[18] Der Geschmack eines Kusses
Als ich ein Knabe war, und von meinem Vater nach Paphos geschickt wurde, um die Liebe zu lernen: da erfuhr ich von einer Dryas – itzt, Schönen, könnt ihr es von mir erfahren – was Küsse sind. Nie tanzten die Nymphen und die Dryaden, ohne zu ihren Chören mich zuzulassen: denn ich war dem Gott der Liebe geweiht, und meine ganze Bildung redte Gefühl.
Unter den Dryaden war eine, die mich vor allen andern immer zum Tanzen aufforderte, und mir meine kleine Hand liebreizend drückte, und anmuthig erröthete, wenn ich mit ihr tanzte. Auch ich drückte der Dryas freundlich die Hand, und erröthete, wenn ich mit ihr tanzte. Noch ehe Aurora, aus dem Oceane [19] herauffuhr, war ich schon im Hayne, und spielte mit der holdseligen Dryas.
Einst, als ich mit meiner Dryas im Hayne spielte, streichelte sie mir freundlich die Wangen, und sprach: Drücke deine Lippen auf die meinigen, ich drückte sie auf die ihrigen, und o Himmel! welch ein Geschmack!
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Itzt drückte sie wieder ihre Lippen auf die meinigen. Ganz trunken von Entzücken rief ich: o Unvergleichliche! wie nennest du diese Wollust, die von deinen Lippen auf die meinigen strömt, so oft sie ein ander berühren? Sie sprach mit einem holdseligen Lächeln: Küssen!