[187] Antwort an Herrn von Heß

Nicht, um das letzte Wort zu haben,
(Rechthaberei ist mir ein Greul!
Auch ist der Zwist ja längst begraben,
Und meine Wunde längstens heil!)
Bloß unsrer Freundin 1 zu gefallen,
Die sehnlich wünscht, ich möchte allen,
Vorzüglich einem Mann' wie dir,
So rein erscheinen, als wie ihr,
Muß ich noch ein Paar Verse wagen,
Wird in den kalten Wintertagen
Des Lebens, gleich es schwerer mir,
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Nach Reimen, wie nach Wild, zu jagen.
Wer in der Denkart stimmt, wie wir,
Der wird sich leicht im Streit' vertragen.
Doch unser Beispiel, wie mich deucht,
Kann Jünglingen die nach uns kommen,
Wenn längst wir nicht mehr sind, vielleicht
Mehr noch als unsre Schriften, frommen.
Für dich, den Anwald keuscher Musen
Und weiser Unabhängigkeit,
Glüht ein Gefühl in meinem Busen,
Das sicher keinen Zwist erneut;
Und wer ist mehr als ich bereit,
Dir alles, alles einzuräumen?
Befolgt' ich selbst nicht, was du lehrst?
Nur daß du mich mit meinen Reimen
Zu hoch stellst, neben Uz und Gleimen,
Zu gütig meine Lieder ehrst:
Dieß ließ ich wahrlich mir nicht träumen!
Hätt' ich so stolz davon gedacht:
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Kein Fürst in ganz Europa hätte,
Selbst mit des goldnen Vließes Kette,
Die Leyer aus der Hand gebracht.
Doch ohn' es nur im Traum' zu wähnen,
Tauscht' ich sie dennoch unter Thränen
Mit einem Aktenbündel aus.
Des Beifalls lockte zwar sie wenig
Von andern, glaubt' ich, nur heraus,
Doch war, ich selbst, durch sie zu Haus
Weit glücklicher, als selbst der König.
Was half's, sie noch mit Thränen netzen?
Es mußt' einmal geschieden seyn;
So folgt' ich denn des Zwangs Gesetzen.
Mit Ruh' und Leyer, meinen Schätzen,
Lief ach! das Glück nun querfeldein.
Umsonst ist's, dacht' ich, nachzusetzen,
Du holst es doch nicht wieder ein.
Ich sah ein Heer von Sorgen kommen,
Das schob sich zwischen mich und sie.
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Nun! frommt die Zukunft mir auch nie,
Durch dich wird sie doch andern frommen. –
Ein tröstend Spiel der Phantasie!
Du selbst, o Heß, hast deinem Staate
Zuletzt geopfert Kraft und Zeit;
Doch rechn' ich dir es zum Verrathe
An deiner Unabhängigkeit?
Was du geduldet und gewagt,
Muß dir ein solches Denkmal stiften,
Das selbst noch über deine Schriften,
(Und das ist wahrlich viel gesagt!)
Empor in vollem Glanze ragt.
Wer seine Mus' und freien Stand
Nicht darf der Noth zum Opfer bringen,
Der laß' allein vom Vaterland'
Und vom Gefühl' der Pflicht sich zwingen.
Die Freundin will, ich soll auch nicht,
Daß ich dieß selbst befolgt, verschweigen.
Nun wohl! Hätt' ich nicht sie zum Zeugen,
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Verdenken könnt' ich dir es nicht,
(Denn Wen'gen ist die Praxis eigen)
Hielt'st du es bloß für ein Gedicht.
Als mich der klügsten Fürsten Einer
Zum Staatsminister auserkohr,
Dacht' ich: Leihst du dem Ruf' dein Ohr,
So machst du deine Ruh' noch kleiner,
Die Sorgen größer als zuvor,
Und zwiefach wärest du ein Thor.
Nicht zwei Minuten nur besonnen,
Verbat ich seine Gnade mir.
Hätt' ich dadurch auch nichts gewonnen,
Als Dank der Freundin, Lob von dir:
Belohnt genug wär' ich dafür!

Fußnoten

1 Elisa, Freifr. von der Recke, geborne Reichsgräfin von Medem.

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TextGrid Repository (2012). Goeckingk, Leopold Friedrich Günther von. Gedichte. Episteln. Zweiter Teil. Antwort an Herrn von Heß. Antwort an Herrn von Heß. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-DF5B-E