[94] An den König von Siam

Der Elephant ist glücklich angekommen.
Ich dank' Euch zwar dafür, doch in der That!
Ich war ein Thor, daß ich um einen bat,
Denn wozu soll der Knochenberg mir frommen?
Mir fraß ein Reitpferd schon zu viel,
Und ich sollt' itzt der Schöpfung Riesen füttern?
Ihm wäre – was ich ohne Zittern
Kaum denken kann – mein Hab' und Gut ein Spiel!
Allein er war nun einmal da,
Und stand vor meiner Thür', und sah
Das Haus verächtlich an, als wollt' er fragen:
Nun! ist denn hier kein Thor für mich?
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Und machte Mien' als wollt' er sich
Mit seinen Zähnen Eins durch Wänd' und Säulen schlagen.
Ganz Ellrich stand um ihn herum,
Hob vor Erstaunen bis zur Stirne
Die Augenwimper auf, ja selbst der Mund der Dirne,
Die von dem Markte kam, ward stumm.
Sein Führer, der den Geist der Stadt nicht kannte,
Hatt' überall beim Einzug' gleich
Es ausposaunt: der Elephante
Sey ein Geschenk von Euch.
Ihr glaubt nicht, Sire! was dieß auf die Stadt
Für Eindruck machte. Jede Mütze,
Die sonst vor mir wohl fest gesessen hat,
Fuhr, als ich kam, schnell, wie vom Blitze
Getroffen, bis zur Erd' herab.
Für Verse – diese Lumpereien! –
Ein solch Geschenk! das schien nun jedem zwar
Unglaublich, oder sonderbar;
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Ja, Eure Hoheit wird verzeihen!
Man hätt' Euch, traun! den Augenblick,
Wer weiß, wofür? gehalten, wenn zum Glück'
Für mich, Ihr nicht ein König wäret.
Allein das bloße Wort gleicht einem Zauberstück'
Auf Herrn Amphions Leyer; wer es höret,
Dem schwinden Sinnen und Verstand,
Als hätt' ihn süßer Wein bethöret,
Und wer itzt wie ein Stein da stand,
Der tanzt, als hätt' es ihn Noverre selbst gelehret.
So war auch ich im Auge aller Leute
Von Stund an gleich ein andrer Mann;
Denn ob ich, trotz dem Elephanten! heute
Gleich keinem Bettler, mehr als gestern, helfen kann,
So ist es doch genug, daß ich nur an
Dem Hof' von Siam was bedeute.
Vielleicht ging' ich den Weg durchs Leben bis ans Grab,
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Und wenn ich auch ein zweiter Haller wäre,
Ganz unbemerkt mit Hans und Kunz hinab:
Allein ein Elephant von einem König'! – Ehre
Die Menge regnet's gleich herab!
Nun glauben zwar vielleicht die Leute,
Daß ich des Elephanten mich
In seiner Scheune inniglich,
Und ihrer Kompliment' auf meinem Sopha freute;
Doch, Sire! glaubt, das ist ein bloßer Wahn!
Denn der ist nicht den kleinsten Zahn
Von einem Elephanten werth,
Wer keinen edlern Stolz in seinem Herzen nährt.
Belohntet Ihr in mir den Dichter?
So wißt: der Elephant gibt, Ehre nicht, nur Neid,
Wenn Ihr ein König zwar, allein kein ächter Richter
Von Geist und Witz und Sprache seyd.
Und seyd Ihr das: so sieht sich zwar
Der Mann geehrt, – denn besser ist doch besser! –
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Den Ihr beschenkt, doch um kein Haar
Wird er dadurch in meinen Augen größer,
Als er den Tag vorher schon war.
So dank' auch ich für Eure Gnade,
Im Fall' Euch, selbst am Hofe, das Gerade
In meiner Denkungsart gefiel,
Denn Eure Hoheit bloß im Bade
Zu unterhalten, war wahrhaftig nicht mein Ziel.
Wenn aber das Geschenk, – es sieht
Beinah so aus! – bloßfür die Ehre
Der Dedikation, ein Trankgeld wäre:
Nun, gnädger Herr, so sind wir quitt!
Allein auch dann bin ich Euch noch verbunden;
Denn, ist gleich mir der Elephant nichts nütz,
So hab' ich doch für ihn den rechten Mann gefunden,
Der nun auf einmal reich durch den Besitz
Des Thieres ist. Ein alter Jäger, Sire!
Der meinem Vater treu bis an sein Ende war,
In dem ich, wenn er stirbt, (was freilich sonderbar
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Am Hofe klingen mag,) den ersten Freund verliere;
Denn ach! er macht' in meiner Kindheit mir
Gewiß noch zehnmal größre Freuden,
Als Euer Königliches Thier,
Um das mich Stadt und Land beneiden!
Ihm war es Kleinigkeit, stockstill auf starren Zeh'n,
Wenn gleich von Eis ihm Bart und Locken klangen,
Beim Grunzen wilder Säu'n, beim Zischen großer Schlangen,
Drei Nächte lang im Forst' zu stehn,
Um mir ein kleines Reh zu fangen!
Und dieser alte Jäger, itzt
Zu steif, um auf die Jagd zu gehen,
(Was anders mag er schwerlich wohl verstehen)
Ist's, der den Elephanten nun besitzt.
Verzeiht der guten Absicht, Sire!
Daß Grünewald, Germaniens Gebiet
Mit Eurem mir geschenkten Thiere
Die Kreuz und Quer durchzieht.
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Wird er auf seinem Zuge reich,
(Er wird's gewiß, wenn sonst nicht Mann und Thier erkranken,)
So will er hin nach Siam, um bei Euch
Sich selbst persönlich zu bedanken.

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TextGrid Repository (2012). Goeckingk, Leopold Friedrich Günther von. Gedichte. Episteln. Zweiter Teil. An den König von Siam. An den König von Siam. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-E28D-A