[23] An die Nachdrucker

O Schiffchen! führst du gleich kein schwer
Geschütz, an deinem Bord',
So setz' auf Räubervollem Meer'
Die Fahrt doch ruhig fort.
Wer oft, wie ich, schon Feinde schlug,
Dem wird's zuletzt ein Tanz;
Drum segl' ich fort im vollen Flug',
Mir selbst Assecuranz genug,
Ohn' all' Assecuranz.
Ich lag noch still im Hafen hier,
Da forschte schon die Raubbegier:
Wann? und wohin mein Lauf
Gerichtet sey? da paßten mir
[24]
Schon die Piraten auf.
Im Angesicht' des Hafens, macht
Das Raubgesindel auf mich Jagd,
Und folgt mir Strich vor Strich.
Heran, Gesindel, hast du Muth!
Heran und entre! Ohne Blut
Nimmt freilich keiner mich.
Was soll das, Schurken! Warum steckt
Ihr fremde Flaggen auf,
Und haltet Euch am Bord' versteckt?
Wer achtet wohl darauf?
Schwärzt das Gesicht Euch wie ein Mohr,
Nehmt noch so schöne Larven vor;
Man kennt Euch wohl, ihr Herrn!
Kauffahrer wäret ihr? O Brut
Von David 1! dein geraubtes Gut
Verräth dich schon von fern.
[25]
Herab denn mit der Flagg', herab!
Nehmt Eure plumpen Larven ab,
Die Heidesheim erfand!
Und raubt, wie Göbhard, der Corsar
Von Bamberg, lieber offenbar,
Denn wer thut Widerstand?
Des Eigners Schrein, wenn über Bord
Ihr nach der Beute springt,
Ist alles; doch ihr segelt fort
Mit Eurer Pris', und singt
Und lacht, daß ihr sie auf im Port',
Und schnell an Käufer bringt.
Ein Schiff, das Sachsens Flagge führt,
Bringt ihr zu Frankfurt auf;
Ist's umgekehrt: ei nun! was schiert
Euch das? Auf anderm Striche, führt
Nach Leipzig Euer Lauf.
Sperrt man Euch beide Hafen gleich,
Berlin noch oben drauf:
[26]
Mit Eurem Raube nehmen Euch
Noch zwanzig Hanaus auf.
Was ist es mehr? Ihr schiffet hier
Die Waaren aus, statt dort;
Wo nicht; so schickt von München ihr,
Sie einzeln, sicher, fort.
Die Mäkler, wenn sie gleich wie toll
Als Räuber Euch verschrein,
Ersparen dennoch gerne Zoll,
Und schleppen heimlich Frachten voll
Von Eurem Raub' sich ein,
Denn ohne Hehler würden wohl
Der Stehler wenig seyn 2.
Fahrt ihr – und was macht schneller reich? –
Ins hohe Meer hinaus,
So sucht ihr von den Schiffen Euch
[27]
Die reichsten klüglich aus.
Wer ohne Hortschiff fuhr, wie ich,
Was Wunder! wenn der gleich
Die Segel willig vor euch strich?
Denn wie entflöh' er euch?
Soll bei der Admiralität
Er euch belangen? Hum!
Der, dem ein Lamm verloren geht,
Verklagt kein Schaf darum.
Denn, sagt der Schäfer 3, einerlei
Am End' es freilich ist,
Ob Herkul, ob der Wolf es sey,
Der mir die Schafe frißt?
Allein ein Hortschiff widersteht
Euch Räubern, selbst nur schwach;
Am Hafen der Neutralität
Paßt ihr ihm auf, und sieh! es kräht
[28]
Nicht Hahn noch Huhn darnach.
So respectiret der Corsar
Algiers, der Schweden Flagge zwar,
Doch kaum ist seinem Netz'
Der Schwed', als Schwede, noch entflohn,
So kommt ein andrer Räuber schon,
Und schleppt ihn mit nach Fez.
Und wenn ein Hortschiff gleich einmal
Von eurer Schiffe großen Zahl,
Eins auf den Strand auch jug:
O! das, was einer von euch stahl,
Ist Lösegeld genug.
Hispanien und Frankreich griff
Algier vergebens an;
So nimmt euch Eine Macht ein Schiff,
Doch eure Werfte kann
Die Eine nicht, so groß sie sey,
Zerstören; ihr gewinnt
Indeß, so wie Algier, dabei,
[29]
Wenn von zehn Staaten, selten zwei
In Deutschland einig sind.
So ist's ein wahrer Markebrief,
Den Schramm und Franke führt;
Weg ist, was aus dem Hafen lief,
Wenn sie die Ladung rührt.
Mein kleines Schiff gehöret zwar
Zur Silberflotte nicht,
Und dennoch läßt es der Corsar
Nie ganz aus dem Gesicht'.
So kommt denn her und greift mich an!
Ich halte sicher Stand.
Mein Brander, wenn ich sonst nichts kann,
Steckt wenigstens von allen dann
Ein Raubschiff erst in Brand.
Wenn's einem Theil' an Muth gebricht,
Wird Sieg ein leichter Kauf;
Ich aber streiche sicher nicht,
Und flög' ich selbst mit auf.
[30]
Allein genug Allegorie!
Was nützt es, euch das Bild
Der Wahrheit zeigen? Braucht ihr sie
Doch selbst, – wie frech! – als Schild 4.
Der Schweden Banconote führt
Die Warnung für den Hang,
Der einen Strobel 5 selbst regiert:
»Wer dieses nachdruckt, der verliert
Das Leben durch den Strang!«
Zum Glück' für euch, geht's zwar nicht an,
Daß ich den Ersten gleich,
Der wieder zum Lips Tullian
An mir wird, hangen lassen kann,
Doch zwingen kann ich euch,
[31]
Daß, wie ein Goldstück ohne Rand,
Ihr, halb verstümmelt, diesen Band
Umher am Trödel treibt;
Wo nicht: daß ihr mit eigner Hand
Euch euer Urtheil schreibt;
Mit eigner Hand den Pranger setzt,
Woran der erste Dieb, zersetzt
Von Geißeln, sterben soll;
Denn eure Freiheitsbriefe sind
Gerechter Rache, Spreu im Wind',
Und euer Maß ist voll!

Fußnoten

1 Ein berüchtigter Seeräuber.

2 Wer hat nicht schon, selbst in berühmten Buchhandlungen, Nachdrücke aller Art, von unsern besten Schriften, zum Verkaufe ausliegen gefunden?

3 In der griechischen Anthologie.

4 Ich erinnere mich, eine Vignette mit der Wahrheit und Tugend, auf dem Titel eines Nachdrucks gesehen zu haben, kann mich aber auf das Buch selbst nicht mehr besinnen.

5 Ein bekannter Nachdrucker, und (welches wohl zu merken!) Professor der Moral in München.

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TextGrid Repository (2012). Goeckingk, Leopold Friedrich Günther von. Gedichte. Episteln. Zweiter Teil. An die Nachdrucker. An die Nachdrucker. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-E163-E