Christian Dietrich Grabbe
Die Hohenstaufen
Ein Zyklus von Tragödien

Christian Dietrich Grabbe
Kaiser Friedrich Barbarossa
Eine Tragödie in fünf Akten

Personen

[4] Personen.

    • Kaiser Friedrich der Erste, mit dem Beinamen Barbarossa.

    • Beatrice, seine Gemahlin.

    • Prinz Heinrich, sein Sohn erster Ehe.

    • Der König von Böhmen.

    • Der König von Polen.

    • Der König Waldemar von Dänemark.

    • Der Grossfürst von Litauen.

    • [Prinz Plantagenet].

    • Heinrich der Löwe, Herzog von Sachsen und Baiern.

    • Mathildis, seine Gemahlin.

    • Der Erzherzog von Österreich.

    • Der Pfalzgraf Otto von Wittelsbach.

    • Der Burggraf Hohenzollern.

    • Der Graf von Tirol.

    • Der Erzbischof von Mainz.

    • Der Graf von Orla.

    • Jordanus Truchsess.

    • Heinrich von Ofterdingen.

    • Freiherr von Roden.

    • Graf von Andechs.

    • Landolph,
    • Wilhelm, Lanzknechte Heinrichs des Löwen.

    • Giso, ein baierscher Lanzknecht.

    • Rudolph,
    • Ulrich, schwäbische Krieger.

    • Papst Alexander der Dritte.

    • Kardinal Ugolini.

    • Gherardo, Konsul von Mailand.

    • Galdino,
    • Alberto, adlige mailändische Jünglinge.

    • Der Doge von Venedig.

    • Der Graf von Montpellier.

    • Der Graf von Barcelona.

    • Der Graf von Montferrat.

    • Constanze, Erbtochter von Neapel und Sizilien

    • Herolde, Boten, mailändische, lombardische, deutsche Truppen und andere Nebenpersonen.

1. Akt

1. Szene
Erste Szene
Die Trümmer der Stadt Mailand.
Galdino und Alberto treten auf.

GALDINO.
O Mailand! Vaterstadt! Wo bist du? Wo
Sind deine Türme? Wo der Ahnen Gräber?
– Das ist kein Wiedersehn! Ach, nicht die Spur
Von Ihr, die mit den Plätzen, mit den Straßen,
Wo sich die Prachtpaläste endlos drängten,
Wo das Gewog der Bürger flutete
Wie Meeresströme, glorreich hier geprangt!
– Des Kaisers Pflugschar ging darüber weg! –
– – Alberto, du kannst schweigen?
ALBERTO.
Sieh, es redet
Die Träne hier im Auge, sieh,
Es sprechen meine Hände – In den Boden
Der Heimat schlag ich sie, und möchten sie
Da ewig wurzeln!
GALDINO.
Richt dich auf!
Sie liegt doch hinter uns, die heimatlose,
Schreckliche Zeit! Wir ziehn doch wieder ein!
Was er, der zornge Schwabe, wie den Staub
In alle Winde zu zerstreuen wähnte,
Gesammelt hat es sich von neuem, und
Die Bürger Mailands, Mann an Mann in Waffen,
In Bräute-Schmuck die Jungfraun, von den Scharen
Der ganzen Lombardei begleitet, kehren
Zum alten Herd zurück!
ALBERTO.
Was zaudern sie?
Tot an dem Wege liegen unsre Rosse –
So stachelte uns Sehnsucht nach der Heimat –
Sie scheinen trägerer Natur!
[5]
GALDINO.
Horch! Horch!
Sie nahn! Schon tönt von hunderttausend Lippen
Der Lobgesang, den Mailands Heiliger
Gedichtet, – nie so herrlich noch erklungen,
Als heut, wo seine Stadt sich neu
Bevölkert!

Hinter der Szene hört man ein donnerndes te deum laudamus des heiligen Ambrosius; zahllose Mailänder in Waffen, und Frauen, Jungfrauen, Kinder unter ihnen, treten auf.
GALDINO.
Ha! da sind sie!
ALBERTO.
Der Gesang
Verstummt! Ich weiß warum! Schlecht singt der Jammer!
GALDINO.
Sie sehen die Verwüstung!
ALBERTO.
Und sie alle,
Der Greis, der Mann, das Weib, das Mädchen, stürzen,
Wie von dem Blitze hingeschmettert, an
Die Erde – küssen Steine, – säen heiße Tränen,
Wo Barbarossa Salz gesät! – Es kommt
Wie eine Windsbraut über mich – ich breche
Zusammen, stürz mit ihnen nochmals nieder –
Wir finden endlich
Die Heimat wieder, – doch nur wie die Mutter
Nach langem Suchen das verlorne Kind –
Sie findet es, allein es ist in Stücken!
VIELE TAUSEND STIMMEN DER MAILÄNDER.
O Tag des Jammers! Tag der Freude! Tag
Des Zornes!
GALDINO.
Welche furchtbare Bewegung!
Der Schmerz, der Zorn, die Lust – Sie fliegen gleich
Drei Riesenadlern zuckend durch die Menge!
ALBERTO.
Das die drei Adler, Freund, mit denen wir
Den kaiserlichen überflügeln und
Zerreißen, stieg' er auch so hoch, als nur
Ein Hohenstauf im Stolz zu denken wagt!

Ein Vater mit seinem Sohne tritt vor.
DER VATER.
Mein Sohn, sieh diese Stätte – diese Trümmer –
Vor sieben Jahren, als du wardst geboren,
Stand hier ein Haus mit Marmorstufen, mit
Erhabnen Säulen, und es wohnten drinnen
Wohlfahrt und Häuslichkeit und Frieden. Zwei
[6] Liebliche Töchter blühten wunderschön,
Und sorgsam waltete die Mutter – Es
War deines Vaters Haus. Da aber, an
Dem Tag, wo des Carroccio Baum, jetzt
Dort wieder aufgerichtet, zu dem Fuß
Des Hohenstaufen schmachvoll hinsank, sprengten
Heran des Barbarossa Eisenreiter,
Die Pferde rissen sie die Stieg hinauf,
Sie in die Säle stallend, mit der Faust
Ergriffen sie die Mutter und den Vater,
Die Töchter und den Sohn, und warfen sie
Auf freie Straße – Fenster, Pfosten, Säulen,
Flogen laut krachend hinterdrein – Es brach
Vor Gram der Mutter Herz – die Töchter welkten
Dahin, – nur du bliebst übrig, weil du nicht
Begriffest, was geschah, und ich starb nicht,
Weil mir das Herz zu fest, so leicht zu brechen, –
So sind wir denn noch lebend, um zu rächen!
Schwör ewge Rach dem Barbarossa! –
Du weinst? Ich weiß genug! Wer weint,
Der flucht, und sucht die Träne zu
Vergelten!
DER SOHN.
Meine Mutter! meine armen Schwestern!
DER VATER
laut.
Dem Barbarossa Kampf bis in den Tod!
ALLE MAILÄNDER
vom Boden aufspringend und die Speere schüttelnd.
Bis zu dem Tode Kampf dem Barbarossa!

Der Kardinal Ugolini und Gherardo treten vor.
KARDINAL.
Vernimmst du dies? Der Ozean braust um
Uns her! Jetzt, Konsul, gilt es, auf das Haupt
Des kaiserlichen Frevlers ihn zu lenken,
Und unter geht er in den Wogen,
Ein zweiter Pharao!
GHERARDO.
Herr Kardinal,
Eh wir die Menge lenken, tuts sehr not,
Daß wir sie ordnen! Wilde Wut verwandelt
Sich leicht in dumme Feigheit!
KARDINAL.
Ordnet denn!
Was ihr beginnt, die Kirche segnets! Doch
Seid schnell! Die Langmut Gottes ließ schon viel
[7] Zu lang den Drachen aus dem schwäbischen
Gebirge auf dem Kaiserthron sich sonnen!
GHERARDO.
Des Papstes Langmut hätt es wohl so lang
Nicht ausgehalten?
KARDINAL.
Aber wunderbar zuckt nun
Der Kirche Schwert in eurer Hand. Es wollte
Der Schwabe euch zertreten, und ihr stecht
Ihm in den Fuß – ihr kämpft für euer Leben,
Und kämpft grad dadurch für die Kirche mit!

Laut.

– Hört es, Mailänder und Lombarden! Hier
Dem Konsul Mailands reich ich meine Hand
Zum ewgen Bündnis mit dem Vatikan –
Drum kühn! Wohin ihr zieht, und gegen Wen
Ihr kämpft – des Bannstrahls Blitz und Donner flammen
Und rollen schützend über euch!
DIE MAILÄNDER UND LOMBARDEN.
Heil uns!
Gott selbst wird mit uns streiten!
GHERARDO.
Jetzt zur Tat!
Nicht eine Stunde Ruh, und niemand,
Nicht Greis, nicht Jungfrau, wird verschont,
Bis daß die Mauern wieder aufgetürmt,
Die Gräben wieder sind gezogen!
ALBERTO.
Konsul,
Was sollen Mauern? Hier in unsrer Brust
Steht Mailands Wall, in unsern Adern rollt
Sein Graben! Eh wir andre Gräben ziehn,
Laß uns den Hohenstaufen erst
In seinem Horste suchen, rächend ihn
Vertilgen!
DIE MAILÄNDER.
Rächend ihn vertilgen!
GHERARDO.
Das
Sind Worte, Freunde! – Nicht mit Worten,
Kaum mit dem Schwert – mit großer Kriegskunst nur,
Mit Mut, Ausdauer und mit Gottvertrauen
Ist Barbarossa zu bekriegen. Such
Ihn nicht in seinem Horst – Ich schwörs: schon sucht'
Er uns!
ALBERTO.
Herr, hats dir je seit sieben Jahren
Im Aug gebrannt um Mailands Fall?
GHERARDO.
Mein Sohn,
[8] Wohl möglich, daß seit sieben Jahren, seit
Der Stunde, wo der Barbarossa Salz
Auf die Ruinen streute, keine Nacht
Gedunkelt, wo ich nicht in Tränen liegend zu
Dem Himmel aufschrie, und kein Tag geleuchtet,
An dem ich nicht gekämpft, das Weinen zu
Ersticken. Glaube mir, die Zähre, die
In Finsternis und Einsamkeit geweint
Wird, fällt am schwersten. Und vielleicht, daß ich
In glühnden Tränen dachte, was ich kalt
Anjetzt vollende!

Ein Bote, bleich, staubbedeckt und atemlos, stürzt in die Szene.
DER BOTE.
Weh der Lombardei!
Schon tobt es wild auf den roncalischen
Gefilden –
GHERARDO.
Ha! Ist Er schon da! Wer sagte,
Daß er uns suchen würde?
DER BOTE.
Sie errichten
Dort schon die kaiserliche Pfalz, und hoch
Am Eichenstamm erheben sie den Schild
Des Reichs, ein Meteor des Grausens!
Herolde schlagen mit den Stäben auf
Sein Erz, und rufen laut nach jedem End
Der Welt, Italien vor das Gericht des Kaisers!
GHERARDO.
Und dieser?
DER BOTE.
Wie sie sagen, hielt er in
Thüringens goldner Au ein Festgelag –
Da kam die Nachricht, daß im Schütze der
Lombarden, Mailands Bürger sich gesammelt –
Den selbgen Augenblick sprang er vom Mahl
Empor und stieß den Römer Rheinweins um,
Der vor ihm funkelte, und foderte
Des Reiches Heerbann auf zur schnellsten Folge.
Zusammen rafft' er dann, was an Vasallen
Und Mannschaft gegenwärtig war, und eilte
Im Sturmesflug damit voraus – Como,
Peschiera sind gefallen und geschleift,
Jetzt eben trifft er bei Roncaglia ein;
Und Braunschweigs mächtger Löwe wandelt ihm
Zur Linken!
KARDINAL.
Sollte der den Löwengeist
[9] Wohl stets verleugnen, und sich immer von
Dem Hohenstaufen zügeln lassen?
GHERARDO.
Schwerlich!
Ihr, die ihr in den Herzen herrschtet, binden
Und lösen könnet – löset auch einmal
Die Löwentreue!
KARDINAL.
Spare deinen Rat!
Erwarte demutsvoll und still, was Gott
Beschließt für seine Kirche!
GHERARDO
zu dem Boten.
Und wie stark
Ist Friedrichs deutsche Heeresmacht?
DER BOTE.
Noch ist sie schwach, allein sie schwillt von Stund
Zu Stunde, – von der Alpen Stufen steigen
Bereits der Krone große Lehensmannen,
Und alle Straßen des Gebirges sind
Erfüllt von Reisigen und Waffen, – Pferde
Vom Elbstrom trinken schon den Po!
GHERARDO.
Mailänder,
Was tut ihr?
DIE MAILÄNDER.
Aus der Scheide reißen wir
Das Schwert und zu dem Himmel schwingen wir
Die Lanzen: siegen oder fechtend fallen!
GHERARDO.
Ha, freudig hör ich, ihr seid rechten Sinnes!
– Erschienen ist der Prüfung Stunde – Ihr'
Besteht sie besser als ich hoffte – diese Trümmer
Verwandeln euch in Felsen! Seid sehr hart,
Sonst werdet ihr wie sie zerschlagen – Noch ists Zeit,
Doch not tut Eile! – Barbarossas Heer
Ist schwächer noch als wir – drei Tage nur;
Und es ist stärker! Drum Gesandte
An alle Städte Norditaliens
Geschickt, zur Hülf und Tat sie aufzurufen –
Wir selbst ziehn schleunig nach Legnano,
Verschanzen uns dem Kaiser gegenüber,
Und bieten ihm zum letzten Mal den Frieden!
DIE MAILÄNDER UND LOMBARDEN.
Wem Frieden? Ihm? Biet ihm den Tod, die Brust,
Die Stirne, doch nicht Frieden dem Tyrannen!
GHERARDO.
Er ist der Herr und Kaiser! Grausam, furchtbar
[10] Behandelte er uns – Jedoch laßt auch
Uns eingestehn, wir trotzten mehr ihm, als
Sich ziemte. Ein geringer Laut erweckt
Auf hohen Alpen die Lauwinen, – so
Auch mochte unser Schrei um Recht, zu frech
An Throneshöh des Hohenstaufen klingen,
Und auf uns fiel sein Zorn! – Was ihm gebührt,
Laßt uns dem Kaiser geben, heiß es Zoll,
Gefälle, Huldgung der Vasallen – Aber
Mit Vögten nicht soll er die Freiheit binden
Und nach Belieben in den Städten rasen!
KARDINAL.
Ein äußerst wohlbedachter Friedensvorschlag!
Auch Christi Kirche schätzt den Frieden sehr.
Drum werd ich eure Abgeordneten
Begleiten, und den Kaiser auch mit Uns
Versöhnen.
GHERARDO
für sich.
Rom! wie taubensanft und schlangenklug!
Mit ihm aus Not verbündet, dürfen wirs
Nicht lassen – Und den Frieden, den es bietet,
Nimmt Barbarossa nimmer. Lieber wagt
Er erst den Krieg! und wenn er Roms Antrag
Verwirft, so ist mit ihm der unsrige
Verworfen!

Laut.

– Kardinal, ich wünsch Euch Glück,
Und mög es besser Euch gelingen, als
Ihr denkt und – hofft!
– Mailänder! Krieg!
Ihr wisset wider wen es gilt – Er thront
Als Schrecklichster der Herrscher – Wißt
Ihr aber auch, für was ihr kämpft? Wes Schoß
Euch liebend aufnimmt, wenn ihr stürzt? Es ist
Die Vatererde! Für
Die Vaterstadt, fürs Vaterland, für ganz
Italien streitet ihr! Sei Friedrich noch
So mächtig, unsre Bundsgenossen sind
Weit mächtiger – Es sind die Männerbrüste,
Die wie ein ewiges Erdbeben, heiß
Für Freiheit und für Ehre pochen – Dort
[11] Die Berge, dieser Strom, ja jeder Baum
Der in der Heimat prangt – Hemmnisse sinds
Dem Feinde, doch uns treue Kriegskamraden!
– Und Heil ihm, der fürs Vaterland dahinsinkt –
Nicht größer, edler kann er untergehn!
Er fällt für Haus und Stadt, für Kind und Eltern,
Er fällt für seine spätsten Enkel, blutet
Für künftige Jahrhunderte, und stets
Wird seines Grabes Rasen grünen, denn
Der Bürger Tränen werden segnend ihn
Betauen!
ALLE MAILÄNDER UND LOMBARDEN.
Werden segnend ihn betauen!
GHERARDO
das Schwert ziehend.
In Glied und Reih! Zieht das Carroccio
In unsre Mitte!

Das Carroccio wird vorn in die Szene gefahren.

Seht den Fahnenwagen!
Der Schutzpatron steht drauf und winkt zum Siege!
Dem Winke nach! Es wird der Feind geschlagen!
ALLE MAILÄNDER UND LOMBARDEN.
Wir brechen jubelnd auf zum Freiheitskriege!

Kriegerischer Marsch, alle brechen auf und ziehen ab.
2. Szene
Zweite Szene
Das deutsche Lager auf den roncalischen Gefilden. Viele Zelte, und unter ihnen mitten im Hintergrunde, die kaiserliche Pfalz, mit Seide und Purpur ausgeschmückt. Vor ihr, am hohen Pfahl der Reichsschild. Überall Wachen, besonders um den Reichsschild und die Pfalz.
Landolph und Wilhelm kommen.

WILHELM.
Die Freude lacht dir ja aus dem Gesicht.
LANDOLPH.

Ich habe endlich ein bißchen Hafer für die Liese aufgetrieben, und sie knuspert darin, daß sich das Herz umkehrt vor Vergnügen.

WILHELM.

Ja, es geht nichts über das Knuspern von so einem Pferde. Ohne das kann ich nicht schlafen. – Wie gehts deinem eignen Magen? Ich hungre verflucht.

[12]
LANDOLPH.

Mein Magen ist leer, wie die Welt vor ihrer Erschaffung. Aber die Liese tut sich doch einmal gütlich!

WILHELM.

Das Wälschland ist ein miserables Land. War ich der Kaiser, ich nähms nicht, und schenkte man es mir.

LANDOLPH.

Hör Wilhelm, dem Herzoge sind die Heer- und Querzüge auch nicht recht. Seine Faust und seine Stirn sind seit ein paar Tagen immerge ballt und gefaltet, wie Wetterwolken, die zusammenziehn, bevor sie sich entladen. Und das Löwenfell hängt ihm schief um die Schulter – Das Fell ist meine Windfahne – Es stürmt ihn wieder nach Norden.

WILHELM.
Hier ists auch allzu schlecht. Der Schinken –
LANDOLPH.

Da sprichst du wahr – Der Schinken ist niederträchtig! Schweinezucht kennt das Volk gar nicht. Was es da fette Schweine heißt, sind das nicht Tiere, wie zwei zusammengenagelte Bretter, worauf statt der Haare noch die Sägespäne sitzen? Beim Geier, ich glaube, sie füttern die Säue mit ihren albernen Oliven! – – Wilhelm, bei uns an der Weser, da sind doch noch Säue zu Haus! Wetter, welches Vieh läuft da auf allen Straßen!

WILHELM.

Die Schinken! Die Schinken! Setzen sie mir da neulich bei Como ein Ding vor, so zähe – ich meinte es wäre Sohlenleder. Man konnte Riemen daraus schneiden, und Simson damit binden. Kein Fett, keine Farbe. Zuletzt spür ich, es soll was zu essen sein. Ich beiße zu! Donner, wie wurden mir die Zähne ausgebissen! – Das nannten sie Schinken! – Den Augenblick schärft ich meine Lanze, um sie in der Schlacht jedem Italiäner desto tiefer in die Brust zu jagen.

LANDOLPH.

Und, Wilhelm, welch ein Gemüse! Savoyerkohl und Fleisch mit Sirup und Rosinen! – Linsen, Erbsen, große Bohnen und ein Stück Speck dazu, – das macht Westfalen und schafft Fäuste, fest und gewaltig wie meine und deine.


Er drückt Wilhelm die Hand.
GISO
kommt.
Na, Sachsen, was räsonniert ihr denn da?
LANDOLPH.

Nenn uns lieber Westfalen. Da an der Elbe, bei Wittenberg und Meißen, sind so ein paar Herren aus unserm eigentlichen Sachsen hingezogen, haben richtig da etwas unterm Heidenvolk erobert und ihre neuen Untertanen nennen sie schon Sachsen, oder gar Obersachsen – Nun, sind wir niedere Sachsen,


[13] Höhnisch.

so möcht ich denn doch einmal die oberen sehen!
WILHELM.
Was für ein Jammerland ist Italien!
GISO.
Gott straf mich! Es hat kein Bier von Nürnberg!
WILHELM.
Und keine Gose vom Harze.
LANDOLPH.

Baier, ich kriege Heimweh, seh ich die wälschen Gesichter und Figuren. Wo ist der Kerl, der eine breite Brust hätte wie du? Wo einer, der mir bis an die Schulter ginge? Und die schändlichen schwärzlichen Fratzen mit den Katzenaugen! Ich schwöre, es sind nichts als Juden!

WILHELM.
Und welche Sprache, Landolph! – Kann man die Schurken verstehen? – Ist das deutsch?
GISO.
's ist kauderwälsch, Westfale!
LANDOLPH.

– Da kommen die lustigen Schwaben – geraubte Hühner in der Hand – Die Kerle können tanzen und stehen doch auf italiänischer Erde!

ULRICH UND RUDOLPH
auftretend.
Trallala!
Die Hühner gefangen!
Mailänder gehangen!
Hoch lebe der Kaiser!
ALLE.
Er lebe hoch!
LANDOLPH.
Und mit ihm Braunschweigs Löwe!
ALLE.
Hoch Braunschweigs Löwe!
ULRICH.
Brüderschaft, Kameraden. – Da, wir haben Hühner – Jeder eins – Nehmt hin – Wir kommen grad aus!
WILHELM.

Danke – der Hahn ist so übel nicht. Will ihm gleich den Kopf umdrehen, so läßt er das Sträuben und Wegfliegen.

RUDOLPH.

Und seht ihr dort die Pfalz? Ein hübsches Zeltchen! Der Kaiser naht! Geld und Fourage mit ihm, Hüll und Fülle! Noch heut ist Heerschau! Dann gegen Mailand! – Wißt ihr noch, vor sieben Jahren?

WILHELM.
Da gings in Mailand lustig zu!
GISO.
Du saßest auf dem Markt, und lachtest unermeßlich.
WILHELM.
Es war zu arg: wie stürzten die Giebel, wie fingen die Wetterhähne auf den Türmen zu fliegen an!
LANDOLPH.
Ambrosius! Jesus! Herr Gott! schrie das Volk.
GISO.
Der Wein stieg aber aus den Kellern auf die Gasse!
ULRICH.
Und wie wir auch wüteten, der Kaiser verzog nicht die Miene.
[14]
RUDOLPH.
Er strafte nur Empörer!
ULRICH.
Mitsamt den Häusern brannte auch die Unschuld der mailändischen Mädchen auf.
WILHELM.
Ihr Leben hinterdrein!
LANDOLPH.

Wenn wir jetzt wieder dahin kommen, finden wir kein Mailand mehr. Nur Ruine. Zu schlimm gings dort her.

ULRICH.

Ei, die großmütige Seele ärgert sich, daß sie künftig in Mailand weniger zu plündern findet, als früher! – He, Freund! weiß er noch, wie er damals mit seinen ellenlangen Fingern einen mailändischen Knirps, mit rotem Doktorhut, einfing, ihn mit dem Kleide auf seinem Speer befestigte, und ihn herumtrug und quälte, daß er ihm die reichsten Häuser mit den meisten Schätzen zeige?

LANDOLPH.

Warum sollt ich das nicht tun? Der Kaiser hatte Plündrung erlaubt. – Was ich eroberte, war Gottes Segen. – Übrigens bracht ich den Knirps in eine Apotheke und traktierte ihn darin.

ULRICH.
Ja, mit Pillen, Mixturen, Brechmitteln, bis er den Geist aufgab.
LANDOLPH.

O, ich gab ihm doch was! Es waren teure Sachen. Er wehrte sich verwünscht, aber ich beschenkte den Buben doch!

GISO.
Zurück! Da kommt jemand. – Es muß ein Großer sein. – Die Wachen salutieren bis auf den Grund!
LANDOLPH.
Es ist unser und euer Herzog, Baier!
GISO.

Wahrlich, er nennt sich der Löwe, und er ist es. – Auf dem letzten Kreuzzuge, wo es uns so übel ging, im syrischen Sande, lag ein Löwe in der Sonne: ernst, die Augen offen, zwei Spiegel der Wüste, unregsam, und doch zum Sprunge bereit. – Seh ich den Herzog, fällt mir stets das edle Tier ein!

ULRICH.

Aber die Sonne, Baier, die den braunen Löwen beschien, sah unserm Kaiser gleich, mit dem blonden Haar und der freien Stirne, hoch über der Welt dahinwandelnd!

LANDOLPH.
Löwe und Kaiser! Betet, daß sie stets Freunde bleiben wie jetzt!
RUDOLPH.
– Woher hat er den Namen Löwe?
LANDOLPH.
Kennst du einen Lindwurm?
RUDOLPH.
Nein.
LANDOLPH.

So kennst du nichts. Stell dir einen Kelleresel vor [15] mit fünfzig Füßen, aber millionenmal größer. So ein Tier hatte einen Löwen umklammert, daß er heulte wie ein Hund. Der Herzog sah es, und rettete den Leuen durch einen Schwertstreich. Dafür folgte der Löwe dem Herzog nach bis an das Meer von Askalon – da ertrank er, als sie ihn auf das Schiff nicht mitnehmen konnten – doch dem Herzoge blieb der Name und die Macht!

WILHELM.
Auf die Seite – der Löwe geht vorbei!
LANDOLPH.
Wolkenschwer, wie ein Sturm!

Sie treten zurück.
HEINRICH DER LÖWE
tritt auf, für sich.
Das nimmt kein Ende! Grundlos dämmert es
In seinem Auge, nie wird es gesättigt!
Hoch über Mailands Trümmer, Romas Kuppeln weg,
Bis zu des Ätna Flammenhöhn, bis zu
Den Pyramiden und Jerusalem
Schweift schon sein Blick, – und Ich, der Löwe, soll
Als Hund ihn stets begleiten? Ward
Ich nicht zu groß dazu?
Ich wards.
Halb Deutschland,
Der starke Baier, der gigantsche Sachse,
Folgt meinem Ruf! Der Wend und Pole schaudern
Bei meines Namens Schall. Weithin am Nordmeer
Und an der Ostsee dehnt mein Reich sich aus,
Und als mein Tor verschließt, wenn ichs gebiete,
Den stürmschen Belt der Dänenkönig –
– Dort muß ich herrschen, Fürst des Nordens, und
Dadurch vielleicht der Welt! – Doch hier im Süden
Für Friedrich meiner Völker Blut vergeuden –
Ohnmächtig macht es mich, den Kaiser machts
Nicht größer – Rom erdrücken, heißt den Mond
Vom Himmel reißen wollen!
Seh ichs endlich?
Und strahlt er wieder wild in Mitternacht,
Der Stern der Welfen? – – – Er ist ein anderer
Als der von Waiblingen! Sie stiegen beide
In fabelhafter Vorzeit Dämmerung,
Mit wundervollem Glanz aus Deutschlands Boden,
Und stiegen immerdar, Jahrhunderte
Hindurch, bis zu des Äthers letzten Gipfeln,
[16] Ein zweites Paar der Dioskuren –
– Nun nahen sie im Scheitelpunkt zusammen,
Und Einer muß sich beugen, oder muß
Erlöschen, oder beide müssen sich
Zerstören! –
– Deinen Sturm spür ich, Geschick!
Er weht durch Friedrichs und durch mein Geschlecht!
Wie zwei Kometen treibt er unausweichlich
Einander uns entgegen, jeder flammend
Von Wetterstrahlen und Vulkanen –
Weh,
Mir grausets! Denn der Gegner ist mein Freund,
Ist aller Männer Herrlichster! Weit schöner
Als seines Diadems Juwelen, leuchten
Um seine Stirn die Kraft, der Hochsinn und die Anmut!
Es pocht das Herz mir in der Brust, wenn ich
Ihn sehe, und sie tut sich auf, wie ein
Triumphtor, um ihn zu empfangen! Auch
Die seine schlug schon laut an meiner!
– Stimme
Der Freundschaft, töne! töne! Übertön
Der Ostsee und des Nordmeers Brausen, das
Hoch über Deutschlands Gau'n und Alpen dringend,
Den Sachsenherzog ruft und mahnt nach Norden! –
– Ha, naht er da? Ich muß ihn grüßen!

Ab.
WILHELM.
Landolph, Landolph, ich sah im Auge des Herzogs eine Träne! Tod dem, der sie ihm ge macht hat!
LANDOLPH.
Weint der Herzog, so hängen über dem Harze Gewitter!
ULRICH.

Und lächelt der Kaiser, so tanzt der Neckar noch einmal so munter, und küßt jeder Schwabe sein Mädchen noch einmal so herzlich!

WILHELM.

Der Kaiser kommt! Der große Zug! Vorn das Reichspanier, die beiden krummnasigen Könige von Böhmen und Polen tragen das Schwert und den Szepter – links dem Kaiser der Löwe, rechts der junge Prinz!


Großer Kriegsmarsch.

O welche herrliche Musik!
GISO, ULRICH UND RUDOLPH. Fort! wir müssen zu unseren Fahnen.
LANDOLPH.
Wilhelm und ich sind Leibtrabanten des Herzogs, und bleiben hier bei ihm.

[17] Giso, Ulrich und Rudolph ab.
Großer Zug. – Reichsherolde voraus, vier von ihnen treten um den Reichsschild. Dann mit der Reichsfahne der Pfalzgraf Otto von Wittelsbach. Vor dem Kaiser der König von Böhmen mit dem Szepter, der König von Polen mit dem Schwert. Der Kaiser selbst. Um ihn der Erzherzog von Österreich, der Burggraf Hohenzollern, der Graf von Tirol und viele andere Fürsten und Ritter. Lanzknechte
umschließen den Zug in einem weiten Ringe.
OTTO VON WITTELSBACH
rechts vom Reichsschilde, auf der andern Seite der Bühne, die Reichsfahne mit dem Doppeladler aufrollend und aufpflanzend.
Entfalte rauschend deine seidnen Schwingen,
Du römischer, du kaiserlicher Aar, und flieg
Auf tausendjährger Siegsbahn weit und weiter,
Bis an den Saum der Welt – Der Wittelsbacher
Stürmt ewig nach dem Winke deiner Flügel!
WILHELM.
Landolph – mir wirds kurios – die Fahne rauscht
Wie'n scharfes Eisen mir durch Mark und Bein –
's ist nur ein Fetzen Seide und ich könnte
Doch für ihn sterben!
LANDOLPH.
Wilhelm, auch die Banner
Der Welfen rauschen schön und prächtig!
KAISER FRIEDRICH.
In diesem Feldzug schlaf ich heute nacht
Das erste Mal dort in der Pfalz auf dem
Roncalschen Feld. Herolde an eur Amt
Und übt uralten Brauch!

Drei starke Trompetenstöße. – Dann.
EINER DER VIER UM DEN REICHSSCHILD STEHENDEN REICHSHEROLDE.
Der Kaiser schläft
Heut nacht in seiner Pfalz zum ersten Mal
Auf dem roncalschen Feld!

Mit dem Stabe an den Reichsschild schlagend.

Es tönt der Heerschild! –
– Bei seinem Klange rufen wir des Reichs
Unmittelbare Lehensträger auf, gerüstet
Hier zu erscheinen, und des Kaisers Schlaf
Gezückten Schwerts persönlich zu bewachen!
Den Säumigen trifft Acht und Tod!
[18]
KAISER FRIEDRICH.
Nun ruft
Die Namen!
DER REICHSHEROLD.
Herzog Baierns und von Sachsen!
HEINRICH DER LÖWE
tritt vor.
Mit allen seinen Kriegern ist er da!
KAISER FRIEDRICH.
Heinrich, mein Löwe!
HEINRICH DER LÖWE.
Kaiser du, und Freund!
KAISER FRIEDRICH.
Ich werd
Es ewig dir gedenken, wie du rascher
Und mächtiger als alle, meinem Wort
Gefolgt bist. Halb mein Heer besteht
Aus deinen Scharen. Sie
Erkennt der erste Blick: die Baiern dort,
Stark, fest und treu, wie Landshuts Mauern –
Und dort die Niedersachsen, riesig
Und herrlich, wie die Föhren, die den Harz
Umsausen! Stolzer und gewaltiger
Als jedem andern Könige der Erde, schlägt
Die Brust dem deutschen Kaiser, sieht er Mannen
Wie diese! Wer kann sie bezwingen?
HEINRICH DER LÖWE.
Kaiser,
Mein Kaiser – Sachsen gabst du mir und Baiern –
Ich dank es dir – jedoch ich furcht, ich fürchte,
Du machtest mich zu groß!
KAISER FRIEDRICH.
Zu groß? – Mein Heinrich,
Ich kann dich nicht verstehn und will es nicht! –
– Doch hör: – nichts ist zu groß dem Hohenstaufen,
Am wenigsten der Freund!
PRINZ HEINRICH.
Herr Herzog, fürchtet
Euch selbst vor Eurer Größe, drückt sie Euch
So schwer! – Wir scheun sie nicht, uns scheint sie klein
Genug!
KAISER FRIEDRICH.
Sohn,
Welch Wort in deinem siebzehnjährgen Munde?
HEINRICH DER LÖWE
für sich.
– Ha! regt es sich auch schon in dem? – Das war
Der Geist der Hohenstaufen! – Er scheint erblich
Wie ihre Kronen! Doch der Welfen Sinn
Erschreckte auch oft schon am Kind der Wiege!
Den kecken Knaben da möcht ich zerreißen!
Ich muß mich bändigen mit aller Kraft!
[19]
KAISER FRIEDRICH.
Sohn, sei du stolz, wie nur ein Gott es sein kann,
Allein dann streb auch unverdrossen, daß
Dein Wert dem Stolze gleich sei, und du wirst
Titanengroß!
HEINRICH DER LÖWE.
Hört die waiblingische Erziehung!
PRINZ HEINRICH.
Wenn an der Größe auch, am Streben solls
Nicht mangeln!
KAISER FRIEDRICH.
Weiter ruft, Herolde!
DER REICHSHEROLD.
Der
Erzherzog Österreichs!
DER ERZHERZOG VON ÖSTERREICH
tritt vor.
Er grüßt den Kaiser!
KAISER FRIEDRICH.
Du heißt des Reiches »Herz und Schild« und bist
Ein kräftges Herz, ein starker Schild! Der Magyar,
So wild er vorwärts drang, steht er dir still,
Und an Wiens Mauern wird noch manches Schwert
Zersplittern!
ERZHERZOG VON ÖSTERREICH.
Slav und Ungar drohn mir stets
Im Norden und im Osten. Drum verzeih,
Wenn ich mit schwacher Heersmacht nur dir nahe!
KAISER FRIEDRICH.
Du selbst bist hier, und das ist mir genug!
DER REICHSHEROLD.
Der Graf Tirols!
GRAF VON TIROL
tritt vor.
Der Graf Tirols ist da!
KAISER FRIEDRICH.
Ah, mein Geleiter durch der Berge Pässe,
Der Schlüsselwahrer von Italien!
DER REICHSHEROLD.
Herzog von Zähringen!
KAISER FRIEDRICH.
Wie? keine Antwort?
DER REICHSHEROLD.
Herzog von Zähringen!
KAISER FRIEDRICH.
– Das ist empörend! –
Nah liegen Zähringens Besitzungen!
Der Herzog konnte hier sein und er muß
Hier sein! Da waltet Tücke oder Trotz,
Zwei Drachen, die ich zu zertreten weiß!
– Zum letzten Male ladet den Zähringer!
DER REICHSHEROLD.
Herzog von Zähringen!

