[141] An Bürger

1776.


Wo unsre Seel' im Körper sey?
Und wie sie denkt? das möcht' ich selbst wohl wissen.
Nur hat von tausend Hindernissen,
Ein Leibniz selbst und Newton, kaum die Spreu
Hinweg geblasen; fort denn mit den Grillen!
Ein Andrer mag den Schleier einst enthüllen;
Fürs erste sey mir beides einerlei.
Genug, der Geist hat seinen freien Willen,
Zu denken, was er will, zu thun, was ihm beliebt.
Ob er, – – Ihr Weisen, die Ihr Wahrheit liebt,
Wann wird doch Euren Zwist die Wahrheit endlich stillen? – – –
Ob er dem Vogel gleicht, der sich im Freien freut,
[142]
Zum mindsten frei sich glaubt, weil ihm des Käfichs Weite
Den Käfich selbst zu sehn verbeut:
Was liegt daran? Wer streiten will, der streite!
Was mich betrifft, ich glaube fest mich frei,
Und Seyn und Glauben ist fast immer, einerlei;
Denn, ob ich's auch für andre Leute,
Für Baylen oder Humen sey:
Was schadet das? Wer weiß, auf welcher Seite
Die Ruhe sich die schönsten Kränze flicht?
Wenn's übrigens auch wirklich anders wäre,
So ist das meine Sorge nicht.
Wenn ich mit leisem Ohr' auf mein Gewissen höre:
Was hab' ich sonst für eine Pflicht?
Und ist dereinst auch dieß nicht mein,
So kann auf mich, nach meiner Sittenlehre,
Kein Leben warten voller Pein;
Denn, war es meine Schuld, kein freier Mensch zu seyn?
[143]
Worüber ich von einem Hippokrat,
Noch lieber, Freund, als alle die Probleme,
Ein wenig mehr, als bloßen guten Rath,
Zu meinem Unterrichte nähme,
Das ist die Frage: Sagt, wie fang' ich's an,
Die üble Laune weg zu jagen? – – –
Zwar selten nur befällt dieß Mißbehagen,
Doch immer noch zu oft, zumal bei trüben Tagen,
Mich sorgenfreien Leiermann.
O Plato, sprich, ist mein Verstand, mein Wille,
Kurz, meine Seele Schuld daran?
Ich denke nicht. Ich guter Tropf, ich fülle
Gern frohe Laune, wenn ich kann.
Drum, Hippokrat, der du wohl Tausend Kinder
Der Mutter, Krankheit, kennst, was ist denn Schuld daran?
Mein Körper? Nein! Sonst machte Zimmermann,
Mich schon gesunden, noch gesünder.
Ich möchte wohl den Einen von Euch sehn,
[144]
Ihr großen Weisen und ihr Aerzte!
Mit dem, trotz allem Wissen und Verstehn!
Die üble Laune niemals scherzte.
Daß ich noch keinen, den sie schmerzte,
Durch Euch davon befreien sehn,
Das eben macht mich so betrübt.
Das Herz, der Kopf, das Blut – – – Eins von den Dreien
Ist's doch gewiß, das uns so nah es schiebt,
Bis wir uns mit uns selbst entzweien.
Allein, erforsche das, wer Grübeleien liebt!
Mir deucht, es sey dem Griechen zu verzeihen,
Der, kurz und gut, dem Leib' zwei Seelen gibt.
Wißt besser ihr, was sonst, oft selbst den Weisen äffet,
Und ob er noch in seiner Freiheit sey?
Gut! wenn ihr aber nicht das Gegenmittel treffet,
Bleibt, leider! nur der Schade einerlei.
Von dieser Laune offenherzig reden,
Und eingestehn, daß sie den Meister spielt,
[145]
Wann sie aus Schabernack ihr Müthchen an uns kühlt,
Deß schämen sich die Heuchler und die Blöden.
O Lavater! Sieh mir und ihnen ins Gesicht!
Das meine wird dir gleich gestehen,
Dahinter stecke so viel Weisheit nicht,
Ganz diesem Irrwisch' zu entgehen,
Der, wenn es plötzlich Nacht auf unsrer Reise wird,
Mit uns herum in Sümpfen irrt.
Befreiet mich von dieser üblen Laune,
Denn selbst die Zauberkraft des weisesten Gedichts,
Und gutes Blut, vermag dawider nichts;
Mein Haus, den Garten sammt dem Zaune,
Räumt' ich dem Arzt' mit Freuden ein,
Könnt' ich, Zufriedenheit, an deinen Honigwaben
Mich immer letzen, immer freun:
Die ganze Schöpfung wäre mein!
