An die Kritik

Wohl flammte im Herzen mir fort und fort
Für Lilia die glühendste Liebe,
Doch folgt' ich als einstiger Deutscher trotzdem
Meinem Kenntniß verlangenden Triebe.
Und ich sahe und hörte und forschte und nahm
Notiz mir von Jenem und Diesem,
Und theil' es hier mit in gefälligem Styl
Und in möglichst con- und präcisem.
Und wie Du bei Manchem auch schütteln magst
Dein sceptisches Haupt, Recensente,
Mein königlich Wort darauf: Alles ist wahr!
Nicht das Kleinste ist Puff oder Ente.
[148]
Und stieße der pureste Nonsens Dir auf,
Du Erdenklos, der Du gewonnst das
Weltweisheits-Diplom, so bedenke, daß hier
Weder Logik vorhanden noch sonst was.
Daß Alles und Alles sich hier widerspricht,
Und drum Spott auch und Hohn unvermeidbar;
Daß die höcheste, tiefeste Philosophie
Von dem Blödsinne kaum unterscheidbar.
Und daß just wenn man staunt ob des göttichen Geist's,
Der der fernesten Sterne Gewicht wägt,
Uns die aufgeblasenste Fach-Unvernunft
In demselben Moment in's Gesicht schlägt!
O, bedenke Das gütigst, o, Rezensent
Und des Doctor-Diplomes Besitzer,
Und beweise nicht weise, mein Buch sei nur Lug
Und voll gräßlicher logischer Schnitzer.
Und thust Du es doch, nun so nennst Du doch nicht
Den Inhalt kurzweg: Larifari!
[149]
Wie Gewisse, die sich auf den Standpunkt stell'n,
Den erhab'nen des Nil admirari.
Ach, Nichts nicht schmerzt uns Poeten so sehr,
Als wenn mit 'nem Werke wir Wunder
Was zu bringen geglaubt und dann hinterher ein
Kritiküschen es wegwirft wie Plunder.
Denn, ach! in die Thräne, geweint um uns selbst,
Mischt sich auch noch die um den Richter,
Der (vom Geist abgesehn) fünf Minuten verlor
Um zu werden des Werkes Vernichter!
Doch was schwatz' von Kritik ich und werde mit ihr
Fast wie'n Komödiant so krakeelig!
Ich, der ich schon längst, was in Deutschland man wird
Wenn man unter der Erde ist: selig!
Was kümmert es mich, ob das Stäubchen Herr X.
Auf dem Staubkorne Erde mich tadelt!
Mich, der das Tellurische ab sich gestreift
Und deß Psyche schon kosmisch geadelt!
[150]
Mich, dessen Gefühl und deß Denken so rein,
So ganz absolut und total ist,
Daß sein Ruhm auf 'nem einzelnen lumpigen Stern
Ihm totaliter schaal und egal ist!
Nein, nein! und selbst wenn durch dieses Gedicht
Sich in Deutschland mein Ruf noch erhöhte,
Und ich würde verherrlicht in ähnlicher Art
Wie Schiller, Pepita und Göthe:
Es bewegte mein Ich doch, mein seliges, kaum
Wie den türkischen Siebenten Himmel
Ein zur Anbetung lieblich einladendes
Christkirchliches Glockengebimmel!
Und so theil' ich im nächsten Kapitel denn mit –
Da dieses (deß Raum doch begrenzt ist)
Durch unnützes Plaudern (wie drück' ich es aus?)
Ver-kammert und ver-conferenzt ist –
[151]
Um Lob und Kritik unbekümmert all Das,
Was im Merkbuch bis heute notirt zwar,
Doch bishero noch nicht in der Schöpfung der Welt
(Hier in meiner Verkehrten) fixirt war.

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TextGrid Repository (2012). Glaßbrenner, Adolf. Gedichte. Die Verkehrte Welt. Einundzwanzigstes Kapitel. An die Kritik. An die Kritik. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-D70C-B