch einen winter grames voll
Mich in ein wunderbares eiland
Das ganz von blüt und knospe quoll.
Verborgne fülle deiner güter
Entdecktest du dem Einen hier
Und deine liebe ward dem hüter
Und deines eignen blühens zier.
Im hain rief wach der feierfrohe
Der erstlingsopfer fromme hast
Von deren frühgeschauter lohe
Im sinn mir blieb nur schwacher glast
[112]
In trockne scheiter flog der bolzen
Des Helfers mit entflammtem schwung ·
Zerspaltne feuer all verschmolzen
Im streben nach vergöttlichung.
Ich sah vom berg aus ein erneuter
Wonach mein drang umsonst gefragt:
Das Fernenland – du warst der deuter
Da es aus nebeln mir getagt.
Rein blinkten unsre tempelbögen:
Du blicktest auf .. da floh voll scham
Was unrein war zu seinen trögen ·
Da blieb nur wer als priester kam ...
Nun dringt dein name durch die weiten
Zu läutern unser herz und hirn ..
Am dunklen grund der ewigkeiten
Entsteigt durch mich nun dein gestirn.

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). George, Stefan. Auf das Leben und den Tod Maximins. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-D2DE-C