[20] Pause.
KAISER FRIEDRICH.
Er fehlt! – Ich werf
Ihn in die Acht des Reichs! – Du Österreich
Und du, Tirol, vollstreckt sie! Seine Lande
Verfallen euch und seinen Nachbarn! Wie
Ein Märchen solls in Zukunft tönen,
Wenn man erzählt, daß einst vom Quell des Rheins
Bis zu dem Schwarzwald, von Tirols Gebirg
Bis zu Genevas See, vor welchem sich
Der Montblanc schmückt und spiegelt, Zähringen
Geherrscht hat, und sein Name Feldgeschrei
Gewesen!
DER REICHSHEROLD.
Der Graf von Burgund!
KAISER FRIEDRICH.
Gegen Frankreich
Steht er auf Wacht, und ist entschuldigt.
DER REICHSHEROLD.
Herzog
Lothringens!
KAISER FRIEDRICH.
Ist befreit aus gleicher Ursach!
– Nicht weiter ruft. Für Franken und für Schwaben
Bin ich hier selbst, und alle die noch fehlen,
Aus Flandern, Niederland, aus Trier, Köln,
Rechtfertigt ihres Weges Weite. Der
Erzbischof Christian von Mainz ist aber,
Anstatt zu zögern, uns vorausgeeilt,
Und lagert vor Ankona. Er hat schon
Befehl, sich mit dem Hauptheer zu vereinen.
Die Könige von Polen und von Böhmen
Seh ich zu meiner Freude ihren Dienst
In meiner Näh verwalten, und mein Nachbar,
Der lebensmutge Hohenzollern, schaut
Mit hellem Auge über meine Schulter!
HOHENZOLLERN.
Ich schaue nach dem Glänze, welcher mir
Entgegenschimmert, wenn ich deinen Blick
Verfolge: Deutschlands Ruhm und Ehr und Größe!
KAISER FRIEDRICH.
Was sind Italiens tote Götterbilder!
In Deutschland blüht ein Wald unsterblicher
Geschlechter! –
– Ist die Lombardei, ist Mailand
Vor mein Gericht gefodert?
DER REICHSHEROLD.
Schon dreimal!
[21]
KAISER FRIEDRICH.
O, meine Gnade ist ganz unermeßlich!
Weh allen, die ihr Lächeln nicht beachten!
Ihr Zwillingslöwe ist mein Zorn – Herolde!
Noch einmal ladet die Lombarden!
DER REICHSHEROLD.
Lombarden!
Mailänder! Euer Kaiser ruft
Euch vor Gericht! Erscheint! Er ruft nicht wieder!
KAISER FRIEDRICH.
Sie bleiben aus! Sie sind geächtet! Eltern
Und Kinder, Haus und Hof, und Hab und Gut,
Nichts wird geschont! – Hier liegt
Mein Fehdehandschuh! Wer erhebt ihn?
HEINRICH DER LÖWE.
Halt,
Mein Kaiser, gnädig! Schone und bedenke!
KAISER FRIEDRICH.
Bedenken? Wo's Verräter gibt zu strafen?
Streck deine Hand zum Himmel, wehr dem Blitz,
Wenn er zornleuchtend hinzuckt durch das Dunkel!
EIN HAUPTMANN DES KAISERLICHEN HEERS
tritt auf.
Von Rom und Mailand reiten Abgesandte
Ins Lager.
KAISER FRIEDRICH.
Mailand kommt zu spät!
HEINRICH DER LÖWE.
Nicht doch!
Sie werden Reue fühlen.
KAISER FRIEDRICH.
Gut ist das
Für ihr Gewissen, – doch mein Wort verwandelt
Deshalb sich nicht!
HEINRICH DER LÖWE.
Groß ist Lombardiens Macht!
KAISER FRIEDRICH.
Wenn ich Verrätern gegenüberstehe,
So seh ich ihre Schuld, nicht ihre Stärke!
EIN REICHSHEROLD.
Da sind die Abgeordneten!

Der Kardinal Ugolini und drei lombardische Abgesandte treten ein.
KAISER FRIEDRICH
zu den Lombarden.
Ihr drei,
Wer seid ihr?
EINER DER LOMBARDEN.
Hoher Herr, mailändsche Bürger,
Und flehn –
KAISER FRIEDRICH.
Hinweg! greift und enthauptet
Sie auf der Stelle!
[22]
HEINRICH DER LÖWE.
Hemm den Blutbefehl
Um meinetwillen!
DER KARDINAL.
Und dich warnet Roma!
KAISER FRIEDRICH.
Ha, Rom! O könnten Waffen es bezwingen!
Ein Heer tobt in mir auf bei seinem Namen!
– Enthauptet sie! das ist die einzge Sprache
Des Kaisers zu Empörern!
WILHELM
vortretend.
Wird das Volk
Einmal geköpft, Herr, so laßt mich es tun!
HEINRICH DER LÖWE.
Wie Wilhelm? willst du Henker sein?
WILHELM.
Bewahre!
Den schlechten Schinken, Herzog, möcht ich ihnen
Eintränken!
LANDOLPH
zu Wilhelm tretend.
Ja, Herzog, es sind Schufte,
Nicht wert, sie zu bekämpfen!
HEINRICH DER LÖWE
für sich.
Dunkle Ahnung
Spricht aus diesen Männern – Was sie fühlen
Bei ihnen ungewohnter Speise, seh
Ich klar: dem Sachsen ist es fremd und nutzlos,
Um dies Italien zu kämpfen!
KAISER FRIEDRICH.
Fort
Mit ihnen!
EINER DER LOMBARDEN.
Tiger und Barbar! Du mordest
Zwölf Kindern ihre Väter! Du verhöhnst
Das Recht der Völker! Würg und säe Blut!
Es zeitigt nur die Rache! Weh dir, Wütrich,
Schon Hegst du in dem Netze des Verderbens –
Unzählig zürnt schon der Lombarden Heer
Dir bei Legnano, und viel Tausende
Drohn schon in deinem Rücken!
KAISER FRIEDRICH.
Weg!

Wilhelm und andere Reisige mit den lombardischen Abgeordneten ab.

Wenn wir
Im Netze lägen, hätten wir doch Leu'n,
Die es zerreißen hülfen!
HEINRICH DER LÖWE
für sich.
Dir, Waiblinger,
[23] Ist selbst das Weltrund eng, und scheint dir bloß
Ein Netz! Schwerlich hilft der Löwe immer!
KARDINAL.
Ich tue Einspruch, Kaiser, wider dein
Verfahren!
KAISER FRIEDRICH.
Einspruch? Rom? Ich weiß es, ihr
Sprecht ein, auch wo es euch geziemt, zu schweigen!
– Was wünscht der heilge Vater, Kardinal?
KARDINAL.
Er will, daß du dich fügst, daß du die Stimme
Der Mutter, deiner Kirche hörst: gib Freiheit
Der Lombardei, gib dem Statthalter Christi
Zurück, was du ihm nahmst: Mathildens Güter, –
Den durch dich abgesetzten Geistlichen
Gib ihre Stellen wieder, und erkenne
Den Papst als Oberlehnsherrn!
OTTO VON WITTELSBACH.
Was?
Ich weiß nicht, zuckt die Hand mir, oder braust
Des Reiches Aar vor Zorn so auf, daß er
Erzittert? Papst? Des Kaisers Lehnsherr?
PRINZ HEINRICH.
Vater,
Entsetzlich sind des Kardinales Forderungen!
Es wär Ein Schlag: mit den Lombarden laß
Das Haupt vom Rumpf ihm nehmen!
HEINRICH DER LÖWE
zum Kardinal.
Freund,
Dir wäre Mäßigung recht not!
KARDINAL.
Mich mäßigen?
Warum? Ich habe recht! Wer ist der Größere,
Der Kaiser oder Gott? Und ist der Papst
Nicht Gottes Stellvertreter auf der Erde?
Die Hoheit all, die eures Kaisers Haupt
Umschwebt, ist nur geborgtes Licht! Es ist
Der Papst die Sonne, und der Kaiser nur der Mond!
OTTO VON WITTELSBACH.
Ha, Mord und Tod – wer kann das länger hören?
KAISER FRIEDRICH
auf den Kardinal deutend.
Was der da schreit, das schreit er zu dem Volke, –
Durch Fanatismus will er mirs entreißen –
Doch bin ich nicht ein Schwächling, wie sie jetzt
Auf Englands, Frankreichs, Spaniens Thronen sitzen –
– Mit diesem Blick nur, den ich auf mein Heer
[24] Hier werfe, feßle ichs an meine Brust!
DAS DEUTSCHE HEER.
Hoch lebe
Der Kaiser!
KAISER FRIEDRICH.
Hört ihrs donnern? Zündete
Der Blitz?
HEINRICH DER LÖWE
für sich.
Das sind der Hohenstaufen Augen!
KAISER FRIEDRICH
zum Kardinal.
Meld du dem Papste, daß ich sein
Begehr verweigre, über seine Kühnheit
Verwundert bin! – Wenn ich mich wundre, streb
Ich auch, des Wunderns Ursach zu vertilgen! –
– Die römsche Kirche kümmert nichts mein Streit
Mit den Lombarden, und Mathildens Erbschaft
Gehört dem Reich, als ausgestorbnes Lehn.
Verräterei und Felonie wars, wenn
Mathilde, wie ihr dichtet, sie dem Papst
Vermacht. Bei Gott, ich würde noch im Grab
Sie ächten! – Und mein Lehnsherr? Er, der durch
Die Gnade Konstantins und Karls des Großen,
Erblassern meines Throns, sein bißchen Land
Erhielt, damit er nicht trotz seines Hochmuts
Verhungre?
– Kardinal! Der Papst ist nur
Mein erster Bischof – Romas Kaiserkrone prangt
Auf meinem Haupt – Nicht lieb ich Kinderspiele –
Was sie bedeutet, will ich sein!
KARDINAL.
Bist du
Ein Römer? Steht dein Thron in Aachen, oder
In Rom? Ist dieses Heer ein deutsches, oder
Sinds römsche Legionen? So fragt dich
Mein Herr, und glaubt dich viel zu groß,
Als daß du hohle Titel mit der Sache
Verwechselst!
KAISER FRIEDRICH.
Mann, bau nicht
Zu sehr auf deines Priesterkleides Schutz!
Du könntst dich täuschen!
Aber Eins vernimm:
Die Römer waren einst das erste Volk
Der Erde, – nichts, so weit die Sonne glänzte,
War ihrem Heldentum vergleichbar, und
[25] Deshalb besiegten und beherrschten sie
Die Welt. Doch ihre Enkel arteten
Zu Memmen aus. – Da trat an Kraft der Deutsche
An ihrer großen Ahnen Stelle, und
Wie einstens Romas Adler, packte er
Den Erdball. Darum sind wir Nachfolger
Und echte Söhne Romas. Unser Wert
Ist unser Recht!
KARDINAL.
Die deutschen Kaiser macht
Der Papst! Er setzte dir die Krone auf,
Drum kann er sie dir nehmen!
OTTO VON WITTELSBACH.
Pfaffe! Hund!
Du hast dich tot geschwatzt, und tausendfach
Büß jetzt dein Schmähen!

Er dringt mit dem Schwerte auf den Kardinal ein.
ALLGEMEINES GESCHREI.
Tod den Pfaffen! Schlagt
Ihn nieder!
KARDINAL.
Heil, mir winkt die Märtrerkrone!
Fließ hin mein Blut, umschmücke meine Stirn!
KAISER FRIEDRICH
zu Otto von Wittelsbach und dem Heere.
Still! – – Haltet ihr mich etwa für ein Kind,
Und wollt mich rächen, auch wenn ich es nicht
Gebiete? Wird es not, so bin ichs Selbst,
Der Kaiser, der sich rächt und schützt!

Zeigt auf den Kardinal.

Der Mensch
Ist nur verblendet, wahn vor Aberglauben,
Und schämen müßt ich mich, an ihm mich zu
Vergreifen. Eurethalb, die ihr so hoch
Empört scheint, und nicht seiner Reden wegen,
Antwort ich ihm:
Frei durch die Gnade Gottes
Ist Deutschlands Krone, und die freie Wahl
Der Deutschen überträgt sie. Dem Erzbischof
Von Mainz gebührt dabei die erste Stimme.
Dann krönt der Erzbischof von Köln den König
Zu Aachen in der Kathedrale.
Die kaiserliche Krönung aber muß
An ihm der Papst verrichten. – Wird er dadurch,
Daß er mirs Kleid anlegt, mein Herr? – So wäre
[26] Der Knecht mehr als der Fürst!

Hornmusik hinter der Szene.

Fanfaren! – Ahn' ich recht?
DAS DEUTSCHE HEER.
Die Kaiserin! Die Kaiserin!
KARDINAL.
Ich spreche
Den Bann in Christi Namen über dich!
Verflucht seist du an Leib und Seele,
Verderben sollst du Glied vor Glied – Die Hölle
Soll ewig an dir nagen und an jedem,
Der dir vertraut ist, oder auch mit dir
Nur redet!
KAISER FRIEDRICH.
So?

Die Kaiserin Beatrice mit Gefolge von Rittern und Damen tritt ein. Er ihr entgegen.

Dem ganzen Weltkreis trotzt
Der Hohenstaufe, doch wo Schönheit nahn
Und Anmut, senkt er Schwert und Szepter,
Reißt sich den Kaisermantel ab, und legt
Zu Füßen ihn der Hochgeliebten, als
Den einzgen Teppich unterm Himmel, ders
Verdienet, daß sie ihn betrete!
BEATRICE.
Kaiser,
Verzeihe, daß die Mücke kam, um sich
In deiner Sonne wieder zu beleben!
KAISER FRIEDRICH.
O Heil und überirdscher Glanz der Sonnen,
In deren Strahlen solche Mücken sich
Erfreuen!
BEATRICE.
Einsam saß ich auf der Burg
In Schwaben – dachte nichts als dich – vergaß
Das Vaterland Burgund, vergaß den Vater –
Nach Süden, nach Italia nur, wohin
Du warst gezogen, gingen meine Blicke –
Ans Fenster drückt ich meine Stirn, und es
Erglühte unter ihr das Glas. – So oft
Des Morgens und des Abends Rot emporstieg,
Und dann die Sonne darin flammte, war
Es mir, als säh ich nur den Purpur
Des Kaisermantels um die Himmel wehen,
Und trätest du daraus hervor als Sonne
[27] In goldner Rüstung! – Schwer ward mir das Herz –
Es zog mich fort und fort – und ich bin hier – ich weiß
Nicht wie – und sehe dich, – und nicht ermessen
Kann ich mein Glück!
KAISER FRIEDRICH.
Nicht mehr beneide ich
Die Seligen im Paradiese, denn
Ich hörs, ich wohn in deines Busens Glänze!

Ein Krieger stürzt herein.

– Was gibts?
DER KRIEGER.
Herr, Hunderttausende gerüsteter
Lombarden stehen bei Legnano – Wut
Und Rachedurst durchlodern ihre Reihen!
Die Worte »Rache, Freiheit oder Tod«
Erschallen wie ein Echo, Tag und Nacht
Millionenmal durchs Heer! Sie glauben,
Daß wir noch schwach sind, und drum nahn sie schnell
Uns zu erdrücken!
KAISER FRIEDRICH
zum Heere.
In drei Stunden brechen
Wir auf, entgegen den Empörern! – Bis
Dahin bereite jeglicher sich vor
Zum Marsche und zum Kampf. Noch sind die Gegner
Entfernt, und dieses Heer ist allzu gut
Geordnet, als daß wir vor Überfall
Zu fürchten hätten. Doch wär es auch anders,
Nicht unterließ' ich der Verräter halber
Die alte Sitte – Nicht den kleinsten Brauch,
Ists nur ein kaiserlicher, vergibt
Der echte Kaiser sich!

Zu Beatrice.

Wir müssen heut
Uns trennen – Einsam mit der Krone, muß
Ich dort im Zelt von meinen Großen mich
Bis zu der Früh bewachen lassen.
BEATRICE.
Schon
Getrennt?
KAISER FRIEDRICH.
Auf Stunden nur! –

Zu mehreren Reisigen.

Schlagt dort am Po,
Wo er so lieblich rauscht, das Zelt auf, das
Mir Saladin als seiner Achtung Zeichen sandte! –

[28] Wieder zu Beatrice.

So weit die Heere Sultan Saladins
Sich lagern, von dem Indus bis
Zum Nil, ließ er der Seiden köstlichste,
Der Farben schönste suchen, um das Zelt
Daraus zu weben und damit zu zieren.
Gefangene arabsche Königstöchter stickten
Die Polster, und weich, wie des Meeres Wellen
Einst Aphrodit empfingen, nehmen sie
Den Müden auf in ihren Schoß.
– Allein ich weiß, sie sind noch viel zu rauh
Für dich –!
Wo aber fänd ich etwas, zart
Genug? – Darum verzeih und ruhe sanft!
BEATRICE.
Sanft ruhen? Jetzt? Wo jede Stunde dich
Der Schlachten Todeslos umstürmen kann?
KAISER FRIEDRICH.
Vielleicht die Liebe, sonst nichts herrlicher
As wie die Schlacht, wo unter Todesschrecken
Sich Mut und Geist von Heer zu Heer bekämpfen,
Und jedes Aug nur nach des Lebens Höchstem,
Dem Kranz des Sieges schauet und des Ruhmes!
BEATRICE.
Für deine Lieb, fühl ich, bin ich zu niedrig!
– Du jubelst und ich zittre in Gefahren!
KAISER FRIEDRICH
die Hand um Beatricens Nacken schlagend.
Glaub mir, ich schwöre es, wärst du
Nicht mein, Burgundiens zartste Blume,
Mir fehlten Licht und Duft im Kaiserruhme!
BEATRICE.
Mein Kaiser, mein Gemahl, so denk auch mein
In Feld und Kampf! Denn ewig denk ich dein!
KAISER FRIEDRICH.
Dein werd ich denken in der dunklen Schlacht –
Wo sah man Sterne schöner, als bei Nacht? –

Beatrice mit Gefolge ab; der Kaiser geleitet sie bis an das Ende der Szene, und kehrt dann wieder zurück.
HEINRICH DER LÖWE
zum Kaiser.
Es flüsterte die Liebe eben – doch
Auch darin hört ich den Waiblinger summen –
Jetzt tritt der Löwe vor dich hin, und spricht
Zu dir mit Löwenstimme:
[29] Glaubst du, daß
Ich je erbebte?
KAISER FRIEDRICH.
Du erbeben? – Nie werd ich
Den Tag vergessen, wo in Rom die Leibwacht
In ihrem Blute um mich lag, mit ihm
Mich edler schmückte, als der Purpur des Augustus, –
Wo schon mein Arm ermattet sank zu Boden,
Und, wie erregter Sand, des Volkes Menge
Herandrang mich zu überschütten –
Da Löwe, Freund, den ich umfasse, hört
Ich plötzlich deiner Stimme Donner, und
Vernahm in ihr des Helfers Nahn – es schwoll
Die Brust mir auf, wie bei Gewittergüssen
Im dürren Sommer alle Ströme wieder
Aufschwellen, – gleich Gazellen wich der Pöbel
Vor deiner Stärke auseinander, und ich war
Gerettet!
Zweifeln an dem Mut und an
Der Treue meines Retters? Eher
Am Licht des Tages!
HEINRICH DER LÖWE.
Nun so höre! höre!
Zu groß ist der Lombarden Anzahl! Du
Vergießest unnütz Blut, wagst du die Schlacht!
Laß uns zurückziehn zu den Alpen! Dort
Verschanzen wir uns, bis die ganze Macht
Des Reichs mit uns vereint ist, und mit ihr
Zertrümmern wir Italien!
KAISER FRIEDRICH.
Wo
Ich strafen will, da kenne ich nur Eile!
– Heinrich, fast furcht ich, daß ich größer von
Dir dachte, als du bist – Ich habe nie
Am Sieg gezweifelt, sah ich dich nur bei mir!
PRINZ HEINRICH.
Mein Vater, achte nicht auf den Bedächtgen!
Verschiebe nicht den Kampf mit den Aufrührern!
Der Kampf auch, ob wir siegen oder fallen,
Ist Lust!
KAISER FRIEDRICH.
Und Ehre!
HEINRICH DER LÖWE.
Wo die Hohenstaufen rasen,
Vernehmen sie der Welfen Rufen nicht,
Und tönt es noch so laut und wahr! – Rast fort!
[30] Vielleicht daß ihr auch mich ansteckt, und wir
Dann wüten um die Wette!
KAISER FRIEDRICH.
Sachsenherzog,
Schweig und gehorche! –
– Kardinal! entferne
Sofort dich aus dem Lager! – Jeder, sei
Es Priester, sei es Laie, der dem Bannspruch
Des Toren Folge leistet, büßt es mit
Dem Leben!
KARDINAL.
Der Belial, der Antichrist –
KAISER FRIEDRICH
gebieterisch.
– Ruhe! – Denn
Der Kaiser legt zum Schlummer sich jetzt hin –
Ihr Großen schützet und bewachet ihn.

Er geht in seine kaiserliche Pfalz.
REICHSHEROLD.
Herzoge, Kön'ge, tretet um das Zelt,
Und dient, als treue Wacht, dem Herrn der Welt!

Die Könige von Polen und Böhmen, der Erzherzog von Österreich, der Burggraf Hohenzollern, der Graf Tirols, und andere Große, verteilen sich in angemessener Entfernung voneinander, gezückten Schwertes um das kaiserliche Zelt zur Wacht.
HEINRICH DER LÖWE
tritt vor.
– – – Wie still wirds ringsum – Strahlend steht der Mond
Am Himmel, und die Sterne wandeln schweigend
Und goldnen Schimmers um ihn her, gleich uns,
Die wir in diesen Harnischen den Kaiser
Umwandeln. – Alles ruhig. –
Doch wie pocht
Mein Herz! – Und welche Worte tönen mir
Im Ohr? – Wie schrie man einst in Weinsbergs Schlacht?
»Hie Welf! Hie Waiblingen!« O, was für Klänge!
Als sie erschollen, zitterten die Gipfel
Der beiden furchtbaren Geschlechter von
Dem Harzwald bis Kalabrien,
Und sich mit Blute tränkend, Stadt und Dorf
Zerquetschend, stürzten überall
Lauwinen!
LANDOLPH
der in der Nähe des Herzogs auf der Szene geblieben.
[31] Herr, Ihr sprecht da von Welf
Und Waiblingen! – Gehts los? – Verlaßt Euch drauf,
Wir packen schon den Schwaben – Er
Soll sich verwundern!
HEINRICH DER LÖWE.
Knecht sei still! Noch rief
Ich nicht!
LANDOLPH.
Es klang mir doch grad so, als hört
Ich unser altes Feldgeschrei!
HEINRICH DER LÖWE
für sich, schaudernd.
Ich sprachs
Nur leis, und schon ergrimmt der Knecht!
DER KARDINAL
schleicht in die Szene; zu Heinrich dem Löwen.
Du, großer Welfe, faß, zerschmettere
Den Hohenstaufen! Schließ dich an das Heer
Von Mailand, und verloren ist er! Schwer
Gekränkt bist du von ihm. Willst du
Sein Hund stets sein? Der Papst –
HEINRICH DER LÖWE.
Du armer Schelm,
Du wähnst, es wäre kleinlicher Verrat,
Mit dem ich meinen Kaiser würd verlassen?
Fall ich ihm ab, so fall ich frei und offen,
Wie Donner von dem Himmel, die der Blitz
Vorher verkündet – Leu und Kaiser sind
Zu stark, als daß sie ewig sich vertrügen. –
– Sie können sich ermorden und doch lieben!
– – Sieh diesen Tropfen, Freund, im Aug mir beben, –
– So bebt die Eiche unter Wetterschauern! –

Für sich, an die Erde starrend.

Ja, wieder tobt das alte Nornenlied:
»Noch schrein die Raben,
Noch wächst ja Gras,
Darum nie Frieden
Ihr Waiblinger und Welfen!«

Wiederaufblickend, zum Kardinal.

– Noch da? Es fällt mir ein, der Kaiser will,
Daß du sofort von hier enteilst! Du Landolph,
Bring diesen Herrn von dannen!
LANDOLPH.
Herr, sehr gern!
KARDINAL.
Ich gehe – Halt du nur an Barbarossa fest –
[32] Er dankt dirs nicht, und du gehst mit ihm unter!

Landolph und der Kardinal ab.
HEINRICH DER LÖWE.
– Nun, Wittelsbacher, träumst du?
OTTO VON WITTELSBACH.
Leicht möglich!
Des Reiches Fahn umweht mein Haupt, und wenn
Ich träum in ihrem Rauschen, ists von Sieg
Und Ruhm! Das sind die Sterbelieder,
Wenn unter ihr die Heere blutend ringen!
HEINRICH DER LÖWE
nach der kaiserlichen Pfalz gehend.
Die Fürsten halten dort die Wacht. Ich trete
Zu ihnen.
ERZHERZOG VON ÖSTERREICH.
Wer da?
HEINRICH DER LÖWE.
Braunschweig!
ERZHERZOG VON ÖSTERREICH.
Ist willkommen
Als edler Freund und starker Wachtgefährte!

Die Wachen schreiten um die Pfalz, Heinrich der Löwe mit ihnen. Otto von Wittelsbach steht still beim Reichsbanner.
Der Vorhang fällt.

2. Akt

1. Szene
Erste Szene
Die Heerstraße nach Legnano.
Heinrich der Löwe mit seinen Truppen im Marsche.

HEINRICH DER LÖWE.
Haltet!
Beruft zu mir die Feldherrn!

Die Truppen halten; mehrere Krieger gehen ab, die Feldherrn zu rufen.
LANDOLPH.
Herzog,
Des Kaisers Heer ist schon sehr weit voraus.
HEINRICH DER LÖWE.
Glaubst du, ich wäre blind, daß ichs nicht sähe?
LANDOLPH
für sich.
Er zürnt!
HEINRICH DER LÖWE.
Bleib mit dem Wilhelm und ein paar
Handfesten Burschen in der Nähe.
Verseht euch auch mit tüchtgen Eisenketten.
LANDOLPH.
Wie du befiehlst.

Ab.
HEINRICH DER LÖWE
allein.
Der Elbstrom braust mir durch
Die Adern, und der Harz mit seinen Schrecken,
Mit seinen Felsen, Bäumen, Geiern, zieht
In meinen Geist und wird lebendig! Nicht
Mehr zag und zweifle ich – Er
Ist da, der Tag, wo sich der Welfe trennt
Vom Hohenstaufen, wo die deutsche Erde
Zerrissen wird nach Nord und Süd, und wie
Ich ahne, auf Jahrtausende! – Ich falle
Von ihm noch diese Stunde ab – Er spüre,
[34] Wie tolle Feldzüge sich enden! –
– Allein nachher – Wenn er zornatmend nun
Nach Deutschland heimkehrt – Hei, dann wird
Er nicht vergessen, und ich werde nicht
Verzeihung flehn – Für ihn gilts Kampf dann um
Mein Leben, und für mich um seine Krone –
Zwei Kampfespreise, die einander wert sind!
– Mathildis,
Mathildis! Deutschlands Kaiserkrone würde
Ein schöner Schmuck sein deines blonden Haares!
Vielleicht, daß diese Hand sie einst aufs Haupt
Dir drückt! Sie zittert schon vor Wollust!

Jordanus Truchseß, Graf von Orla, Albrecht von
Roden, Graf von Andechs und andere sächsische und baiersche Feldherrn kommen.
HEINRICH DER LÖWE
tritt unter sie.
Vasallen, denkt ihr an die Heimat?
GRAF VON ORLA.
Kann man in diesem Land der List und Tücke,
Von Sonnenglut gedörrt, verhunzt
Mit winzigen Olivenbäumen, und
Von süßem, ekelhaftem Weine voll,
An andres denken, als an deutsche Herzen,
An deutsche Eichen und des Rheinweins Rosen?
JORDANUS TRUCHSESS.
Orla! Vergiß mir nicht des Breihahns Mark
Und Schaum!
HEINRICH DER LÖWE.
So freu dich Orla! denn wir ziehn
Noch heute zu der Heimat wieder!
GRAF VON ORLA, JORDANUS TRUCHSESS, ALBRECHT VON RODEN UND DIE ÜBRIGEN SÄCHSISCHEN FELDHERRN.
Wie?
Zur Heimat? Ha, die Heimat! Wo die Weser –
Die Elbe – Nordmeer – Ostsee fluten, –
Vertraut mit uns, der Kindheit Spielgefährten!
Wo Gattinnen gleich nach dem Sieg mit Küssen
Uns danken, wo den Slaven wir, den Hunden,
Die unser Eigentum verheeren wollen,
Gleich mit dem Speer entgegen treten
Und sie zu Boden werfen – Vaterland!
Wir atmen wieder deine rauhe, aber
Gesunde, lebenskräftge, teure Luft!
[35]
GRAF VON ANDECHS.
Und dieser Rückzug ist des Kaisers Wille?
HEINRICH DER LÖWE.
Mein Wille ists! Ist der dir nicht genug?
Verlangst du etwa mehr zu wissen, Andechs?
JORDANUS TRUCHSESS.
Was kümmert uns der Waiblinger! Du selbst
Bist Kaiser, wenn du's sein willst. – Lange
Schon närrte uns der Schwabe – Welfe,
Erheb dich!
ALLE SÄCHSISCHEN FELDHERRN
aufspringend.
Welfen, empor!
HEINRICH DER LÖWE.
Kein Schwerterzücken!
Kein Aufstand!

Von seinem Sitze, den er auf einem abgehauenen Baumstamme genommen, Stille winkend.

Auch im Ruhen furchtbar!
GRAF VON ANDECHS.
Herzog, ich wag mein Haupt und sage Wahrheit! –
– Verpflichtet sind wir, dir zu folgen, doch
Nie gegen deines Kaisers Willen, der
Mit deinen Herzogtümern dich belieh!
Getreuer als der Sachse scheint der Baier –
Abfallen jetzt
Von Friedrich? Jetzt, wo ihn die Not umdrängt?
HEINRICH DER LÖWE.
Ist er ein Mann, so seh er, wie er sich
Heraushilft. – Denn er selbst zog sie sich zu! –
Er danke Gott, daß Sachsens Herzog so
Großmütig, ihn nur zu verlassen, statt
Mit seinen Gegnern sich auch zu verbünden. –
Auch möcht ich, müßt ich jemals mit ihm kämpfen,
Selbst nicht mit Gott die Ehre teilen,
Allein ihn zu bestreiten! –
Graf von Andechs,
Der Baier liebt mich minder als der Sachse –
Und du gar wagst es mir zu trotzen! Deine
Genossen schweigen, flau und tückisch! Gelt,
Wenn ich euch wieder zu dem Heere ließe,
Ihr würdet eure Leute schon bewegen,
Dem Sachsenherzog nicht zu folgen! – Doch
[36] Nunmehr erkennt den Leu'n, wenn er zum Sprung
Ausholt – Still wie der schwüle Sommerhimmel
Und doch urplötzlich wetterflammend!

Er richtet sich zornig auf.

Lanzknechte! Landolph! Wilhelm eilt herbei!
Ergreift die Baiergrafen! schließet sie
In Ketten, führt sie mit uns nach
Der Harzburg, – dort laß ich sie richten!

Landolph, Wilhelm und Lanzknechte sind hereingestürzt, und haben die baierschen Feldherrn gefesselt, und führen sie mit sich fort.
HEINRICH DER LÖWE
zu den Baierfeldherrn, indem sie abgeführt werden, auf Landolph und dessen Gefährten deutend.
He,
Fühlt ihr jetzt meine Löwenklaun? Sie sind
Gepanzert und gewaltig!

Zu den sächsischen Feldherrn.

Nach Legnano! –
– Ich bins dem Herzen, bins dem Kaiser schuldig,
Nicht hinterrücks von ihm zu weichen! Selbst
Meld ich ihm meinen Entschluß – Möglich,
Daß er alsdann noch, wo's die höchste Zeit ist,
Den Starrsinn einsieht und sich fügt!
JORDANUS TRUCHSESS.
Ich zweifle!
HEINRICH DER LÖWE
finster.
Dann – bald der Freund dem Freunde gegenüber! –
– Bei Gott, ich wollt, ich wäre nie geboren!
Entsetzlich drückt die Last des Lebens, drückt
Die irdsche Größe – Kronen sind so schwer
Als wie die Reiche, welche sie bezeichnen!
Heil, Heil dem freien Mann, der sich ernährt
Durch seiner Hände Werk, und seinem Nachbar
Des Abends ohne Furcht, daß er am Morgen
Als Feind im Schlachtfeld ihm begegne,
Die »gute Nacht« wünscht! Könige sind nur
Herausgeputzte Sklaven von Millionen! –
– – Brecht auf! und achtet, daß die Baiern mitmarschieren!
[37] Mischt sichre Leute unter ihre Reihn,
Und unterdrücket Widerstand mit Schrecken!

Aufbruch und Abmarsch des Heeres Heinrichs des Löwen.
2. Szene
Zweite Szene
Das deutsche Lager bei Legnano
Im Zelt des Kaisers.
Der Kaiser und die Kaiserin treten auf, mit ihnen der Graf von Tirol und anderes Gefolge.

KAISER FRIEDRICH.
Geliebte, dunkelrot brennt dort die Sonne,
Als spiegelte sie schon das Blut zurück,
Das heut noch fließt. Schon plänkeln die Vorposten
Der Heere – Es nahn Kampf und Schlacht!
BEATRICE.
Das sagst du freudig?
KAISER FRIEDRICH.
Wer freute sich nicht, wenn er seinen Feind
Endlich vor seines Stahles Spitze findet?
– Tirol, du flüchtest mit der Kaiserin,
Wenn ich sollt fallen!
BEATRICE.
Fallen? Du?
Unmöglich! Was verbrach ich, daß das Schicksal
Mich so bestrafen dürfte?
KAISER FRIEDRICH.
Teure –
Schwert in der Hand, die Brust im vollsten Atem,
Den Lorbeerkranz schon in den Locken fühlend,
Dahin zu sinken in des Lebens Blüte –
Das nenn ich Sterben – Auf dem Ruhebett
Gibts nur Hinkränkeln!
BEATRICE.
Du bist Barbarossa!
Mir bangt das Herz, weil du dem Tod so trotzest,
Und doch – ich könnte dich nicht lieben, wärst
Du anders!
EIN GEWAFFNETER
tritt ein.
Kaiser, die Lombarden nahn!
Schon dröhnen ihre Kriegsposaunen! Immer
Vermehren sich noch ihre Scharen, und
Die ganze Jugend Mailands hat in Banner
[38] Des Todes sich geordnet, und geschworen,
Zu sterben oder siegen!
KAISER FRIEDRICH.
Nun, so treffen
Wir würdgre Gegner, als ichs fürchtete! –

Zu dem Gefolge.

Reicht mir den Helm! Sein Busch sei eure Fahne!

Er setzt sich den Helm auf.
BEATRICE.
Wie stolz und herrlich steht er da! Es wandelt
Doch nur Ein Hohenstaufe auf der Erde!
KAISER FRIEDRICH
einen Augenblick aus dem Zelte blickend.
Der Staub fliegt auf vor beider Heere Tritten –
Es trübt der Mittagshimmel sich davor –

Zurücktretend.

Mich faßt ein unaussprechlich Sehnen nach
Dem Löwen! Niemals noch kämpft ich mit Lust,
Wo ich ihn nicht zu meiner Seite wußte!
DER GEWAFFNETE.
Er rückt jetzt eben an mit seinen Völkern.

Heinrich der Löwe mit Gefolge, unter dem Jordanus Truchseß, Albrecht von Roden und andere Ritter. Heinrich der Löwe tritt ein.
BEATRICE.
Da ist er!
KAISER FRIEDRICH.
Heinrich, komm in meine Arme!
HEINRICH DER LÖWE
in des Kaisers Arme stürzend.
Mir schwindelt! – Schlaget, Herzen! schlagt zum letzten
Noch einmal aneinander! Möchtet ihr
Euch jetzt zerschlagen! – Es wär selger Tod!
KAISER FRIEDRICH.
Löwe, du zuckst – du atmest kurz – Was ist dir?
Bist du erkrankt?
HEINRICH DER LÖWE
sich aus der Umarmung losreißend.
Und nun wohl nimmer wieder! –
– – Kaiser, ich folge deiner Bahn nicht mehr!
KAISER FRIEDRICH.
Du folgst nicht mehr?
HEINRICH DER LÖWE.
Mit meinem Heer zieh ich nach Deutschland!
Vereinst du dich mit mir, so wirds mich hoch
Erfreun, und dir den Rückzug helf ich decken! –
– Doch nie schlag ich die Schlacht mit den Lombarden!
[39]
KAISER FRIEDRICH.
Wie? Träum ich? Oder ists der Wahnsinn,
Der wüste Bilder um das Haupt mir jagt?
Du mich verlassen? Heut? Wo mich die Feinde
Zahllos umfluten?
HEINRICH DER LÖWE.
Deine eigne Schuld!
KAISER FRIEDRICH.
Du scherzest, Heinrich! Deutschlands Ruhm, die Ehre
Des Kaisers, meines Lebens ganzes Trachten
Steht auf dem Spiel – Ich bitte, werde ernsthaft!
HEINRICH DER LÖWE.
Ich bin es nur zu sehr! – Zieh mit! Was will
Für dich die winzge Lombardei bedeuten?
In Deutschland selbst liegt Deutschlands Kraft!
KAISER FRIEDRICH.
So wenig
Kennst du der Hohenstaufen Ziele, Welfe?
HEINRICH DER LÖWE.
Ha, Welfe! Recht gelegen tönt der Name
Mir in das Ohr!
KAISER FRIEDRICH.
Was Lombardei!
Nichts gilt sie mir! Als mächtigster der Fürsten,
Ward ich Vorfechter von Europa – Was wir
Bekriegen, ist die Anmaßung der Kirche!
Und da der Papst die Lombardei als Bollwerk
Des Vatikanes mir entgegentürmt,
So ist zuerst das Bollwerk zu zerstören,
Bevor ich selbst mit diesem ehrnen Handschuh
Ihn fasse an der Brust! Und gehn Millionen
In diesem Kampf um Geistesfreiheit unter –
Sie konnten nimmer schöner fallen, und
Ich sehe schon den Phönix, welcher sich
Aus ihrer Asche riesengroß, die Welt
Mit seines Fittichs Glanz vom Aufgang bis
Zum Niedergang durchblitzend, wird erheben!
HEINRICH DER LÖWE.
Ich hörs: das beste ist, daß wir uns fliehen!
– Der Welfe strebt so kühn als der Waiblinger;
Doch nicht kämpft er um eitlen Wahn, der schon
Von selbst verfliegen wird. Er hofft am Nordpol
Noch einst die Zeichen seines Hauses aufzupflanzen,
Als ewges Denkmal, daß er ward der Herr
[40] Des Nordens und ihn bindet wie sein Eis!
Er hofft, daß unter seiner Schiffe Lasten
Dereinst noch alle Meere seufzen, während
Auf den Verdecken seine Völker jubeln!
– Leb wohl!
KAISER FRIEDRICH.
Vom Himmel stürzet, Sonnen! Alpen
Schmelzt hin wie Schnee, wenns taut im Lenz!
Erdball
Erhebe! Felsen löst euch auf in Rauch
Und Dampf – denn heut vergeht die deutsche Treue!
HEINRICH DER LÖWE.
Wo Löwentreu ist, wohnt auch Löwenwut,
Und rast die Wut, so kennt sie weder Treu
Noch Fesseln – Alles trümmert sie zu Stücken!
KAISER FRIEDRICH.
Heinrich, mein Heinrich! Hast du mich in Rom
Errettet, daß ich hier verderbe?
HEINRICH DER LÖWE.
Laß
Mich fort!
KAISER FRIEDRICH.
O, nichts, nichts auf der Welt, was ich
In diesem Augenblick nicht opferte –
– – Zu deinen Füßen stürzt der Kaiser, faßt
Die Kniee dir – sein Aug wird trübe – und er fleht:
Entweiche nicht von ihm in dieser Stunde
Der Not!
HEINRICH DER LÖWE.
Entsetzlich! – Auf! Empor! Empor!
Empor!
JORDANUS TRUCHSESS.
Herzog, die Krone, die du jetzt
Zu deinem Fuß siehst, schmückt dir bald die Stirn!
ALBRECHT VON RODEN.
Truchseß! Truchseß! ich fürchte sehr, sie wächst
Ihm übers Haupt!
HEINRICH DER LÖWE.
Wie toben in der Brust
Der Schmerz mir und der Stolz! – Hier liegt vergolten
All was die Welfen litten!
– Kaiser, auf!
Ich bitte dich – Vergebens hast du dich erniedrigt!
Es schmerzt mich – doch du hättest wissen sollen,
[41] Daß ich entschlossen bin, und nicht das Wanken
Der Welt mich im Entschlusse beugt!
BEATRICE.
Gemahl
Und lieber Herr! – Verzeih, mir bebt die Stimme! –
Steh auf! Gott wird dir seine Hülfe leihen,
Gedenkst du einst an diesen Tag!
KAISER FRIEDRICH.
Du sagst
Das, Milde? Und mit Tränen, zürnenden
Und heißen? – Sie entzünden mich, und wie
Die Flamme auf den Wetterstrahl emporzuckt,
Stürm ich empor! Trabanten, greift den Braunschweig!
HEINRICH DER LÖWE.
Weh dem, der ihn berührt. – Er ist gewaffnet,
Und viele tausend Helfer stehn ihm nah!

