18. Die zwei Esel

Zwei Esel zankten sich, ein Deutscher und ein Britte;
Nein, sprach der Deutsche, nein!
Ich wär ein Schaf, ich Esel! wenn ich's litte,
Daß man die Ohren mir beschnitte, 1
Die lang genug nicht können sein!
Der Britte sprach: ich bitte!
Der Hals geschoren,
Und kurz die Ohren,
Das ist die neue gute Sitte!
Nein, sprach der Deutsche, nein!
Wir Deutschen sind dem Ohren-Schnitte
Sehr gram.
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Der Zank
War heftig, grob und lang,
Darum mag ich ihn nicht der Länge nach erzählen;
Ich würde nur die Ohren quälen,
Die kurzen und die langen; kurz, der Zank
Beschloß, weil beide Zänker
(Sie waren nicht die besten Denker!)
Den Geist nicht hatten, sich einander auszuweichen
In ihrem Streit,
Und über eine Kleinigkeit
Sich mit einander zu vergleichen,
Beschloß mit Schlägerei! Der Deutsche biß
Den Britten tapfer, schmiß
Ihn nieder, riß
Ein Aug' ihm aus, rieb ihm die Ohren,
Die abgestutzten, scharf, macht' ihn schachmatt,
Und kurz: der Britte hat
Die Schlacht verloren!
Der gute Britte war dem Deutschen viel zu schwach.
Daß doch dem armen Schelm die nicht zu Hilfe kamen,
Die's sahn, wie schwach er war!
Die Fabel lehrt: Wir ahmen
Nicht eben alle Moden nach!

Fußnoten

1 In England sind den Pferden die Schwänze, den Eseln die Ohren abgeschnitten.

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TextGrid Repository (2012). Gleim, Johann Wilhelm Ludwig. Gedichte. Fabeln. Drittes Buch. 18. Die zwei Esel. 18. Die zwei Esel. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-D9EB-5