Gefährten seines Unglücks haben,
Mag Andern meinethalb ein schlechter Trostgrund seyn.
Ich kann zuweilen mich dran laben,
[146]
Und bilde, weil's die Herrn itzt an der Mode haben,
Mir auf mein Herz doch auch ein wenig ein.
So wie Ulyß allein auf einem Schiffe,
Der Stürm' und Räuber Preis zu seyn,
Das wäre nichts für mich. Doch, mit Gefährten, griffe
Der Kaper einen Tiger in mir an;
Ich bliebe, wenn der Nord in meinen Segeln pfiffe,
Am Steuer als der letzte Mann.
Und so ist auch das schwerste selbst, das Sterben,
(Versucht hab' ich's zum Glück' noch nie!)
Vielleicht so schwer nicht; aber wie?
Sollt's nicht noch leichter seyn, wenn, – ohne das Verderben
Der Welt zu wünschen! – – – alle, die
Hier just beisammen sind, zusammen müßten sterben?
Der Trost der Ninon war im letzten Augenblick':
»Ich lasse nichts als Sterbliche zurück!«
So ist es auch für mich kein schlechter Balsam schon:
[147]
Der Mensch sey Dummkopf oder Weiser,
Sey Freigeist, wie Mettrie, sey Heiliger, wie Anton,
Sey Bettler oder türkscher Kaiser,
Die üble Laune fährt, eh' wir es uns versehn,
Unangefragt in jeden Erdensohn.
Nur ihre Tücken sind, das muß man eingestehn,
Von andrer Art auf eines Königs Thron,
Als eines Bürgers Sorgenstuhle;
Doch für die beste gäb' ich schon
Nicht meine schlechtste Federspule.
Die Laun' ist einem Traume gleich;
Ihr träumtet ihn; wer aber weiß von Euch,
Woher er kam, wohin er fähret?
Gern hätt' ich vor zwei Stunden Euch gewähret,
Was Ihr gewollt; ich hatt' ein Königreich
In meiner Brust, und konnt' in Himmeln schweben;
In jeder Ader pochte Leben,
Als wär's für eine Ewigkeit.
[148]
Ha! die zwei Stunden sind vorüber,
Und alles, alles ist zerstreut!
Doch, fragt nicht, wie es zuging? Weder Fieber,
So viel ich weiß, noch selbst ein Seitensprung
Der unbesonn'nen Einbildung,
War Schuld daran. Was sonst? Ein Nasenstüber,
Den, Leib und Seel' in Eins, die böse Laune gibt,
Die wohl, als hätte sie ein hitzig Gallenfieber,
Zumal bei Königen, noch toll're Streiche liebt.
Da steht man denn mit einmal dumm und stumm,
Den Gänsen gleich, wenn's auf dem Anger blitzt,
Spatziert umher mit he! und hum!
Und sitzt auf Kohlen, wo man sitzt.
Musik, Musik! die wird den Teufel bannen,
Den David einst bei Saul damit gebannt!
Auch diese Müh' ist übel angewandt;
Die Laune wird den Bogen spannen:
Husch! fliegt die Harfe aus der Hand.
Da seht mir nur den Starrkopf an, die Laune!
[149]
Der Melodie der Hassen und der Graune,
Der nichts sonst widersteht, thut sie doch Widerstand,
Ja, setztet Ihr Euch selbst auf Euer Steckenpferd;
So wird auch dieß bei jedem Schritte fehlen;
Die Welt ist dann uns nicht die Prise Tobak werth,
Wovon wir itzt die Körner zählen,
Denn kurz, uns zwingt die Laune, Angesichts
Der Weisheit uns, (das schmerzet!) und um nichts,
Terenzens Thoren gleich, zu quälen.
Mit sich zu zanken, ginge noch wohl hin:
Doch welches Herz ist ihr zu bieder,
Der ungerechten Zänkerin?
Auch Andre foppt ihr dummer Eigensinn.
Denn, sprich, was ist ihr nicht zuwider?
Was ist ihr recht? Was zwingt ihr Beifall ab?
Was sie auch sey, sie ist ein Ungeheuer!
In einen gift'gen Wolkenschleier
Verhüllt, fährt sie auf uns herab,
Wie Kräusel, peitschend uns zur Lust herum zu treiben.
