[224] An seinen Bruder

Den 26. April 1778.


Statt, daß dein Schäfer zu Carzin 1
Dir auf der Feldschalmey' verkündet,
Wie frisch die Veilchen wieder blühn,
Und wie dein Gärtner mit Jasmin
Der Laube Gatterwerk bebindet:
Jagt dein Trompeter durch die Stadt,
Und bläset Lärm an allen Ecken,
Dich, der zum letzenmal' so süß geschlummert hat,
Zur langen Arbeit aufzuwecken.
Wie stampfen schon vor deiner Thür',
Aus Ungeduld, die Rosse der Husaren,
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Und wiehern, schüttelnd mit den Haaren
Der Mähne, laut herauf nach dir;
Indeß in deinen Knebelbart
Zum erstenmale Thränen rollen,
Und, für den Abschied aufgespart,
Dein Weib und Kind noch etwas sagen wollen,
Und blaß verstummen. –
Du, der allein von sieben Brüdern,
Trotz mancher Schlacht, mir übrig blieb,
Und darum itzt mir siebenfach so lieb,
Ich kann den Abschied kaum erwiedern,
Den deine Lippe von mir nimmt.
Mein Auge, das in Thränen schwimmt,
Sieht kaum die Harfe, und zu Liedern
Hat sie das Kriegsgeschrei verstimmt.
O glaub', ich würde heute weinen,
Wo ihr Geschoß die Zwietracht spannt,
Hätt' ich im ganzen Heer' auch keinen
Selbst nur dem Namen nach gekannt.
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Denn, wer Euch ziehen sieht, Geweihte
Des Vaterlandes! seufzt in sich:
Zu schön, zu groß ist diese Beute,
Du Ungeheuer, Krieg! für dich!
Die Völker könnten – aber still!
Wer wird den armen Dichter hören?
Wenn alle Welt sich streiten will,
So wird, – die Weisheit sonst in Ehren! –
Montesquieu ein zweiter Till.
Und in der That, frommt die Philosophie
Nur immer uns, und selten Andern.
Die Welt bleibt, wie sie war, und besser wird sie nie.
Du kannst mit Cook den Erdenball umwandern,
Und, wo du hinkommst – morden sie.
Wohlan! so will ich denn gelassen
Von dir mich scheiden, und die Welt
Nicht darum gleich mit Timon hassen,
Weil mir das Toben ihrer Bassen,
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Die Arglist der Weßire, nicht gefällt.
Ich träf's vielleicht in anderen Planeten
Friedfertiger und stiller an;
Nur daß man auf dem Schweife des Kometen
Nicht hin zu ihnen reiten kann.
Drum hab' ich hier noch gern vorlieb genommen:
Kommt's besser, als ich dachte? Gut!
Und schlimmer, als von Adams Brut
Sich's schon erwarten läßt, kann's doch wohl schwerlich kommen.
Wie viel von diesem Gleichmuth' dank' ich dir!
Du liegst so gern an Wiesenbächen,
Magst lieber in der Stille hier,
Mit Antonin, als Cäsarn, dich besprechen,
Am liebsten, selbst ein Antonin,
Für dich, dein Haus und dein Carzin
Zu werden, durch Verhacke brechen,
Wohinter sich die Launen ziehn.
Doch, muß es seyn, so spornest du dein Roß,
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Und wenn auch Weib und Kind zurück dich schluchzend zögen,
Dem donnernden Geschoß'
Mit aufgehobnem Arm' entgegen.
Ich weiß, ein Held aus Ruhmsucht seyn,
Ist nicht dein Trieb; es wär' auch wenig,
Und Karl dem zwölften, mag ein Schmeichler Weihrauch streun.
Allein der Trieb, für seinen guten König,
Und für sein Vaterland Gefahren sich zu weihn:
Der Trieb ist edel, und ist dein.
Ob die Gerechtigkeit die Fahne,
Voran trägt? darnach sehn sich etwa Hundert um;
Zehn Tausend sind zufrieden mit dem Wahne;
Der ganze Rest – gibt kein Commißbrod drum.
Vor Cäsarn oder vor Anton sich neigen,
Das war dem Troß' der Römer einerlei:
Krieg sey es! die Gesetze schweigen
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Beim Waffenklang'! das war ihr Feldgeschrei.
Hinweg mit solchen feilen Sklaven,
Die nur um Gold der größre Sklav besingt!
Doch der soll einst noch unter Lorbeern schlafen,
Wer Kleisten gleich die Fahne schwingt.
So wird, soll noch dereinst dein Blut
Den schwarzen Acker purpurn färben,
Und ach! mein letzter Bruder mit dem Muth',
Womit er oft gefochten, sterben,
Der Harfe Klang um Mitternacht
Dein Grabmal zu Carzin umwehen,
Indeß dein Geist, von friedereichen Höhen,
Des Zwistes unterm Monde lacht.
Ich aber muß gelassen jeden Feind
Erwarten, ihm, als einem Freund',
Was ich nur habe, willig geben,
Und, schleppt er mich als Geißel einer Stadt,
Die wenig Geld und offne Thore hat,
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Zum Dank' mit fort: wie kann ich widerstreben?
Dann bringt mich wenigstens, ihr Feinde, nach Tokai!
Und wenn ich da mein Leid vertrunken habe,
Reit' ich von selbst in Einem Trabe
Nach Wien, zu Mimi Born 2, und dünke dann mich frei.

Fußnoten

1 Ein Landgut.

2 Nachherige Gräfin von Bassegli, Tochter des Hofraths von Born zu Wien.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Goeckingk, Leopold Friedrich Günther von. Gedichte. Episteln. Erster Teil. An seinen Bruder. An seinen Bruder. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-DFD0-2