Wild rufend.

Hie Welf!
KAISER FRIEDRICH
ebenso wild.
Hie Waiblingen!

Auf der Seite Heinrichs des Löwen stürzen sächsische, auf der Seite des Kaisers, schwäbische und fränkische Ritter und Herren herein – sie ziehen wider einander die Schwerter, und dabei.
LAUTER RUF DER SACHSEN.
Hie Welf!
LAUTER RUF DER SCHWABEN UND FRANKEN.
Hie Waiblingen!

Schwäbisch-fränkischer Kriegsmarsch ertönt mit Trompeten und Pauken. Die Sachsen erwidern ihn mit dem ihrigen, aus Stier-Hörnern.
ALLGEMEINES GESCHREI BEIDER HEERE.
Zum Kampf! – Zum Streit! – Ausrotten
Laßt uns die Welfen! – Die Waiblinger! –
DONNERNDES GESCHREI DES LOMBARDENHEERS AUS DES FERNE.
Guelfen hoch!
Gegrüßet, Braunschweig, Bundsgenossen!
KAISER FRIEDRICH.
Was ist das?
EIN SCHWÄBISCHER RITTER.
Der Lombarden
Freudenschrei!
Sie grüßen

Auf Heinrich den Löwen zeigend.

den als Freund!
[42]
KAISER FRIEDRICH.
Empörer ringsum!
Die Schwerter schwingt! Wir müssen uns herausmähn!
HEINRICH DER LÖWE.
Zischt lustig, Klingen!
BEATRICE
stürzt sich zwischen den Kaiser und den Löwen.
Eh ihr hier euch anfallt,
Müßt ihr erst meine Brust durchbohren! – Willst
Du doppelter Verräter werden, Löwe?
Den Kaiser nicht nur lassen, auch den Gegnern
Des Kaisers dich vereinen?
– Kaiser, willst
Du ihn zum doppelten Verrate zwingen?
Begehen muß er ihn, wenn du ihn jetzt
Angreifest!
Wollt ihr euch zu Lust und Spott
Der Wälschen wechselseitig hier vertilgen?
In Deutschland grünt der Boden, wo
Es euch geziemt, die Fehde auszufechten!
KAISER FRIEDRICH.
Ich ahnt es stets: wo hohe Zartheit wohnt,
Da wohnt auch tiefer Geist! – Burgunderin,
Du hast recht.
HEINRICH DER LÖWE.
Sie hat recht!
KAISER FRIEDRICH.
Jetzt, Löwe, geh!
Doch hüt dich vor dem Jäger, der fortan
Bis in Norddeutschlands Marken dich verfolgt!
HEINRICH DER LÖWE.
Der Löwe zittert nicht vor Jägern, ob
Ein kaiserlicher auch darunter jagte!
– Er schüttelt nur die Mähne!
DIE BEGLEITER HEINRICHS DES LÖWEN
ihre Speere erhebend und aneinander schlagend.
Schüttelt nur
Die Mähne!

Heinrich der Löwe mit seinen Leuten ab.
KAISER FRIEDRICH.
O mir ists, da ich die Tapfern
Fortziehen seh, als rissen tausend Eichen,
Die mir gewurzelt in des Herzens Gründen,
Sich blutend daraus los!
BEATRICE.
Mein Christ! Du wirst
Ganz bleich!
[43]
KAISER FRIEDRICH.
Ich werd es!

Auf die abziehenden Sachsen deutend.

Welch ein großer Teil
Von meiner Kraft zieht nicht dahin!

Hufschlag hinter der Szene.

Wer reitet
Da vor?
EIN GEWAFFNETER
tritt ein.
Der Erzbischof von Mainz
Sprengt vor das Zelt.
KAISER FRIEDRICH.
– O was tut Freundesname! –
In meinem Schmerze hätt ich fast vergessen,
Daß mir noch andre Freunde da sind, als
Der Löwe! – Einsam und verloren,
Ein in den Wind gefallnes Blatt, durchirrt
Der Mensch die Welt, wenn nicht zwei Bande,
Der Freundschaft und der Lieb, ihn an sie knüpfen!
BEATRICE.
Ist meinem Helden nicht der Liebe Band zu schwach?
KAISER FRIEDRICH.
Ich tat dir unrecht, wenn ich Band gesagt –
Die Liebe ist ein Himmel, uns umwölbend
Allüberall, wohin wir treten – Und niemand
Kann ihn, will ihn verlassen – Jeder Stern
Ist Abglanz der Geliebten!

Der Erzbischof Christian von Mainz tritt ein.
KAISER FRIEDRICH.
Hoch
Willkommen, Graf von Buch! – Vergib –
Ich wollte sagen: Christian, Erzbischof
Von Mainz!
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Mein Kaiser, das gilt gleich!
Seht hier mein hyazinthnes Oberkleid –
Das ist der Christian, der Priester – Und
Darunter seht den Panzer, fest und trefflich
Gestählt, das ist der Hermann Graf von Buch,
Der Krieger!
KAISER FRIEDRICH.
Kommst du von Ankona?
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Freilich!
KAISER FRIEDRICH.
Ist deine Heersmacht stark?
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Sie ist geschmolzen!
Die Pest ist schlimmer als die Italiäner.
Ich zähle nur sechshundert Mann noch, und
[44] Dabei circa achthundert Esel!
KAISER FRIEDRICH
lächelnd.
Da wären ja mehr Esel als wie Menschen!
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Das trifft sich auch zuweilen. – Meine Tiere
Sind aber wohlbepackt mit köstlichem
Gerät und ein'gen Damen, die mich lieben.
KAISER FRIEDRICH.
In Christo?
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Herr, in aller Ehr und Zucht!
KAISER FRIEDRICH.
Hast du die Stadt erobert?
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Dein Befehl
Gebot mir allzuschnell den Aufbruch. Zwar
War ich entschlossen, in der Eile
Noch einen Sturm zu wagen – Aber die
Ankonitaner waren klug. Sie brachten
Mir etwas, was mir teurer ist, als ihr
Verwünschtes Rattennest.
KAISER FRIEDRICH.
Das war?
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Kontribution!
Was frag ich darnach, ob das Volk mich Fürst
Nennt oder Knecht! – Wenns nur kontribuiert!
KAISER FRIEDRICH.
– Weißt du, daß mich der Löwe hat verraten?
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Ich weiß – 's ist schlimm – Denn übermächtig ist
Noch der Lombard'!
KAISER FRIEDRICH.
Was rätst du mir zu tun?
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Ich rate, Kaiser: Beten und Dreinschlagen!
Des Guten tut man nie zuviel. Hilfts nichts,
So schadet es auch nichts!
KAISER FRIEDRICH.
Du denkst ja fast
Wie ein Waiblinger!
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Jeder brave Deutsche
Denkt so wie ihr! Nur nicht die Welfen – Denn
Dem Welfen leuchten andre, eigne Sterne!
KAISER FRIEDRICH.
Was aber hab ich mit ihm zu beginnen?
Verführte ihn sein Stern, so ist er schuldlos!
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Versuche es, ihn zu vertilgen, aber hasse
[45] Darum ihn nicht.
KAISER FRIEDRICH.
Niemand wird das begreifen!
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Ich weiß, der Braunschweig hats begriffen. Er
War sonst dir wahrlich nie untreu geworden!
KAISER FRIEDRICH.
Auch sprach der Welfe so etwas. – Mich
Erfreuts! Sein Abfall ließ an Menschenwert
Mich zweifeln!
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Herr, du bist ein großer Mann,
Doch dir fehlt Eins!
KAISER FRIEDRICH.
Nenn es!
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Du denkst zuviel
Ans Hohe, Überirdische – und schätzest
Das Geld nicht! – Geld, mein Kaiser! Hattest
Du Geld, so konntest du des Leuen lachen,
Denn hunderttausend Söldner waren dein,
Um ihn und die Lombarden zu bestrafen. –
– Ich mach es anders – Sieh nur meine Leute:
Mit Gold beladen sind sie wie Kamele –
Und du sollst sehn, sie fechten wunderbar!
Sie wissen auch warum! Ihr Leben ist
Was wert! Reich sind sie! Werden sie gefangen,
So werden sie geplündert! O die zeigen
Die Zähne! –
Doch bei dir hab ich noch Hoffnung!
KAISER FRIEDRICH.
Die wäre?
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Sicher wird dein Sohn ein Geizhals!
Dein Beispiel warnt ihn! Böse Eltern, gute Kinder,
Und gute Kinder, böse Eltern!
KAISER FRIEDRICH.
Freund,
Dein Scherz erquickt mich in der Stunde der
Gefahr. Ich danke dir.
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Wo wäre Scherz
Auch nötiger und angemeßner als
Im Unglück?
PRINZ HEINRICH
stürzt herein.
Vater, in den Heeren tönen
Die Losungsworte schon! Harnische rauschen
Und Schwerter blitzen! Ungeduldig klopfen
[46] Die Herzen, und die Rosse stampfen! – Heil uns,
Die Schlacht ist da!
KAISER FRIEDRICH, ERZBISCHOF VON MAINZ, GRAF VON TIROL UND DIE ANWESENDEN RITTER UND KRIEGER.
Heil uns! die Schlacht ist da!
BEATRICE.
Die Schrecklichen!
KAISER FRIEDRICH.
So heiß' uns nicht. Wir alle
Fielen mit Lust für dich!
ALLE ANWESENDEN.
Mit Lust für Sie!
KAISER FRIEDRICH.
Die Zelttür auf, daß ich die Stellung seh
Der Scharen!

Die Zelttür wird geöffnet, man sieht das deutsche Heer in Waffen, und fern im Hintergrunde auf weitgedehnten Anhöhen die Lombarden.

Mein Befehl ist gut befolgt!
Geordnet stehn wir, wie ich es gewünscht.
Doch eher nicht zum Kampf, als bis der Feind
Den Bach dort überschreitet. Dann
Die Brust ihm vor!
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Und vor der Brust die Degen!

Die Könige von Böhmen und Polen, der Erzherzog von Oesterreich, Otto von Wittelsbach, der Burggraf Hohenzollern und andre stürzen ins Zelt.
HOHENZOLLERN.
Mein Kaiser, schnöd wardst du vom Leu'n verlassen,
Doch Österreich, und Wittelsbach, und Hohenzollern,
Und alle, die dich hier umdrängen, streiten
Mit doppelt großem Eifer nun für dich!
KAISER FRIEDRICH.
Ein herrlich Volk sind meine Deutschen! Weil
Der Eine untreu war, so glühn dem Andern
Vor Scham und Zorn die Wangen –
– Opferflammen,
Die mich versöhnen!
HOHENZOLLERN.
Flammen! Unser Blut
Brennt für dich mächtger als das Feuer!
KAISER FRIEDRICH.
Ha, du mein Hohenzollern!

Ihn umarmend.

Tritt du jetzt
An meines Löwen Stelle! Schon dein Name
[47] Erinnert mich an meinen, und der Burg
Der Hohenstaufen liegt im Schwabenland
Die Burg der Hohenzollern gegenüber!
Gewitterwolken ziehn oft über beide,
Doch keine beugt davor die Scheitel, und
Noch wen'ger die Bewohner! – Oft wenn ich
Von meines Schlosses Zinnen dich, o Nachbar,
Und deine Burg erblickte, wenn ich dann
An dich gedachte, deiner Ahnen Taten,
An euren Namen, fiel prophetisch es
Mir ein: gewiß, daß einst, wenn Hohenstaufen
In dieses finsteren Zeitalters Kämpfen
Zu Trümmern sank, der Hohenzollern sich
Bei hellern Sonnen wird erheben, das
Vollendend, was mein Haus begonnen, kühn
Der Welt den Schild vorhaltend, welcher gleich
Dem Himmel glänzt und tönet, von
Der Macht, der Wahrheit und der Freiheit Blitz und Donner! –
– Ich ahns, daß andre Friedriche mich einst
Ersetzen, sei's aus meinem Hause, sei's
Aus eurem! Hoch heißt unsrer Namen
Vorsilbe, hoch, dem Schicksal Stirne bietend,
Laß uns dem Feind begegnen! – Laß du uns
Nicht niedriger als unsre Namen sein!
– Wohlan zur Schlacht!
BEATRICE.
Mein Kaiser, nun
Willst du dich stürzen ins Verderben?
KAISER FRIEDRICH.
Geliebte,
Hältst du zurück mich auf der Ehre Bahnen?
BEATRICE.
Zieh hin! Gott schütze dich und stärke mich!
KAISER FRIEDRICH.
Tirol, du sorgst für sie!
GRAF VON TIROL.
Verlaß dich auf
Die Felsen von Tirol und seine Herzen!
KAISER FRIEDRICH.
Ihr Helden,
Jetzt zeigt, daß dann auch, wenn wir unterliegen,
Wir doch verdient gehabt, glorreich zu siegen!

Schlachtmarsch. Alle ab.
3. Szene
[48] Dritte Szene
Schlachtfeld bei Legnano.
Die von den Lombarden besetzten Hügel. Gherardo in Rüstung, auf einem erhöhten Platze stehend; bei ihm das Carroccio mit der Fahnenwache. Gewaffnete Lombardenhaufen aus allen lombardischen Städten. Unter ihnen, in schwarzer Rittertracht, die Todesbanner der Jünglinge von Mailand, angeführt von Alberto und Galdino. Überall, aus Näh und Ferne, lombardische und deutsche Feldmusik.

VIELE LOMBARDEN.
Sie nahn! den Paduanern, die den Fluß
Dort überschreiten, kommen sie entgegen!
Freiheit und Vaterland!
GHERARDO.
Der Feigheit Zeichen
Ist eur Geschrei! Mit dem Geschrei betäubt,
Verwirrt man sich, scheucht Vögel auf – doch nicht
Die Hohenstaufen und die Deutschen! – Ruhe!
Ich will es, euer Oberfeldherr! Nur
Auf meine Stimme achtet, und nur wo
Ich frage, gebt mir Antwort! –

Zu Alberto und Galdino.

Todesbanner,
Seid ihr entschlossen, nicht zu weichen? Eher
Zu sterben?
ALBERTO UND GALDINO.
Mailands Jugend ist dazu
Entschlossen!
GHERARDO.
Wohl, so schwörts!
ALBERTO, GALDINO UND DIE TODESBANNER.
Wir schwören es!
GHERARDO
zu Alberto und Galdino.
Denn schaut: hier gilts nicht Scherz – sie rücken
Dort an, zwar klein an Zahl, doch ein Geschlecht
Von Heldenriesen – ihrem Blick und Schwert
Begegnen, wird entsetzlich sein. – Wir müssen
Durch Angriff der gemeinen Menge, aus
Lombardiens Städten hier versammelt,
Sie erst ermüden, und dann, Banner, brecht
Ihr los! dann, dann, Alberto und Galdino,
Erwart ich, daß ihr eure Worte mit
[49] Der Tat belegt!
ALBERTO UND GALDINO.
Noch sterbend schreiben wir
Mit unserm Blut den Namen »Mailand« auf
Den Rasen!
GALDINO.
Wer
Schwingt dort so stolz die deutsche Fahne?
Wie eine sturmbewegte Flamme weht
Sie in der Luft!
GHERARDO.
Das ist der Wittelsbacher, –
Wild wie er selbst ist, flattert sein Panier!
GALDINO.
Und jener mit dem blauen Bischofsmantel,
So festen Schrittes vorwärts schreitend,
Als könnt er nie zurück – Der Priester will
Uns auch bekämpfen?
GHERARDO.
Wirst es spüren! Es
Ist der Erzbischof Christian von Mainz,
Und statt des Psalters hält er in der Hand
Die Keule!
GALDINO.
Dort der Silberglänzende,
Der mit dem Schwerte nach uns winkt?
GHERARDO.
Erkennst
Du nicht des Hohenzollern Glanz und Jugend?
GALDINO.
Und jene beiden mit den Königskronen
Im dunkelen Gelock?
GHERARDO.
Die Könige
Von Böhmen sinds und Polen, Träger
Des kaiserlichen Schwerts und Szepters! – Wohl uns,
Daß Braunschweigs Löwe abfiel! Noch
Genug Gewaltge müssen wir besiegen!
GALDINO.
Doch da – der in der goldnen Rüstung
Auf braunem Hengste durch die Reihn
Hinzuckend – das Visier weit aufgeschlagen –
Die breite Stirne frei, als wäre sie
Von unverwundbarm Erze – mit dem Auge
So furchtbar dunkel auf uns schauend, daß
Mir ist, als stand ich vor zwei Gräbern – Ha,
Das sind die Blicke des, vor welchem Mailand
Im Schutt das Haupt verbarg!
DIE MAILÄNDER UND LOMBARDEN.
Ha Barbarossa!
Auf, ihm entgegen!
DER KARDINAL UGOLINI
tritt auf.
Ja, erschlagt, erschlagt ihn!
[50] Ich segne euch!
GHERARDO.
Wie, Herr Kardinal, Ihr seid
Hier auch?
KARDINAL.
Hier Mann, an meiner Stelle, unter
Dem Schutze Gottes!
GHERARDO.
Der tut Euch sehr not!
Es fliegen hier schon schwäbische Wurfspeere!
KARDINAL.
Weh! Wehe!
GHERARDO.
Traf es schon? Es ist mir leid!
Wurfspeere sind zu starr und eisern, selbst
Um Fromme zu verschonen –
– Bringt ihn weg!

Der von einem Speer verwundete Kardinal wird fortgebracht.

– Welch übermütger Stolz – Die Ritter sitzen von
Den Pferden ab, – wie's scheint, nur um zu zeigen,
Daß sie ans Fliehen gar nicht denken!
DIE MAILÄNDER UND LOMBARDEN.
Gherardo! Vorwärts! Vorwärts!
GHERARDO.
Nicht den Fuß
Gerührt, bis daß ichs anders euch gebiete. –
Steht still wie ich – Wurfspeere –! – Kinder,
Glaubt nur, es wären Fliegen – Der Glaube macht
Ja selig! –
Aber da wirds Zeit – Los gehts!
Die Paduaner sind schon schwer bedrängt!

Kommandierend.

Lodenser, vor!
Zu Hülf den Paduanern!
KAISER FRIEDRICH
hinter der Szene.
Erzbischof
Von Mainz, entgegen den Lodensern!
ERZBISCHOF VON MAINZ
hinter der Szene.
Der Bischof grüßt euch, wälsche Kröten!
GESCHREI DER LODENSER
h.
d.S.
Zurück –
Wir sind verloren – Tod und Jammer!
ERZBISCHOF VON MAINZ
h.
d.S.
Amen!
Die letzte Ölung kann ich euch nicht geben,
Es fehlt mir Zeit dazu. Doch laß ich Messen
Zu tausenden für euch Gesindel lesen, wenn
Ihr nur brav stürzt!
GHERARDO.
Sie fliehn! –
[51] – Rücket an,
Bologner!
KAISER FRIEDRICH
h.
d.S.
Österreich! hilf dem
Erzbischof wider die Bologner!
ERZBISCHOF VON MAINZ
h.
d.S.
Dank
Dir Kaiser! nie werd ich verzagen, ist
Der Österreich mein Bundsgenoß!
– Gegrüßt,
Erzherzog!
ERZHERZOG VON ÖSTERREICH
h.
d.S.
Sei gegrüßt, mein Mainz!
GHERARDO.
Tortesen,
Stürmt vor! – – die Schlacht braust fürchterlich! –
Doch wir gewinnen sie durch unsre Menge! –

Die Szene verwandelt sich in einen andern Teil des Schlachtfeldes.
Der Erzbischof von Mainz und Erzherzog von Österreich.
ERZBISCHOF VON MAINZ
dem Erzherzoge die Hand drückend.
Nichts Köstlichres als in Gefahr ein Freund –
Tot schlägt man noch einmal so viel der Feinde!
ERZHERZOG VON ÖSTERREICH.
Nicht bei Banketten, Hochzeitsfesten, lernst
Den Freund du kennen. Wenn uns Blut und Tod
Umdunkeln, und uns da der Freund erscheint –
So jauchze: du siehst deines Lebens Stern!
GHERARDO
h.
d.S.
Vor, Veronesen!
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Der Kerl hat 'ne Stimme
Wie 'n Walfisch, wenn ein Walfisch eine hätte!
– Doch überschreien lasse ich mich nicht,
Und platzte meine Lunge!

Laut.

Miserere!
Lombarden, Miserere! Seht euch vor!
Heut ist Grün-Donnerstag!

Veronesische Krieger stürzen in die Szene.
EINER VON IHNEN.
Den frechen Pfaffen
Schlagt nieder!
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Freund, was hast du hier zu suchen?
[52] Du kannst hier nur verlieren – Zum Exempel
Die Hundes-Zähne da in deiner Schnauze –

Die Keule auf den Veronesen schwingend.

Nußknacker, knacke!
DER VERONESE
stürzt.
Ha!
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Der schreit und beißt
Nicht mehr!

Schlägt unter die übrigen Veronesen.

Die Schufte sind kaum wert, daß man
Sie totschlägt! Fallen auf den ersten Streich!
ERZHERZOG VON ÖSTERREICH.
Ich glaubs –
Wann tust du je den zweiten?
GHERARDO
h.
d.S.
Besser
Wehrt euch, ihr Veronesen! Brescianer,
Steht ihnen schleunigst bei!
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Vorwärts,
Ihr Mainzer!
ERZHERZOG VON ÖSTERREICH.
Vorwärts, Österreicher!

Beide mit Truppen ab.
OTTO VON WITTELSBACH
mit der Reichsfahne und Truppen, tritt auf.
Drauf
Und dran! dem Reichspanier geziemts zu wehn
Im Vorderreihen, und das solls auch heut!
EIN HAUPTMANN
kommt.
Wo ist der Kaiser?
OTTO VON WITTELSBACH.
Such du nur die Stelle,
Wo die Gefahr am größten, – da ist er
Gewiß!

Eilt mit seinen Truppen weiter Kaiser Friedrich, Prinz Heinrich und Hohenzollern, mit Truppen.
DER HAUPTMANN
ihnen entgegen.
Herr Kaiser, der Erzherzog wird
Bedrängt vom Feinde, und mit ihm der Mainzer!
KAISER FRIEDRICH.
Ich weiß!

Zu seinem Gefolge.

Landsleute, Schwaben, brecht los!
Nun macht mir eure Schwabenstreiche!
DIE SCHWÄBISCHEN KRIEGER
vorwärts stürmend.
Mit
[53] Dem Schwerte wollen wir sie schlagen!

Großes Schwerter-Geklirr und Geschrei verwundeter Lombarden h.d.S.
KAISER FRIEDRICH.
Brav!
Schon tönen sie!
Auf, Sohn! auf, Hohenzollern!
Auch wir dem frommen Erzbischof zu Hülfe!
HOHENZOLLERN.
Er weiß es gut, daß wir ihn nicht vergessen!

Der Kaiser, Prinz Heinrich und Hohenzollern ab.
DAS LOMBARDENHEER
h.
d.S..
Da naht der Barbarossa!
GHERARDO
h.
d.S.
Auf! auf! Ihm
Entgegen alle Scharen der Lombarden!
Von allen Seiten um ihn her! Nun denkt
An Mailands Trümmer, denkt an Weib und Kind!
Wagt dreist das Leben – nichts gilts jetzt!
Denn wenn er siegt, so ist es doch verloren!
DIE LOMBARDEN
h.
d.S.
Für Weib und Kind, für Vaterland und Leben!
GHERARDO
h.
d.S.
Halt, Todesbanner! – bleibt mir noch zurück –
Für euch ists noch nicht Zeit.

Der König von Polen und Böhmen treten von verschiedenen Seiten auf.
KÖNIG VON BÖHMEN.
Ha Pole!
KÖNIG VON POLEN.
Böheim!
KÖNIG VON BÖHMEN.
So treffen wir zusammen!
KÖNIG VON POLEN.
Auf der Flucht!
Der Feinde Menge ist zu groß! Es weicht
Mit mir der linke Flügel!
KÖNIG VON BÖHMEN.
Und
Mit mir der rechte!
KÖNIG VON POLEN.
Unser Lehnsherr ist dort
In Not geraten – Ist er zwar ein Deutscher, –
So ziehts mich doch zu ihm, wie's Blut zum Herzen!
KÖNIG VON BÖHMEN.
In Not? Wahrhaftig, ja, er ists – Und mögen
Des Heeres Flanken fliehn, wohin sie wollen –
Persönlich springen wir ihm bei!

Beide ab zu dem Kaiser.
[54]
GHERARDO
h.
d.S.
Der Sieg ist unser! Dringet weiter!
KAISER FRIEDRICH
h.
d.S.
Staub
Umwölkt das Roß, wenn es am Sommertag
Mit seinem Huf die Erde schlägt, – so qualmt
Um uns der italiän'sche Pöbel – Mit dem Atem
Des Zornes haucht ihn fort!
VIELE DEUTSCHE KRIEGER
stürzen in die Szene.
Zurück! Hinweg!
Wir müssen weichen! Unsre Arme sinken!
KAISER FRIEDRICH
mit Prinz Heinrich, Hohenzollern, Wittelsbach und anderen, tritt ein.
Am hellsten leuchtet in der Nacht die Flamme –
Im Unglück strahlen mir die hellsten Bilder! –

Sehr laut.

– Es sinkt der Stern des Glücks! – Rufet Deutschland,
Ruft Beatrice! und zwei schönere,
Gewaltgre Sterne funkeln über uns!
DAS KAISERLICHE HEER.
Hoch Deutschland und hoch Beatrice!
Doch dreimal hoch der Kaiser!

Tusch.
KAISER FRIEDRICH.
Danke dir,
Du treues, braves Heer!

Alle stürmen wieder den Lombarden entgegen.
GHERARDO
h.
d.S.
Es türmen wieder
Die Wogen sich! Besteht den Anschwall! 's ist der letzte!
KAISER FRIEDRICH
h.
d.S.
Die letzte Wog ist oft die schlimmste – Was
Die früheren zernagten, reißt sie fort!
– Schon lege ich an des Carroccio Baum
Die Hand –
GHERARDO
h.
d.S.
Jetzt, Todesbanner, tötend in
Den Tod! Ich selbst an eurer Spitze! Nieder,
Was uns begegnet!
DIE MAILÄNDISCHEN TODESBANNER
h.
d.S.
Nieder die Barbaren!
KAISER FRIEDRICH
h.
d.S.
Vergebens habt ihr euch in schwarzen Flitterstaat
Gehüllt, um eurer Herzen Bleichheit zu
Verbergen – Wir sehn nur das Weiß' im Auge!
[55]
MAILÄNDISCHE SCHAREN
auftretend.
Entsetzlich ist der Kampf mit diesem Häuflein!
Doch jetzt sind sie umzingelt!
DAS DEUTSCHE HEER
h.
d.S.
Weh! Wir sind
Umringt!
KAISER FRIEDRICH
h.
d.S.
Zurück! Jedoch nur Schritt vor Schritt!
Auch für die Flucht merkt: wer am meisten läuft,
Fällt leicht am eh'rsten!

Er tritt auf mit seinem Gefolge und dem Heere. – Zu den auf der Bühne befindlichen Mailändern.

Platz da!

Zu seinen Truppen.

Mit den Schwertern
Fegt sie hinweg – Wir müssen hier verschnauben! –

Die auf der Szene befindlichen Mailänder werden angegriffen und fortgejagt.
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Beim Pallium und der Hostie – es hat geregnet,
Und dieses ist das Land der Pilze! Wie
Die Pilze schießt das Volk hier aus dem Boden!
Ein Italiäner muß gar bald gemacht sein!
KAISER FRIEDRICH.
Was seh ich! – mich ergreift ein Graun! Die Fahne
Des Reichs wankt auf uns zu – Der Wittelsbacher
Muß auf den Tod verwundet sein!
HOHENZOLLERN.
Es gähnt
'Ne Wunde, breit und tief, an seinem Haupte!
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Allein sein Auge flammt, als wärs verklärt
In ihrem Feuerglanze!
OTTO VON WITTELSBACH
schwer an der Stirn verwundet, die Reichsfahne in der Hand, wankt herein.
Hunderttausende
Versuchten, mir die Fahne zu entreißen –
Doch da durchströmte zürnend mich ihr Geist,
Ich ward gewaltig, der Lombarde stürzte!
Mit meinem Leben hab ich sie errettet,
Und besser könnt ichs nimmerdar verkaufen!
– Da! Kaiser! nimm sie hin! Verleihe sie
An einen Würdigren als mich – und mög
[56] Sein Herz sie lieben wie das meine – Ach
Das ist unmöglich!
KAISER FRIEDRICH.
Wittelsbach, du jammerst?
OTTO VON WITTELSBACH.
Es sind der Trennung Seufzer – Sie
War ja mein Einzges auf der Welt!
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Getrost!
Du warest ein gar treuer Knecht. Da nimm
Die letzte Ölung. Denn für Helden
Von dieser Art hab ich dies Fläschchen immer,
Auch in den Schlachten, unterm Mantel – –
Dir winkt der Himmel.
OTTO VON WITTELSBACH.
Himmel! Himmel!
Den kenn ich nicht – die Fahne aber
Kannt ich seit meiner Jugend schönsten Tagen –
Es war der Tag an dem ich sie empfing!
KAISER FRIEDRICH.
Mein Wittelsbacher, hör und sei erfreut:
Dem Hohenzollern reich ich deine Fahne!
HOHENZOLLERN.
Ich stürze dankend, Kaiser, dir zu Füßen!
OTTO VON WITTELSBACH.
Dem Hohenzollern – Mir wird ruhiger –
Ich sehe sie durch alle Zukunft siegen!
– O selig, wer da stirbt in solcher Aussicht!

Er sinkt zu Boden.
KAISER FRIEDRICH.
Er stirbt – Sein Geist schwebt zu den Sternen!
Zum letzten Mal umwehet grüßend
Sein Antlitz mit dem Banner!

Sie schwingen die Fahne über seinem Antlitze.
OTTO VON WITTELSBACH
sich stark und groß aufrichtend.
Ha!
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Wie? wacht
Er von den Toten auf?
OTTO VON WITTELSBACH
auf die Fahne zeigend.
Da wehte Luft
Des Ruhms – des Lebens! – O das ist der Hauch
Von meinem Adler! Er sprengt Todesketten!
Ich trinke ihn, und fühle mich unsterblich!

Er sinkt wieder hin und stirbt.
ERZHERZOG VON ÖSTERREICH.
Kaiser, wie wär es, wenn wir jetzt, wo uns
[57] Das Wutgeschrei des übermächtgen Feinds
Umdonnert, nimmer wichen, stehen blieben,
Bis auf den letzten Hauch an Wälschen würgten,
Und endlich im ungleichen Kampfe stürben?
PRINZ HEINRICH.
Ja, Vater, ja! So laß uns sterben! Das
War hehrer, großer Tod!
HOHENZOLLERN.
Er ists! Wir sehns
Am Wittelsbacher!
ERZHERZOG VON ÖSTERREICH.
Und in besserm Schmuck,
Als wir heut tragen, können wir nicht fallen!
Sieh! Gold umglänzt uns Helm und Panzer –
Es ist das Blut der Feinde und das eigne!
KÖNIG VON POLEN.
Und bessere Gesellschaft treffen wir
Nicht mehr auf Erden – Hohenstauf
Und Hohenzollern, Österreich und Böhmen,
Zahllose andre Edle stehen um uns her!
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Wenns sein soll, fall ich mit, und geb
Euch meinen Segen!
ALLE.
Kaiser, laß uns untergehn!
VIELE HAUPTLEUTE DES HEERES
springen vor.
Das Heer stimmt ein! es will mit untergehn!
Und mit Trompeten grüßet es den Tod!

Jubelndes Trompetengeschmetter im Heere.
KAISER FRIEDRICH.
Mehr als das Leben ists, den Tod verachten!
Ich preise euch, ihr stolzen Seelen
– Doch wert nicht sind es Mailands Schurken,
Daß wir vor ihrer Meng erliegen – Hohn
Und Spott war unsre Leichenklage!
Sie sind zu klein, um in dem Feind das Große
Zu ehren!
Freunde, uns winkt bald
Ein größrer Gegner und ein größres Schlachtfeld,
Am Fuß des Harzes, wo der Löwe wandelt
Und seine Niedersachsen ihn umscharen!
Bis dahin spare uns der Tod – Denn schlecht
Kenn ich den Löwen, oder sonst wird da
Eur Blut schon strömen!

[58] Für sich.

Furchtbar deutlich hat mich
Der Leu belehrt. – Ist Deutschland einig,
Kanns der Vasall durch Abfall nicht verraten,
So ists der Erde Herrin, wenns auch nicht
Erobert – (Bettelei ist jegliche Eroberung,
Nicht nötig dem, der stark genug an sich!)
– Die Nachbarn zittern alle dann vor uns –
Und ruhig kann ich dann vom Thronsitz schaun,
Und bin doch Schiedsrichter der Welt!
Das ist
Der Sinn der römschen Kaiserkrone der Germanen!

Zum Erzbischof von Mainz.

Ich schließe Frieden!
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Mit lombardschen Lumpen?
KAISER FRIEDRICH.
Nein, mit dem großen Feind, dem Papste!
Bin ich versöhnt mit ihm, so muß uns das
Gesindel schon nachfolgen! – Selbst will ich
Mit Papste Alexander sprechen!
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Leicht erbittert
Ihr dadurch euch nur um so ärger!
KAISER FRIEDRICH.
Ist
Er nicht ein hoher Geist? (Und zu den niedern
Zähl ich mich auch nicht!) Hohe Geister einigen
Sich leicht, wenn sie sich Wechsel weis erkennen!
– Venedig, die Gebieterin der Meere,
Rein von Lombardiens Verbrüderung,
Erhält den Ruhm, in ihren Glanzpalästen,
Die in dem Meer die Marmorfüße kühlen,
Den Kaiser und den Papst versöhnt zu sehen! –
Sei du, der zwanzig Sprachen redet, und
Gewandt in Krieg ist und Geschäften –
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Bitte!
Ich lernte nur die Sprachen, weil die eine
Noch toller lautet als die andere.
Gescheut wird man durch keine!
KAISER FRIEDRICH.
Sei Gesandter!
Eil zu dem Papst und lad ihn nach Venedig!
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Herr, Herr, ich ahne nicht einmal, was für
[59] 'Nen Friedensvorschlag ich eröffnen soll.
Es war der Papst ein Tor (und nicht ist ers!),
Glaubt er an unsere Aufrichtigkeit!
KAISER FRIEDRICH.
Um Worte hat sich Kirch und Reich gestritten –
Mit Worten schließen sie die Freundschaft wieder –
Zufall und Macht entscheiden doch zuletzt.
– Sag ihm: ich säh es ein: gerecht und gut sei's,
Daß zwei Gewalten unterm Licht der Sonne,
Die weltliche und geistliche, sich teilten,
Der Kaiser und der Papst – nicht sich befehden,
Sich unterstützen müßten beide – gegen
Des Papstes Segen, biet ich ihm den Schutz
Des Kaiserschwerts!
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Ich will es wagen –
Nur Eins erlaub – Sieh Österreich,
Der wieder sich hervorgedrängt, muß schon
Zurück – Und ringsum weichen andere –
Bis an die Alpen laß mich bei dem Rückzug,
Damit im Aug ich meine Esel halte.
Sie tragen mehr als ganz Toskana wert –
Ich stürb, bekämens die Lombarden –
Doch dir steht all der Reichtum unbeschränkt
Zu Dienste!
KAISER FRIEDRICH.
Sonderbarer, edler Mann!
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Wer sonderbar ist, der ist edel! Denn
Das Schlechte ist nun just nichts Sonderbares! –
KAISER FRIEDRICH
kommandierend.
Zurück nun, zu den Alpen!
Nehmt die Leiche
Des Wittelsbachers mit euch! Zu schlecht und elend
War ihm die wälsche Erde –
Er soll ruhn
Am Rhein, und ewig soll der Rheinstrom ihm
Das Grablied brausen! –
– Auch beim Rückzug greift
Den Feind an – Nicht wie Rehe – wie die Tiger,
Die wohl mitunter sich umkehren, zeigt
Euch den Verfolgern –
Blast, schlagt Siegesmärsche!
[60] Denn fehlt uns auch das Glück, der Ruhm ist unser!
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Sela! – Doch der Lombarde da, – zu weit
Hat er sich vorgewagt – Ich schlag ihn tot! –
– Tot ist er! – Ach, wie wird sein Bräutchen greinen! –
– Die Keul hier ist doch stärker als manch Hirn!
Wenn man probiert, gibts viele schwache Köpfe!