[150]
Da hilft kein Bitten und kein Sträuben,
Und kein Vernünfteln wehrt sie ab.
Wenn sie mit ihrem Zepter uns berührt,
(So red' ich als Poet, doch im Gesellschaftsstyle
Heißt's grade weg, wenn sie uns chikanirt,
Und im historischen – – – Thuan, dem sie zum Spiele
Den Kopf abhieb, nennt es tyrannisirt!)
Dann macht der Mann bei seidnen Schmeichelein
Der Gattin, ein Gesicht, als wollt' er Hülfe schrein.
Wer denkt daran, daß in dem Augenblicke
Die Laun' uns oft die Ruh' von einem Jahre raubt?
Versöhnlicher, als wir, ist Weiberherz zum Glücke,
Doch so versöhnlich nicht, als oft der Gatte glaubt.
Man sitzt bei seines Freundes Scherzen,
Und ist sehr billig noch, wenn man sie bloß nicht fühlt.
Oft wird wohl selbst in guten Herzen
Die Galle dadurch aufgewühlt.
[151]
Wer denkt daran, daß solch ein Augenblick
Uns den Erwerb von Jahren kann verlieren?
Wer Freunden trotzt, dem müßte nie das Glück
Noch einen Freund an seinen Busen führen.
Und ihr, ihr Söhne strenger Sklaverei,
Rasch werdet ihr vom Strom' der Laune weggeschwemmt;
Denn ob von zehn nur Einer, Yorik sey,
Wenn sein la Fleur just in den Wurf ihm kömmt,
Davon wißt ihr, beim Häufeln, ziemlich frei
Das Gegentheil mit Schimpfen zu erzählen,
Und sollt' es Hunden nur nicht an der Sprache fehlen,
Sie trügen auch noch Anekdoten bei.
O Jammer! daß so mancher Weiser
In dem Portrait' sein eignes schaut!
Gern sagt' ich dieß zu seiner Schonung leiser,
Allein zum Trost' der Thoren, sag' ich's laut.
Denn nehmt dem Geist' des Erstern, diese Fieber,
Wovor das Glück nicht Einen fast bewahrt,
[152]
So habt Ihr gleich ein Wesen andrer Art,
Nur Mensch dem Körper nach. Du weist ja selbst, mein Lieber!
Wie neidisch daß ein Thor auf bessre Menschen ist.
Doch setze, daß der Narr erfahre,
Wie ähnlich du fünf Tag' im Jahre
Durch Murren ihm gewesen bist;
Das legt er hier auf seine Wage,
Und sein Verdienst dazu, so wenig das auch ist,
Dort, die dreihundert sechszig Tage,
Worin du ihm zu weise bist;
Und christlich wird er's Dir verzeihen,
Denn wiegt er doch nunmehr so schwer, wie Du!
Und, lieber Bürger, Glück dazu!
Wer hier ein Engel wär', den sollt' es bald gereuen,
Denn, Freund, der Narr hätt' eher keine Ruh'.
Die Laune macht, (zwar auch nicht allemal!)
Nur blinden Lärm, wann sie im Kopfe
Des Weisen spukt. Doch Gnade Gott dem Tropfe!
[153]
In dem zerbricht sie Eisen, Stein und Stahl.
Im Deutschen säuft sie Anker Wein,
Bravirt dem Staat', dem Himmel oben drein,
Und überschreit die zehn versucht'sten Zänker,
Wird seines Freundes Herr und seiner Gattin Henker.
Im Britten macht sie insgemein,
Bei Dummen selbst, den tiefen Denker,
Und wirft, als wär's ein Kieselstein,
Das Leben in die Thems' hinein.
Im Franzmann' zuckt sie über alles
Die Achsel, denn das Ausland? Ha, ha, ha!
Was könnte der noch sehn, wer sein Paris nur sah?
Auf keinem Fleck' des Erdenballes
Wohnt ein so kluges Thier, als da.
Paris, Paris! das ist sein Steckenpferdchen!
Sitzt er auf dem, so ist der Bettler reich,
Blitzt mit dem Aug' und reibt das Bärtchen;
Doch, laßt ihn gehn, das rath' ich Euch,
Schnell zieht er sonst sein bunt bebändert Schwertchen,
[154]
Und schickt Euch par point d'honneur ins Schattenreich.
