[30] PREISGEDICHTE AUF EINIGE JUNGE MANNER UND FRAUEN DIESER ZEIT

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AN DAMON

Dass du mir nimmer mein Damon den heiligen winter
Aus dem gedächtnis verlierst
Und unser haus an dem nördlichen hügel · die stätte
Neuen und einsamen glücks.
Marmorne bilder verzierten sie · göttliche nacktheit
Die wir bestaunt und verehrt.
Innen erzählten wir oder du lasest von kämpfen
Und von der sehnenden lust
Mit einer zarten doch klangvollen stimme und feuer
Summte zum machtlosen wind.
Lamia · schweigsam uns dienende · mahnte zum tranke ·
Lamia die uns geliebt.
Stets im verkehre mit himmlischen dingen umfloss uns
Etwas wie himmlischer glanz
Und da wir jeder befeindenden störung entwichen
Sinneverklärende ruh.
Aber beim tauen der märzlichen lüfte – warum nur –
Stiegen wir wieder herab
In die gepriesenen hallen und wimmelnden plätze ·
Sterblichen wesen verwandt.

[33] AN MENIPPA

Menippa! wenn auch deines auges sich bewusster glanz
Wie früher noch mich lockt: verstreichen liessest du die frist
Wo du mich hättest lenken können einem kinde gleich
Wo jedes deiner worte mir ein süsser hauch gedäucht
Und jeder deiner mäkel nur ein frischer reiz · mir gilt
Nun vor der deinen die gebärde jener tänzerin ·
Kein wunderding erscheint mir mehr die narbe deines kinns
Und wenig bin ich in gefahr an deiner seite ob
Du auch bei unsrem gange unter dunklen uferbäumen
Den sklaven fortbefohlen der vor uns die fackel trug.

[34] AN MENIPPA

Die lämmer für den dienst der götter seien rein von flecken.
Das andre weisst du: dass die schar der müssigen und eitlen
Zerstiebt vor deiner zunge schärfe · meinen geist zu wetzen
Nur deiner taugt · ich jüngst vor dir gestockt · dein haar verglichen
Mit dem der fürstin das berühmt nun unter sternen flimmert.
Doch seh ich dich im staub und regen unsrer tage schreiten
(Nicht unterschieden von gespielen die du doch verachtest)
Und zwang und sorge wäre dir davor dich zu bewahren.
Du kannst mir nimmer – wohl begreif ich deinen wirren vorwurf –
Der hehren seherin begeisterte verkündung werden
Noch in den heiligen gebüschen das beredte rauschen.

[35] AN KALLIMACHUS

Als deine treusten geleiter stehen wir im hafen ·
Zu des gerüsteten schiffes brüstung schauen wir
Trennungbeklommen dich teuren · unserm arm entrissen ·
Lang schon der unsre geworden ob auch fremden bluts.
Willst du den leuchtenden himmel · heitrer bildung wohnsitz ·
Wieder vertauschen mit küsten nebelgrau und kühl
Fern bei den äussersten menschen? schlichte rohe sitte
Wieder erlernen der heimat die dir's kaum mehr ist?
Dort müssen schrecklich und einsam deine tage fliessen ·
Freund unsrer frohen gelage · unsrer lehrer gast!
Dessen gesang der verwöhnten Phillis ohr gefallen ·
Der in geglätteten sprüchen es uns gleichgetan ·
Wirst du ein leben ertragen am barbarenhofe ·
Finstren gesetzen dich beugen · strengem herrscherwink ·
Zögling der losesten freiheit? uns erfasst die sorge.
Ruder und anker bewegt sich – o Kallimachus!
Schäumendes wasser beschwichtigt lezte segenrufe ·
Unser verhaltenes weinen mög es töricht sein.

[36] AN SIDONIA

Ich überführte mich dass dir mit haltung und stolzem gebaren
Dass dir mit weise gehobener schönheit die jüngeren weiber
All zu verdunkeln gelang und dass nicht nur aus träger gewohnheit
Meine gefährten dir huldigten · mir aber waren wie warnung
Deine berechnende lippe · dein blauer und stählerner blick.
Einst in der dämmerung standen wir uns gegenüber (durch zufall
Oder auch weil du verwundet den nimmer dich suchenden suchtest ·
In einer nische durch Persergewebe den andren verborgen)
Spottend und tadelnd gedachte ich derer die ständig mit vorsicht
Nutzen und ziel zu erwägen vermögen im brausenden leben ·
Du darauf zeigst dem erstaunten von dir nicht gepflogenes lächeln
›Richte‹ (versetzest du) ›nach dem begebnis das knapp sich gejähret:
Wie ich dem jungen Demotas der stumme verehrung mir zahlte
Preise und siege verlassend bedürftig zu folgen gewillt war ·
Er aber selber mit kühleren worten vom plane mir abriet
Und meine wunde zu heilen ich mehre der monde bedurft‹
Unsere hände indessen du redetest wuchsen zusammen.
Seit jenem abend – Sidonia – war ich kein fremder dir mehr.