Das Heer des Kaisers zieht sich unter Paukenschlag und Trompetengeschmetter mit der Leiche Ottos von Wittelsbach zurück Das mailändisch-lombardische Heer tritt auf. Gherardo an der Spitze.
GHERARDO.
Wir sind die Sieger! – Schwer hat es gegolten!
Horcht! wie mit Donnern das Gewitter,
Ziehn sie davon mit trotzgen Paukenwirbeln! –
– Vortruppen, nach! –
Ein zweiter Sieg wie dieser,
So droht der Lombardei Entvölkerung –
– Beim Anblick dieses Schlachtfeldes vergeß
Ich meine Wunden – wie vom Sturm zu früh
Zerschlagne Frühlingssaaten, liegen dicht
Gedrängt die Jünglinge der vornehmsten
Geschlechter – Manches Haus von Marmor wird
Erbeben vor der Mütter Jammerschreien!
– Wo ist Galdino?
EIN MAILÄNDER.
Ist gefallen.
GHERARDO.
Wo
Alberto?
DER MAILÄNDER.
Sank vorm Lanzenstoß
Des Hohenzollern! – Aber juble, Konsul,
Auch Barbarossa liegt erschlagen!
GHERARDO.
Das
Wär mehr als zwanzig solche Siege!
Dann könnt es sein, daß einst zur Zeit der Enkel
In Mailand und auf diesem Feld der Geist
Der Freiheit wandelte, die letzten Spuren
Der Trümmer, der Grabhügel freudig küßte,
Und riefe: lieber so die Freiheit,
Als Sklaverei in goldnen Sälen!
EIN ANDERER MAILÄNDER
tritt auf.
Herr,
Der Kaiser nicht, der Wittelsbacher fiel!
[61]
GHERARDO.
So haben wir sehr wenig nur gewonnen,
So wird sich immer Schlacht auf Schlacht erneuen,
Denn unverwüstlich ist des Kaisers Sinn,
Und Deutschlands Macht ist unerschöpflich – Kaum
Der Aufbau Mailands wird mit Sicherheit
Geschehen können. Mäßigung und Frieden
Wirds Beste sein. –
Doch jetzt laßt uns verfolgen!
Denn diese Feinde beugt zur Mäßigung
Nur der, der nie ermüdet. – Hinterdrein!

Er zieht mit dem Lombardenheere ab.

3. Akt

1. Szene
Erste Szene
Prachtsaal im Dogen-Palaste zu Venedig.
Papst Alexander
Um ihn, in ihrem Ornat, der Doge und die Senatoren von Venedig.

PAPST ALEXANDER.
Ich segn euch, Doge und Senat Venedigs!
Mög eure Stadt, der Meere Zier und Wunder,
Fortblühen bis ans Ziel der Zeit, und mögen
Mit eurer Macht und eurem Namen,
Die Enkel euren Geist und Hochsinn erben,
Und ewig wird der Ozean euch gehorchen!
DER DOGE.
Sieh diesen Brautring, hell von Diamanten –
Venedigs Doge ist Gemahl der See,
Und ewig schlagen für ihn ihre Wogen.
EINER DER SENATOREN.
Der Stamm der Nobili kann nie entarten:
Platanen zeugen nur Platanen!
PAPST ALEXANDER.
Und
Der Stolz erzeugt gar leicht die Schwäche!
DER DOGE.
Doch
Ein größres Wunder als die Meerstadt selbst,
Ereignet sich in ihr: – die beiden Herrscher
Der Christenheit, du und der Kaiser, enden
Den langen unheilvollen Zwiespalt,
Und schenken Frieden den Nationen!
LAUTER RUF
hinter der Szene.
Hoch
Der Barbarossa! Glück und Ruhm und Dank ihm!
PAPST ALEXANDER.
Was ist das?
DER DOGE.
Barbarossas Schiff fährt ein
[63] In die Lagunen, und du weißt, wie sehr
Venedig, welches er vor allen Städten
Mit kaiserlichen Freiheiten beschenkte,
Voll Dank und Liebe an ihm hängt.
PAPST ALEXANDER.
Ihr seid entlassen, um ihn zu empfangen!

Doge und Senat entfernen sich.

– Es flammt
Ein eigner Geist durch das gewaltige
Geschlecht der Hohenstaufen. Wie ein Waldbrand,
Unendlich, unauslöschlich weiter brennend,
Zuckt er durch sie von Kind zu Kindes Kindern!
– Deutlich erkenn ich ihn: sie ringen mit
Der Zeit, vertreten künftige Jahrhunderte,
Obgleich sie es vielleicht nur dunkel ahnen!
Zu eng, zu schlecht scheint ihrem Stolz
Die Gegenwart: der Lehensmannen Größe,
Der Kirche Macht beschränkt sie – gern vertilgten
Sie beides, und sie wissen nicht, daß wenn
In diesen trüben Zeiten nicht die Kraft
Der Kraft entgegenstände, nicht die Kirche
Den Trotz der Fürsten und der Ritter zähmte,
Grad der Waiblinger, der ein Gott sich dünkt,
Die schwache Welt noch mehr tyrannisierte
Als Roms Tibere!
EIN DIENER
tritt ein.
Erzbischof von Mainz
Und Mailands Konsul wünschen, daß du zum
Gehör sie läßt.
PAPST ALEXANDER.
Sie mögen kommen.

Diener ab; der Erzbischof von Mainz und Gherardo treten ein.
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Heiligkeit,
Da du dich mit dem Kaiser fügst, so fügen
Auch die Lombarden sich zum Frieden.
GHERARDO.
Herr,
So ists.
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Ich glaube doch, daß in der Welt
(Geld etwa ausgenommen) Worte nur
Das Wesen sind. Im Anfang war das Wort,
Und wahrlich es ist auch am Ende. Worte
Gesät, und was man Taten nennt, wächst munter auf.
[64] Wir kriegten, Heiligkeit, um Worte, und
Mit Worten schließen wir auch Frieden.
PAPST ALEXANDER.
Mainz,
Es tönt Graf Buch in deinen Reden. Laß
Die wilden Sprünge, komm zur Sache!
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Schwer
Wird mirs. – Die Sach ist zu gewöhnlich: der
Lombard' erkennt als Herrn den Kaiser,
Abgaben zahlt er wie vor alters –
Doch dafür überläßt der Kaiser ihm
Die freie Wahl der Obrigkeiten gnädigst,
Und will nicht seine bösen deutschen Vögte
(Wie Zeus die Schlange in der Frösche Lache)
Ins Herz, in ihrer Städte Mitte setzen,
Wie es sehr gut war und wie sie verdienten!
GHERARDO.
Legnano, Herr, hat uns, obgleich wir siegten,
Das heiße Blut gekühlt. Gefallen sind
Italiens erste Edlen. Auch die Schwärmer
Der Freiheit und der Rache sind nicht mehr.
Die Reihn verödet, matt, zerfleischt von Wunden,
Entschritten wir dem Kampf. Wir sind zu schwach,
Um stets den Barbarossa zu bestreiten.
Auch regt sich zwischen unsern Städten Zwiespalt –
Es denkt für sich nur jede – Einigkeit
Ist mit der Not zugleich dahingeschwunden. –
Schon wird Mailand gefürchtet und beneidet.
Du selbst schließ'st Frieden, und wir bitten,
Genehmige den unsrigen. Wenn auch
Nicht Freiheit, schenkt er uns doch Ruhe.
PAPST ALEXANDER.
Ewig
Wird dieser Frieden nicht bestehn. Viel Spielraum
Gewährt er beiden Teilen, und es kommt
Nur darauf an, wer ihn am meisten nutzt,
– Ich billge ihn – Ihr seid entlassen.

Erzbischof von Mainz und Gherardo ab.

Erblich
Scheint zwar der Geist der Hohenstaufen, aber
Noch erblicher ist doch der Geist der Republiken
Und der Verbrüderungen! Venedig hier,
Mein Rom, das Papsttum selbst bezeugen es.
Das stolze Haus der Hohenstaufen, voll
[65] Von wilden Kaiserstirnen, wird
Verschwinden wie der Sturm, der wegfuhr über
Das Meer! Jedoch Lombardiens Städte blühn
Nach allen diesen Kriegen auf, wie Rosen
Nach Frühlingswettern!
DIENER
tritt ein.
Graf von Montferrat!
PAPST ALEXANDER.
Wie? Montferrat? Von Palästina? Führ
Ihn ein!

Diener ab. Graf Montferrat, blaß und in großer Bewegung, kommt.

Sprich! rede! was erschüttert dich?
MONTFERRAT.
Statthalter Gottes, gib
Mir Trost! Laß dein Gebet zum Himmel donnern,
Bis daß er hört und sich erbarmt! Ein Schauder
Wird alle Christenheit durchzittern! – Ach
Sie ist gefallen, ihre Mauern sind
Gebrochen, vor dem Ansturm der Seldschucken:
Jerusalem, die Heilige!
PAPST ALEXANDER.
Jerusalem!
MONTFERRAT.
Verwundet, im Tumulte unbeachtet,
Lag ich zur Seite – Da – o meine Augen! –
Sah ich das Tor gesprengt, und Sarazenen,
Hochmütig ihre krummen Säbel schwingend,
Die Rosse wie zum Siegestanze sporend,
Das Kreuz darniedertretend, mit dem Halbmond
Den Greu'l beleuchtend, fluteten herein,
An ihrer Spitze Saladin!
PAPST ALEXANDER.
Der Sultan!
Ein Heide zwar – doch furchtbar groß!
Jedoch
Es atmet in der Christenheit ein Stärkrer!
Und diesen send ich wider ihn!
MONTFERRAT.
Du selbst?
PAPST ALEXANDER.
Hier bleiben muß ich, und Europa zügeln! –
– Der Hohenstauf ists, den ich meine!
MONTFERRAT.
Nie
Vereint sich der mit dir.
PAPST ALEXANDER.
Er tuts noch heute.
Gelöst schon hab ich ihn vom Kirchenbann,
[66] Schon schifft er hieher durch Venedigs Wasser –
MONTFERRAT.
Ich dachte nur Jerusalem, und sah
Ihn nicht!
PAPST ALEXANDER.
Der Finger Gottes ists – der Einzge,
Der Saladin vernichten kann, ist unser!
– Wer nahet?

Kaiser Friedrich und Prinz Heinrich treten ein.

Ha, das sind zwei Hohenstaufen!
Nie hab ich sie gesehn – doch wie den Ätna
An seinem Feur und seiner Höhe, ahnt
Man sie am Blick und an der stolzen Haltung!
KAISER FRIEDRICH.
Mein Sohn, schau hin – das ist kein Kardinal,
Der blind fanatisiert und doch nur Werkzeug
Des Obren ist – Hier steht der Obre selbst,
Und ehrfurchtsvoll grüßt ihn der Kaiser.
PAPST ALEXANDER.
Wohl
Der Kirch und dir, daß du, ihr erster Sohn,
Den Wahn erkannt, der dich umfing! Sie nimmt
Dich liebend wieder auf, wie eine Mutter,
Und wird mit dir zu einem großen Ziel
Sich einen!
KAISER FRIEDRICH.
Wahn? Das sagt mir Alexander?
Jetzt, da wir unter uns sind, Blick in Blick?
Das große Spiel mit dir hab ich fürerst
Verloren – Aber war deshalb mein Streben
Ein Wahn? So wäre alles Edle List
Und Trug! Ich kämpfte für der Völker Freiheit,
Und Priesterherrschaft sucht ich zu vertilgen!
PAPST ALEXANDER.
Du tatest es. Doch spür in deiner Seele –
Vielleicht nur um die Kaiserherrschaft an
Die Stell zu setzen! Welche ist die beste?
KAISER FRIEDRICH
nach einigem Nachdenken, finster.
Der Taten, der Gedanken tiefste Keime
Im Busen zu ergründen, ist gefährlich.
Es liegen in ihr Schlünde, höllentief,
Und wehe dem, der sich in sie versenkt! –

Sich wieder erhebend.

Doch was ich tat, woher es auch entsprang –
[67] Ich hofft auf eine schöne Frucht, und nicht
Bewußt kleinlichen Zwecks, kämpft ich mit dir!
PAPST ALEXANDER.
Weit sieht man von den Höhn des Vatikans:
Was du erstrebtest, kann zur Wahrheit werden.
Doch du gingst her vor deiner Zeit. Wer aus
Der Zeit tritt, wird ihr fremd!
KAISER FRIEDRICH.
Ich glaube,
Auch Zeitverhältnisse sind zu bewältgen,
Denn Menschen warens, die sie schufen!
PAPST ALEXANDER.
Unter
Der Leitung Gottes!
KAISER FRIEDRICH.
Laß uns durch die Tat
Beweisen, daß wir, ob auch Meinungen
Uns trennen, Freunde sind und einig. – Billigst
Du meinen Friedensantrag?
PAPST ALEXANDER.
Du entschädigst
Die Priester alle, welche du entsetztest?
KAISER FRIEDRICH.
Ich tus!
PAPST ALEXANDER.
Erkennst des Papstes Würde,
Statthalters Gottes und Nachfolgers Christi?
KAISER FRIEDRICH.
Ich
Erkenne sie.
PAPST ALEXANDER.
Gibst zu, daß er befugt,
Auch Kön'gen ihr Vergehen zu verweisen?
KAISER FRIEDRICH.
Ich geb es zu.
PRINZ HEINRICH
für sich.
Er gibt es zu!
Wir würden
Uns schon zu wehren wissen!
PAPST ALEXANDER.
Du gewährst
Mir all die äußern Ehrbezeugungen,
Die mir gebühren?
KAISER FRIEDRICH.
Gern und leicht!
PAPST ALEXANDER.
So laß
Ich dir den Nießbrauch von Mathildens Gütern
Auf fünfzehn Jahr' (ich weiß es, du bedarfst
Ihn jetzo mehr als sonst) – dann mag ein Spruch
Von Schiedsrichtern das Recht des Eigentums
Entscheiden, – und wir sind versöhnt.
KAISER FRIEDRICH.
Wir sinds.
[68]
PAPST ALEXANDER.
Dann Heil der Christenheit – denn hör und bebe!
PRINZ HEINRICH
für sich.
Wohl hören, doch nicht beben!
PAPST ALEXANDER.
Montferrat!

Graf Montferrat tritt vor.

Den schau – in seinem Antlitz lies die Kunde!
PRINZ HEINRICH.
Blaß ist er – doch wo Gräflein Montferrat
Erbleicht, erbleicht noch nicht Waiblingen!
PAPST ALEXANDER.
Die Stadt des Herrn, die Stadt der Gnade, wo
Er wandelte, der uns erlöste, fiel
Vorm Arm des Saladin, und dieser sah es!
KAISER FRIEDRICH.
Du sahst es, und du lebst? – Vasall, ich strafe
Dich wegen Feigheit!
MONTFERRAT.
Narben, tut euch auf,
Und schreit mit blutgen Lippen: Schuld
Des Montferrat ists nicht, daß er noch lebt!
– Besinnungslos sank ich dahin im Blut,
Und Zufall rettete mich vor Gefangenschaft!
PAPST ALEXANDER
zum Kaiser.
Dir, Kaiser, winket nun die hehrste Siegsbahn!
Sie zieht dahin durch Ungarns Wälder, an
Dem Wall der Stadt des Konstantin vorbei,
Den Hellespont durchfurchet sie, – sie trägt
Dich durch Kleinasien – Antiochia
Begrüßt in dir den Retter – kühlend
Umschatten Libans Zedern sie alsdann, –
– Und an dem Ziel, im Sonnenaufgang glühend,
Auf Ölbergs Höhen, wehen irdische
Und überirdsche Palmen!
KAISER FRIEDRICH.
Es war stets
Mein Wunsch, nach aller Müh des Kaisertums,
Des vielbewegten Lebens, fromm und glorreich
Zu endigen, ein Streiter Gottes,
Auf meiner Schulter Christi Kreuz! Und ich
Gelob und schwör es dir: ist Deutschland erst
Geordnet, wie es ihm so nötig ist,
So brech ich auf mit meiner Ritterschaft,
[69] Und prüf an türkschen Säbeln unsre Schwerter!
Ich kenne Saladin, und er ist wert
Des Kampfes!
PAPST ALEXANDER.
Und versöhne dich mit Jenem,
Den Palästina kennt, und ihm den Namen
Des Leu'n verlieh, weil er noch mehr als Leu'n
Dort Schrecken säte. – Du und Er? Wer dürfte
Euch trotzen?
KAISER FRIEDRICH.
Nie Versöhnung mit dem Löwen!
Vertilgung nur und Tod!
PAPST ALEXANDER.
Wie? ward er denn
So gar fremd deinem Busen? Wäret ihr
Nicht Freunde, auf das innigste vereinigt?
KAISER FRIEDRICH.
Wir warens, und ich fühls noch immer, was
Es heißt, an Löwenbusen liebend liegen! –
– Ja, ja, er ist der Löwe – Stets noch haust
Er mir im Herzen, und zerreißt es!
PAPST ALEXANDER.
Ein großes Herz wird stärker durchs Zerreißen.
Es fühlt die Wunde tiefer als ein kleines,
Und fester heilts deshalb zusammen.
KAISER FRIEDRICH.
Wer
Das sagt, trägt selbst ein großes, einst wohl sehr
Zerrißnes Herz.
PAPST ALEXANDER.
Dreifache Kronen quetschen
Die Brust!

Der Doge und Senat von Venedig treten ein.
DER DOGE
zum Papst und Kaiser.
Venedig ruft
Nach euch mit Millionen Stimmen – Horcht,
Die mächtge Glocke vom Sankt Markusdom
Wird seine Zunge! –
– Die Lagunen sind
Verschwunden, überdeckt von Schiff an Schiff!
Die Masten aller Völker schmücken sich
Mit Flaggen, und stehn da wie Riesenblumen!
Gleich eurem Siegesbogen, vollgedrängt
Von Nobili, erhebt sich der Rialto!
Und nicht Girlanden bloß und goldne Pracht
Schmückt jedes Fenster – Fürstinnen und Damen
[70] Verzieren und erfüllen sie – es glänzen
Italiens schönste Augen euch entgegen,
Ein flammender, ein tausendfacher Spiegel,
Begierig euer Abbild zu empfangen! Blickt
Selbst hin und nehmt den Dank der Welt!

Die Flügeltüren eröffnen sich, – man sieht Venedig, voll von Volk und Freudenzeichen.
PAPST ALEXANDER.
Wir müssen
Dem Volk den Willen tun – Auf den Altan
Laß uns dort treten!

Kaiser und Papst treten auf den Altan; alle übrigen, außer Prinz Heinrich, folgen ihnen.
DAS VOLK.
Heil der Erde! Heil
Venedig! Hoch der Kaiser und der Papst!
Die Christenheit hat Frieden!
PRINZ HEINRICH
hinaussehend.
So! – Ei, ei,
Nun gehn die Zeremonien los! – Er küßt
Dem Papst die Hand –
DAS VOLK.
Dem Kaiser Heil!
PRINZ HEINRICH.
Der Pöbel
Schreit wieder! Endlich hats der Vater satt!
Ich merks ihm am Gesicht! Er führt den Papst
Die Marmorstieg hinunter – übergibt
Den Kardinälen ihn – (das ist das Klügste)
Und kommt zurück!
KAISER FRIEDRICH
wiederkommend.
Ha, was hat mich durchzuckt,
Als ich da eben stand dem Papst zur Seite,
Umtönt vom Jubelruf der Menge? Ein
Gedanke, weis und rechtlich, – wohl gefährlich
Dem Dreigekrönten, aber nicht heimtückisch –
– 's ist eine Heirat nur! Der Friedensschluß
Verbietet mir nicht, meinen Sohn da frei
Vermählen sich zu lassen, wo es mir gut scheint,
Und geh' auch Rom darob zu Grunde!

Zu Prinz Heinrich.

Sohn,
Du kennst das Reich,
Wo zwei Vulkane flammenatmend stehen,
Wo vom Vesuve bis nach Griechenland,
Von Ätnas Höhn bis Libyens Strand,
[71] Die furchtbarn Banner der Normannen wehen:
Als Schutzmacht liegts dem Papste in dem Rücken,
Doch Eine Blume nur gilt es zu pflücken,
Und es ist dein!
PRINZ HEINRICH.
Neapel! Neapel!
Als Herrscher sich in seinem Golf zu spiegeln!
Es schwingt mich himmelan mit Adlerflügeln!
KAISER FRIEDRICH.
Recht, daß in dir des Kaiserwappens Aar
Sich so bewegt – Du liebtest je?
PRINZ HEINRICH.
Ich war –
Ich bin verliebt – Es wohnt Cäcilia
Fern an dem Rhein, dem Herzen ist sie nah!
– Allein ich bin wie du ein Hohenstaufe!
KAISER FRIEDRICH.
Das heißt, nichts hält dich auf im Kampfeslaufe!
– Es gilt, der Erde Höchstes zu erreichen,
Dem großen Zwecke muß das Herzchen weichen!
PRINZ HEINRICH.
Und pflanzt ichs blutend auf als Siegeszeichen!
KAISER FRIEDRICH.
Vergiß Cäcilia!
PRINZ HEINRICH.
Ich werd sie lassen!
Was willst du mehr? Vergessen kann ich nicht!
Nur ewig kann ich lieben oder hassen!
KAISER FRIEDRICH.
Constanze erbt Siziliens stolze Throne –
Zieh hin in ritterlichem Mut und Schimmer!
Erwirb sie! Es gelingt dir, meinem Sohne!
PRINZ HEINRICH.
Schon seh ich die normannischen Barone
Zum Fuß mir! – Mein Constanze und die Krone!
KAISER FRIEDRICH.
Dann geht es mit dem Vatikan zu Ende,
Und über seinen Trümmern reichen wir,
Ich Deutschlands Kaiser, du Siziliens König,
Geschmückt mit Lorbeerkränzen uns die Hände!
PRINZ HEINRICH.
Mich treibts, mich brennts! Abschied nehm ich von dir!
Ihr huldge ich, und Romas Donner höhn ich!
KAISER FRIEDRICH
legt die Hand auf Heinrichs Schulter.
Nie wird der Hohenstaufen Haus erbeben,
[72] Solange solche Kinder darin leben!

Prinz Heinrich ab.

– Er sucht die Braut – ihr Glanz wird ihn erfreuen –
Und ich – o Zorn und Weh! – ich such den Leuen!

Ab.
2. Szene
Zweite Szene
Schwaben. Halle in der Burg der Hohenstaufen.
Beatrice tritt ein.

BEATRICE.
Die Sonne schimmert über Schwabens Hügeln!
– Und Er – so sagen alle Boten – ist gefallen
Im Kampfe bei Legnano! – Und sie schimmert!
Nein,
Schon wird sie dunkel! – Oder ists mein Auge,
In dem sie sich verfinstert? –
Ach wie öde,
Wie schal die sonst so schöne Welt – Mir grünt
Kein Lenz mehr – blüht nicht mehr die Rose – Er
Nahm alles mit sich in das Grab!
Ins Grab?
Den Schreckensschlund der schwarzen Erde!
Mir schaudert – Nie wirds satt, nie gibts zurück,
Und wenn wir auf ihm weinen, treibts hohnlächelnd
Die Blumen aus dem feuchten Rasen! –
Ha!
Hier ist der Platz, an dem er oftmals stand,
Und große Plane sann – hinaussah in
Die aufgeschloßnen Täler seines Schwabens,
Und wenn ich dann bewundernd ihn betrachtete,
Wohl aus dem Traum erwachte, zu mir trat,
Und mit der Locke meiner Stirne spielte! –
– Ich steh nun auch da, und sein Angedenken
Durchbebt mich!
O, ihr armen
Erfindungen der Troubadoure, die
Ihr die Erinnrung lobt und Phantasie!
Nichts sind sie gegen Friedrichs Gegenwart –
[73] Erinnerung ist nur die traurge Asche
Des abgebrannten Schlosses!
– Öde! trübe! –
Ihn nimmer wieder! – Einsam klopft mein Herz!
Wie weh das Herz, das einsam klopft!
Doch noch
Ist mir ein herber, und doch teurer Trost:
Verloren all mein Hoffen, all mein Sehnen
Was bleibt mir noch? – Mir bleiben doch die Tränen!
LANDLEUTE
in der Ferne singend.
Bei Legnano,
Bei Legnano
Fiel der Kaiser allergrößter!
Der Hirte seufzt
Und läßt die Herde,
Der Landmann weint,
Sein Pflug verrostet,
Der Krieger zürnt,
Doch bebt die Faust ihm –
– Verwaiset ist das ganze Land!
BEATRICE.
Schon die betrauern ihn in rauhen Liedern –
Sie können doch noch singen, und den Schmerz
Betäuben – Nicht so ich – Mit Schweigen will
Ich ihn ernähren, denn er ist mein letzter,
Mein einzger, unermeßlicher Schatz!
DER KASTELLAN DER BURG
tritt ein.
Es sprengen Reisige von stolzem Ansehn
Und mit fürstlichen Wappen auf den Schilden,
Vor unsre Burg – und der Hochragendste
Von ihnen, wünscht mit dir zu reden.
BEATRICE.
Laß
Ihn kommen!

Kastellan ab.

Ach, das wird der feierliche,
Fürstliche Todesbote sein! Ich zittre
Vor seinem Worte!
KAISER FRIEDRICH
tritt ein mit niedergeschlagenem Visier.
Beatrice!
BEATRICE.
Welche Stimme!
[74] Die hört ich einst an meinem Brauttag in Burgund!
Klingt es von Himmelshöhen zu mir nieder?
KAISER FRIEDRICH.
Mit deinem Gram mag ich nicht länger spielen.
Die Todesnachrichten, die du erhalten,
Sind falsch gewesen. Kaiser Friedrich lebt.
Glorreicher Frieden mit der Kirche schmückt
Sein Haupt. Er dacht und denket dein in Glück
Und Not –

Sein Visier aufschlagend.

und liebeatmend liegt er jetzt
An deinem Busen!
BEATRICE.
Lebt! Sein Atem weht!
O Sturm der Freude, schone, schone! Beug
Mich nicht so ganz zu Boden! Jetzt nicht möcht
Ich sterben! Ach ich bin ein schwacher Halm! –
– Mein Kaiser, Friedrich, mein Gemahl, mein Held
Und Gott! Du wieder mein! – Ich werde Sündrin!
Denn Christi Auferstehung freut mich nicht
Wie deine!
KAISER FRIEDRICH.
O welche Seligkeit, geliebt
Zu sein – geh' einsam in Gefahr und Wüsten –
Du weißt: ein fremdes Herz schlägt für das eigne!
– O Beatrice, reiner Engel! – Können
Die Engel Menschen lieben, deren Brust
Durchtobt ist von des Stolzes, Ruhmes, und
Der Herrschbegierde Stürmen?
BEATRICE.
Ja! denn Engel sehn
Die Blüt des sturmbewegten Baums! Auf Erden
Heißt man sie: Liebe!
KAISER FRIEDRICH.
Es ist wahr! Und nie
Noch schlug ein Herz fürs Edle und Erhabne,
Es hätte denn geliebt! – Selbst wenn ich auszieh, Kronen
Mir zu erringen – dein belohnend Lächeln
Strahlt doch als letzter Siegespreis! – – Wo weilt
Der Graf Tirols, der dich begleitete?
BEATRICE.
In seiner Grafschaft, um vor den Lombarden
Die Grenzen deines Reiches zu beschützen.
KAISER FRIEDRICH.
Lombarden! Die sind ruhig – Nicht mehr not
[75] Ist das! – Mit dir, mit ihm, mit allen Großen
Des Reichs zieh ich nach Mainz. Schon sammelt dort
Der Reichstag sich, um den Verrat des Leu'n
Zu richten – Und Turnier' und Ritterspiele,
Wie niemals noch Europa sie erblickt,
Sind ausgeschrieben, um mit heitrem Scherz
Den Ernst zu unterbrechen und zu zieren!
So liebts der Hohenstaufe!
BEATRICE.
O ihr Waiblinger,
Wie in dem Lenz Gewitter von dem Jura
Hinziehen über die burgundschen Auen –
So zieht ihr durch die Welt! – Ihr donnert schwer,
Doch Blatt und Blume öffnen sich um euch!
KAISER FRIEDRICH.
Die ganze Ritterschaft der Christenheit
Ist auf dem Weg nach Mainz – erst zeig ich mich
Den treuen Schwaben als ein Lebender –
Dann, daß dem Glanz die Sonne, und die Fürstin
Dem Spiel nicht fehle, ziehst du mit nach Mainz!
BEATRICE.
Wo du bist, da ist meine Heimat!

Beide ab.

4. Akt

1. Szene
Erste Szene
Lustlager des Kaisers und Reichstag bei Mainz. Überall prächtige Zelte und aufgerichtete Schranken für Turniere. Aussicht auf die das Lager einschließenden Ströme, Rhein und Main, mit ihren Rebenhügeln, und in der Ferne die Kuppeln von Mainz usw.

HEINRICH VON OFTERDINGEN
tritt auf.
Wenn ich soll wählen auf der Erde, wähl
Ich mir den Kaiser oder Dichter – Beiden
Gehorcht die Welt – Denn was der Kaiser schafft,
Das kann der Dichter zaubern! – Welch
Ein Glanz umschimmert hier Waiblingens Thronsitz!
EIN TURNIERHEROLD
hinter der Szene.
Die Sonn ist gleich geteilt! Brecht los, ihr Kämpfer!
EIN RITTER
h.
d.S.
Die Lanzen sind gesplittert, und die Rosse
Liegen im Sand – Schwertkampf zu Fuß!
GRAF VON BARCELONA
h.
d.S.
Es ruft
Der Graf Alfons von Barcelona
Den kühnsten Ritter der Franzosen vor,
Zum Speereskampf um ihrer Länder Ehre!
GRAF VON MONTPELLIER
h.
d.S.
Wenn Barcelona ruft, so hörts sogleich
Der Graf von Montpellier – Hoch Frankreich, und
Die Dame Blanchefleur! –
GRAF VON BARCELONA
h.
d.S.
Hoch Spanien,
Und hoch die Dame, deren Bild mir tief
Im Herzen brennt, allein die ich nicht nenne!
HEINRICH VON OFTERDINGEN.
Allüberall Turnier und Klang der Waffen!
Zur Ehr der Schönheit und des Vaterlandes
[77] Mit Blut und Tod gespielt! Die Hengste stolz
Auf ihre edlen Reiter, – weiße Zelter
Die Damen tragend, wie der Wind die Flammen,
Die Augen all zur Seligkeit entzündend! Schärpen,
Gestickt von Liebeshänden, Ritterbrüste
Umfesselnd – Helmesfedern flutend in der Sonne!
O, welche Herrlichkeit und Fülle!
TURNIERHEROLDE
h.
d.S.
Wer
Will um den ersten Siegspreis kämpfen? Nur
Ein Kranz ländlicher Blumen ists, allein
Die Kaiserin verteilt ihn!
ERZHERZOG VON ÖSTERREICH
über die Bühne eilend.
Österreich
Stürzt in die Schranken!
HOHENZOLLERN
ebenso.
Hohenzollern folgt
Ihm nach!
PRINZ PLANTAGENET
ebenso.
Plantagenet von England auch!
DIE KÖNIGE VON POLEN UND BÖHMEN
ebenso.
Auch Böhm' und Pole kommen!
ERZBISCHOF VON MAINZ
ebenso.
Der Erzbischof
Schwingt auf den Gast die Keule!
KAISER FRIEDRICH
h.
d.S.
Halt! Werft Lose!
Der Kämpfer sind zuviel und zwei nur können
Es sein!
TURNIERHEROLDE.
Ihr Fürsten, zieht das Los! –
– Es traf den Hohenzollern und Plantagenet. –
HEINRICH VON OFTERDINGEN.
– – – Und Sie dort, die Burgunderin! entfernt
Von mir auf Kaiserthrones Höhen,
Und doch geliebt, geehrt, von meinem Blick gesucht
Als meines Lebens einzger Stern! Sie kämpfen,
Aus ihrer Hand den Lohn des Sieges zu
Erhalten – Und ich bin nicht in den Schranken?
Ach Träumen ist der Dichter Los, und selbst
Die Wirklichkeit wird Traum in meiner Brust! – – –
TURNIERHEROLDE
h.
d.S.
Bringt frische Speere, neue Schilde, für
Plantagenet und Hohenzollern!
HOHENZOLLERN
h.
d.S.
Weg
Die Schilde – Unsre Herzen sind schon fest
[78] Genug!
PRINZ PLANTAGENET
h.
d.S.
Du redest als ein edler Held!
TURNIERHEROLDE
h.
d.S.
Der dritte Gang
HOHENZOLLERN
h.
d.S.
Er ist vollendet! Mein
Der Sieg!
TURNIERHEROLDE
h.
d.S.
Erhebt Plantagenet vom Boden!
VIELE STIMMEN
h.
d.S.
Heil, Heil, dem Sieger Hohenzollern!

Kaiser Friedrich mit Beatrice, Erzbischof von Mainz, Fürsten, Ritter und Gefolge treten ein.
KAISER FRIEDRICH.
Mein Deutschland ist doch wunderschön!
Sieh diese Ebne jetzt, gleich der von Troja,
Die Bühne der Heroen, eingefaßt
Vom Silberarm des Mains und dunklem Rhein!
Vor uns die Stadt des Erzbischofs, voll von
Großartigen Erinnerungen, und seit
Jahrhunderten, inmitten aller Zeitenstürme,
Mit ihren Türmen zu dem Himmel weisend, –
Dahinter in bläulicher Dämmerung
Die Kathedralen Gottes, die Gebirge,
Und nirgends in Europa, so erhaben
Und ausgeschmückt mit Laub und Eise als
Vom Rheinquell bis zum Harze. – Unersteiglich
Erregen sie des Menschen Kühnheit
Zu dem Erklimmen auf, und wenn sie scheitert,
Beweisen sie ihr doch, daß es ein Größres
Als Menschenkräfte gibt!
BEATRICE.
Und jene Trauben
Als Festgehäng des Rheines, wie Rubinen
An ihm hinziehend – Gleich dem Abendrot
Des Herbstes leuchten sie! – Selbst mein Burgund
Kennt sie nicht schöner!
KAISER FRIEDRICH.
Durch die Adern braust
Burgunder – der Champagner stürmt zum Himmel –
Doch will ich schmecken und genießen – mir
Die Brust mit ernstem Heldentranke stärken,
So ists der alte Rhenus, der den duftenden
Pokal mir bietet!
[79]
REICHSHEROLDE
mit Gesandten von England und Frankreich vortretend.
Die Gesandten Englands
Und Frankreichs!
DIE GESANDTEN.
Unsre Kön'ge senden uns und grüßen
Dich unterwürfig, und sie beugen sich
Vor deiner Krone Macht und Ruhm.
KAISER FRIEDRICH.
Es dankt
Der Kaiser ihrem Wohlwollen.
HEINRICH VON OFTERDINGEN.
– – Wie zuckts
So wehmutsvoll durch meinen Geist! –
Verschwinden
Wird einstmals alle diese Glorie!
Sie ist zu groß! Und Größe ist im Reich
Der Phantasie nur ewig. Oft geweint
Hab ich im Glück, doch nichts versteht davon
Die Menge!
EIN PROVENZALISCHER TROUBADOUR
mit seinen Begleitern tritt ein.
Troubadoure der Provence
Versuchten es, mit leichtem Lied dich zu
Ergötzen – Doch verzeihe – Sie sind nicht im Stand,
Die Herrlichkeit des Kaisers zu besingen!
KAISER FRIEDRICH.
Gern höre ich den Ton des Landes d'oc,
Ich lernt ihn aus dem Mund der Kaiserin.
Die Antwort nehmt auf eure lieblichen Trouvaden
Zur Ehre eurem Vaterland, zur Ehre
Den Damen, die ihr feiertet
Von Arragonien bis nach Toscana!
Plas mi cavalier Françes,
E la donna Catalana,
E l'onrar dal Ginoës,
E la court' del Castellana,
Lou cantar Provençales,
E la dansa Trevisana,
E lou corps Arragones,
E la perla Juliana,
La man i Kora d'Anglés,
E lou douzel de Toscana!
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Herr, das klingt gut – Doch sieht man zu, so ists
Verdorbenes Latein! Ich lobe mir das Deutsche!
[80]
KAISER FRIEDRICH.
Recht hast du! Der Franzose scherzt und künstelt,
Der Deutsche dichtet!

Deutet auf Heinrich von Ofterdingen.

