[184] An einen Wassertrinker

Trink, betrübter, totenblasser
Wassertrinker, Rebenhasser,
Trink doch Wein!
Deine Wangen wirst du färben,
Weiser werden, später sterben,
Glücklich sein.
Habt, ihr großen Götter! habet
Für den Trank, den ihr uns gabet,
Habet Dank!
O wie dampft er in die Nase!
O wie sprudelt er im Glase!
Welch ein Trank!
Alle Sorgen, alle Schmerzen
Tötet er, und alle Herzen
Macht er froh.
Durstig sang zu seinem Preise
Dieses schon der große Weise,
Salomo!
O! es müssen alle Weisen,
O! es muß ihn jeder preisen,
Der ihn trinkt!
Finster, grämlich, menschenfeindlich
Läßt er keinen! Seht, wie freundlich
Er mir winkt!
Siehe, spricht der Rebenhasser,
Wie so freundlich da mein Wasser
Mir auch winkt!
Ernster Weisheit bleibt ergeben,
Wenn ein Feind vom Saft der Reben
Wasser trinkt.
[185]
Wasser, immer magst du winken,
Wer zu klug ist, Wein zu trinken,
Trinke dich!
Wasser weg von meinem Tische
Du gehörest für die Fische,
Nicht für mich!

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TextGrid Repository (2012). Gleim, Johann Wilhelm Ludwig. Gedichte. Neue Lieder. An einen Wassertrinker. An einen Wassertrinker. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-DAC5-6