Denn überhaupt, das merkt Euch fein,
Ist mit der Laune nicht gut scherzen;
Gebt ihr ein Pfund von Eurer Klugheit ein,
Kein Gran kommt doch zu ihrem Kopf' und Herzen,
Verdunsten wird sie wie der Wein,
Und schneller noch. Drum geh' ich gern,
Belaunten, wie Betrunknen, aus dem Wege;
Und wahrlich! haben diese Herrn
Fast immer einerlei Gepräge.
Wenn ich durchaus sie nicht vermeiden kann,
So werd' ich doch ihr Murren und ihr Grämen,
Und was die Laune sonst zu unsrer Qual ersann,
Nicht leicht nur Fremden übel nehmen,
Und Freunden – – – Pfi! deß sollt' ein Biedermann
Vom Wirbel sich bis in die Zehen schämen.
Doch ist mir's lieb, daß ich die Toleranz
Nicht üben darf bei Königen und Fürsten;
[155]
Der Appetit der Laune, soll da ganz
Besonders seyn, ja gar nach Blute dürsten.
Ich würde schon so einen griech'schen Tanz,
Wie einst Naudäus 1 tanzte, sehr verbitten,
Und solch ein Tanz, wie Monaldeschi 2 gar
Mit Mördern tanzen mußte, war
Nun vollends nie bei mir gelitten.
Drum taugt' ich nicht für große Herrn,
Denn sich mit ihnen zu vertragen,
[156]
Ist allen schwer, die gern die Wahrheit sagen;
Ich sag' sie aber gar zu gern.
Ein Höfling, der die Phantasien
Von ihrer Laun' erforscht, und listig sie gewinnt,
Wird schnell durch sie empor zum Günstling' blühen,
Allein durch sie verwelkt er auch geschwind.
Wem das gefällt, laß immerhin,
Gekrönte Laun' ihr Wesen mit ihm treiben.
Ich fühl's, wie wenig ich nach Ehre lüstern bin,
Und würde, wär' ich einmal da,
Als Physikus zu Altona,
Wohl Physikus bis an mein Ende bleiben 3.
Wer fast auf nichts mehr in der Welt
Noch Anspruch macht, durch nichts sich mehr läßt blenden,
Wer zwischen eigenen vier Wänden,
Sich glücklich bei der Arbeit hält,
[157]
Und wem es besser nur bei seinem lieben Bürger,
(Beglückt, wer einen hat!) gefällt!
Nicht von Despot und Menschenwürger
Für Geld sich prellen läßt, wie man die Füchse prellt,
Kurz, wer es mit dem Grundsatz' hält,
Mehr glücklich seyn, als glücklich scheinen:
Der darf die Launen aller Welt,
(Ein scheußlicher und langer Zug!)
Fast nie befürchten, nie beweinen,
Und jeder hat ja, sollt' ich meinen,
An seinen eignen schon genug.
Die Laun' ist wie das Podagra;
Itzt ist es weg, itzt wieder da,
Die Mora kann es lindern, nicht vernichten.
Doch, wodurch schlägt das Launenfieber um?
Vergebens suchen Dichter in Gedichten,
Weltweis' im Buche von den Pflichten,
Und Aerzt' in Edinburgs Dispensatorium,
[158]
Dagegen ein Specificum.
Nun denke! Bei dem allen, Freund, erstand
Mein Ahnherr Paul vor hundert Jahren
Dieß Mittel; denn auch er hat schon die Gicht gekannt,
Die unsre Seelen oft erfahren,
Obgleich Gesundheit, Glück und Frau,
Ihm sehr getreu bis an sein Ende waren.
Wüßt' ich das Ding nicht ganz genau,
So wär's zu arg, als daß man's glauben könnte;
Denn, Freund, Gesundheit, Weib und Glück! – –
Eins ist beinahe schon Verschwendung vom Geschick';
Doch hinterließ Herr Paul uns sichre Documente.
Genug, der Mann war oft sehr mißvergnügt,
Und wußte nicht, warum? das wird doch glaubhaft scheinen?
Bei Damen wenigstens, die wohl ein Schauer weinen,
Wenn ihnen nichts am Herzen liegt.
Paul bracht' in seinem Büchersaale
Den größten seiner Spiegel an,
[159]
Den man noch itzt, wie die Originale
Der Document', in Ellrich sehen kann.
Empfand er was von einem Launenfieber,
Gleich setzt' er sich, steif wie ein todter Mann,
Im Sorgenstuhl' dem Spiegel gegenüber,
Sah immer sich mit starren Augen an,
Und küßte sich mit Liebreitz eines Drachen,
(Der Mann hatt' übrigens Verstand!)