[37] AN PHAON

Die ernte winkte · wenn die spitzen strahlen
Hinterm hügel sanft verschwammen
Ergingen wir uns an den schmalen flüssen ·
Schlanken bäumen deiner gegend ·
Im wettgespräch unsterbliche gesänge
Unsrer meister wiederholend.
Von ihren lauten eingewiegt und trunken
Blieben wir im abend stehn ·
Die gestern fremden mit verschlungnen armen.
Ueber uns verzogen federwolken
Hin und her bewegen sich die ähren
Die erst garben werden sollten ·
Die sich noch all der reichen körner freuten.
Stach uns auch verhohlen manchmal
Die furcht dass augenblicke wir genössen
Wie sie spät nicht wiederkämen:
Sie warfen milde schatten lang auf deine
Phaon! und auf meine wege.

[38] AN LUZILLA

Da ich zum abschied die hände – Luzilla – dir biete ·
Königin unter den ländlichen frauen in Phlius
Wo mich das schicksal für müssige monde verschlagen ·
Denk ich mit scherzen ein wahres bedauern verwindend
Unserer laube von bläulichen ähren behangen ·
Glänzender früchte und perlenden trankes · es kamen
Drunten die sehnigen treiber der stiere vorüber
Schallenden ganges · die schnitterin kam mit der sichel
Sonnegebräunt von der mahd und wir hörten von ferne
Rauhe gespräche der kähnebefrachtenden schiffer.
Freundin mit heiterer umsicht und lieblichem zuspruch
Liessest du hier im sich mühenden nützlichen treiben
Weniger schwer mich vermissen die stadt meiner wonnen ·
Zierlichen schönklang und weisheit der attischen rede.

[39] AN ISOKRATES

Hören wir dich so gemahnt es uns mächtiger jahre
Wo selbst in ferne inseln wir den kampf
Tapfer getragen und bürgern gesetze geschrieben ·
Geschicke wägend mit der einen hand.
Heil dir Isokrates und deiner strahlenden jugend
Die ganz in taten die sie wirken will
Lebt und die fremden erforscht und bewundert mit feuer
Das überspringt und auch die kühlen fasst.
Könnte der zweifel dir nahen und wider dich zeugen
Der stark du glaubst und jeden der dich liebt
Triffst mit der unschuldig grausamen miene des kindes
Das lächelnd den bezwungnen gegner quält.

[40] AN KOTYTTO

Kotytto · blume süss im duft doch herben schmackes ·
Wenn deine stimme sich in lieder löst verbreitest
Du warm und tief behagen und genuss · bisweilen
Erglüht und hält den atem an die ungestalte
Gesamtheit der du deine ganze sorge weihest.
Und in der rede · selbst mit treu erwiesnen lobern ·
Verfährst du hart und winterlich – auch mir erklärend:
Der weichen worte und gebärden wirkung kenn ich nicht ·
In meiner seele ist es düster · flieh vor mir!
Doch immer wieder muss ich dich im morgenwinde
Vor deiner tür belauschen und dann ist es mir
Als wenn die fahnen ernster feierzüge schwenken
Und goldne segelbarken aus dem hafen fahren.

[41] AN ANTINOUS

Dein trost dass man im kühlen grün · im lauen blau
Der stadt vergesse war als du ihn gabest schwach
Und zeigt sich jezt als trügend · ohne zu verstehn
Betracht ich diese vielen wälder · all das feld
Und all das wasser dessen plaudern weiss und fragt ·
Zum weiterweinen floh ich nach den seen hin
Wo neue wohlgerüche schmeicheln (wie du sagst)
Und schattensitze laden · doch ich ziehe weit
Den frischen stämmen eure heissen säulen vor
Bei denen ich ein lächeln kenne lieblicher
Als alle vogelstimmen · worte duftender
Als der gerühmte tannenhauch – Antinous.

[42] AN APOLLONIA

Traue dem glück! lacht es auch heut · Apollonia · nicht.
Nötiger schmerz blich dein gesicht · doch es zeigt dass du bald
Schmiegsam und stark über ihn siegst · nie mehr lohe dann glut ·
Rüttle dann sturm an deinem haus · nie mehr walte das spiel
Wo unser fuss wange und hand gar zu nah sich gefühlt.
Göttin und welt · gattin des Tros der mich brüderlich liebt ·
Den du erhobst als er zu sehr Pirras halber geklagt!
Fern will ich sein: richtest du neu glänzend blühend dich auf ·
Gemmen dein aug · kirschen dein mund · reife halme dein haar.
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TextGrid Repository (2012). George, Stefan. Preisgedichte auf einige junge Manner und Frauen dieser Zeit. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-D3B4-F