[27] Der Gelehrte

Soll ich von den Zeitungsschreibern
Meinen Namen schreiben lernen?
Soll ich in dem Sterngewölbe
Neue Welten sichtbar machen?
Soll ich Wolfen oder Knutzen
Zweifelsknoten lösen helfen?
Soll ich Stoff und Sittenlehren
Für die Blätterschreiber stehlen?
Soll ich von den Bücherrichtern
Schimpfen oder tadeln lernen?
Soll ich in der Weltgeschichte
Proben tapfrer Narren suchen?
Soll ich meinen Geist befragen:
Was er sei, und wo er wohne?
Soll ich mit den Oberpriestern
Heucheln, oder Ketzer machen?
Soll ich für den Kupferstecher
Mein gelehrtes Bildniß malen?
Soll ich Blei zu Golde schmelzen?
Soll ich Räthe rathen lehren?
Soll ich Miltons Teufel schelten?
Soll ich Wunderwerke dichten?
Oder soll ich sie erklären?
Nein, dis soll mein Anverwandter.
Er, der Prinz berühmter Narren,
Er, der grundgelehrte Wisser,
Er, der Prüfer der Beweise,
Soll sich noch zu Tode grübeln;
Er, der Erbfeind meiner Freude,
Soll sich blaß und elend lesen.
Und dann will ich ihn befragen:
Macht mich auch mein Mädchen elend?

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TextGrid Repository (2012). Gleim, Johann Wilhelm Ludwig. Gedichte. Versuch in Scherzhaften Liedern, erster Teil. Der Gelehrte. Der Gelehrte. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-DA48-D