Die eigne klapperdürre Hand,
Kurz, gab sich alle Müh', zum Narren sich zu machen,
Und zwang zu guter Letzt so lange sich zum Lachen,
Bis er sich in der That geneigt zum Lachen fand.
Vielleicht daß Pauls Arcanum Lob erhält;
Es mag auch leicht mehr Werth noch haben,
Als das, wodurch Herr Ailhaud 4 einen Theil der Welt,
[160]
In aller Stille läßt begraben.
Für Damen und für süße Herrn,
Die ob der eignen Schönheit staunend, wie die Affen,
Zu ganzen Vormittagen, gern
In großen Spiegeln sich begaffen,
Ist Pauls Arcanum eben recht.
Für Andre, die nichts schönes an sich sehen,
Zu ernsthaft sind, um Possen zu begehen,
Ist's, ich gesteh' es, freilich schlecht.
Halb toll im Kopfe müßte mich
Die Laune wenigstens erst machen,
Bevor ich hin, zu Pauls geerbtem Spiegel schlich',
Ein Probestück davor zu lachen.
Hausmittel gibt's indeß genug,
Die Launen-Schauer zu vertreiben,
Nur muß sie jeder selbst verschreiben,
Und dann verschreibt man selten klug.
Das, welches ich mir zu verschreiben pflege,
Ist dieses: Geh du deine Wege
[161]
Zum Thor' hinaus! Kaum athm' ich freie Luft,
So wird mir schon ums Herz ein wenig besser;
Auch hör' ich allgemach das Murmeln der Gewässer,
Und wittre schon des Birkenlaubes Duft.
Wär' aber ja für Aug' und Ohren
Die Gegend dennoch leer und still,
So ruf' ich nur: Spadille! such! verloren!
(Mein Hund ist dann ein Ding, das viel bedeuten will!)
Husch! springt bei seinen raschen Sprüngen
Der Dämon Laune hinterher,
Denn eine Kleinigkeit, ein glücklich Ohngefähr,
Kann oft von selbst ihn leicht zum Abmarsch' bringen,
Gewalt ihn aber nimmermehr
Nur einen Schritt zu weichen, zwingen.
Zwar lauf' ich oft durch Feld und Hain,
Und finde keine solche Schnurre,
Doch besser, daß die Laune mich allein,
Als gar durch mich auch Andre purre.
[162]
So zankt' ich heut im Felde wacker mich
Ganz in geheim mit meinem Schatten,
Und als wir uns genug herum getummelt hatten,
Ging ich nach Haus; sieh da! dein Brief! die Laun' entwich!
Nicht wahr, Ihr großen Herrn, wer auch nur Freunde hätte?
Allein Ihr habt auf dieser Welt
Den höchsten Rang, das mehrste Geld,
Das schnellste Pferd, das weichste Bette,
Den feinsten Wein, die größte Macht,
Und Wechsel in den Zeitvertreiben:
Wir nichts als einen Freund, der mit uns weint und lacht.
Doch – – laßt's nur immerhin bei dieser Theilung bleiben.

Fußnoten

1 Er hatte von den Tänzen der Griechen und Römer geschrieben. Bourdelot, der Hofspaßmacher an dem Hofe der Christina von Schweden, beredete die Königin, daß Naudäus von jenen Tänzen eine Probe geben sollte, und der sonst ehrwürdige Alte, mußte dieß mit plumpen und lahmen Schritten thun, indeß Maibaum, der über die Musik der Griechen geschrieben hatte, eine griechische Melodie mit seiner dumpfen und zitternden Stimme dazu sang.

2 Er war Stallmeister bei der Königin Christina, die ihn, (man weiß noch jetzt nicht gewiß, warum?) ohne allen Prozeß, in der Gallerie des Schlosses zu Fontainebleau, wo sie zum Besuche war, ermorden ließ.

3 Graf Struensee war bekanntlich zuerst Physikus an diesem Orte.

4 Dessen Pulver, die auch gegen die üble Laune gut seyn sollen, ihrer Schädlichkeit wegen, in den Königlich Preußischen Landen verboten worden.

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TextGrid Repository (2012). Goeckingk, Leopold Friedrich Günther von. Gedichte. Episteln. Erster Teil. An Bürger. An Bürger. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-DF85-C