An Seine Wohlehrwürden, Herrn Nicolaus Kelz, Pastorn zu Waldau in Schlesien, und der Königl. D. Ges. zu Königsberg Mitgliede, zu seiner Magisterpromotion

1735.


Glück zu, beliebter Kelz! zu dieser neuen Tracht,
Dazu dein edler Fleiß dich selbst geschickt gemacht.
Die Weisheit schmücket dich durch ihrer Lehrer Hände,
Als ob sie sich dir selbst zum Eigenthum verbände.
Sie hats mit Lust gesehn, wie deinen muntern Geist,
Der sich mit aller Macht der Niedrigkeit entreißt,
Die Wissenschaft genährt. Sie hat ihn selbst gestärket,
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So, daß man täglich fast dein Wachsthum angemerket.
Du kennst nunmehr die Welt, dich selbst, und Gottes Kraft,
Die allenthalben wirkt und lauter Gutes schafft.
Du spürst der Weisheit nach, die jedes Gras uns lehret,
Und nimmst der Güte wahr, die man erstaunend ehret.
Du kennst auch das Gesetz der redenden Natur,
Der Laster schnöden Schein, der wahren Tugend Spur;
Und merkest klüglich an, warum der Menschen Thaten
Nicht stets nach ihrem Zweck zu ihrem Heil gerathen.
Du selbst bist auch bemüht, die rechte Bahn zu gehn,
Dein wahres Wohl zu baun, dein Glücke zu erhöhn.
Und darum konnte dirs Minerva nicht versagen,
Der weisen Meister Schmuck, den Lehrerhut, zu tragen.
Das ist noch nicht genug. Auch Suada lobte dich,
Denn Pallas kennt auch die und liebt sie schwesterlich.
Es hieß: Du hättest dich mit vielem Ernst beflissen,
Der größten Meister Kunst im Reden recht zu wissen;
Du hättest jener Bahn der Alten nachgespürt,
Die Suadens eigne Hand zur Ehrenburg geführt.
Und würdest dir einmal der Männer Preis erwerben,
Die, was den Ruhm betrifft, in Wahrheit niemals sterben.
Auch dieß hat dir, o Freund! Minervens Gunst erweckt.
Sie liebt die Reden sehr, darinnen Weisheit steckt:
Drum scheinst du doppelt werth, den Titel zu erlangen,
Womit von Alters her der Weisheit Lehrer prangen.
Jedoch, belohnter Kelz! was sagt Budorgis nun?
Budorgis, welches droht uns in den Bann zu thun;
Wenn wir am Pleißenstrom, im Reden oder Dichten,
Uns nicht nach jedem Ton der Odermusen richten.
Du weist ja mehr als wohl, was deine Vaterstadt
Für Eifersucht und Zorn auf unsre Linden hat.
Du weist, wie sehr sie zürnt, wenn unsre Meißnerflöten
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Sich auch einmal erkühnt, mit Schlesiens Poeten
Den Wettstreit einzugehn; wenn sich ein Grübler wagt,
Den Lohenstein verwirft, den Königsdorf verklagt.
Wie kömmt es denn, o Freund! daß du dich nicht gescheuet,
Und nebst der Weisheit, dich der Redekunst geweihet,
So, wie sie Leipzig liebt? das itzt den Trieb verdammt,
Der ehmals auch allhier die Geister angeflammt;
Und das, nachdem es mehr Natur und Wahrheit kennet,
Geschwollner Reden Dunst nur Schaum und Blasen nennet;
Mich hat kein Schlesien, kein Meißnerland gezeugt:
Das ferne Preußenland hat meinen Mund gesäugt;
Den Geist mit Unterricht und Wissenschaft verpfleget,
Und mir zugleich die Lust zum Dichten eingepräget.
Drum gilt mir beydes gleich, ob dieses Meißnerfeld,
Ob jener Oderstrom die Oberhand behält.
Was geht es mich denn an, wenn gleich die Niedersachsen
Die Franken in der Kunst zu Schreiben überwachsen?
