Du und Sie

Galathea, wohin flog sie, die goldne Zeit,
Da du, ohne Lakey und Putz,
Abends, einzig geschmückt mit deinen Grazien,
In der Fallje 1 geschlichen kamst?
Froh bey meinem Salat, den in Ambrosia
Deine Reize verwandelten,
Warfst du damahls dich selbst, fröhlicher Laune voll,
In des glücklichen Jünglings Arm,
Der, betrogen von dir, gänzlich sich dir ergab.
Damahls schenkten die Götter dir
Rang und Schätze noch nicht; aber an ihrer Statt,
Was ein Mädchen unschätzbar macht:
Einen lachenden Witz, herzliche Zärtlichkeit,
Eine Brust, wie die Milch so weiß,
Und zwey Augen, verliebt, groß und verführerisch.
Wer mit solchen entzückenden
Reizen wäre kein Schalk? Holdester Gegenstand
Meiner Liebe, du warst es auch!
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Und ich liebete dich, Amor vergebe mir's!
Darum, wahrlich! nicht weniger!
Diesem Leben voll Lust gleichet ihr jetziges
Reich mit Ehren gekröntes nicht!
Jener Schweizer, Madam, weiß wie das Schneegebirg',
Und breitschultrig, wie Herkules,
Der, in ihrem Pallast, lügend, am Thore sitzt,
Ein symbolisches Bild der Zeit,
Schreckt mit drohendem Blick, jetzo der lächelnden
Amoretten und Grazien
Leichte Truppen hinweg. Schüchtern umflattern sie
Jene Balken von Zedernholz
Ihres Alkovs nicht mehr. Ehemahls schlüpften sie,
Einem Schwarme von Tauben gleich,
Oft durch's Fenster hinein; scherzten und trippelten
Um ihr jugendlich Bettchen her.
Wahrlich, gnädige Frau, diese lebendigen
Persianischen Teppiche;
Dieses Silbergeschirr, manches Praxiteles
Kunstwerk; diese hellglänzenden
Kabinette, worinn Frankreich die sinischen
Künstler alle beschämete;
Diese Betten von Mohr; diese japanischen
Prunkgefäße, zerbrechliche
Wunder menschlicher Kunst; diese demantenen
Ohrgehänge, Gestirnen gleich
Stralenstreuend bey Nacht; dieser bezaubernde
Staat und Hochmuth zusammen ist
Eines Kußes nicht werth, den du mir Glücklichen
In der Jugend gegeben hast.

Fußnoten

1 Fallje ist ein schwarzes, langes und weites, seidnes Tuch, welches das Frauenzimmer an vielen Orten z.B. zu Mannheim über sich wirft, und das Haupt und den größten Theil des Leibes, ausser den Augen, damit bedeckt, wenn es im Negligee Jemand besuchen, oder in die Kirche gehen; unterweges aber doch von Niemand leichtlich erkannt seyn will.

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TextGrid Repository (2012). Götz, Nicolaus. Gedichte. Ausgewählte Gedichte. Du und Sie. Du und Sie. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-E553-0