Siehst du den da stehen?
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Ich lud ihn ein.
KAISER FRIEDRICH.
Du tatest wohl. Ich merk
Auf ihn schon lange. Er ist meinesgleichen!
– Er schweigt, doch ists des Ozeans Stille, wenn
Er Erd und Himmel blinkend widerspiegelt.
Kein Laut wird hier gesprochen, keine Lanze
Zersplittert, und kein Liebesblick versandt,
Er fühlts in seiner Brust, und fort wirkts drin
In wunderbaren Kreisen!
HEINRICH VON OFTERDINGEN
hat des Kaisers Worte gehört und tritt vor.
Kaiser, du
Erkennst den Dichter!
KAISER FRIEDRICH.
Ritter du und Dichter!
– Rinnen noch immer der Chriemhilde Tränen?
HEINRICH VON OFTERDINGEN.
Sie rinnen ewig, bis mit Hagens Blut
Sie sich vermischen!
BEATRICE.
Ist ein Weib so unversöhnlich?
HEINRICH VON OFTERDINGEN.
Sie kannte nur Ein Glück – Sie hat geliebt,
Und Siegfrieds blutbefleckter Schatten schwebt
Um sie in Attilas Umarmung!
BEATRICE.
Wahr
Ist es! Wir Armen kennen nur Ein Glück,
Doch ist es end- und grenzlos – Liebe!
KAISER FRIEDRICH.
Volker,
Der kühne Sänger?
HEINRICH VON OFTERDINGEN.
Er bewachte in
Der Nacht die Recken, und mit süßen Tönen
Schwor er den Schlummer auf sie nieder. Der
Verrat hat sie erweckt. Da ist sein Schwert
Ihm Fiedel worden, – mit dem grimmen Hagen
Verbündet, stürzt er in den Tod!
KAISER FRIEDRICH.
Und Hagen?
HEINRICH VON OFTERDINGEN.
Die Flamm umlodert schon die Burgundionen
[81] Und saugt sie aus bis auf das Mark! Sie dürsten!
Doch Hagen ruft: reißt euch die Pulse auf,
Und trinkt eur eignes Blut!
KAISER FRIEDRICH
mit einem scharfen und prüfenden Blicke.
Und liefern
Sie ihn nicht aus?
HEINRICH VON OFTERDINGEN.
Ausliefern ihn? Den wilden,
Doch treuen Knecht? Hei, nun und nimmer! Eher
Zu Grunde die burgundschen Berge!
KAISER FRIEDRICH.
Wie
Im klaren Stromesbett der Kiesel, zeigt
In deiner Dichtung sich dein Herz! – So lang
In Deutschlands Gauen deutsche Männer stehen,
Wird auch dein Liedeshauch zu ihnen wehen!
HEINRICH VON OFTERDINGEN.
Hätt ich nicht Hohenstaufens Groß erblickt,
Nie wäre Nibelungen mir geglückt!
TURNIERHEROLDE
treten vor.
Der Hohenzollern naht, den Siegeskranz zu fodern!
BEATRICE
zu einer Dame ihres Gefolges.
Den Kranz!
HOHENZOLLERN
von der Kaiserin knieend.
Mir glänzt des Lebens schönste Stunde!
BEATRICE.
Den Hohenzollern kränzt die Hohenstaufin!
Streit' stets für Tugend, Ruhm und Liebe, und
Dein Stamm grünt fort, wie heute diese Blätter!
HOHENZOLLERN.
O, wie ein Wald umrauschet meine Stirn
Der Lorbeer! Kaum vermag ich aufzustehn! –

Sich erhebend.

O Kaisrin, zeige mir das Feld der Schlacht,
Auf dem ich ihn verdiene! – Wär der Wittelsbacher
Nicht bei Legnano ruhmvoll hingesunken,
Jetzt schmückt' ihn dieser Preis!
BEATRICE.
Bescheidenheit
War immerdar des Mutes erste Zierde!
Und, Hohenzollern, sie schmückt dich!

Pause.
KAISER FRIEDRICH.
Ich seh
[82] Und seh – Seh nicht der Helden mächtigsten!
– Wo bleibt der Leu von Braunschweig?
REICHSHEROLDE.
Dreimal ward
Er vorgeladen, und ist nicht erschienen.
KAISER FRIEDRICH.
Nun,
So wagt er, wie ich es gedacht, den Kampf
Mit mir! Er sei versucht! –
Der Lehenspflicht
Entbind ich seine Lehensmannen alle,
Des Wittelsbachers Erben schenk ich Baiern!
Die Erzbischöfe Kölns und Triers, Bremens
Und Halberstadts Bischöfe, Holsteins Herzog,
Und Lippes edle Grafen, mögen sich
In sein Besitztum teilen, es zerstücken!
Geächtet ist er hiermit und gebannt,
Und alle Ritterschaft, die mich umgibt,
Ruf ich zum Heerzug wider ihn!
ALLE ANWESENDEN.
Wir folgen
Vom Ebro bis zur Weser deinem Rufe!
KAISER FRIEDRICH
zu Beatrice.
O Weib! Du kennst nur Liebe, nicht die Freundschaft!
Die Liebe schmückt das Leben, wie den Baum
Die Rebe, – doch die Freundschaft bindet fest
Wie Ketten – Weh, wenn sie zerreißen! – Weh,
Wenn mir der Leu zum Fuß liegt, und da muß
Er liegen!
– – Öffnet Waffenspiel und Tänzen
Die Schranken! Laßt die Winzerinnen,
Die dort vom Rheingau nahn mit Blumen, kommen!
– Und, Ofterdingen, mit dir bricht der Kaiser
Heut seine erste Lanze!
HEINRICH VON OFTERDINGEN.
Wie werd ich
Mich mühn, den Sieg dir ehrenvoll und schwer
Zu machen!
DIE TURNIERHEROLDE
nach allen Seiten rufend.
Abermals Spiel und Turniere!
Auf, Deutschland! auf, Hispania! auf, Frankreich!
HEINRICH VON OFTERDINGEN.
Der deutsche Adler regt sich schon im Winde,
Und Spaniens Leoparde streckt sich aus,
Und Frankreichs Lilien blühn, als könnte niemand
[83] Sie brechen! – Kaiser, zu dem Lanzenrennen!

Kaiser, die Kaiserin und die übrigen ab, bis auf den Erzbischof von Mainz.
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Bei diesem Kaiser lebt es sich doch lustig,
Ist man gleich Erzbischof und Christian!
Ach, Christian! Verfluchter Name! Hätt ich mich
Bedacht: Sankt Christoph hätt ich mich genannt!

Ab.
2. Szene
Zweite Szene
Feldlager Heinrichs des Löwen am Fuße des Harzes. Viele Wachtfeuer auf den Bergen, und in der Mitte der Szene ein großes, von sächsischen Feldherrn, Graf von Orla, Albrecht von Roden usw. umringt. Wachen und Soldaten. Unter den letztern Landolph und Wilhelm.
Jordanus Truchseß kommt.

EINE SCHILDWACHE
den Speer vorstreckend.
Wer da?
JORDANUS TRUCHSESS.
Weg mit dem Eschenschaft – Hier sind
Nur treue Welfen!
GRAF VON ORLA.
Ha, Jordanus Truchseß!
Willkommen hier am Feuer!
JORDANUS TRUCHSESS.
Seid gegrüßt!
ALBRECHT VON RODEN.
Hier Bier von Goslar – Wein von Würzburg – Wähl
Und trink den Brüdern zu!
JORDANUS TRUCHSESS.
Zum Teufel
Der Wein von Würzburg und zum Teufel
Der Kaiser! Seine Herrlichkeit zu Scherben
Wie diese Flasche!

Er zerschmettert die Flasche Wein am Boden.
DAS SACHSENHEER
von allen Bergen und aus allen Tälern.
Seine Herrlichkeit
Zu Scherben, wie die Flasche!
JORDANUS TRUCHSESS.
Horcht! Der Harz
Reißt alle Schlünde seiner Täler auf,
[84] Und brüllt die Antwort!
Brüder, lebt
Als Helden, sterbt als Sieger! Mit dem Trank
Walhallas wünsch ichs euch!
GRAF VON ORLA.
Der Ahnen Geist
Durchschäumt das Bier! Mir ists, als säße ich
Bei Alf und Wittekind, und tränken Met
Aus goldumfaßten Hörnern!
JORDANUS TRUCHSESS.
Alle
Erinnrungen der Vorzeit laßt erwachen! Alfs
Und Wittekinds Trinkhörner erbt ich von
Den Vätern! Knechte, bringt sie her!

Mehrere Knechte ab.

Krieg, bis
Die Schädel uns zerspringen, den Waiblingern,
Wie einst dem fränkschen Karl!
DAS SACHSENHEER.
Bis uns die Schädel
Zerspringen!
ALBRECHT VON RODEN.
Mehrers können wir nicht tun!
JORDANUS TRUCHSESS.
Nicht? Auch noch in dem Pfuhl der Hölle ring
Ich mit dem Schwaben! – Jahr für Jahr führt' er
Uns nach Italien, wie zur Schlachtbank,
Um da für seines Hauses Groß zu bluten –
Sein einzger Dank war Lächeln – Gott gelobt,
Der Herzog sah es ein! wir sind jetzt klüger
Und fechten für uns selbst!

Die Knechte bringen die Trinkhörner; sie werden gefüllt und umhergegeben.

Und gehn die Hörner!
Kein Judas unter uns! Nur sächsische
Gesichter, stark und frei!

Ein Trinkhorn ergreifend.

Da lag vielleicht
Die Lippe Wittekinds!
Ich trinke! Mit wem
Ich trinke, mit dem sterb ich!
GRAF VON ORLA
trinkend.
Arme Sonne
Des Südens! Flau das Blut erhitzend, Schweiß
Austreibend! – Hier um Brand von Nordlands Fichten
[85] Schließt sich der Freundesbund am festesten!
JORDANUS TRUCHSESS.
Da glühts nicht nur, da flammts und brennts – Und weil
Es draußen kalt ist, weiß man auch warum!
ALBRECHT VON RODEN.
Hifthörner, hört!
JORDANUS TRUCHSESS.
Hifthörner sind das nicht!
Es ist der Klang von Seemuscheln und Pfeifen,
Wie man sie hört, wenn mit dem Sturm der Ostsee
Seekön'ge kämpfen, und ins Mastbaums Segelwerk
Die zaglosen Matrosen jagen! – Waldemar,
Der Dänen König ists mit seinen Scharen –
Der Herzog winkte, und er kommt zur Hülfe!
ALBRECHT VON RODEN.
Und welche dumpfe Trommeln schallen dort
Durch Sturm und Nacht!
JORDANUS TRUCHSESS.
Der ganze Nord vernahm
Es, als der Löwe schrie – Litauens Großfürst
Mit seinen Slaven ist es!

König Waldemar von Dänemark und der Großfürst von Litauen treten ein.
WALDEMAR UND DER GROSSFÜRST.
Heil euch, Sachsen!
JORDANUS TRUCHSESS UND DIE ÜBRIGEN.
Willkommen, Bundsgenossen!
GRAF VON ORLA.
Wenn Slav und Däne sich mit uns vereinen,
So wird man Hohenstaufen bald beweinen!
JORDANUS TRUCHSESS.
Wem schwillt die Brust nicht, blickt er um sich?
Groß ist der Leu! Der Harz liegt rot im Licht
Der Fichten, schaut mit seiner Berge Stirnen,
Umglüht von Kriegesflammen, zornig in das Land,
Ein zweiter, hundertköpfiger Typhöus,
Und unterm schweren Schritte der Westfalen
Ertönen seine Felsen – Hohenstauf,
Hier gilts 'nen andren Kampf, als bei Legnano!
ALBRECHT VON RODEN.
Dort wollen die Wachtfeuer löschen. – Sturm
Durchbraust die Forsten!
[86]
JORDANUS TRUCHSESS.
Blitze seine Flügel,
Und Wolken sein Gefieder!
– Zündet
Die Feuer an aufs neue! – Trotzt der Windsbraut! –
Die Adler fliegen wie bewegter Sand
Vor ihr dahin – doch wir stehn unverrückt!
ALLE UM DAS FEUER VERSAMMELTE GROSSEN DES HEERES
singend.
Laßt stürmen, toben, sausen,
Wir fechten, trinken, schmausen!
ALBRECHT VON RODEN.
Da auf der Eiche sitzt eine Uhu, rollt
Das Aug und heult!
JORDANUS TRUCHSESS.
Er wittert schon die Leichen,
Die bald mit Blut der Weser Ufer tränken!
LANDOLPH.
Wilhelm!
WILHELM.
Nun?
LANDOLPH.
Du, der Uhu da, ist ein
Verdächtger Kerl! Ihn trifft die Schwerenot!
Laß uns ihn fangen!
WILHELM.
Ists nur keine Hexe!
Er dreht das Auge, schwingt die Fittiche,
Als wär er ein Pastor, predigte,
Und hätte Verstand!
LANDOLPH.
Was Hexe, Wilhelm! – Heult
Er nicht in unsres Herzogs Lager? Duldest
Du das?
WILHELM.
Landolph, du kennst ja gut den Wilhelm –
– Wer unsren Herzog schimpft, den krieg ich unter,
Und kostets auch mein bißchen Leben!
LANDOLPH.
Komm!

Beide ab.
Herzog Heinrich der Löwe mit seiner Gemahlin Mathildis tritt aus dem Gebirge. Hinter ihm Gefolge.
GRAF VON ORLA
ihn erblickend.
Ha, Er!
JORDANUS TRUCHSESS.
Den schwarzen Helm stolz auf dem Haupte,
Umflüstert und umgrünt vom Laub der Eiche!
GROSSFÜRST LITAUENS.
Und welch ein wunderholder, schlanker Engel
Geht ihm in Ritterrüstung an der Seite?
[87]
JORDANUS TRUCHSESS.
Es ist der Stern, der ihm aus Abend aufging!
Mathildis, Tochter Englands, und sein Weib!
ALBRECHT VON RODEN.
Ringsum wirds still!
JORDANUS TRUCHSESS.
Die Stille vorm
Gewitter – Gleich wirds desto lauter donnern:
Hoch Braunschweigs Leu und hoch Mathildis!
DAS SACHSENHEER.
Hoch Braunschweigs Leu und hoch Mathildis!

Sie schlagen die Schilde aneinander.
HEINRICH DER LÖWE
zu seinen Feldherrn und dem Heere.
Verlassen hat mich Baiern – nie dacht es
Mir wohl, vergaß nie, daß ich hier geboren –
Ihm ist verziehn! – Wo sind die Baiergrafen,
Die wir gefangen aus Italien führten?
JORDANUS TRUCHSESS.
Kennst du die Roßtrapp, und den Abgrund, der
Darunter gähnt? Da liegen sie mitsamt
Drei Herolden des Reichs – Da mögen sie
Verfluchen uns und sich verschwören, und
Die drei Herolde ein Zeter schreien
Um ihr zerschmettertes Gebein!
HEINRICH DER LÖWE.
Trier
Und Köln sind wider mich gewaffnet – Münster
Und Bremen, eine Menge Ortschaften,
Die Friedrich schlau auf meine Kosten frei
Erklärt hat, werden zu Verräterinnen, –
Die Städt und Lande fallen von mir ab
Wie welkes Laub – Es herbstet ja im Harze! –
– Doch mag es herbsten – Ich und dieser Harz,
Den ich am Fels hier fasse, stehn noch da,
Zwei unerschütterte Gebirge, stark
Genug, um tausend neue Frühlinge
Zu zeugen!
JORDANUS TRUCHSESS.
Wie der Waldbrand hinter dir
Dort aufflammt, angelegt von rohen Händen,
Die dich damit zu ehren wähnten, glühn
Die Sachsenherzen alle, dich zu rächen!
HEINRICH DER LÖWE.
Den Herzen leget tüchtig Holz nach! Denn
[88] Die Treue scheint im Sturm leicht zu erlöschen!
JORDANUS TRUCHSESS.
Und ob du schmälst, und ob du uns verkennst,
Für dich allein nur klopfen unsre Pulse!
KÖNIG WALDEMAR UND DER GROSSFÜRST LITAUENS.
Selbst Dän und Slave stehen dir zu Dienst!
HEINRICH DER LÖWE
zu den Sachsen.
Es werden eure Häuser lodern!
JORDANUS TRUCHSESS.
Laß sie lodern!
Es brennen ja schon unsre Herzen!
HEINRICH DER LÖWE.
Der Kaiser zieht mit halb Europa
Von Mainz herauf, mich zu erdrücken!
JORDANUS TRUCHSESS.
Speer
An Speer starrt hier, ihn würdig zu empfangen –
Er sehe Niedersachsens Dornenhecken!
HEINRICH DER LÖWE.
Er hat des Herzogtumes mich entsetzt!
JORDANUS TRUCHSESS.
Daß wir in Aachen dich zum Kaiserthron
Erheben!
HEINRICH DER LÖWE
zu Mathildis.
Was sagst du zu meinen Kriegern?
MATHILDIS.
Es
Sind die Verwegnen, die mein Heimatsland
Eroberten.
HEINRICH DER LÖWE.
Wer nicht des Meeres Fluten scheute,
Scheut nicht des Schwaben Andrang!
MATHILDIS.
Heinrich,
Laß dich umfassen! Endlich bist du, was
Du sollst! Entzügelt hast du deine Kraft –
Du trittst jetzt auf, und Main und Rhein erbeben
Bis zu den Quellen, die sich bang im Busch
Verstecken!
HEINRICH DER LÖWE.
Weißt du auch, daß wir
Auf Einen Satz des Lebens Würfel wagen?
MATHILDIS.
Gerüstet stehe ich ja da,
Um kräftig jedes Los mit dir zu tragen!

Landolph und Wilhelm kommen mit dem gefangenen und getöteten Uhu.
LANDOLPH
den Uhu in der Hand.
Der Schurke krächzt sein Totenlied nicht wieder.
[89] – Herr Herzog, hat er nicht etwas vom Rotbart?
WILHELM.
Nein, gleich sieht er dem Erzbischof von Mainz,
Ein bißchen gräulich bläulich, einen Kopf
Dick wie 'ne Keule, und die Nase krumm!
HEINRICH DER LÖWE.
Ein starkes, mächtges Tier! Welche Krallen!
MATHILDIS.
Furchtbar!
HEINRICH DER LÖWE.
Das Schwert des Mainzers ist weit furchtbarer!
MATHILDIS.
Den Mainzer fürcht ich nicht, ich hasse ihn,
Denn er will dich vertilgen. Mich erschreckt
Die Eule aber, weil sie mich anwidert.
HEINRICH DER LÖWE.
– Mathildis, wär ich doch auf jenem Stern,
Der da so ferne blinkt und schön, geboren!
Ich könnte niederschaun, den Kaiser lieben,
Und brauchte nicht mit ihm die Schlacht beginnen! –
Er ist ein Mann, – so lang die Sonne leuchtet,
Nie strahlte sie um einen Herrlichren!
MATHILDIS.
Und denkt der Kaiser so von dir?
HEINRICH DER LÖWE.
Er tuts
Gewiß!
MATHILDIS.
So ist die Welt zu klein für ihn
Und dich – Seht klar eur Los voraus
Und bebt nicht vor dem Unvermeidlichen:
Der Eine von euch beiden muß zu Grunde!
HEINRICH DER LÖWE.
Muß!
Er sucht mich, ich begegn ihm! – Auf, ihr Welfen!
DAS SACHSENREER.
Auf, Welfen! Welfen! auf! zum Kampf!

Trommeln wirbeln, Stierhörner werden geblasen, und in Näh und Ferne beantwortet.
HEINRICH DER LÖWE.
Löscht aus die großen Feuer auf den Bergen!
In Asche soll der ganze Harz mit Haupt
Und Nacken trauern! – An der Weser gilts,
Den einzgen Freund der Jugend zu bekriegen!
DAS SACHSENREER.
Wir Hegen tot vor ihm,
[90] Sonst soll er tot vor deinen Füßen liegen!

Alle ab, bis auf Landolph und Wilhelm.
WILHELM.
Landolph! Hörst über uns den Hackelberg,
Den wilden Jäger? Gott beschütze mich!
Wie saust der Wald, wie schreit das Hochwild!
Und in der Luft die Rüden, Kliff und Klaff!
LANDOLPH.
Wilhelm, ich merke, es geschehen große Zeichen!
Es geht was Großes unter! Laß uns beten,
Daß es nicht unser Herzog sei!
WILHELM
kniet und betet, Landolph mit ihm.
Gott schirme
Den Herzog!
LANDOLPH.
Amen – – – Komm! – Wo blickst du hin?
WILHELM.
Da in das Buschwerk – Sieh, mein Großvater,
Im weißen Hemd, wie er im Sarge lag,
Geht drin umher und blickt bisweilen trüb
Uns an!
LANDOLPH.
Ich sehs – Blick weg – Denk an den Herzog.

Beide ab, dem Heere nach.

5. Akt

1. Szene
Erste Szene
Schlachtfeld an der Weser.

KAISER FRIEDRICH
mit Gefolge.
Vom frühen Morgen schon bis Nachmittag
Währt dieser Schreckenskampf – Die Heere schmelzen
Zusammen, – aber keines weicht – Noch immer
Bebt mir die Kaiserkrone auf dem Haupte,
Noch immer reißt an ihr des Löwen Klaue!
– Sahst du je Ähnliches, Graf Barcelona?
GRAF VON BARCELONA.
Nie in der Welt. Und diese Wut, mit der
Der Gegner sucht den Gegner – diese Stöße,
Sicher und tödlich! – in dem Aug der Schwaben
Und Franken braunes, in der Sachsen Augen
Ein blaues Feuer lodernd –
Ha, dort droht
Gefahr! Ich muß dahin! Leb wohl, o Kaiser!
Wir sehn uns schwerlich wieder!
KAISER FRIEDRICH.
Laß das Best
Uns hoffen!

Graf Barcelona ab.

Hoch muß ich den Löwen achten!
Selbst jetzt, da er mein Heer durchrast verzweifelnd,
Welch unermeßliche, welch große Kraft!
JORDANUS TRUCHSESS
hinter der Szene.
Was will der Geck hier? Der Franzose? Was
Hat er zu suchen? Wilhelm, spieß ihn mit
Der Lanze!
WILHELM
h.
d.S.
Das ist bald geschehn!
KAISER FRIEDRICH.
Da fällt
[92] Der Montpellier! – – Sie bringen ihn hieher!
GRAF VON MONTPELLIER
zum Tode verwundet, wird auf die Szene gebracht.
Der Tag ist aus, mein Kaiser, und es naht die Nacht!
– Wirst du nur Einen Wunsch dem Sterbenden
Gewähren?
KAISER FRIEDRICH.
Jeden!
GRAF VON MONTPELLIER.
An der lieblichen Garonne
Erhebt in Blumengärten sich das Schloß
Vicomtes von Leval – Und darin wandelt
'Ne junge Dame – leicht am Glanz
Der dunklen Lock erkennt der Bote sie –
Ihr laß berichten, Montpellier sei heut
Gefallen, und sein letzter Atem sei
Gewesen: Blanchefleur!

Er stirbt.
KAISER FRIEDRICH.
Es soll geschehn
Wie ers gewünscht.

Zu einem Reisigen.

Auf, sattle du dein Roß
Und bring die Todesnachricht!
Tragt mit Kriegesehren
Vom Schauplatz ihn! –

Montpelliers Leiche wird weggebracht.
GRAF VON BARCELONA
h.
d.S.
He! Hülfe! Hülfe wider
Den Truchseß!
JORDANUS TRUCHSESS
h.
d.S.
Span'scher Narr, du bist verloren!
KAISER FRIEDRICH.
Verzweiflung kreischt in Barcelonas Stimme!
Die Not muß schrecklich sein! Ich komme selbst!

Abstürzend.

Hoch! Waiblingen!
JORDANUS TRUCHSESS
h.
d.S.
Und zehnmal höher Welf!
HEINRICH VON OFTERDINGEN.
Der Leu und seine Leute rasen wie der Tod,
Und unerschreckt greift Schwab und Franke
Sie immer wieder an. Mich faßt wahnsinniges
Entzücken – Wahrlich, ich könnt singen! – Doch
[93] Hinein in das Gefecht, zur Seit' dem Kaiser!

Ab.
ERZBISCHOF VON MAINZ
tritt auf mit Truppen.
Verdammte Schlacht – Ich werde endlich müde! –
– Der Leu und Kaiser scheinen sich zu meiden –
Der Erste kämpft dort wider Polen, Böhmen,
Der Andre hilft dem Barcelona gegen
Den Truchseß!
Kinder, schlagt mir ja
Die armen Leute tot, und betet für
Die Seelen – Würget tüchtig, aber alles christlich!

Mit den Truppen ab.
GESCHREI DER SACHSEN
h.
d.S.
Weh, da stürzt Truchseß!
JORDANUS TRUCHSESS
h.
d.S.
Nicht verzagt um Einen,
Mein Geist soll schweben über euch!
KAISER FRIEDRICH
kommt zurück, voller Blut, Ofterdingen ebenso, bei ihm.
Aus dem Gewog kommt man bluttriefend –
Der Truchseß fiel, und Barcelona kann
Sich nunmehr wider Braunschweig wenden!
HOHENZOLLERN
kommt mit Soldaten.
Mein Kaiser, ich muß weichen – Steh mir bei,
Ich trags nicht länger – Lieber tot – Ich kehre
Zum Streit zurück!

Erzbischof von Mainz, Erzherzog von Österreich, die Könige von Polen und Böhmen kommen.
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Verwundet, Kaiser, alle!
Der Leu hat ungeheure Tatzen! – Lach
Ich auch darob, so glaub mir doch, nicht weiß er,
Was Spaß ist – Bändigst du ihn nicht, sind wir
Geschlagen!
KAISER FRIEDRICH.
Vorwärts! Greift ihn an! Zeit ists,
Daß ich ihm selbst begegne!
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Nach dem Kaiser!

Alle ab.
Andrer Teil des Schlachtfeldes.
HEINRICH DER LÖWE
und sächsische Truppen.
Einsam wirds um mich, – Truchseß fiel, es fiel
Der Orla – fiel der Roden – Waldemar
Ist tot, Litaun gefangen – Doch was kümmerts?
[94] Sind Leu'n nicht immer einsam in der Wüste? –
LANDOLPH.
Laß fallen, Herzog, – immer noch genug der Treuen!
HEINRICH DER LÖWE.
Du blutest, Landolph?
LANDOLPH.
Eh, das bißchen Blut
Und die paar Wunden! 's ist nicht wert, daß man
Dran denkt! Ich rettete die Fahne!
HEINRICH DER LÖWE
nimmt ihm die Fahne ab und trägt sie selbst.
Rot
Ist sie – sie trieft! In solchem Regen steh
Ich gern!
LANDOLPH.
Dein Harnisch ist zerschmettert, Herzog!
Verbinden laß mich deine Wunden!
HEINRICH DER LÖWE.
Mich
Verbinden? Sieh, vom Schlag der Axt ist mir
Das Haupt verletzt – Und Ein Verband nur, das
Mich heute heilt – die römsche Kaiserkrone!
ERZBISCHOF VON MAINZ
kommt.
Blut! Blut! Den Wilden da! den Leu'n! Gegrüßt
Mit meiner Keule! – Eins, zwei, drei! Drei Schläge,
Und noch zu Stücken nicht! Westfale, kein
Lombarde!
HEINRICH DER LÖWE.
Unsre Knochen sind ein bißchen eisern! –
– Erzbischof, danke sehr!

Er haut auf ihn ein.
ERZBISCHOF VON MAINZ
fechtend.
Ich fühls! – Mein Guter,
Der Kampf mit Leu'n und Bischöfen ist rar –
– Wie wird er enden?
HEINRICH DER LÖWE
schlägt ihn zu Boden.
So!
ERZBISCHOF VON MAINZ.
Ja, ja, dein »So« –
Es ist der Tod! der Teufel hol die »So's«!
Ich sterbe – sterbe – Sela!
HEINRICH DER LÖWE.
Sela, Tapfrer!

Zu seinen Truppen.

Da stehn die Münsterer – Bis auf den Letzten
Vertilgt sie, die Verräter! Dort kommt Polen,
Und Böhmen, und auch Österreich! – Zu Boden
Die Schwächlinge!

Ein Teil der Truppen ab.

Wir streiten heut ums Höchste!
[95] Verlieren wir, wird unser Land zerstückelt,
Gewinnen wir, so soll der Papst in Rom
Den Fuß mir küssen!

Erzherzog von Österreich, der König von Polen und der von Böhmen treten auf.
ERZHERZOG VON ÖSTERREICH.
Leu, du bist dreifach
Von uns umringt!
HEINRICH DER LÖWE.
Bin ich dreifach umringt,
So hau ich dreifach mir den Weg!
Jetzt, Mann,
Lern Welfens Hiebe kennen!
DER ERZHERZOG VON ÖSTERREICH.
Österreich
Sinkt hin, durchbohrt das Herz – doch stark der Geist noch!

Er fällt.
HEINRICH DER LÖWE.
Du Pole, krümme dich im Schmerz, du Wurm,
Der Löwen nahet!
Und du, lieber Böhme,
Verzeih, daß ich so ungeschickt, grad in
Die Brust den Speer zu stoßen!

Pole und Böhme fallen.

Landolph, Landolph,
Du braver Knecht – Wo ist der Wilhelm?
LANDOLPH.
Ja,
Der hat Geschäfte. Wie ich sehe, schlägt er eben
Den Barcelona nieder!

Kaiser Friedrich kommt.

Weh, der Kaiser!
KAISER FRIEDRICH.
Nie
Nimmt diese Schlacht ein Ende! Mann bei Mann
Fällt hin! Der Zweikampf beider Herrscher nur
Kann ihn entscheiden!
– Ha, da sind des Löwen Spuren!
Tot liegt hier Mainz, da Österreich, hier Polen,
Da Böheim an dem Wege, blutgefärbt,
Die Königskronen ganz zerschmettert –
Nah
Bin ich des Leuen Lager!

Er erblickt ihn.

Ha, da ist Er! –
[96] – – O Heinrich, Leu, o Leu, wie haben
Wir uns geliebt!

Er stürzt ihm in die Arme.
HEINRICH DER LÖWE.
Zurück! Beschmutz dich nicht!
Du siehst, mein Blut strömt aus den Adern!
KAISER FRIEDRICH.
Blut' ich nicht ebenso wie du?
HEINRICH DER LÖWE.
So scheints!

Auf sein Herz zeigend.

Doch blutest hier auch in dem Abgrund?
KAISER FRIEDRICH.
Zweifelst
Du dran?
– Mein Heinrich, wie die Morgensonn
Aus Nebeln, bricht dein Antlitz durch die Schlacht!
Von deines Auges Licht umflossen, flammt
Er wieder da, der Jugend schönster Tag,
Ein auferstandenes Gestirn!
HEINRICH DER LÖWE.
O Friedrich! Friedrich!
Mein Blut ist nichts! Wenn nur das schlechtste Eisen
Mich ritzt, so fließt es!
Doch sieh diese Träne,
Sie quillt von dort, wo niemand hinschaut! Sie
Fließt dir, fließt dem Gedanken heiterer
Und beßrer Zeit!
KAISER FRIEDRICH.
Wo wir, zwei Heldenjünglinge,
Uns trafen in des Rheines grünen Gauen,
Und unsren Wert erkennend, uns umarmten!
HEINRICH DER LÖWE.
Wo unsrer Busen Erz in Freundschaftsglut
Dahinschmolz, Eines in das Andere!
KAISER FRIEDRICH.
Wo
Wir Toren wähnten, durch den Bund den Groll
Der Welfen und Waiblinger zu vernichten!
HEINRICH DER LÖWE.
Ein Stern der Ferne glänzt noch jene Stunde,
Und doch stehn wir nun hier auf Tod und Leben!
DAS SACHSENHEER
h.
d.S.
Hie Welf!
DAS HEER DES KAISERS
h.
d.S.
Hie Waiblingen!

Laute Kriegsmusik.
HEINRICH DER LÖWE.
Vernahmst
Du das? Nicht nenn mich Feind! In jenen Stimmen
Rollen des Schicksals Donner über uns!
[97]
KAISER FRIEDRICH.
Ich lag
Zu Fuß dir bei Legnano!
HEINRICH DER LÖWE.
Ja, du lagst,
Und wild durchbrauste mich der Welfen Freude!
KAISER FRIEDRICH.
Zu meinem Fuß mußt du jetzt wieder sinken!
HEINRICH DER LÖWE.
Solang mein Schwert hält, steh ich hoch und fest!
KAISER FRIEDRICH.
Ich weiß es! Drum zum Kampf!
SCHWÄBISCHE UND FRÄNKISCHE KRIEGER
sächsische Truppen verfolgend.
Endlich gesiegt!
Die Welfen fliehen oder sind erschlagen!
HEINRICH DER LÖWE
zu seinen Leuten.
Schließt euch, ihr Tapfern, wieder!
KAISER FRIEDRICH.
Außer
Dem Hohenzollern, fielen meine Großen! –
– O Grimm und Zorn!
HEINRICH DER LÖWE.
Ja, Grimm, Zorn und Gefecht!

Er und der Kaiser fechten. Der Kaiser verwundet ihn.
KAISER FRIEDRICH.
O Heinrich, diese Wunde! Schmerzt sie?
HEINRICH DER LÖWE.
Friedrich wars,
Der sie mir schlug!
KAISER FRIEDRICH.
Also den Kampf erneut!

Er und Heinrich der Löwe fechten wieder.
HEINRICH DER LÖWE.
Ich stürze! Mit mir Sachsen!
KAISER FRIEDRICH
über ihm das Schwert schwingend.
Ich bin Herr
Der Welt!

Die Sachsen flüchten.
HEINRICH DER LÖWE.
Mein Reich wird Raub der kleinen Hunde!
KAISER FRIEDRICH.
Es wirds – Doch tausend kleine Hunde zähm
Ich eher als den einen Leu'n!
HEINRICH DER LÖWE.
– Mathildis! –
Sie hat kein Land mehr, hat fortan nur mich.
Anfangs der Schlacht ward sie durch fränkschen Pfeil
Verwundet – Allzuhell schien ihr Gesicht –
Man zielte nur nach ihr –

[98] Leise und schmerzlich zum Kaiser.

Nicht meinetwegen,
Laß ihrethalb mich ziehen – den, der einst
In Roma dich gerettet!
KAISER FRIEDRICH
gleichfalls leise und schmerzbewegt.
Heinrich, zieh –
Verfolgung soll dich nimmer stören –
Und glaub, du ziehst nicht einsam – meine Wehmut
Und mein Gedank begleiten dich!

Heinrich der Löwe ab.

– – O welch
Gefühl, auf diesem Feld zu stehn, wo Deutscher
Den Deutschen hat zerrissen! – –

Hohenzollern tritt ein.

Hohenzollern,
Sieh da die Weser!
Blutrot, wie Deutschlands aufgerißne Ader, strömt
Sie zu dem Meer, in ihm sich zu verstecken!
– Nach Goslar, über Sachsens Ende zu entscheiden! –

Ab mit seinem Heere.
Landolph und Wilhelm, beide schwer verwundet, sind unbemerkt an der Erde liegend, zurückgeblieben.
WILHELM.
Landolph, leb wohl! Grüß meine Mutter!
LANDOLPH.
Mutter!
Was soll die Mutter! Aus mit unsrem Sachsen!
WILHELM.
Aus! aus! – Ist auch die Liese tot?
LANDOLPH.
Sie stürzte!
Sie wußts, in Herzogs Dienst könnt ich nicht mehr
Sie brauchen!
WILHELM.
Landolph, Wilhelm hat dich sehr
Geliebt – Und auch die Muter und den Herzog! –
Er könnt es nur nicht sagen – Und
Stritt er nicht brav? Und scheut' er je den Tod?
LANDOLPH.
Du strittest stark und fielest ruhmvoll!
WILHELM.
Landolph,
Aus ist es mit den Träumen – Vaterland
Und auch gottlob! das Leben sinkt dahin – Ich sterbe!

Er stirbt.
LANDOLPH.
Mein Wilhelm! Deine Mutter weinet weniger
Um dich, als ich!

Will sich vom Boden erheben und kann es nicht.

[99] Wohl, wohl, mit mir gehts auch zu Ende!
Die Wunden brennen überall –
Doch nach kriech ich
Des Herzogs Spuren!

Er kriecht auf dem Wege, auf dem Heinrich der Löwe die Bühne verlassen hat, fort.
2. Szene
Zweite Szene
Wüste Küste in Ostfriesland.
Heinrich der Löwe liegt am Strande.
Mathildis, wieder in weiblicher Kleidung, steht neben ihm.

HEINRICH DER LÖWE.
Am Nordmeer liegt der Sachsenherzog, blickt
Ins unermeßliche Gewühl der Wogen, und
Sieht darin nur die eigene, vom Sturm
Empörte Brust!
MATHILDIS.
Dem Sachsenherzog steht
Zur Seite Englands Königstochter, und
Erkennet ihren herrlichen Beruf:
Sie wandelte aus ihres Vaters Thronsaal,
Mit ihrer Lieb der deutschen Helden Ersten
Im Mißgeschick zu trösten!
HEINRICH DER LÖWE.
All der Nord
Erzitterte vor meinem Fuß, wie vorm Erdbeben –
Jetzt hab ich nur die Stelle noch, auf der
Ich Hege! Meine Stimme scheuchte Ritter auf,
Die Möwe flieht jetzt nicht einmal vor ihr!
MATHILDIS.
Weit mächtiger als in des Glückes Schimmer
Durchtönt jetzt deine Stimme mir die Brust! –
So unermeßlich liebt dich die Gemahlin,
Daß sie sich stark glaubt, Land und Volk und Ruhm
Durch ihres Herzens Schläge zu ersetzen!
HEINRICH DER LÖWE
aufspringend.
Ein Feind – ein Feind! Ich habe das Gehör
Des Kriegers auf der Wacht! – Gefährlich kriecht
Etwas heran!

[100] Landolph wankt in die Szene.
MATHILDIS.
Es ist ein Freund! Der Landolph! –
– Ach wie er blutet!

Zu Landolph.