Was nützt ein solcher Zank, der nie zum Ende geht?
Wer deutsch kann, ist mir werth, wenn er es recht versteht.
Des Pöbels Redensart pflegt überall zu fehlen.
Wer richtig schreiben will, der muß aus allen wählen.
So geht mich denn, o Freund! der Oder Zorn nichts an.
Ich weis, daß Schlesien und Meißen dichten kann.
Ich lieb und hasse nicht das Vaterland der Dichter:
Denn beyde zeugten sonst die allergrößten Lichter.
Als dort ein Opitz sang, war Flemming hier ein Held,
Dem Preußen seinen Dach mit Recht zur Seite stellt.
Doch als dort Lohenstein und Hofmannswaldau sungen,
Hat Ziegler auch allhier Vernunft und Sinn verdrungen.
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Durch sie ward dort und hier der reine Witz verderbt,
Den von dem Opitz Gryph, vom Flemming Schoch ererbt:
Bis dorten Neukirchs Kiel, und hier Philanders Gaben,
Wie Pietsch in Preußenland, den Wust verbannet haben.
Wo ist der Fehler nun, den Breslau eifrig schilt,
Wenn Lohenstein bey uns nicht mehr, wie vormals, gilt?
Wenn wir vom Weizen Spreu, vom Golde Schlacken scheiden,
Und keinen leeren Schwulst in stolzen Worten leiden?
Wir ehren die Vernunft, wie Opitz auch gethan.
Warum blieb Lohenstein nicht gleichfalls auf der Bahn
Der Wahrheit und Natur? Was hat ihn doch getrieben,
Den Wind der Spanier, der Wälschen Dunst zu lieben?
Thats nicht sein großer Pan, sein Hofmannswaldau bloß?
Nur diesem gieng er nach, nur dieser schien ihm groß?
Was Rom und Griechenland für Muster nachgelassen,
Das war ihm viel zu schlecht, das schien er gar zu hassen.
Ein Irrlicht später Nacht verführt den Wandersmann,
Der nicht die Straße kennt. Wer ihn nur warnen kann,
Der thut es freylich gern; wenn er den Freund nur höret,
Der ihn zu retten denkt. Doch wenn ihn gar nichts störet;
Wenn er sich klüger dünkt; den Freund für thöricht hält:
So lachet man ihn aus, wenn er in Sümpfe fällt.
Die Deutung ist gar leicht. Auch in gelehrten Sachen
Pflegt Vorurtheil und Wahn oft taub und blind zu machen.
Auf, edles Schlesien! Auf, liebst du Lob und Ruhm?
Schau; Opitz ist dein Schmuck, dein wahres Eigenthum!
Sey stolz auf diesen Held, durch den in Deutschlands Gränzen
Die freyen Künste nun mit vollem Schimmer glänzen.
Vier Jahre sind noch hin bis an sein Todesjahr:
Begeh ein Jubelfest, und mach es offenbar,
Wie sehr du ihn verehrst. Man ehrt ihn auch in Meißen,
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Und dürfte dir vieleicht den Vorzug gar entreißen.
Mein Preußen ehrt ihn auch, denn es bewahrt sein Grab:
Ein Grabmaal fehlt ihm nur, das ihm noch niemand gab.
Wir müssen beyde Theil an solchen Pflichten haben,
Weil Bunzlau ihn gezeugt, und Danzig ihn begraben.
Du aber, werther Kelz! sey fernerhin bemüht,
Der Ehre nachzugehn, so wie mans heute sieht:
Damit auch Breslau einst, gleich andern seiner Söhne,
Wie Leipzig heute thut, dich nach Verdiensten kröne.

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TextGrid Repository (2012). Gottsched, Johann Christoph. Gedichte. Gedichte. Poetische Sendschreiben. An Herrn Nicolaus Kelz, zu seiner Magisterpromotion. An Herrn Nicolaus Kelz, zu seiner Magisterpromotion. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-E4DA-C