Die Viole

Einfältige Viole,
Du hüllest zwar dein Antliz
Vor aller Menschen Blike,
Vor deinen eignen Bliken,
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In deiner Mutter Blätter,
Und wählest dir zur Wohnung
Einsidlerische Pläze.
Doch Zephir kömmt, und raubet
Die lieblichen Gerüche,
Die du zu unvorsichtig
Aus deinen Blümchen hauchest.
Wann er dann Luft und Erde
Damit erquiket siehet,
Verläßt er dich, und flieget
In eine ferne Gegend.
Dort ruft er andern Räubern,
Die mit undankbarn Händen
Die Blümchen selber pflüken.
Nichts ist vor den Begierden
Der frechen Menschen sicher.
Was hilft dich, armes Veilchen,
Die blosse dunkle Farbe,
Und dein einöder Wohnplaz,
Wann deine süssen Düfte
Dich immerhin verrathen?

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Gessner, Salomon. Gedichte. Frühe Gedichte. Die Viole. Die Viole. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-D59C-6