Treuer, laß die Wunde
Durch mich verbinden!
LANDOLPH.
Wie? die Herzogin
Zerreißt den Schleier, um den armen,
Doch braven Landolph zu verbinden? Teuer,
Weit über euren Wert, bezahlt man euch,
Ihr Wunden!
HEINRICH DER LÖWE.
Landolph, lieber Landolph, lebt
Der Wilhelm noch?
LANDOLPH.
O Gott, wie würde er
Sich freuen, wenn er hörte, wie
Ihr noch nach seinem Tode nach ihm fragt!
HEINRICH DER LÖWE.
Dahin – dahin! – Stets einsamer und wüster!
LANDOLPH.
Herzog – noch einmal mußte ich dich sehn!
Du ahnst nicht, wie ich, als du noch in Füll
Und Glanz in deinem Braunschweig throntest, lechzte
Nach deinem Blick! – Ich schlief in prächtgen Träumen,
Wenn du des Tages einmal mir begegnet! –
– Zu Ende gehts! – Leb wohl! – Die Narben brechen
Mir unaufhaltsam auf – Herzog, halt' aus!
Der Welfe geht nicht unter! – – Treu war dir
Der Leu bei Askalon – so stark wie der
War Landolph nicht, so treu gewiß!
HEINRICH DER LÖWE.
Du sinkst? – In meine Arme!
LANDOLPH.
Ha, mir wird
Ein fürstliches Begräbnis: Herzogsarme!
Der Tod!
Hie Welf!

Er stirbt.
HEINRICH DER LÖWE.
Ich ward doch sehr geliebt!
MATHILDIS.
Du wirst es noch!
HEINRICH DER LÖWE.
Mathildis, daß auch du,
Mit meiner Macht, sie hast verloren! Daß
Auch du, statt einzuziehn als Kaiserin
[101] In Aachens Dom, mit mir mußt flüchten – O,
Gott weiß es, meine Schuld ists nicht – Ich stritt
Ja in der Weserschlacht fast übermenschlich!
MATHILDIS.
Ich lag verletzt vom Pfeil – doch in der Ohnmacht
Hört ich die Donnertöne deines Mutes!
In Ostreich, Böhmen und in Polen klingen
Die Glocken über die gefallnen Herrscher,
Und Jeder schreckt dabei vor deinem Namen! Seufz
Um mein Geschick nicht, und bedenke:
Die Tochter des Plantagenets bedurfte
Nach Reichtum nicht und Ruhm und Macht zu freien:
Sie wählte nur das Herz – So lang es schlägt,
Ist sie beglückt!
HEINRICH DER LÖWE.
Nach England denn!
Fahr ewig wohl, du deutsche, teure Küste!
Die Woge spült auf einem schwachen Kahn
Der Welfen letzten fort, wie eine Muschel!
MATHILDIS.
Nicht ewig Lebewohl dem Vaterlande,
Und nicht der Welfen letzter!
HEINRICH DER LÖWE.
Du errötest?
MATHILDIS.
Weg falsche Scham, wenn ich den Herzog kann
Erfreun! –

Leise.

Heinrich, ich fühle, unterm Herzen
Lebts mir. – –
HEINRICH DER LÖWE.
– – Ha, das ist Gottes Wink! – Mein
Geschlecht soll nicht verderben – es verdients
Auch nicht! Es strebte allzu groß! So weit
Die Erde sich, die Meere, dehnen, wollt
Es herrschen, und es wirds! –

Er küßt Mathildis auf die Stirn; dann in wilder Freude aufblickend und sich über die Felsen des Strandes beugend.

– – Was seh ich? – Wolken
Zerflattern! Tosend springen auf die Tore
Der Zukunft! Freudger Wahnsinn, Weib, umzuckt mich, oder
Ists Wahrheit?
[102] Ha! der öde Ozean
Wird weit und weiter und erfüllt sich – Wälder
Von nordschen Masten, statt des Laubs umrauscht
Von stolz geschwollnen Segeln, fliegen hin
Auf ihm – Die Windsbraut schadet nicht – Sie buhlt
Mit ihnen! – – Und der Wellen Rücken brechen
Wie Glas, so wie die Schiffe nahn! – Sinds Schiffe?
Sinds schwimmende Vulkane? – Feinde kommen!
Doch Lava strömt aus allen Schlünden,
Und Donner brüllen hinterdrein! – Die Gegner
Versinken! – – – Und in Siegesruhe wiegen
Sich wieder auf der See die Flotten, und das Wappen
Der Welfen flagget hoch an ihren Bäumen,
Den Szeptern aller Meere!
MATHILDIS.
Welfens Haus
Wird alle Welt bezwingen! Hohenstaufen
Ist nur die Wolke, die's auf einen Tag
Beschattet! – In den Kahn! – Das Glück verläßt
Uns nicht! An meinem Busen nähr ich würdige
Nachfolger!
HEINRICH DER LÖWE.
Ist es Ahnung? ists mein Geist?
– Noch immer ist mein Auge voll von mächtgen Flotten
Und weißen Segeln! – Nie verschwinden sie! – –

Er steigt mit Mathildis in ein Fahrzeug, und schifft fort nach England.
3. Szene
Dritte Szene
Prachtsaal in der Kaiserburg zu Goslar.
Kaiser Friedrich, Beatrice, Hohenzollern, Heinrich von Ofterdingen und die Großen des Reichs. Siegsmarsch.

KAISER FRIEDRICH.
Gebrochen ist der stolze Nacken des Vasallen!
Deutschland ist einig und es trotzt der Welt!
HEINRICH VON OFTERDINGEN.
Gleich junger Morgensonne strahlet wieder
[103] Die Krone um dein Haupt!
KAISER FRIEDRICH.
Sie war verdunkelt
Durch jenen Fußfall bei Legnano – Mit
Dem Blut der Sachsen ist sie abgewaschen,
Und reinern Goldes glänzt sie abermals
Um mein' und Beatricens Schläfen!
– Dir Oldenburg, dir Lippe, euch, ihr Erzbischöfe
Von Köln und Trier, Holstein dir – euch Bremern
Und euch Lübeckern und Hamburgern, teil
Ich heut noch Heinrichs Lande – Ahmet ja
Dem Leu'n nicht nach, und achtet Kaiserehre!
ERZBISCHÖFE, FÜRSTEN UND RITTER.
Wir kennen ihre Schrecknisse!
KAISER FRIEDRICH
halb für sich, doch hörbar.
– Wo jetzt
Der Leu wohl einsam irret? Ach, vielleicht
Auf wüster See! –
BEATRICE.
Mathildis wird ihn stets
Begleiten!
KAISER FRIEDRICH.
Sei sie ihm ein Stern der Nacht!
BEATRICE.
Sie wird es sein! Sie leuchtet hehr und klar!
KAISER FRIEDRICH.
O Rose! zarte Rose! laß die kalten Sterne!
Die Rosen funkeln heiß und duften!
HEINRICH VON OFTERDINGEN.
Herr,
Dein Glück wird bald zu groß! – Ich zittre fast! –
– – Prinz Heinrich nahet im Triumphespompe,
Normannen zucken jubelnd um ihn kurze Schwerter,
Und in dem Arm führt er die Herrscherin
Des Landes der Vulkane!
KAISER FRIEDRICH.
So ist alles
Vollendet, wie ichs nur im Traum ersehnt!

Prinz Heinrich, Constanze von Neapel und Sizilien in ihrem Brautgewande, und normannische Edle treten ein.
PRINZ HEINRICH
zum Kaiser.
Inmitten unterm Dolch der Widersacher,
Inmitten unter Lavaströmen, pflückt
Ich, wie du es befahlest, am Vesuv
Die kostbarste der Blumen! – Hier Constanze!
Sie fleht um deinen Segen!
CONSTANZE
mit Prinz Heinrich knieend.
Segne, Vater!
[104]
KAISER FRIEDRICH.
Ich segne euren schönen, hohen Bund!
ALLE
Deutsche und Normannen.
Hoch Kaiser Friedrich, Heinrich und Constanze!

Tusch. – Heinrich und Constanze erheben sich wieder.
KAISER FRIEDRICH.
Du atmest eng jetzt, Alexander, zwischen
Neapolis und mir! – Mein Erdgeschäft
Ist aus! –

Zu Prinz Heinrich.

Du wirst zum römschen Könige
Erwählt, – verwaltest, wenn ich fern, mein Reich!

Zu den übrigen Anwesenden.

Doch ich, des Abendlandes Herrscher, suche
Im Osten Saladin, auf jener Siegesbahn,
Die mir des Papstes Finger hat gewiesen!
BEATRICE.
Weh ihr,
Die Helden liebt! Nicht Ruh! nicht Rast! nicht Frieden!
Sie stürmen ewig und wir zittern immer!
KAISER FRIEDRICH.
Der Kaisermantel ist zu schlecht, zum Kreuz
Des Heilandes ihn zu zerreißen! – Doch
Wo ist der Stoff auf Erden, welcher edler?

Er zerreißt den purpurnen Kaisermantel und die Fürsten und Ritter nehmen die Stücke auf zu Kreuzeszeichen für ihre Schultern.

Es seufzt im Joch Jerusalem, die Hehre!
Gott will es! Tragt das Kreuz zu seiner Ehre!
ALLE ANWESENDEN.
Gott will es! Nehmt das Kreuz zu seiner Ehre!
HOHENZOLLERN
mit der Reichsfahne.
So wird auch bald von Zions heilgen Zinnen,
So wie vom Harz bis Ätnas Lavagluten,
Des Reiches Banner durch die Lüfte fluten!
KAISER FRIEDRICH UND ALLE ANWESENDEN.
Und Sterben selbst! Im Kreuzzug ists Gewinnen!

Triumphmarsch. Alle ab.

[105] [107]Christian Dietrich Grabbe
Kaiser Heinrich der Sechste
Eine Tragödie in fünf Akten

[107]

Personen

Personen.

    • Kaiser Heinrich der Sechste, zu Anfange des Stücks erst noch römischer König und König von Neapel und Sizilien.

    • Constanze, seine Gemahlin.

    • Prinz Friedrich, sein Sohn, stumme Rolle.

    • Kaiserin Beatrice, Witwe Friedrich Barbarossas.

    • Erzherzog von Österreich.

    • Burggraf Hohenzollern.

    • Graf von Tirol.

    • Landgraf Hermann von Thüringen.

    • Erzbischof Konrad von Mainz.

    • Der Reichskanzler.

    • Graf Diephold, Feldherr des Kaisers in Neapel.

    • Von Schwarzeneck, schwäbischer Hauptmann.

    • Ruprecht,
    • Wolfgang,
    • Albert, schwäbische Krieger.

    • Ein fränkischer Krieger.

    • Erzbischof Ophamilla von Messina, ein Italiener.

    • Achmet, Emir der Sarazenen.

    • Caleb,
    • Agib, Sarazenen.

    • Der Admiral von Neapel und Sizilien.

    • Graf Tancred,
    • Guiskard,
    • Bohemund,
    • Graf Acerra,
    • Graf von Aversa, normannische Edle

    • Erzbischof Matthäus von Palermo, ein Normann.

    • Eine alte Sizilianerin aus Val Demoni.

    • Deren Sohn.

    • Matthias,
    • Joseph, österreichische Landleute.

    • Eine österreichische Kellnerin.

    • Der Nuntius des Papstes.

    • [108] Heinrich der Löwe, Herzog von Sachsen.

    • Prinz Heinrich,
    • Prinz Otto, seine Söhne.

    • Agnes von Hohenstaufen, Erbtochter der Pfalz, vermählt mit dem Prinzen Heinrich.

    • Der Slavenfürst Borvin.

    • Graf Borgholt.

    • Christoph,
    • Wehrfried,
    • Bernhard,
    • Gottfried, Sachsen.

    • Die Weiße Frau von Braunschweig.

    • Bürgermeister Rudlieb von Bardewick.

    • Elisabeth, seine Tochter.

    • Hagener, Ratsherr von Bardewick.

    • Richard Löwenherz, König von England.

    • Blondel, englischer Ritter und Minnesänger.

    • Zwei französische Gesandte.

    • Zwei griechische Gesandte.

    • [Ein Diener des Königs Richard Löwenherz.

    • Der Kastellan der Festung Thierstein.

    • Zwei Bardewicker.

    • Zwei Gewaffnete.

    • Der Reichsherold.

    • Ein Hauptmann der Besatzung von Rocca d'Arce.

    • Ein Genuese.

    • Ein Pisaner.

    • Ein Herdenbesitzer bei Palermo.

    • Dessen Knecht].

    • Deutsche, normannische Truppen und andere Nebenpersonen.

1. Akt

1. Szene
Erste Szene
Nicht weit unter dem Gipfel des Vesuvs.
Aussicht auf Neapel, Meer und Inseln.

TANCRED
kommt aus einer Schlucht des Berges.
Hervor, hervor, Guiskard und Bohemund. –
– Weh, Weh, man muß die edlen Namen, die
An diesen Küsten seit Jahrhunderten
Wie Schwert und Feldruf klangen, scheu jetzt flüstern!

Guiskard und Bohemund kommen dem Tancred nach.
BOHEMUND.
Sprich leiser, Tancred.
TANCRED.
Seht, o seht die Sonne,
Wie sie den Flor der Nacht aufhebt, Neapel
In seiner Schönheit zeigt – Ha, da der Golf –
Ists nicht, als breiteten die blühnden Ufer
Sich aus wie Liebesarme, faßten wonnig
Das glanzumstrahlte Meer? Dort Ischia,
Dort Capri, in die zarten Morgennebel
Verschämt, zwei Jungfrauen, gehüllt, sich in
Den Wogen badend, welche trunken sie
Umzittern – Und in Horizontes Ferne
Flammt Stromboli, die ewge Feuerquelle,
Die nie erlöscht, wie auch das Meer dran brandet! –
– O Herz, mein Herz, so brennst du immer, brennst
Trotz all des Schattens, den der stolze Deutsche
Mit ausgestreckter, eisger Herrscherfaust
Wirft auf dies Wunderland, und nie erlöscht
In dir das Angedenken an die Größe
Der Ahnen, und die Hoffnung, wieder groß
Wie sie zu werden.
BOHEMUND.
Schmählich – Ich, der Enkel
[111] Des Bohemund, gestoßen aus dem Erbe
Der Väter, einst so schwer erstritten –
TANCRED.
Schweig,
O schweige! – Bohemund, der Kampfgefährte
Des ersten Tancred – Wie der Donner tausendfach
In des Gebirges Klüften widerhallt,
Durchrollen diese Töne mir die Brust!
Zwei Türme seh ich in der Vorzeit stehen,
Und ihre Glocken schlagen mahnend an mein Ohr!
– Tancred und Bohemund! – Sizilien,
Neapel, und Antiochia, Palästina,
Der Sarazene wie der Griechenkaiser,
Lagen zu ihren Füßen, und beflagget
Mit ihren Segeln, schwoll vor Stolz empor
Der Ozean!
GUISKARD.
Horch, unter uns wirds wach
Schon in Neapel, und die Straßen fangen
Zu brausen an von dem Geschrei der Mäkler,
Von dem Getöse der Gewerke, vom
Gejauchz der lustgen Toren –
O
Das schlechte Volk! Was hilft sein Himmel ihm,
Was ihm der reiche Boden, wo im Laub
Der Bäume die Orangen prangen, wie
Die goldnen Zierden in der Mädchen Locken!
Wie nackt, armselig ist die Lust,
Wenn nicht der Ruhm, die Freiheit sie bekränzen! –
TANCRED.
Der ganze Haufen muß vor Scham sich stürzen
Ins Meer, wenn er die Stelle dort am Strande
Erblickt, wo einst der Heldenvater,
Der große Altaville, landete
Mit den drei Söhnen, mit dem Drogo, Humfried
Und Wilhelm, und das Land eroberte,
So weit sichs dehnt!

Der Vesuv donnert und wirft Flammen in die Luft.

Ha, hast du es gehört,
Vesuv, du leuchtend Zeichen unsrer Wimpel,
Und grollst du auf mit deiner heißen Brust,
Speist feurige Verachtung aus, ein grauer,
Ein zürnender Normanne? O ersticke
[112] Mit deinen Aschenwolken das Gesindel,
Mit deiner Lava brenne aus die Schande,
Zermalme den germanischen Tyrannen,
Und mit ihm die tyrannisierten Memmen!
GUISKARD.
Tancred, du Sprößling unsrer Könige,
Erhebe dich, faß der Normannen Szepter,
Das stets dem Schwert zu ähnlich war, als könnt
Ein Weib, sei's auch die Herrschertochter selbst,
Es erben und verfrein, kühn mit der Hand,
Und mancher, der jetzt Memme scheint, stürmt dir
Als tapfrer Krieger nach, sieht er Panier
Und Führer nur!
TANCRED.
Ich zweifle sehr, Guiskard.
Die Furcht vor dem Despoten ist zu groß.
GUISKARD.
Sei sie's! das Vaterland ist größer!
TANCRED.
Ach!
Was wir Normannen einst hier waren, sind
Hier jetzt die Deutschen – Sie erwartet künftig
Vielleicht das gleiche Los – Wie sich der Held
Die Braut erringt, errangen wir mit Kraft
Und Stahl dies Land – bei Gott, es ist 'ne Braut – Wo wäre
Ein Mädchen in Europa, flammender
Und bräutlicher als unser Reich? – Es ruht
Ja unter Myrten, unter Blumen, – zwei Vulkane
Sind seine Hochzeitsfackeln – Rebenketten,
Festlich durchleuchtet von dem Gold der Trauben, schlingen
Als Gürtel prangend sich um seine Küsten,
Und an Siziliens Ufern schmachten Palmen,
Mit ihren Blättern wie mit Zungen lechzend,
Dem Liebenden entgegen! – Doch als der
Alcide sich die Omphale gewonnen,
Entnervte er an ihres Busens Flaum,
Und des Normannen Stärke schmolz im Kuß
Von Südens Sonne, und sein Schwert verglühte
Vor ihr, wie Eisen in dem Ofen, – das
Gewinde schattger Lauben fesselte
Den sonst so Ungebändigten – Anstatt
Zu leben und zu kämpfen, fing er an
Zu träumen, – statt das Schwert zu schwingen,
Reicht' er Giftbecher dar zum Trinken, – statt
[113] Des offnen Trotzes, wählt' er die Verschwörung, –
Statt streng den unterdrückten Italiäner
Zu zügeln, ward er zügellos gleich ihm –
– Der Sarazene, mehr wie er gewöhnt
An Lust und Glut, hat sich hier angesiedelt –
– Betrachtet ihn, mit dem ists anders, – wir
Sind Asche worden, er ward Flamme –
Hielte
Uns nicht der Deutsche schon im Joche, – wahrlich,
Es hielte uns der Araber darin!
GUISKARD.
Nun, Tancred, laß uns nicht so ganz verzagen.
Grad dieser Druck, mit dem der Deutsche uns
Befängt, der Sarazene uns bedroht,
Erweckt vielleicht den Schlummer unsrer Brüder.
Noch sind wir nicht ganz Italiäner worden:
Noch tragen wir das enge Kriegeskleid,
Noch führen wir die kurzen Schwerter,
Zwei Zeichen, daß der Normann mit dem Feind
Gern ringt, ihm gerne nah ist – Noch
Ist nicht der alten Heimat Sprache von
Der Lipp uns ganz entflohen, und so lang
Der Normann spricht normännisch, kann
Er auch normännisch denken, handeln!
TANCRED.
Wärs
Doch so – Möcht uns das Unglück läutern! Segnen
Wollt ichs! Ja laßt uns eingestehn, wir waren
Zu jämmerlich entartet, und bedurften
Der Züchtigung, der Schläge des Geschicks!
Wir hätten hingeträumt auf unsren Gütern,
Wenn sie der Hohenstaufe nicht bedrohte, –
Wir wären nimmer kühn geworden, wenn
Die Not uns nicht gezwungen, uns zu wehren, –
Wir wären stets uneins, einander fremd
Geblieben, wenn die Flucht uns nicht vereinte!
– Jetzt weiter!
BOHEMUND.
Still! – horcht! – Durch die Lavaschlacken
Naht jemand – Hat uns der Tyrann auch hier
Im letzten Zufluchtsort entdeckt?
TANCRED.
Gewiß,
Gewiß! – Zum letzten Mal in unsre Arme!

[114] Sie umarmen sich.

– Nun zieht die Schwerter, – würdig laßt uns fallen,
Auf dem Vesuve, nicht auf dem Schafotte!

Sehr laut.

Normannen hier!
GUISKARD UND BOHEMUND
ebenso.
Ja, Guiskard, Bohemund
Und Tancred!
DER GRAF ACERRA
tritt auf.
Zwei Normannen gleichfalls da:
Der Graf Acerra und sein Zorn!
TANCRED.
Acerra?
GRAF ACERRA.
Und auch das Glück wird Normann wieder!
GUISKARD.
Wie hast du uns gefunden?
GRAF ACERRA.
Du kannst noch fragen?
Ich sucht euch unter unsren ewgen Bannern,
Die nie vergehn, ob auch der Ghibelline
Die seidnen uns zerstückte: unter des
Vesuvs, des Ätna Feuerstrahlen!
TANCRED.
Und
Das Glück, sagst du, wird Normann wieder?
GRAF ACERRA.
Es wirds – Ich komme von Sizilien –
Dort melden stündlich griechische Kauffahrer:
Es zieht ein Schiff mit Trauerwimpeln, tief
Umflort den kaiserlichen Adler, durch
Das Meer von Candia, – auf dem Verdeck
Stehn stolze Fürsten mit verschränkten Armen,
Und spiegeln in den Wellen ihre Tränen,
Und in dem Schiffe ruht ein Sarg, umklammert
Von einer Kaisrin schmerzzerrungnen Händen.
TANCRED.
Und in dem Sarg?
GRAF ACERRA.
Liegt Friedrich Barbarossa!
GUISKARD UND BOHEMUND.
Der Kaiser tot!
TANCRED.
Tot –!
GRAF ACERRA.
Tancred, machts dich traurig?
TANCRED.
Es machts mich, Graf – Er war mein Feind – doch tot! –
– Verschwunden ist der Haß, den ich empfand,
So lang er lebte, – jedes Hindernis
[115] Sinkt hin, und schmerzlich fühl ich, er war groß
Wie keiner auf der Erde – Weh, daß oft
Der Tod erst einet, was das Leben trennt!
GRAF ACERRA.
Der Kaiser ließ durch Heinrichs Buhlerkünste
Die Krone diebisch dir entwenden – Drum
Verwechsle ihn großmütig nicht mit Helden –
Auch nicht als Held, umtönet vom Schlachtruf
Der Heere, ließ das Schicksal ihn hinstürzen –
Nein, wundenlos, zufällig, ging er unter –
Des Salephs Wasser schwichtigte die Stimme,
Die oft wie ein verheerender Orkan
Italien durchbrauste – er ertrank!
TANCRED.
Graf,
Nicht jauchzen kann ich über Feindes Unglück,
Und hoffe zu verdienen, daß die vielen,
Die mich verfolgen, einstens wenn ich falle,
Mir auch die Träne weihen, oder wenn
Sie es nicht tun, sie mir doch weihen könnten.
GRAF ACERRA.
Das mag so sein, – doch nicht denk ich wie du –
Mein Vater war Normanne, meine Mutter
War Italiänerin – als Normann streit,
Als Italiäner haß ich – Ha, bald bringen
Dem Nero, der dort unten wie ein Schatten
Den Glanz des Marmorpalastes durchwandelt,
Des Vaters Leiche sie – Wie wird er sich entsetzen –
Der Barbarossa tot, der Braunschweig lebt noch –
Nicht lange währt es, und des Leuen Ruf
Schallt donnernd aus den deutschen Gauen!
TANCRED.
Kaum lieb wärs mir, wenn auch die ganze Welt
Sich uns verbände – Jedes Volk, das sich
Nicht selbst befreit, verdient nicht frei zu sein,
Und im Befreier triffts den neuen Herrn. –
Nicht fürcht ich Feindes Zahl und Stärke – Beides
Besiegt der Geist – Der Geist der Ahnen ists,
Nach welchem ich mich sehne, – kehrte der
Zurück – bei Gott, an mir nicht sollt es liegen,
Daß so wie einst, das Mittelmeer sich sonnte
Im Glänze des Normannenreiches, – daß
[116] Der Deutsche und der Italiäner,
Der Grieche und der Sarazen erschreckten,
Sähn sie nur einen armen Normannknaben
Im Grase spielen – Jetzt sind wir nur Leichen!
GRAF ACERRA.
Nur Leichen? – Ha,
Wenn die Normannen es gewesen sind, so sind
Sie auferstanden, und statt Todesblässe
Umglüht sie Zorn und Mut – Sieh mich, sieh Guiskard,
Sieh Bohemund, sieh alle anderen!
Der Geist der vorigen, glorreichen Zeit
Ist wieder da, und schwebt mit Riesenschritten
Durch alle Städte, Schlösser, Weiler von
Sizilien, und wo er gewandelt, flammen
Als seine Spur die Männerbrüst ihm nach –
Schon steht er an der Meeresenge, setzt
Schon nach Calabrien den Fuß – denn höre
Die große Botschaft:
Erhoben haben sich von ihren Sitzen
Siziliens normannische Barone alle,
Die deutschen Krieger und die Sarazenen
Sind schon vor ihren Schwertern hingesunken,
Selbst der Geringste der Landleute hat
Den Bogen, den sein Vorfahr führte, aus
Dem Winkel seiner Hütt hervorgesucht,
Und stürmt damit toddrohend in das Freie –
Wie ausgetretene Flußbetten, wogt
Es auf den Corsos, den Heerstraßen – Ganz
Palermo, ganz Messina sind nur Echo
Von deinem Namen – Erzbischof Matthäus
Hat klug das Volk zum Rechten hingeleitet,
Zu unsrem Könige bist du erwählt,
Und hier bring ich für deine Locken
Das gottgeweihte Diadem!

Er überreichte knieend dem Tancred das Diadem.

Sei gegrüßt,
Mein Fürst!
GUISKARD UND BOHEMUND.
Wir rufen unsre Huldigung
Dir jauchzend zu!
GRAF ACERRA.
Wie schön die Perlen um
Das Haupt dir glänzen – Ist es doch, als wär
[117] Es in der Wiege schon dazu gebildet!
TANCRED.
Ihr seht die Schönheit nur, – die Qual fühl ich! –
– Wie eine ungeheure Schlange ringt
Das Band um meine Scheitel sich, und schwer
Und giftig preßt es sie zusammen – Schon
Seh ich im Kampf mich mit der Übermacht
Der Ghibellinen, fühle schon Verräterein
Die Brust zerreißen – Der Graf Tancred brauchte
Um seines Vaterlandes Schicksal nur
Zu trauern – doch der König Tancred muß
Dies Reich mit seiner Faust ergreifen, aus
Dem Meer, in dem es liegt, wie ein
Verlorner Schmuck, es reißen, und es wieder
Hoch an die Sterne halten!
GRAF ACERRA, GUISKARD UND BOHEMUND.
Unsren Schwur
Mein König: Blut und Treue bis zum Tode!
TANCRED.
Und ihr, Vasallen, hört den meinigen:
Des Normanns Reich wird das gewaltigste
Der Erde, oder hingeschmettert von den Trümmern,
Geh ich mit ihm zu Grunde!
GRAF ACERRA.
Von hier weg!
Die deutschen Wachen suchen uns, und sind
Bald nah – Mein Fahrzeug liegt dort in der Bucht
Versteckt – Besteigen wir es, und schnell nach
Sizilien!
TANCRED.
Der erste Tancred paarte
Zu seinen Taten seine Liebe, und verherrlicht
Ward er zwiefach deshalb im Heldenliede –
Auch ich fühlts einst im tiefsten Herzen brennen,
Doch Not der Heimat ließ mich Liebe kurz nur kennen –
Du, Vaterland, sei mir Amenaide!
GRAF ACERRA.
Mein König, du hast königlich gewählt –
Wo war die Schönheit, die dem Land hier fehlt?

Alle ab.
Pause. Dann kommt der schwäbische Hauptmann von Schwarzeneck mit einer Rotte schwäbischer Krieger, unter ihnen Wolfgang, Ruprecht und Albert.
HAUPTMANN VON SCHWARZENECK.

Heilige Kreuz-Donnerwetter, [118] bleibt mir in gleichem Schritt, Kerle – Immer in Ordnung, Kinder, auf dem Vesuve wie in der Hölle – Alle Sakrament!

RUPRECHT.

Aber mit der Ordnung fängt man nicht die feldflüchtigen Normannen – Man muß ihnen ebenso ziegenfüßig nachspringen, als sie vor uns herlaufen.

HAUPTMANN VON SCHWARZENECK.

Schurke, schweig – sprich nicht in Reih und Glied – nicht räsonniert! Das Räsonnieren schadet nur, macht Langeweile, hält auf, und wird doch nicht beachtet – Könnte das Kind räsonnieren, bei Gott, es käme nicht aus dem Mutterleib – 's ist verwünscht! Der König hat uns befohlen, den Tancred zu fangen, und wir können ihn nicht erwischen – Der König versteht sich auf alles, nur nicht auf die Unmöglichkeit, seine Befehle zu erfüllen – Unsre Köpfe sitzen lose – Auch gut – Was gehts uns an? Sie gehören dem Könige! –

– Haltet, – die Lanzen zu Boden – Es ist hier sehr heiß – Laßt uns pausieren – Nun sagt was ihr wollt, – jetzt kann ichs wenigstem so halb und halb ertragen, denn ihr seid nicht mehr in Reih und Glied.

ALBERT.

Bei allen Heiligen, Herr Hauptmann, dieses ist ein kurioser Berg, – kocht immer wie ein Topf voll heißen Wassers – Meine Änneli glaubts nicht, wenn ich es ihr einstens erzähle.

HAUPTMANN VON SCHWARZENECK.

Besiegle es ihr nur mit einem Kusse, – dann hält sie, oder ich will krepieren wie ein Frosch, das Attestat schon für gültig.

ALBERT.
Feuer und Asche hat man hier wohlfeil, und viele Spitzbuben und Lazzaronis dazu.
RUPRECHT.

Brüderchen, sieh einmal die Gegend an, – tröste mich Gott, oder sie ist beinah so schön wie die bei Ulm.

ALBERT.

Ne, Ruprecht, da irrst du – Erstlich ist bei Ulm kein so unvernünftiger Berg, wie dieser dampfende Vulkan – dann seh ich auch keine Hier und keine Donau, – an dem dummen Meer dort, ohne Anfang und Ende, weiß man nicht was man eigentlich steht, – es ist so gut, als guckte man in eine pechfinstre Nacht, – es ist Alles und Nichts – und dann, wo ist hier ein Turm wie der Ulmer Dom, und wo ein Rathaus, so schön aus roten Backsteinen erbaut, wie das unsrige?

RUPRECHT.
Nimmst du es so genau, so fällt mir noch ein [119] großer Vorzug unserer Vaterstadt ein.
ALBERT.
Der wäre?
RUPRECHT.

Kind, der Magistrat! – Der König ist ein großer Herr und sieht gewaltig streng und finster aus – Wenn einmal zufällig ein Lächeln in sein Gesicht kommt, ists, als fiele ein Funken ins Wasser – es ist gleich wieder weg – Aber unsere Ratsherrn und Bürgermeister sehen doch in ihren Mänteln ehrwürdiger aus – man zittert bei ihrem Anblick, – ich möchte keinen von ihnen anfassen, ich wäre bang, er zerbräche.

ALBERT.
Es ist wahr, ich bin vor unsrem Bürgermeister stets bänger gewesen als vor dem Kaiser.
RUPRECHT.

Mit Recht, Bruder, denn da ist auch ein großer Unterschied: der Kaiser sitzt weit über uns auf seinem Thron, der Bürgermeister sitzt auf sei nem niedrigen Stuhl und dicht auf unserer Jacke.

HAUPTMANN VON SCHWARZENECK.
Wolfgang, Schnauzbart, – hast du etwas von den Tränen bei dir?
WOLFGANG.

Gottlob, Herr Hauptmann – Man sollte ewig gerührt und gefoltert zu sein wünschen, um so zu weinen, wie der Herr Christus hier am Vesuve geweint hat –

HAUPTMANN VON SCHWARZENECK.
Alle Donnerwetter, sprich nicht, und laß mich nicht warten – Den Wein her –

Er trinkt.

Teufel, der brennt einem die Brust aus.
WOLFGANG.
Wohl bekomms, Herr Hauptmann.
HAUPTMANN VON SCHWARZENECK.
Kerl, du hast Blut an den Fingern.
WOLFGANG.
So? – Wahrhaftig ja. – Herr Hauptmann, 's ist ein bißchen Eremitenblut.
HAUPTMANN VON SCHWARZENECK.

Was? Du hast den Eremiten verwundet? – Nun soll dich der Donner neunundneunzig Klaftern tief in die Erde –

WOLFGANG.

Verwundet? Ne, – das macht nachher Geschrei und Lärm – Ich schlage lieber gleich tot, da bleibts still. – Meinst du, Hauptmann, daß der schurkige Pfaff mir den Wein herausgeben wollte? Ich sollt ihn bezahlen! – Na, ich bot ihm vier Batzen, – der Kerl machte nicht einmal die Hand auf, – da gab ich ihm Eines an die Ohren, und als er krächzte, schlug ich ihm natürlich auf das Maul, und als er da noch nicht still war, sondern zappelte und [120] winselte, hantierte ich an ihm ein wenig mit dem Speer – Er fiel an den Boden wie ein geschossener Sperling, und ich ging mit den Tränen aus der Tür.

RUPRECHT.
Beweint kann er also nicht wohl sein.
HAUPTMANN VON SCHWARZENECK.
Kerl, Mörder – du sollst vor das Kriegsgericht. –

Trinkt.

Hol der Teufel, der Wein ist deliziös.
WOLFGANG.

Kriegsgericht, Herr Hauptmann – Seht, das ist soviel als ob ich mir den Bart wische. Der König fragt nach so einem neapolitanischen Hunde grade soviel wie der reiche Verschwender nach einem verlorenen Heller, und (unter uns gesagt) ich glaube, der Eremit war auch etwas von einem Rebellen oder Verräter.

HAUPTMANN VON SCHWARZENECK.

Freilich, da ists anders und schadet nicht – Verräter sind vogelfrei. – – Da Kinder, trinkt auch eines: hoch der Kaiser, zu Boden die Normannen!

ALLE.
Der Kaiser hoch!
HAUPTMANN VON SCHWARZENECK.

Nun nehmt die Waffen wieder – Umgeblickt, ob kein Flüchtling da ist – Tritt fest, Auge scharf, – Marsch! – Alle Sakrament!


Alle ab.
2. Szene
Zweite Szene
Terrasse vor einem königlichen Schlosse in der Nähe Neapels. Ringsumher südliche Stauden und Bäume, kunstreich geordnet. Aussicht auf den Golf.
König Heinrich und Constanze kommen.
In einiger Entfernung Diener hinter ihnen.

KÖNIG HEINRICH.
Verräter wachsen hier zu Land wie Unkraut –
Je mehr man sie vertilgt, je ärger sprießen
Sie aus dem Boden – O, ich glühe – Eis
Vom Ätna!

Es wird ihm Eis gebracht in einem goldenen Gefäß – er verzehrt davon.
CONSTANZE.
Heinrich, Heinrich, schone mein Volk!
[121] Bedenk, daß fremd du ihm, so wie es dir
Gewesen. Groß bist du und furchtbar, wie
Die Hohenstaufen immer, – doch sei milde,
Neig dich zu meinem Volk hernieder, daß
Es seine Königstochter nicht verflucht,
Weil sie dich liebt. Ach, der Normanne ist
Entartet, doch es schläft in ihm noch Kraft –
Erwecke, nicht ersticke sie. – Der Haß,
Der Zorn wirkt nur so lange, als der Hasser,
Der Zürner lebt, – die Liebe wurzelt auch
Noch nach dem Tode in den Herzen – Mit
Schafotten, die du in Neapel auftürmst,
Schreckst du die Menschen, doch du besserst sie
Mit ihnen nicht.
KÖNIG HEINRICH.
Constanze,
Schön ist dies Land, dein Brautgeschenk – Doch ists
Auch falsch wie schön. Nicht dank ich dir dafür.
Wie eine Schlange unter Blumen, fand
Ichs gleich, als ichs betrat – es krümmte tückisch
Empor sich, meine Ferse zu durchstechen,
Jedoch zum Glück ist sie mit Erz gepanzert.
– Wärs nicht der Papst in Rom, den ich von hier
Am nächsten und am sichersten bekämpfe,
Wär ich nicht Hohenstaufe, welcher nie
Das aufgibt, was er einmal hat errungen,
Ich würfs dir wieder vor die Füße!
CONSTANZE.
Und
Du ließest mich mit ihm wohl gar zurück?
So liebst du mich?
KÖNIG HEINRICH.
Wie magst du fragen? Holde,
Wer sollte dich nicht lieben, der dich sieht,
Dich kennt? Wie eine Flamme brennt die Seele
In meinem Kusse dir entgegen –

Er küßt sie, – dann für sich.

Töricht
Die Kreuzzüg alle – Schwacher Gott, der Menschen
Bedürfte, sein Besitztum wieder zu
Erobern – Wär von meines Vaters Kreuzheer
Die Hälfte hier, ich wollte besser sie
Gebrauchen, als in Syriens Sande
Verschmachten sie zu lassen – Schwelgen
[122] Ließ ich sie auf den Leichen der Normannen!
CONSTANZE
für sich.
– Ach, ich Unselige – Er liebt mich nicht –
Sein Blick irrt durch die Welt und übersieht mich –
Anstatt nach Einem Busen, streckt er seine Arme
Nach ganzen Ländern, ganzen Völkern aus –
Und Weh! auch ich kam mitten unter ihnen
In seine Macht – Doch mich und meine Liebe
Erkennet er nicht unterm Haufen! –
KÖNIG HEINRICH.
Wie
Ein schwarzer Fleck schwebt vor dem Auge mir
Der Tancred, – wo ich nur hinschau, ist Er –
– Soll ich stets Dunkel haben statt der Sterne? –
Er irrt dort oben am Vesuv – Fängt man
Ihn ein, so hängt er gleich dem niedrigsten
Verbrecher!
CONSTANZE.
Schone! schone!
KÖNIG HEINRICH.
Beste, nicht zu oft
Sprich das. Ich hasse Wiederholungen,
Und jedesmal, wenn du von Schonung redest,
Erinnr ich mich, daß sie der Normann nicht
Verdient. Ein Tor nur wähnt, der Schlechte möge
Sich bessern. Nie geschieht es sicher und
Auf Dauer.
– – Weit und schön, ein Silberspiegel,
Glüht dort im Sonnenschein Neapels Golf –
Bei Gott, wenn diese ewigen Empörungen
Nicht enden, färb ich ihn noch prächtiger
Und heißer, mit dem Herzblut der Verschwörer!
CONSTANZE
für sich.
Muß denn die Rebe stets so schwach sein, an
Den rauhen Baum, den Felsen sich zu klammern?
Je schrecklicher und wilder er emporbraust,
Je feur'ger lieb ich ihn!
KÖNIG HEINRICH.
Ha, was
Naht da? Siehst du den finstern Punkt im Meere?
Mit Sturmeseile kommt er auf uns zu –
Schon wird er heller – Masten, mächtge Segel
Enttauchen ihm – Ein Kriegsschiff erster Größe
Zeigt sichs, und zu der Flotte meines Vaters
Gehört es – Unterm schwarzen Schleier,
[123] Mit dem man ihn umwarf, erkenn ich deutlich
Den kaiserlichen Aar – Des Toren,
Der es gewagt, den Adler zu umfloren,
Des Reiches Adler zuckt und trauert nicht,
Ob ringsum auch die Welt zusammenbricht!
CONSTANZE.
Mein König, fasse dich, – es naht das Unglück –
Siehst du, wie lässig in dem Segelwerk
Die sonst so munteren Matrosen hangen,
Zum Schiffsverdecke niedersehen wie
Geknickte Blumen?
KÖNIG HEINRICH.
Mag was Neues
Auf dem Verdecke vorgefallen sein.
CONSTANZE.
Schon rauscht das Fahrzeug zu dem Strande – Horch,
Die See! – Ists nicht, als ob sie seufzte?
KÖNIG HEINRICH.
Weil
Das Schiff die See durchschneidet, sprützt sie auf
Und zischt, – du, weil du einmal Unglück träumst,
Glaubst, daß sie seufze – Aber laß das Unheil
Wahr sein, – es komme – Um so kühner tret
Ich ihm entgegen – Der Waiblinger kennt
Kein andres Unglück in der Welt, als das
In eigner Brust, – und das auch weiß er mit
Dem Druck der Hand zu schwichtigen – Sicher
Ist er vor winzgen Tränen – Und ist denn
Das Leben auch wohl einer Träne wert?

Für sich.

Weh mir, des Stolzes werd ich nötig haben –
An allen Zeichen merk ich, daß der Vater
Gefallen ist – Wie käme Hohenzollern,
Der dort auf dem Verdeck steht, so allein
Zurück? Nie sah ich ihn getrennt vom Kaiser.
Vielleicht, vielleicht
Ist er auch jetzt nicht einsam, – eine Kaiserleiche
Wird bei ihm sein! –
CONSTANZE.
O Schrecken! Aus dem Schiffe
Heben sie einen Sarg – 'ne Krone auf ihm –
Und hinter ihm wankt Kaisrin Beatrice!
KÖNIG HEINRICH
für sich.
Das Herz schlägt in der Brust mir, will
[124] Die Zähren lösen wie im Schacht der Hammer
Des Bergmanns löst die Diamanten –
– Zurück – Seid, was ihr scheint, ihr Augen:
Gestähltes, blaues Erz, – wohl heiß, jedoch
Nie feucht!

Laut.

Kein Zweifel mehr – sie bringen da
Des Vaters Leiche. Grad zur schlimmsten Stunde
Hat dieses Unglück sich ereignet. Es
Treibt monatlang mich fort von hier. Nach Rom
Muß ich, mir dort die Kaiserkrone, und
Nach Deutschland, mir Gewalt und Land zu sichern.
CONSTANZE.
Das die Gedanken, die dich jetzt durchdringen?
Und nicht des Sohnes namenloser Jammer?
KÖNIG HEINRICH.
Nichts jämmerlicher als der Jammer selbst.
Wer des Geschicks schmerzliche Schläge sich
Vom Haupt abwenden, sie vernichten will,
Muß klaren Blickes umschaun, kräftig handeln,
Und hat zur Trauer wahrlich wenig Muße.

Der Sarg Kaiser Friedrichs wird in die Szene gebracht, Beatrice, Erzherzog von Österreich, Burggraf Hohenzollern, Graf von Tirol und andere Ritter und Reisige in tiefer Trauer hinter ihm.
CONSTANZE.
Ich muß, ich muß an dieser Kaisrin Busen stürzen!
– O Beatrice, was geschah? Du schweigst?
Du schweigst? – O Wehe deine feuchten Augen!
Die stillen, fürchterlichen Abgründe
Des Schmerzes – mir schwindelt,
Da ich hineinseh –!
KÖNIG HEINRICH.
Kaisrin –
BEATRICE.
Heinrich – aus – vorbei –

Sie umklammert ihn.
KÖNIG HEINRICH.
Ich bitte, Kaisrin, mäßge dich – Erliege
Dem Schmerz nicht – zeig ihn nicht so sehr der Welt.
BEATRICE.
Ich kenne keine Welt mehr – Alles weg! –
KÖNIG HEINRICH.
Entsetzlich –
Nicht sie (sie wäre viel zu schwach), des Schmerzes
Gewaltger Arm umklammert mich erstickend –
[125] – Unselge!

Er macht sich, so sanft er kann, aus den Armen der Beatrice los, und übergibt sie der Sorge ihres Gefolges.

– Hohenzollern, Österreich,
Tirol – Was will der Sarg? – Ihr saget nichts
Und weint statt dessen? Redet!

Hohenzollern hebt stumm den Deckel vom Sarge. Man erblickt die Leiche Friedrich Barbarossas, in kaiserlichem Gewande.
KÖNIG HEINRICH
stürzt über die Leiche.
Ha, er ists –
Ich seh ihn wieder – Er sieht mich nicht!
CONSTANZE.
Wie?
Sind das Waiblingens Tränen? Händezucken
Und Niederstürzen gleich dem Blitz? – König,
Ich flehe: weine – Was du jetzo tust,
Ist schrecklicher!
KÖNIG HEINRICH.
Genug – 's ist überstanden –
– Der Kaiser tot, doch an des Kaisers Leiche
Erhebt der neue Kaiser sich!

Er richtet sich stark und stolz wieder auf.

– Entflort den Adler!
Mein ist er, fliegt fortan vor meinen Schritten,
Und nicht als Unheilsrabe leite er
Mich in Germanias Reich, das mir
Als dem erwählten römschen Könige,
Nachfolger meines Vaters, nun anheimfällt.
Du, Hohenzollern, trag ihn freudig, hoch
Und frei, damit er über alle Welt,
Wie's ihm geziemet, herrschend schwebe!
– Wie
Fiel Kaiser Friedrich? – Sprich! wie fiel er? –
Stumm
Noch immer? – Soll ich dir gebieten, Mann
Zu werden?
HOHENZOLLERN.
Herr, verachte mich, wenn ich
Im Schlachtgewitter nur die Wimper zucke,
Wenn du mich jemals seufzen siehest um
Verlornes Gut, sei's Haus und Hof und Weib, –
Doch für den Kaiser gönne mir den Schmerz.
KÖNIG HEINRICH.
Antwort! Ich frage! Zaudre nicht! – Wie fiel und wo
[126] Mein Vater?
HOHENZOLLERN.
Fürst, du sahst bei Regensburg
Das Kreuzheer, schön und zahllos, wie kein andres,
Sich sammeln, – sahest deines Vaters Hand
Die unermeßnen Scharen mächtig ordnen.
So führt' er es bis zu der großen Stadt
Der Griechen, die wie eine goldne Spange
Das Abend- und das Morgenland verknüpft.
Dort wollten uns Verrat und Hinterlist
Umspinnen, – doch als Friedrich seinen Feldherrnstab
Zorn dräuend aufhob wider der Sophia Turm,
Erschrack Konstantinopel in der Feste,
Und öffnete den Hellespont. Wir drangen
Durch Asiens Wüsten fort, – mit Durst und Hunger
Im Bunde, stürmt' uns da das wütge Heer
Des Herrschers von Iconium entgegen,
Und droht' uns zu vernichten – Doch am Abend
War es gewesen, und wir lagerten
In Sultans Gärten, unter goldnen Früchten,
An kühlen Wassern. Bald darauf erschienen
Auf Syriens Hügeln Christi Kreuze, uns
Willkommen, wie dem Kind nach langer Nacht
Die ersten Kerzen in der Weihnachtsfrühe,
Und Glaubensbrüder grüßten uns frohlockend –
Je näher an dem Ziel, je stärker schlug
Des Kaisers Herz, es zu erreichen – Da –
Am Flusse Saleph, hielt das Kreuzheer,
Die Furt zu suchen – Ungeduldig sprengt
Der Kaiser in die Flut, sie selbst zu finden –
Ein falscher Wirbel packt sein Roß – es schäumt
Und bäumt – Es fliegen Hunderte ihm nach –
Sie finden nur den Tod – Und Er –

Er stockt.
KÖNIG HEINRICH.
Ertrank!
HOHENZOLLERN.
Ertrank!
KÖNIG HEINRICH.
Ein großes Unglück nenne
Nur dreist mit Namen, Hohenzollern – Es
Bekommt dadurch Gestalt, und kleiner scheints
Zu werden.
– Und wo blieb
Das Kreuzheer?
[127]
HOHENZOLLERN
auf sich und seine Begleiter deutend.
Hier sind seine Reste.
KÖNIG HEINRICH.
Furchtbar!
Von all den Hunderttausenden, von all
Den Fürsten, Rittern, Jünglingen – nur ihr?
HOHENZOLLERN.
Das Kreuzheer war ein ungeheures Schwert
In des Ertrunknen Faust, und weithin schwang
Er über Asien es, daß Saladin
Erbebend Frieden flehte – Als er fiel,
Lags matt am Boden, und ward leicht zertrümmert.
KÖNIG HEINRICH.
Ich lerne, lern an deiner Leiche, Vater!
Groß warst du, doch dabei zu großmutsvoll,
Ein Held warst du, wie nie ein besserer,
Doch statt als Deutschlands Herrscher zu regieren,
Hast du auch nur als Held gehandelt! – Wozu
Der Kreuzzug und sein eitler Ruhm? Was nützt
Der Ruhm, wenn man die Macht ihm opfert? Sie
Nur kann ihn aufrecht halten! Was
Bedeutet uns Jerusalem? Fern liegts
Der Hohenstaufen Landen – Statt die Kraft
Waiblingens zu vermehren, würde sein
Besitz sie schwächen, – ewig müßten wir es
Verteidigen – Zum Fuß dir, Vater, lag
Einst Mailand, lag der Leu – Du konntest beide
Vernichten, doch du straftest sie nur gnädig,
Und Mailand dankte schon bei deinem Leben
Dir auf dem Schlachtfeld bei Legnano, und
Der Leu wirds deinem Sohne auch noch danken.
Verstehts die Schlange, wenn man ihrer schont?
Groß war dein, groß ist unsres Hauses Zweck,
Ist groß genug die Welt ihm aufzuopfern,
Um ihn nur selbst erfüllt zu sehn – Gott ließ
Ja seinen Sohn zum Heil der Sünder, welche
Bis jetzt dieselben Sünder sind geblieben,
Hinschlachten –. Toter, du bestrebtest dich
Mit edlen Mitteln nur zum edlen Ziel
Zu schreiten – Was sind Mittel? Handwerkszeug!
Beiseit werf ich sie, wenn das Werk vollendet –
Du kanntest Hochsinn nur und Schlachtkampf – Sehr
[128] Ungleiche Waffen wider deine schlechten Gegner –
Die nämlichen, die sie gebrauchen,
Verrat, List, Geld und Grausamkeit
Laß mich dazu gesellen.
CONSTANZE.
Mein Gemahl,
Erwäge Nachruhm und Gewissen.
KÖNIG HEINRICH.
Mit
Dem Nachruhm frist ich keines Sperlings Leben,
Und das, was ihr Gewissen nennt, was in
Dem guten Stuttgart jeden Bürger ziert,
Ist auf Waiblingens Throneshöhen
Nur schwäbische Spießbürgern!

Für sich.

Ich Kaiser,
Die Kaiserkrone erblich – Deutschland,
Neapel unter meinem Fuß – Der Papst
Zu meinem Bischöfe erniedrigt – Wert
Ist das zahlloser Leichen –

Laut.

Hüllt wieder
Den Leichnam zu –
BEATRICE.
Ach nur noch einmal laßt
Mich sehen – –

Sie erblickt die Leiche.

Weh!
KÖNIG HEINRICH
winkt einigen Rittern.
Führt fort die Arme! –

Der Sarg Kaiser Friedrichs wird wieder zugedeckt, und mehrere Ritter bringen ihn und Beatrice fort.

Bringt
Mein Kind – Ein großes Leben strömte aus –
Ich muß ein neues sehen an der Quelle.

Eine Wärterin, welcher andere Warterinnen folgen, bringt den Prinzen Friedrich, der in kostbare Decken gehüllt ist, auf ihren Armen.
KÖNIG HEINRICH
nimmt ihr das Kind ab.
O Knabe,
Wie macht dein Anblick mir die Trennung schwer! –
– Wie lächelt er, wie frisch glänzt seine Wange!
– Gleich einer holden Blüte, die den Sturm,
Der durch die hohen Wipfel brauset, noch
Nicht kennet, in dem Waldesdunkel schimmert,
So leuchtest du, mein Kind, noch unverletzt
[129] Im Vatersarm, im stürmischen Geschlecht
Der Hohenstaufen – Mögen alle Genien
Dich schützen, mögest du einst ruhiger
Als ich es kann, Waiblingens reiches Erbe
Empfangen und genießen – Wenn du schlummerst,
So wach und kämpfe ich, daß du es kannst!
CONSTANZE.
Er spielt mit seinem Kinde, Wehmut
Im Auge, und zerreißt die Nationen!
KÖNIG HEINRICH.
Je mehr ich meinen Knaben liebe, Frau,
So mehr muß ich das Volk, das seinem Stamm
Feindselig ist, ausrotten.

Wieder auf das Kind blickend.

Noch kann er
Nicht reden, – und doch künden deutlicher
Als Sprache, dieses blonden Haares Ringeln,
Dies blaue Auge, selbst ein Himmel
Den Himmel schöner widerspiegelnd,
Des ersten Friedrichs Enkel an. Sei einst,
Du zweiter Friedrich,
Hochsinnig, groß wie es der erste war,
Doch nie so sehr, daß du nicht klug auch bliebest!
CONSTANZE.
Heinrich, du liebst dein Kind – Verschaff ihm Freunde –
Sein mags, daß deine Stärke jeden Feind,
Zuletzt besiegt, – doch fern nach Deutschland ziehst du,
Gefahren drohn dir überall – Gelobt
Sei Gott, noch stehst du da in Männerblüte, –
Doch wenn du fielest, stürbest, eh du Alles
Vollendet – was wohl wund aus deinem Kind
Und mir?
KÖNIG HEINRICH.
Ein Tor, Constanze, dessen Tatkraft
Durch den Gedanken an den Tod gelähmt wird.
Nie führt er etwas aus. Was ich für not
Erkenne, tu ich, ob auch zehnfach mir
Der Zufall dräuet. Sterbe oder fall ich,
So sei das Schicksal meines Sohnes Vormund –
Ich kann ihm keinen geben, der gewaltger,
Und oft schon war es Vormund unsres Hauses.
Auch wirds dem Würdigen nur selten untreu,
Den Starken liebt es und er zieht es an,
Wie Stahl den Blitz anzieht – Aber käm
[130] Es auch als Unglück, so ists zwar 'ne strenge,
Doch tüchtge Lehrerin, und macht den Kräftgen
Nur kräftger, oder unterliegt er,
Erhabener! – Das merk dir, wirst du je
Verwitwet! –
Blüh und wachse fort, mein Sohn!

Das Kind den Wärterinnen übergebend.

Bei eurem Leben, Wärterinnen, sorgt
Für ihn als für das erste Kleinod, das
Ich kenne!

Die Wärterinnen mit dem Kinde ab.
Der Erzherzog von Österreich stürzt dem König Heinrich zu Füßen.

Österreich, zu meinen Füßen?
Und schluchzend? – Junger Held, steh auf – es fällt
Mir unerträglich, Österreich gebeugt
Zu sehen –
ERZHERZOG VON ÖSTERREICH.
O, es ist geschmäht, geschändet –
KÖNIG HEINRICH.
Du sagst die Wahrheit nicht – Unsinnig, toll
War der, der Österreich zu schmähen wagte,
Und würde je das Hochgewaltige
Geschändet, so gings auch zu Grunde.
Kein glorreich Land, wie es, besteht bei Schande.
HOHENZOLLERN.
Beleidigt ist er, und mir selbst ballt sich die Faust,
Und wird das Antlitz bleich, wenn ich die Hand
Ihn ringen, seine jugendlichen Wangen
Erröten seh, – ihn, der so tapfer focht,
Wert seines Vaters, der so ruhmvoll sank
In jener Weserschlacht –
KÖNIG HEINRICH.
Von der sei still.
Ward sie benutzt, und ward Norddeutschland nicht
Zerstückelt, sondern unterdrückt, – sie wäre
Der funkelndste Rubin der Kaiserkrone.
Jetzt ist sie nur ein Blutfleck.

Zu Österreich.

Wer hat dich
Beleidigt? Wer des Reiches Herz und Schild
Verletzt hat, hat auch mich verletzt, und soll
[131] Es büßen.
ERZHERZOG VON ÖSTERREICH.
Herr, vereinigt mit dem Kreuzheer
Englands und Frankreichs, stürmt ich Accon, war
Der Erste auf der Mauer, pflanzte auf
Mein Banner, – aber König Richard stürmte
Mir nach, riß es herunter, trat es mit
Dem Fuß, und rief: nicht ziem es Herzogen,
Mit Königen zu teilen!
KÖNIG HEINRICH.
Wie? das tat
Coeur de lion?
ERZHERZOG VON ÖSTERREICH.
Ja, Löwenherz!
KÖNIG HEINRICH.
Ein Held
Ist er wie kaum ein anderer, und in
Den fernsten Winkeln von Arabiens Wüsten
Ertönt sein Name, sträubt dem Roß die Mähne,
Und schwichtigt an der Mutter Brust den Säugling –
Doch löwenmäßig nicht, – gemein war dies
Gehandelt, und bei meiner Ehre, ich versuche
Das Äußerste, daß er gemein es büße!
– Ruft meinen Admiral. Ich sende Flotten aus,
Besä damit das unfruchtbare Meer,
Ihn bei der Heimkehr aufzufangen, und
Kam er zu Land zurück, so mach ich ihm,
Dem größten Fische der atlantschen See,
Ganz Deutschland, ganz Italien zum Netz:
Er und sein England mögen von mir lernen,
Daß Östreichs Ehre schwerer wiegt als all
Ihr Gold.
DER ERZBISCHOF OPHAMILLA VON MESSINA
tritt ein.
Mein Fürst –
KÖNIG HEINRICH.
Trügt mich mein Auge?
Erzbischof Ophamilla, von Messina? – Besser
War es gewesen, Freund, du wärst, statt hier
Aufwartung mir zu machen, in Sizilien
Geblieben, hättst als Italiäner
Mit deinen Landesleuten die Normannen
Beachtet, ihnen Trotz geboten, ganz
Besonders deinem Nebenbuhler, dem
Matthäus – Du bist abgesetzt – Zieht wieder
Die Kutt ihm über, – führt ihn in ein Kloster.
[132]
OPHAMILLA.
Hör mich, mein Fürst – Ich ward verjagt –
KÖNIG HEINRICH.
Verjagt?
OPHAMILLA.
Matthäus – Ha, die Viper – O ich hasse
Die eigne Priesterkleidung, denn er trägt
Ja eine gleiche – Lang und furchtbar rangen
Wir miteinander – Doch was halfs? – So elend
Der Normann ist, die Italiäner sind
Elender noch und feiger – weichen gleich,
Wenn die Normannen sich nur regen – Herr,
Ich bin besiegt, sie haben sich geregt!
KÖNIG HEINRICH.
Constanze, hörst du? Wieder Aufruhr! So
Dein Volk!
CONSTANZE.
O Milde für die Schwachen!
KÖNIG HEINRICH.
Schwache
Und Dumme sind weit schlimmer als die Starken
Und Klugen, denn der Stark und Kluge
Gebraucht sie leicht wozu er will – Constanze,
Ich bitte, mahn mich nur, daß du Gemahlin
Mir bist und nicht Normannin!
Frisches Eis!

Es wird ihm gebracht.

Wer fing den Aufruhr an?
OPHAMILLA.
Kann ich es sagen?
Von deines Vaters Tode scholl die Botschaft durch
Das Land, und plötzlich Stands in Flammen, – Gott
Und auch vielleicht der giftausbrütende Matthäus,
So wie der wütge Graf Acerra, wissen
Wie es geschah – Doch das ist wahr, man sieht
Jetzt in Palermos, in Messinas Straßen
Mit ihrer Ahnen rostgen Schwertern, selbst
Die Freiherrn stapfen, die auf ihren Gütern
So zentnerschwer sich schwelgten, daß es schien,
Als müßten sie da ewig liegenbleiben.
Der flüchtge Tancred ist zum König ausgerufen,
Sie hoffen stündlich seine Wiederkehr –
Kein Dorf Siziliens ist mehr dein –
Schon schiffen nach Calabrien Aufwiegler –
Siziliens Sarazenen, die so treu
Dir waren, weil du sie so gastfrei aufnahmst,
Sind all ermordet, und die Araber
[133] An diesen Küsten hörten schon davon,
Und sattlen ihre Rosse, rufen ihnen,
Als wären es verständige Geschöpfe,
Ins Ohr: seid schnell, seid schnell, zum König Heinrich,
Wir müssen ihn und unsre Brüder rächen!
KÖNIG HEINRICH.
Das ist der Botschaft Bestes.
CONSTANZE.
Nicht verbinde
Dich mit den Heiden von Salerno!
KÖNIG HEINRICH.
Ein
Getreuer Heide ist mir lieber, als
'Ne ganze Legion untreuer Christen.
Sieh auf das Herz des Mannes, und
Nicht auf das Kleid – Sagt auch das Sprichwort anders,
Glaub mir, das Kleid macht doch noch keine Leute,
Es heiße Rock nun oder Religion!
CONSTANZE.
O fürchterlicher Stamm, dem du entsprossen –
Auch keine Religion – Wer seid ihr denn?
KÖNIG HEINRICH.
Wir sind Waiblinger, durch die Gnade Gottes
Dazu geboren, und durch Priesterhand
Getauft zu Christen.

Achmet mit Gefolge tritt auf.
ACHMET.
Gott ist Gott
Und Mahomet ist sein Prophet, und du bist
Der Fürst, für den wir sterben, und im Fallen
Noch unsre Säbel tötend um uns schwingen
Als deiner würdge Kränze, denn du schirmst
In unsrem Glauben uns und unsren Sitzen.
KÖNIG HEINRICH.
Willkommen, Emir!
ACHMET.
Herr, Sicilia,
Calabria sind in Empörung, doch
Salerno ist dir treu. Wie in der Heimat
Der Ahnen vor dem Wirbelwind der Sand
Emporfliegt, heiß, und zahllos, stürmten wir
Auf unsre Rosse, denn wir hörten, daß
Die Brüder, denen wir verwandt sind seit
Jahrtausenden, auf der Feuerinsel uns
Erschlagen worden, – daß der Pöbel sich
Bereits empört hat gegen dich!
KÖNIG HEINRICH.
Dank, Dank, mein Fürst!
[134] – Wieviel Berittne hast du bei dir?
ACHMET.
Zwölftausend, Herr, und alle wild und kühn.
KÖNIG HEINRICH.
Geordnet auch? geübt zum Waffenstreite?
ACHMET.
Kein einzger liebt den Kopf auf Feindeshalse,
Ein jeder weiß im Nu ihn abzuschlagen.

Achmets Sarazenen sprengen unter lauter türkischer Musik im Hintergrunde vorbei.
DIE SARAZENEN.
Gott
Ist Gott, und Mahomet ist sein Prophet
Und Heinrich unser König!
KÖNIG HEINRICH.
Deine Krieger
Ziehn dort vorbei wie sturmgejagte Wetterwolken –
Weshalb, gleich dir so prächtig
Geschmückt? Die Seide rauscht um ihre Lenden,
Und die Turbane blitzen von Juwelen.
ACHMET.
Der Sarazene, Herrscher, schmückt sich stets,
Wenn er dem Tod der Schlacht entgegensprengt,
Denn Huris mit den Busen zart und weiß
Wie Schnee am Ätna, aber heiß wie Feuer
Und schwellend wie Granaten, mit
Den Augen, dunkler wie die Mitternacht,
Und dennoch glühnder als die Sonne, mit
Den Blicken, lieblicher, berauschender
Als Wein, erwarten ihn, und schmiegen sich
Als Siegeslohn in seine trunknen Arme!
KÖNIG HEINRICH.
Was
Für Pferde! Dort die Schimmel! Sonnenstrahlen!
ACHMET.
Und welche Reiter!
KÖNIG HEINRICH.
Adler auf den Rossen!
ACHMET.
Du nennst sie!
KÖNIG HEINRICH.
Von den Pferden send ich ein'ge
In meine Stuterein bei Worms.
ACHMET.
Mein Fürst,
Arabsche Rosse können nur gedeihen bei
Arabschen Wärtern, – denn sie wollen
Geliebt sein und gern Märchen hören.
KÖNIG HEINRICH.
Gib
Mir ein paar Araber, um sie zu pflegen.
ACHMET.
Gern,
Dar stehen alle zu Gebote.
[135]
KÖNIG HEINRICH.
Fast
Vergißt man über dieser edlen Rosse Schöne
Die Menschen.
ACHMET.
Mindstens sind sie adliger
Als eure edelsten Geschlechter – keines,
Das nicht 'nen Stammbaum hätte bis zur Zeit
Des großen jüdschen Emirs Abraham.
KÖNIG HEINRICH.
Sag deinen Leuten meinen Gruß – wie Pfeile
Sollt ihr vor meinen deutschen Truppen fliegen –
Ihr Auge sollt ihr sein – und lieb mir wie
Mein Auge. –
– Wo ist der tapfre Franke, der
Graf Diephold?
EINER DES GEFOLGES.
Er kommt mit dem Admiral.
KÖNIG HEINRICH.
Der Admiral ließ lange warten.
EINER DES GEFOLGES.
Weit
Vorm Hafen kreuzt' er mit den Schiffen.
KÖNIG HEINRICH.
Dann tat er seine Pflicht, und ist entschuldigt.

Diephold und der Admiral von Sizilien treten auf. Zu Diephold.

Wie steht es in der Stadt?
DIEPHOLD.
Es ist was in
Der Luft – Der Pöbel flüstert – Wenn das Volk
Hier, welches ewig schreit, erst flüstert, muß
Was Arges da sein.
KÖNIG HEINRICH.
Hast du Vorsichtsregeln
Getroffen wider Aufstand und Gefahr?
DIEPHOLD.
Nicht deiner Gnade war ich wert, wenn ich
Das nicht getan – Ich zog die Truppen aus
Den Häusern – Durch die Gassen, durch die Gegend
Streifen die Schwaben, auf dem Markt stehn Franken
Als Rückhalt, – wo die Neapolitaner
Zu drei versammelt sind, jagt sie der Speer fort.
KÖNIG HEINRICH.
Ist Tancred eingefangen?
DIEPHOLD.
Nein, – ich glaube,
Er ist entwischt.
KÖNIG HEINRICH.
Verwünscht – Die Faust verlör
Ich lieber! – Der wird in Sizilien
[136] Sechs Monat lang, so lang ich ferne bin,
Den Schattenkönig spielen! – Untersuch,
Ob auch die Krieget, welche ihn verfolgten,
Die Schuldigkeit getan.
DIEPHOLD.
Gewiß so viel
Sie konnten. Aber es sind Deutsche! – Schlagen
Und trinken, in den Tod für dich sich stürzen,
Ist grade keine Kunst – Doch Spionieren
Verstehn sie schlecht. 's ist wahrlich schwer.
Die Sarazenen da verstehen das schon besser.
ACHMET.
Und hältst du das für eine Schande?
DIEPHOLD.
Nimmer –
Dem König dienen, und auf welche Art
Es sei, ist Ehre.
DER ADMIRAL.
König, du befahlst
Mit Schiffen Palästina zu umlagern,
Um Englands Richard aufzugreifen – Nicht
Mehr not tut das – Mir melden meine Kreuzer,
Daß er bei seiner Heimkehr, weit vom Südsturm
Verschlagen, bei Triest gelandet ist.
KÖNIG HEINRICH.
Triest? Der österreichschen Stadt? Vernimmst
Du es, Erzherzog? Es ist Gott mit deiner
Und mit des Reiches Ehre – Eile nach
Der Heimat – Fang mit List und Mut ihn auf.
ERZHERZOG VON ÖSTERREICH.
Ich eile hin und fodre ihn zum Zweikampf.
KÖNIG HEINRICH.
Zweikampf ist rühmlich und nicht Strafe. Wenn
Die Fürsten sich befehden, gilt es mehr
Als Ritterspiele. Nicht der Mann den Mann,
Das Land bestreitet da das Land, und nur
Sieg oder Frieden, die das eine schwächen,
Das andre mächtger machen, sind das Ziel.
Der Richard hat in dir auch mich beleidigt,
Und mir gehört er so wie dir. Nicht tot
Will ich ihn haben, nein, er soll lebendig
In meinen Kerkern wohnen. Nichts nützt uns
Sein Tod – ein Fürst ist leicht ersetzt – Allein
So lang er lebt, ists Englands Pflicht, sein Alles
Zu opfern, um ihn zu befreien – Und
[137] Das solls!

Für sich.

Mit seinen Schätzen helfs, die Welfen
Und Welschland zu bezwingen.
DER ADMIRAL.
Herr, es geht
Auf Schiffen, die von Norden angekommen,
Die Sage, daß der alte Löwe sich
In England eingeschifft, und in Ostfriesland
Das Volk schon jubelnd auf ihn harre.
KÖNIG HEINRICH.
Ha,
Dacht ich es nicht? Wenn ein Waiblinger fällt,
Wie jetzt mein Vater, stehen jedesmal
Die welfschen Löwen auf, vor Freude brüllend,
Daß Erd und Himmel beben! – Ihnen stolz
Entgegen, auf der Stirn den ersten Schmuck
Der Erde, Romas Kaiserdiadem! –
– Constanze, stets hast du geglaubt, mit Liebe
Wär der Normannen Tücke zu besänftgen –
Versuch es jetzt, – als meine Stellvertreterin
Thron' in Neapel, bis ich wiederkehre.
– Diephold und Achmet, wie die Lava zündend
Von dem Vesuv sich weit und weiter wälzt,
Wird auch der Aufruhr sich bis hieher wälzen –
Wehrt ihm, so lang ihr könnt, mit eurer Kraft,
Und wird die Übermacht zu groß, so werft
Ihr euch in Rocca d'Arce, hegt in ihm
Mir dieses Reiches Schlüssel.
DIEPHOLD UND ACHMET.
Bis zum letzten Atem.
KÖNIG HEINRICH.
Und meinen Sohn nehmt mir in Schutz und Aufsicht.
CONSTANZE.
Wie? aus der Mutter Arm willst du ihn reißen?
KÖNIG HEINRICH.
Soldatenarm und Festungsmauer scheinen
Mir sicherer und stärker. –
Jetzt nach Rom!
HOHENZOLLERN.
Mit diesen wenigen Begleitern? Sollte
Der Papst dir nun Bedenklichkeiten machen?
KÖNIG HEINRICH.
Der jetzige Papst Cölestin ist längst
Kein Alexander, und wird er verleitet,
Mit Weiterungen mich zu hemmen, so
[138] Weiß ich ein Mittel, durch die Römer ihn
Zu zwingen.
HOHENZOLLERN.
Ein sehr herbes wäre das –
Du müßtest ihnen, wie sie oft begehrt,
Das euch so treue Tusculum aufopfern.
CONSTANZE.
Wie? Tusculum? Die große, schöne, uns
So holde Stadt, der Wut der Römer Preis
Gegeben? Wo schon seit so vielen Jahren
Nur für Waiblingen alle Herzen glühen?
Die grade dadurch, daß sie stets für euch die Römer
Bekämpfte, diesen so verhaßt geworden?
Nein Heinrich, nein, das tust du nicht!
KÖNIG HEINRICH
finster.
Ich opfre
Das arme Ding, das eigne Herz, dem Haupte –
Ich glaube gar, ich tat es schon einmal –

Schmerzlich, die Hand auf der Brust.

Cäcilia! – –

Wieder stark und heftig.

Was sollt ich fremde Herzen schonen?
In Blut und Feuer glänzen Kaiserkronen!

Mit allen, bis auf Hohenzollern, ab.
HOHENZOLLERN.
Er ist vielleicht der Hohenstaufen Größter –
Er hat den Geist, den Stolz, des Strebens Lust,
Doch ach! ihm fehlt des Vaters mildre Brust!

Ab.

2. Akt

1. Szene
Erste Szene
Stube in einer Schenke bei der Festung Thierstein im Österreichischen.
König Richard, als Mönch gekleidet, sitzt im Hintergründe an einem großen Schenktische. Joseph und Matthias treten ein.

JOSEPH.

Dies ist doch halter das beste Wirtshaus auf dreißig Meilen in der Runde von Wien. Sie kochen hier wie im Prater.

MATTHIAS.
Und schau, die Kellnerin, glatt und schlank, wie die Flaschen in ihrer Hand.
JOSEPH.
Und sie ist so böse nicht, – sie ist eine gute Österreicherin.
MATTHIAS.
Da kommt sie – Welch ein Nannerl – Man sollte sie auffressen.

Die Kellnerin tritt ein.
JOSEPH
zu ihr.
Mädel, bring mir ein gebackenes Hühnchen und 'ne Flasche vom Besten.
MATTHIAS.
Ist sonst noch anderer Braten da?
DIE KELLNERIN.

Wir können den Herren dienen mit Schöpsen, Rindsbraten, Gänsebraten, Kapaunen, Fischen aller Art, gekochten Schinken, gesottenen und ungesottenen Eiern, gerösteten und –

MATTHIAS.
Halt, das ist halter genug – Es gibt doch nur Ein Österreich!
KÖNIG RICHARD
für sich.
Es wäre übel, gäb es zwei!
MATTHIAS.
Bring mir Hammel mit grünem Salat.
DIE KELLNERIN.
Gleich, Herr.
MATTHIAS.
Aber erst ein Küßchen zur Vorkost. Es schmeckt dann noch einmal so gut.
DIE KELLNERIN.
Ich werde mich hüten.
JOSEPH.
Freund, du verstehsts nicht: ein Kuß wird nicht gebeten, [140] sondern genommen – schau!

Er raubt der Kellnerin einen Kuß.

Schmeckts?
DIE KELLNERIN.
Du loser Vogel – Ich bringe gleich, was ihr befehlt.

Ab.
KÖNIG RICHARD
für sich.
Zum Totlachen ist es, zum Totärgern:
Ich, König Richard, Herrscher Englands und
Der Sarazenen Schrecken, muß im Mönchskleid
Hier unter österreichischen Bauern sitzen,
Ihr Fressen sehen, ihr Geschwätz anhören,
Und auf die Rückkehr meines Dieners harren!
Beim heiligen Georg und meiner Dame,
Ich halts nicht lang mehr aus!
JOSEPH.

Matthias, hörst du den verdächtigen Kerl mit der Mönchskutte da brummen? – Was hat er in Österreich zu brummen? – Ich hab eine feine Nase – Er ist halter kein Mönch, er weiß sich nicht in das Kleid zu schicken, die langen Ärmel fallen ihm immer über die Faust.

MATTHIAS.
Und ein Österreicher ists auch nicht, – sieht viel zu wild und breitschultrig aus.
JOSEPH.
Er ist sehr verdächtig.

Zu König Richard.

Wie heißt ihr?
KÖNIG RICHARD.
Ginster.
JOSEPH.
Der Ginster ist ja, wie ich meine, ein niedres Kraut.
KÖNIG RICHARD.
Wie, Schurke, spottest du des Namens der
Plantagenets? Welch Kraut auf Erden wuchs
Wohl höher als der Ginster, wenn das Haus von Anjou
Der Ehr ihn würdigt, ihn der Hecke zu
Entreißen, und an seinem Helm zu tragen?
JOSEPH.
Plantagenet! Anjou – Sind das österreichische
Häuser? Ich kenne die Familien nicht, Herr.

Die Kellnerin kommt zurück mit Braten und Wein.

Ha, Speis und Trank!

Die Kellnerin deckt den Tisch, Joseph und Matthias setzen sich zum Essen.
KÖNIG RICHARD
für sich.
Wo bleibt der Schurke?
[141] Er konnte längst schon in der nächsten Stadt
Den Ring in schweres Geld verwechselt haben.
Geld! Geld! Einwechseln muß ichs jetzt – O Zeit,
Wo ich mit meinem Seh werte es erkämpfte! –
– Wein, Mädchen.

Die Kellnerin schenkt Wein in ein Glas und setzt es dem Könige vor.
KÖNIG RICHARD.
Wer wagt mir den Wein im Glase
Und nicht in Golde vorzusetzen? Hündin –
– Ja so – es fällt mir ein, ich bin ein armer Mönch! –
– – Wenn Saladin mich hier erblickte! Welch
Hohnlächeln würde seine Lipp umfunkeln –
Ich schwörs, er schöbe vor Verwunderung
Den Turban dreimal schiefer, als ers tat,
Da ich sein bestes Heer zu Boden schlug.
Arg schiebt er sonst so leicht den Turban nicht.
– He, frischen Wein – Wie lange währt es?

Sich wieder besinnend.

Ach,
Verzeihet meinem Ungestüm – Ich lag
Sehr lange krank, und bin noch nicht gesund –
Das macht mir diese Unruh, diese Unlust.

Die Kellnerin bringt ihm von neuem Wein.
JOSEPH.

Der krank? So behüte mich Gott, einen Gesunden seines Landes zu sehen – Saufen und wüten sie nur um ein Weniges mehr als der, so sind sie tausendmal schlimmer als Teufel.

MATTHIAS.

Halter, der Kerl hat die Hölle im Leibe und einen Mönchsrock darüber gezogen, – er stürzt die Gläser hinein und will sie löschen.

JOSEPH.

Er muß aus dem Meer gebürtig sein, denn seine Krankheit ist nichts anderes als der Durst. Spektakelt und schnappt er da nicht nach etwas Flüssigem, wie ein Walfisch, der auf dem Trocknen liegt?

KÖNIG RICHARD.
Her mit dem Braten da, dem Fleisch.

Die Kellnerin bringt ihm Braten und Fleisch.
MATTHIAS.

Du hast dich geirrt, Joseph, – er ist aus dem Lande der Löwen oder Tiger, – er frißt noch ärger als er säuft.

JOSEPH.

Und wie haut er mit Messer und Gabel ein, – ists nicht, als schwang er Schwert und Lanze und massakrierte [142] und fräße seinen Todfeind?

MATTHIAS.
Und unter seinem Kleide rasselt es wie ein Harnisch.
JOSEPH.
Es ist halter kein Pfaff.
KÖNIG RICHARD
für sich.
Mit jeglicher Minute büß ich ein
An Land und Macht – ich gelte für verschollen,
Und sicher wiegelt schon der Herr Johann,
Mein grad so lustiger als schlechter Bruder,
Den Adel Englands auf und täuscht das Volk
Mit meinem Tode, – Frankreichs weiser Philipp
Wird auch nicht säumen, unter Pauken- und
Trompetenklang die Oriflamme prahlend
Da zu entfalten, wo sie dreist kann wehen –
Gewiß marschiert er schon mit seinen Stutzern nach
Der Normandie, und nach Guyenne,
Die ihm anheimgefallnen Lehn besetzend,
Und beide saubren Herren werden sich, so lang
Sie im Besitz nicht fest sind, um die Beute
Vertragen, wie zwei Räuber um den Raub,
So lang sie ihn noch nicht gepackt. O wär ich da,
Lebendig, mit dem Schwerte – Mehr als je
Ein grausenhaft Gespenst das Kind erschreckte,
Schreckt ich die Schufte – Heiliger Georg
Und Margaretha!
MATTHIAS.
Der Kerl wird toll!
JOSEPH.
Wir müssen ihn binden.

Viele Landleute kommen jubelnd herein.
ERSTER LANDMANN.
Was Neues von Wien! Unser Erzherzog ist zurück!
KÖNIG RICHARD
für sich.
Ich wollt er wäre in der Höll als Bodensatz.
MATTHIAS.
Der Herzog! Joseph, Brüder, laßt uns tanzen und singen, trinken und essen –
KÖNIG RICHARD
für sich.
Ein eignes Volk – wir trinken nur, die fressen
Am Ende auch auf ihres Fürsten Wohlsein.
JOSEPH.
Und laßt uns Frau und Kinder holen, – wir wollen Freuden- und Feiertag halten.
MATTHIAS.
Ich wußte lange nicht was mir fehlte, nun merk ichs, – der Herzog war nicht im Lande.
[143]
KÖNIG RICHARD
für sich.
Hm, sei dies Volk doch wie es will – Sehr treu
Ist es und sehr anhänglich – Tränen stehn
Ihm in den Augen. Möcht es wohl
Beherrschen. Sicher folgts dem Kühnen kühn!
ZWEITER LANDMANN.
Und der alte Kaiser ist tot, in Rom haben sie einen neuen gekrönt, Heinrich den Sechsten.
MATTHIAS.
Da mag es lustig hergegangen sein.
ZWEITER LANDMANN.
So, daß sie eine große Stadt den Römern übergeben und als Freudenfeuer zur Krönung angezündet haben.
ERSTER LANDMANN.

Und der wilde König von England ist auf seiner Rückreise vom heiligen Lande nach Triest verschlagen worden, und irrt jetzt in unserm Lande umher. Alle guten Österreicher sollen auf ihn achten und wo sie ihn treffen, ihn ergreifen.

JOSEPH.
Warum?
ERSTER LANDMANN.

Weiß ich es? Es ist be fohlen. – Der Erzherzog und der Kaiser haben einen Preis für den ausgesetzt, der ihn ihnen überliefert.

KÖNIG RICHARD
für sich.
Verwünscht! der Kaiser! Was will der? Den Herzog
Hätt ich mit ehrenvollem Zweikampf leicht
Befriedigt. – Mischt sich aber der Waiblinger
So unberufen in das Spiel, so will
Er sicher mehr als das – Land oder Geld, –
– Schlecht kenn ich sonst Siziliens Tyrannen.

König Richards Diener tritt auf.
DER DIENER
leise zu Richard.
Hier, Herr, die Gelder, die ich eingewechselt –
Wir können weiterreisen –
KÖNIG RICHARD.
Bube, wo
Bleibst du so lange? Ich zertrete dich!
JOSEPH.
Packt den tollen Mönch, – er bringt einen Menschen um.
DER DIENER.
Mein Herr, mein Herr –
JOSEPH.
Und der Mensch, statt sich zu wehren, kriecht ihm um die Füße – Das ist nicht richtig.
MATTHIAS.
Mönch, laß den Mann los.
KÖNIG RICHARD.
Wer hindert mich, den Knecht zu züchtigen?
MATTHIAS.
Das ist kein Züchtigen, das ist Tottreten.
[144]
JOSEPH.
In Österreich ist das Morden keine Mode.
KÖNIG RICHARD.
So will ichs heute dazu machen!
ALLE ANWESENDEN ÖSTERREICHER.
Und das dulden wir nun und nimmer!
JOSEPH.
Wer seid ihr? Wie ein ehrlicher Mann betragt ihr euch nicht und seht halter so nicht aus.
KÖNIG RICHARD.
Satt hab ich der Verstellung, des Verbergens!
Wie kann da Nacht sein, wo die Sonne glüht?
DER DIENER.
Herr, stürze dich nicht ins Verderben!
KÖNIG RICHARD.
Eher
Verderben als mich länger zu verbergen.
Weg Mönchskleid, du elendes Rattenfell.

Zu Joseph.

Kennst du Coeur de lion?
JOSEPH.
Nein.
KÖNIG RICHARD.
So kenne seine Faust!
JOSEPH.
Weh mir, ich falle!
DIE KELLNERIN.
Jesus Maria!

Sie flüchtet davon.
ALLE ANWESENDEN ÖSTERREICHER.
Tische, Stühle, Bänke, Gläser, Kannen, alles dem Kerl auf den Leib.
KÖNIG RICHARD.
Weg ist das Kleid – ich atme wieder frei!

Er hat sich das Mönchskleid abgerissen und steht da in glänzender Ritterrüstung.
MATTHIAS.
Schaut: dacht ich es nicht? Es ist ein Ritter!
KÖNIG RICHARD.
Du Lügner! Sag ein Fürst:
Auf meiner Brust sieh Englands Wappen strahlen,
Honny soit qui mal y pense!
ALLE ANWESENDEN ÖSTERREICHER.

Der König Richard ist es – Glocken geläutet – Zum Kommandanten von Thierstein geschickt, daß er mit Soldaten kommt, – er darf nicht fort!


Einige ab, bald darauf Glockengeläute, Auflauf und Lärm draußen.
KÖNIG RICHARD.
Wie wohl
Wird mir – Ists mir doch, als schaukelte mich wieder
Die Wiege oder das Gewog des Kampfes – Horch,
Die Stimmen, Glocken und die Hörner schallen,
Ringsum Tumult – Empor mein Mut, mein Geist,
[145] Signale, die mir kein Orkan zerreißt –

Zu den Anwesenden.

Jetzt ehr ich euch, von meiner Hand zu fallen!

Er schlägt die zunächst auf ihn Andringenden nieder.
MATTHIAS.

Welch ein Glück, daß er kein Schwert hat, weil er es unter dem Mönchskleide nicht verbergen konnte – Halter, seine Faust stürzt auf uns nieder, wie ein losgerissener Eichbaum auf den Wanderer!


Lärm und Tumult wird auf der Szene und draußen immer größer.
KÖNIG RICHARD.
Die Übermacht wird sicher mich bezwingen –
Was schadets aber, bis zuletzt zu ringen?

Mit den ihn immer dichter umdrängenden Österreichern im Kampfe ab.
2. Szene
Zweite Szene
Vor der Festung Thierstein, an einem hervorspringenden Turm derselben. Einige Stockwerk hoch mehrere Fenster im Turme, aber mit Eisen vergittert. Noch immer Glockengetön, Hörnerschall und Zeichen des Auflaufs in der Gegend, die sich jedoch gegen Ende des folgenden Monologs verlieren.

BLONDEL
ritterlich, als Minnesänger gekleidet, tritt auf mit der Laute.
Sie führen hier, im Lande seines Feindes,
Einen Gefangnen in diese Schreckensveste –
Und dieser Einzelne erregt so arg die Furcht
Des Landes, daß Heerscharen auf den Wegen ziehn,
In Näh und Ferne sich das Volk versammelt – –
– Verwundete, das Haupt geschmettert in
Die Brust, trägt man davon – – Du ahnest recht,
Blondel – Das ist der König, der zugleich ein Heer
Ist an sich selbst – Hier schlägt das Löwenherz –
Ich hör es nur zu deutlich an den Kriegs-
Und Glocken-Tönen – Immerdar klang so
Sein Schlag! – Ihr Toren, meint in diesem Winkel
Es zu verstecken, das die Welt erfüllt
[146] Mit seinem Ruhm?
O Richard, o mein Leu,
Ob dich die Welt auch läßt, Blondel bleibt treu!
– – Horch, Lärm im Turm – Nun wieder still –
Sollt er dort hinter jenen Fenstern weilen? –
Wie mag ich es erfahren?

Sich umblickend.

Ringsum niemand –
– – Ha, Lied der Liebe,
Von ihm gesungen, wenn er nach Gefahr
Und Schlacht zuerst an Margaretha dachte,
Die dunkellockge Gräfin Hennegaus,
Ertöne! – Ist es Richard, er versteht es,
Gibt Antwort mir und sagt mir den Refrain.

Er rezitiert zur Laute.

»Meine Brust versengten Fieber,
Sengten wie der Wüste Brand,
Mein Aug ward trüb und trüber,
Und aus dem Schattenland
Streckt schon der Tod die finstre Hand –
Da naht mein Lieb mit heitrem Blick,
Und Tod und Fieber fliehn zurück.«
Wie? schweigt er? Sagt nicht den Refrain? – Weh mir,
Ich kenne ihn zu gut – Wenn Richards Atem
Hier wehte, hört ich den Refrain, und wärs
Sein letzter Hauch – Ach, fort Blondel, und suche
Das Löwenherz woanders, – Jammer, fändest
Du es im Grabe erst!

Gewaltige Tritte im Turm und mächtiges Rütteln an den Eisengittern der Fenster.

Ha, was ist das?
Sein Tritt und seine Hand! O meine Tränen!
Gegrüßt seid mir, sonst meines Schmerzes Zeichen,
Jetzt meiner Freude Perlenschmuck!
KÖNIG RICHARD
im Turm.
»Laut ruf ich es und ohn Erröten,
Das süße, werte Weib,
Es hilft in allen Nöten,
Und tröstet Seel und Leib.«
BLONDEL.
O Donner
Der Sarazenenschlacht! Ich hör euch wieder! Blitze
[147] Der Freude funkeln um euch, meine Stirn
Verklärend!

Er rezitiert wieder.

»Rings umfangen von Gefahren
Focht ich in der wilden Schlacht,
Und des Sultans Reiterscharen
Drangen ein wie Sturmesmacht,
Schon sank mein Arm und überall wards Nacht –
Da ruf ich meine Dame an,
Und siegend brech ich blutge Bahn!«
KÖNIG RICHARD
im Turm.
»Ich ruf es laut und ohn Erröten,
Das süße, werte Weib,
Es hilft in allen Nöten,
Und tröstet Seel und Leib.«
BLONDEL.
Da fliegt ein Adler – Stimme fliege höher!

Er rezitiert.

»Laßt das Feldgeschrei ertönen,
Wie im ungestümen Meer
Stürme sausen, Donner dröhnen,
Alles toben um mich her,
Ich stehe hoch, ich stehe hehr, –
Kein Schicksal mich zu Boden fällt,
So lange Sie empor mich hält!«
KÖNIG RICHARD
im Turm.
»Ich ruf es laut und ohn Erröten,
Das süße, werte Weib,
Es hilft in allen Nöten,
Und tröstet Seel und Leib.«
BLONDEL.
Nun aus dem Stegreif – Hat er mich erkannt,
So deutet er es in der Antwort an.

Er rezitiert.

»Neid und tücksche Rachgier lauern
Nachts im Wald dem Leuen auf,
Bannen ihn in dunkle Mauern,
Treue leitet Blondels Lauf –
Harre, Löwenherz, bald springt dein Kerker auf.«
KÖNIG RICHARD
im Turm.
»Blondel von Nesle, Sängerkönig,
Wähnst du, man kennte deinen Ton so wenig?
– O wäre Margot nur bei mir,
[148] Der Himmel wahrlich glänzt' auch hier!
– Ich ruf es laut und ohn Erröten,
Das süße, werte Weib,
Es hilft in allen Nöten,
Und tröstet Seel und Leib!«
BLONDEL.
O Richard, o mein Held, du bists! Ich küsse
Wie deines Kleides Saum der Feste Mauer,
Denn sie umschließt dich – Eh die Sonne, die
Sich dort schon an den Bergeshöhen senkt,
Verschwindet, mußt du frei sein, und in Freiheit
Muß sie mit ihrem letzten Strahl dich kränzen!
Alles versuch ich, Schwert und List!

Österreichische Soldaten und Landleute sind mittlerweile aufgetreten, haben Blondel und Richard behorcht, sich hinterrücks dem ersteren genähert, ergreifen und entwaffnen ihn jetzt.
EINER VON IHNEN.

Das Versuchen ist nicht nötig – bist schon gefangen – Wir haben dich belauert – Du pfeifst den Vogel in der Festung nicht heraus.

BLONDEL.
Was tat ich? Darf man hier zu Land nicht singen?
DER ÖSTERREICHER.

Freilich darf man, – doch nicht so verdächtig wie du von Löwenvieh, und Damen, und derlei übermütgen Geschöpfen – »Wenn du mein Schätzel bist« oder »Wenn ich ein Vöglein wär«, das sind Lieder nach Land und Sitte.

BLONDEL.
O Richard, kann ich dich denn nicht befrein,
So sei's mir Ruhm, mit dir in Haft zu sein!
KÖNIG RICHARD
im Turm.
Ist nichts euch Hunden heilig? Wagt ihrs gar,
Den Sänger zu berühren? Heiden selbst
Verehrten ihn!
DER ÖSTERREICHER.
So schlimmer. Wir sind halter gute Christen.
KÖNIG RICHARD
im Turm.
Georg und Margaretha –
Das Fenster auf – ich brach schon festre Schlösser
Als dieses – Wart – ich steh dir bei, Blondel!

Er zertrümmert das Fenster, blickt hinaus, wird aber von hinten vom Kastellan des Schlosses und dessen Reisigen ergriffen.

Was? darf man hier zu Land nicht aus dem Fenster sehn?
[149]
DER KASTELLAN.
Nein, man darf es nicht, wenn es der Erzherzog nicht will, oder wenn man es aufbricht wie du.
KÖNIG RICHARD.
Blondel! – Sie halten ihm den Mund zu, – laßt
Ihm den doch offen – Mehr als ihr zusammen
Wert seid, ist schon von ihm gedichtet – Sie schleppen
Ihn fort – O wär ich frei – Ich wollte euch
Und euren Herzog – Tod und Hölle! Schau
Ich das, und kann nur fluchen?
DER KASTELLAN.
Zurück, Herr, sonst Gewalt –
KÖNIG RICHARD.
Ja Gewalt!
Die lieb ich auch!

Er ringt mit dem Kastellan und dessen Leuten.

»Ich ruf es ohn Erröten« –
– Du bist ein österreichischer Schurke!

Er hat im Ringen einen Arm frei gemacht und schlägt einen Reisigen zu Boden.

»Das süße, werte Weib« –
– O schlechter, häßlicher Spitzbube!

Schlägt wieder einen Reisigen zur Erde.

»Es hilft in allen Nöten« –
– Dir helfe Gott!

Wie eben.

»Und tröstet Seel und Leib« –
Ich will dich trösten, weder Arzt noch Pfaffen
Bedarfst du weiter!

Wie eben, aber die Übermacht überwältigt ihn und reißt ihn weg.

O!
DER KASTELLAN.
Schont ihn! Der Erzherzog und der Kaiser wollen ihn lebendig und nicht tot haben.
KÖNIG RICHARD
schon wieder tief in den Turm gerissen.
O wär ich tot,
So hätten sie nur meine Löwenhaut,
Die freilich ohn den Löwen nichts bedeutet,
Daß selbst nicht diesen Eseln davor graut,
Doch nun werd ich lebendig abgehäutet.
3. Szene
[150] Dritte Szene
Küste in Ostfriesland.
Vieles niedersächsische Volk, Männer, Frauen, Mädchen und Kinder am Strande liegend und umherstehend, darunter Christoph, Wehrfried, Bernhard, Gottfried usw.

CHRISTOPH.

Landsleute! hört ihr die See donnern? hört ihr sie jauchzen? Brauset und schäumt und springt, und schüttelt sie die Wogenkämme nicht wie ein Roß, auf welchem ein stolzer, ein mächtiger Reiter heransprengt, die Mähne? der Herzog ist auf ihr! Sie fühlt es, sie weiß es!

BERNHARD.

Er kommt, er kommt zurück! Und, wie die Sonne den Morgen bringt, bringt er wieder die alte, große Zeit.

WEHRFRIED.
Meint ihr, er hätte sie in der Tasche, und könnte sie mitnehmen und wiederbringen wie eine Nuß?
CHRISTOPH.

Als er noch herrschte, waren wir Sachsen – Was sind wir jetzt geworden, seit uns der Barbarossa in Stücken schnitt, wie der Schlächter den getöteten Stier – Oldenburger, Holsteiner, Schaumburger, Lipper, und Gott weiß was, jeglicher klein genug, daß jeder Große ihn fressen kann wie eine Wurst! – Als der Löwe noch herrschte, wir seine lebendigen Glieder waren, – Tod dem, der einen von uns, wär er auch nur ein Härchen an seinem Fell gewesen, angerührt hätte.

WEHRFRIED.

Das Schlimmste ist, daß wir, seit wir tausend kleine Herren haben, auch tausendmal mehr geplagt werden, als wir nur Einen hatten. Früher konnte man wider die Adeligen Recht finden bei dem Herzoge, jetzt sind sie selbst Fürsten geworden, der Kaiser haust fern von uns und ist nicht unser Landsmann, – sie reiten auf ihren Jagden unsre Kornfelder nieder, pressen uns unser bißchen Gut aus, daß wir arm und hungrig sind wie die Kirchenmäuse, und Armut und Hunger, Freunde, machen Courage bis zur Begeisterung!


Es kommen neue Volkshaufen.
CHRISTOPH.

Seht da! Stormarn, Dittmarsen, alles kommt heran, – ganz Norddeutschland stürzt sich dem Gewaltigen entgegen wie der Strom dem Strudel.

WEHRFRIED.
Die Armut und der Hunger!
BERNHARD.

Wiederhole das nicht, Wehrfried – Wir hungern [151] jetzt auch, der Regen fällt dicht hernieder, der Sturm braust durch unser Haar – aber weder Hunger, Sturm, noch Regen haben in den vierzehn Tagen, während welcher wir hier liegen und warten, unsren Eifer und unser Feuer für den Herzog auswehen und auslöschen können.

WEHRFRIED.

Pah – ich warte selbst, bin selbst begeistert – aber so reine Begeisterung, wie ihr träumt, gibt es nicht – es sitzt immer dabei etwas hinter dem Berge.

CHRISTOPH.

Und seht ihr, Leute, daß selbst Fürsten denken wie wir –? Hält dort im Osten auf dem Felsenblocke am Strande nicht auf hohem Hengste der Slavenfürst Borvin, und dort im Westen nicht ebenso der Graf von Borgholt?

BERNHARD.
Sie steigen kaum bei Nacht ab.
CHRISTOPH.
Wie unsere Augen blicken sie, vorne vor allen Haufen, spähend in das Meer.
WEHRFRIED.
Aber es kommt noch immer kein Schiff – Sollte der Löwe nicht ausbleiben?
CHRISTOPH.

Ausbleiben? Er? Wenn man ihn erwartet? – Hat er nicht seine Brut, den Prinzen Heinrich vorausgesendet? Ist der nicht schon längst in der Pfalz, um sich mit Agnes der Hohenstaufin –

WEHRFRIED.
Besser, sie wär eine Welf in.
CHRISTOPH.

– die ihn ungeachtet des Hasses ihres Hauses gegen die Welfen liebt, zu vermählen? Meinst du ein Löwe verließe seine Jungen? Dazu sind Löwenjungen zu selten und zu gut.

GOTTFRIED
zu Christoph.
Alter, wie sieht er aus? Ich bin noch jung und sah ihn nie.
CHRISTOPH.

Er hat ein doppeltes Gesicht – Soll ich dir sagen, wie er aussieht, wenn er seine Gemahlin anlächelte, oder wenn er in der Weserschlacht zürnend die bluttriefende Fahne schwang?

GOTTFRIED.
Sage beides.
CHRISTOPH.

Nun – wenn er lächelte, war es, als bräche die Sonne aus den Wolken, warm wurde es jedem um das Herz, und in der Brust quollen Lust und Freude auf, man wußte nicht woher, wie die Kräuter im Frühjahr. Wenn die Falten der breiten, ehernen Stirn sich zur Heiterkeit auflösten, bei Gott, es war als börsten Felsentore auseinander und zeigten da, wo man es am wenigsten vermutete, die Pforten des Himmels.

[152]
GOTTFRIED.
Und wenn er zürnte?
CHRISTOPH.

Schrecklich – Da steht er, und ich muß wegsehn – Das Gesicht schwarz, durchwölkt von geschwollenen Adern, – das Auge funkelnd und lechzend, wie der isländische Hekla, – das Schwert wild in der Luft, daß sie erklang – die Füße auf winzelnden Sterbenden, Könige unerkannt darunter, wie Korn in der Spreu, und die Stimme laut wie der Donner, aber entsetzlicher, denn der Donner brüllt nur, bei ihm verstand man aber, was er sagte.

BERNHARD.
Der Fürst Borvin erhebt sich hoch im Steigbügel –
GOTTFRIED.
Auch der Graf Borgholt –
BERNHARD.
Und beide deuten mit weitausgestrecktem Arm in das Meer, und dann winkt der eine dem andern zu.
VIELE AUS DEM VERSAMMELTEN VOLKE.
Ein Schiff! ein Schiff! ein Schiff!
CHRISTOPH.

Er ists! er ists! Er stürmt heran! – O Brüder, Freunde! Das noch zu erleben! – Der Wind droht alle Segel zu zerreißen, und doch sind sie aufgespannt, und schlagen wie volle Busen unsrer Küste entgegen, selbst auf die Gefahr daran zu zerschmettern – Das ist des Löwen Kühnheit und Sehnsucht!

GOTTFRIED.
Auf dem Verdecke steht ein Mann mit einem Knaben, und sieht starr nach dem Strande.
CHRISTOPH.

Ja, ja, ein Mann, ein Mann! Sag nur der Löwe! Tod und Jammer, sein Haar ist weiß geworden! Fällt auch auf solche Häupter Schnee? Mein Haar reiß ich aus!


Fürst Borvin und Graf von Borgholt sprengen zu Pferde herein.
GRAF BORGHOLT.
Der Herzog naht auf jenem Schiff, und deutet
Mit seinem Winke an, daß er hier gern
Einsam will landen Ziehet euch zurück.
FÜRST BORVIN.
Zurück! zurück! Folgt ihm als wärs eur Vater.
CHRISTOPH.
Er ist weit mehr, Fürst, er ist unser Herzog.
BERNHARD.
Er winkte uns zurück? Das glaub ich nimmer!
GRAF BORGHOLT.
Ehrt die Gefühle, welche ihn erschüttern,
[153] Wenn er nach langen Jahren der Verbannung
Auf Deutschlands Boden wieder tritt.
FÜRST BORVIN.
Zurück!
Zurück! Soll ichs euch mit der Peitsche lehren?
Dort lagert euch still hin, und harret, bis
Er ruft.
CHRISTOPH.
Herr Slavenfürst, mit Eurer Peitsche
Treibt in die Ställe Eur leibeignes Vieh
Wir Sachsen aber wissen Euren Peitschen
Ein wenig scharf, mit Schwertern zu begegnen.
FÜRST BORVIN.
Wie, Hunde, trotzt ihr?
CHRISTOPH.
Welfen, heißt es, Welfen,
Der Welf trotzt jedem Slaven, ganz besonders
Wenn er den Herzog nahen sieht.
GRAF BORGHOLT.
Ihr wagt
Zu hadern, und der Löwe kommt! Nur Lust
Und Jubel sollten jedes Herz erheben
Schämt euch!
FÜRST BORVIN.
Wahr ists, Graf Borgholt Heinrich kommt

Zu Christoph.

Wir sind versöhnt!
CHRISTOPH.
Es sei! in Heinrichs Namen!
GRAF BORGHOLT.
Und nun zurück!

Fürst Borvin, Graf Borgholt und das Volk ziehen sich hinter die die Szene umgrenzenden Büsche und Bäume zurück. Heinrich der Löwe steigt mit seinem Sohne Otto aus dem am Ufer gelandeten Schiffe und tritt in die Szene.
HEINRICH DER LÖWE.
O Heimat, Heimat, meiner Größe Land
Und meines Falles Heilge Erde, sei
Gegrüßt Kein Kind stürzt sehnender
An seiner Mutter Brust, als ich an deinen Schoß.
OTTO.
So schön wie Englands Küste, Vater, ist
Doch diese nicht.
HEINRICH DER LÖWE.
Sieh erst die Alpen ragen,
Hörs deutsche Herz zum deutschen Schwerte schlagen,
Sieh erst den Rhein durch Laubgehänge ziehen,
Unschuld auf unsrer Jungfraun Wangen blühen,
Und rufen wirst du: von den Landen allen,
Will doch das deutsche mir zumeist gefallen.
[154]
OTTO.
Ach, meine Mutter war aus England!
HEINRICH DER LÖWE.
O
Mathildis Du ihr Bild Laß dich umarmen
Ja, denkt man ihrer, so mißschätzt man leicht
Die Welt! Du weinst? Verbirg es nicht Nicht lob
Ich Tränen, aber mehr als Edelstein
Sei jede wert, die ihrem Angedenken rinnt.
Ich fand in ihr des Ozeans schönste Perle
Und trug sie jubelnd hierher durch die Flut
Mein Leben war nur Nacht und Sturm Sie war
Der Stern, der durch die Wolken brach
Wie oft hab ich an seinem Glänze mich
Erquickt! O Gott ich wünschte fast, daß ich sie nie
Besessen, denn ich mußte sie verlieren!
Westminsterhalle, Westminsterhalle, halt
In deiner gierigen Gewölbe Schlünden
Nicht mehr die Edelsten der Toten,
Laß deine breiten Marmorquadern endlich
Vor all den Fürstenzähren welche Tag
Und Nacht drauf strömen, sich erweichen, sich
Auflösen Gib die Toten wieder!

Mit dem Fuß auf die Erde stampfend.

Mir
Mathildis wieder! wieder!
OTTO.
Meine Mutter! meine Mutter!
HEINRICH DER LÖWE
wieder gemäßigter.
Ging
Dahin, von woher niemand rückkehrt Weine
Nicht länger Hilft dir nichts Ich rief schon oft
Zu ihr ms Grab, doch nicht einmal ein Echo
Schallt draus hervor Das Gute schwindet, nur
Erinnrung bleibt. Drum, so lang du atmest,
Erinnre dich an sie, wenn dir im Römer
Der Saft der Traube blinkt, so denk an Sie,
Und Götternektar wirst du schlürfen, wenn
Des Lebens Mühn dich drücken, denk
An Sie, und freudig trägst du deine Last, -
Wenn dir die Sünde, die Versuchung nahn,
So denk an Sie, und du bleibst rein
Wie frischer Schnee, denn nimmer kann das Böse
Mit ihrem Angedenken sich vermischen.
OTTO.
Wie könnt ich doch der Mutter je vergessen?
[155] Sie spielt ja jetzt noch mit mir in den Träumen.
HEINRICH DER LÖWE
sieht auf den Boden.
Wie hab ich in den finstern Jahren der
Verbannung, diesen Augenblick, wo ich
Der Heimat Boden wiederseh, ersehnt
Nun ist er da, und statt erträumter Wollust
Ein namenloser Schmerz Wie eine Leiche,
Bedeckt von Wundenmalen, liegt da die
Vergangenheit, und stiert verwundrungsvoll mich an,
Daß ich den Deckel ihres Sargs gehoben
Die alten Freuden und die alten Taten
Umwandeln mich gespensterhaft, und blicken
Mich höhnisch an, daß ich nicht mehr vermag
Sie zu genießen, zu vollbringen.
Die ganze Gegend ist mir nur die Spur
Von dem, was war

Sich umblickend.

Wie wird mir? Sitz ich bei
Der Abendlampe, les in einer Chronik?
Die wilde Heide hier, vom Meer bespült,
Mit ihren struppgen Büschen, starren Fichten,
Ist sie es selber, oder ists ein auf-
Gerolltes Buch mit ungeheuren Lettern,
Die die Geschichte meines Lebens mir
Erzählen?
Ja, dies ist die Stelle,
Wo ich nach jenem Weserkampfe mit
Ihr weilte Hier, hier lag ich flüchtig und
Verzweifelnd kaum aufatmend unter
Der eignen auf mich hingestürzten Macht
Der große Sachsenherzog zu 'nem Wurm
Gekrümmt Und dort stand Sie, so wunderhold,
So engelmild, so männlich stark, und goß
Mit linden Worten Balsam in die Wunden
Ich richtete mich auf die süßen Klänge drangen
In meine Brust, wie Tau in eine Blume,
Breit ward sie wieder, und die Wange
Ward wieder rot, ich lächelte des Unglücks.
Alt ward ich unterdes, still wards um mich,
Doch immerdar,
Wie Abendglocken, hör ich es noch tönen:
[156] »Weit mächtiger als in des Glückes Schimmer,
Durchtönt jetzt deine Stimme mir die Brust,
So unermeßlich liebt dich die Gemahlin,
Daß sie sich stark glaubt, Land und Volk und Ruhm
Durch ihres Herzens Schläge zu ersetzen!«
Mathildis, ewig stehst du mir auf dieser Stätte,
Und schaust, wenn nicht in jenen Ozean,
Doch ewig in den Ozean meines Lebens.
OTTO.
Hinter den Büschen stehn Leute, Vater, – sehn
Uns an.
HEINRICH DER LÖWE.
Sie mögen – Sehn sie meine
Vergangenheit, so sehen sie nur Größe –! –
– Und hier verblutete in meinen Armen
Der Landolph, der getreue, reisge Knecht –
Tot und verweset auch – doch bei Mathildis,
Die mit dem Schleier seine Wunden ihm
Verband, soll er in meinem Herzen immer leben,
Nie wieder find ich solche Kraft und Treue! –
– – Und meiner Freunde nur sollt ich gedenken?
'Nen Feind hatt ich, weit größer als sie alle,
Und unaufhaltsam, eine donnernde Lauwine,
Stürzt mir sein Name in die Brust – Heil jedem,
Der eines solchen Feinds sich rühmen darf!
– O Friedrich! Kaiser! wär ich doch vor dir
Dahingesunken an der Weser Ufern,
Nie schlug mir meine fürchterlichste Stunde
Die Botschaft deines Todes zu! – Und schienst
Du auch mein Gegner auf der Erde – Vor
Dem Himmel, tief im eignen Busen, wars
Ganz anders – Wie wir auch einander uns
Bekämpften, Völker riefen, mitzustreiten –
Ich weiß und fühls nur zu gewiß,
Du warst mein Herz und ich das deinige! – –
– Und nun genug! Elend die Tränen, wenn
Nicht Taten auf sie keimen – brennen sie
Wie Feuer, müssen sie dem Feuer gleich
Auch zünden, ob auch Land und Stadt darob
Zu Grunde gehen – Ich bin Greis, bin schwach –
Doch Welfe bin ich auch –
Hie Welf!
[157]
FÜRST BORVIN, GRAF BORGHOLT, UND DIE ÜBRIGEN VOLKSHAUFEN
hervorspringend, und den Löwen jubelnd umzingelnd.
Hie Welf!
HEINRICH DER LÖWE.
Ha! widerhallte noch in den deutschen Gauen,
Das große, das uralte Wort, die Losung
Zum Tilgungskampf des Nordens mit dem Süden?
O meine Sachsen, ihr seid doch das treuste,
Gewaltigste der Völker – Unermeßlich
Wie eure Waldungen ist eure Kraft,
Ist eur Gedächtnis.
CHRISTOPH.
Eher reißt du mit der Hand
Des Forstes stärkste Eiche aus dem Boden,
Als deinen Namen uns aus unsren Herzen!
Zu tief, o Löwe, hast du da dich ein-
Gekrallt!
FÜRST BORVIN UND GRAF BORGHOLT.
Gegrüßet Löwe, Sachsenherzog.
HEINRICH DER LÖWE
zu den beiden.
Wer seid ihr?
GRAF BORGHOLT.
Als wir dich das letzte Mal,
Da unsre Väter dir in Braunschweig huldigten,
Erblickten, waren wir noch Knaben. Dieser
Ist Fürst Borvin, ich bin Graf Borgholt.
HEINRICH DER LÖWE.
Wahrlich,
Ihr seid zu tüchtgen Männern aufgewachsen.
FÜRST BORVIN.
Nach deiner Herrschaft sehnt der Slav sich wieder.
Es sagen unsre Greise, daß du sie mit Strenge
Geübt hast, aber auch mit Stärke. Wo
Die Stärke, da verzeiht man leicht die Strenge. Selbst
Der Kaiser wagte nicht, wo du gebotest,
Die Hand ins Spiel zu stecken – Jetzt ists anders!
HEINRICH DER LÖWE.
Kanns gar leicht denken – Es war oft im Zweifel,
Wer mehr sei, Sachsenherzog oder Kaiser?
FÜRST BORVIN.
Seit du gefallen, drängt wie Ungeziefer
Sich aus dem Boden Freiherr, Gräflein, Bürger,
Der Kaiser selbst, nach jedesmalgem Zweck
Bald diesen und bald jenen unterstützend.
Dazwischen raufen alle sich um Stückchen Landes,
[158] Um Rechte, Privilegien, und wie
Sie sonst es nennen mögen, denn sie wissen
Oft selbst nicht, was es ist. Zuletzt versöhnen
Sie sich gewöhnlich auf der Slaven Kosten –
So ists jenseits der Elbe.
HEINRICH DER LÖWE
zum Grafen Borgholt.
Und wie diesseits?
GRAF BORGHOLT.
Nicht besser. Jeder Stärkre drückt den Schwächren,
Und alle drückt der Kaiser. Läppisch ists,
Ein Kind siehts ein – Auch ich war freier Herr
Durch deinen Fall geworden, doch ich zieh es vor,
Dem Sachsenherzoge Vasall zu sein,
In seiner Größe selbst mich groß zu fühlen,
Als klein im Kleinen zu regieren.
FÜRST BORVIN.
Ja, lieber Knecht, als dieses Wesen tragen.
GRAF BORGHOLT.
Nicht so, Borvin, das ist ein Unterschied:
Den Knecht umfesselt seine Kette, den
Vasallen seine Ehre.
HEINRICH DER LÖWE.
Denken auch
Die Städter so wie ihr? Ich seh hier keinen.
FÜRST BORVIN.
Die Städter, Herr, sind just die Schlimmsten. An
Den höchsten Baum laß ich sie knüpfen, wo
Ich sie ergreife.
GRAF BORGHOLT.
Unerträglicher
Ist nichts als dieser Stolz, als diese Gier
Der Bürger – Wie ein ungewohntes Kleid
Hängt ihre neue Freiheit ihnen um
Den Nacken, – sie sind stolz, nicht, weil das Herz
Sie stolz macht, nein, sie sind es nur,
Um uns zu überstolzen.
HEINRICH DER LÖWE.
– Wisset ihrs,
Ihr Herren? Ihr habt alles, und habt nichts –
Der Herzog fehlt euch.
– Wie mit Bardewick?
GRAF BORGHOLT.
Du wähnst, daß diese Stadt dir treu sei, weil
Du sie so sehr beschützt hast? – 's ist vergessen!
Des Schützers denkt man länger nicht, als man
[159] Ihn nötig hat – Wir foderten sie auf,
Mit uns für dich sich zu vereinen – Spott
Und Lachen war die Antwort.
HEINRICH DER LÖWE.
Lachen, Spott!
– So lernet, Würmer, was es heißt des Leu'n
Zu spotten –

Zu dem versammelten Volke.

Kinder, ihr seid ganz durchnäßt,
Ihr friert!
CHRISTOPH.
Wir spürens wenig, denn
Du bist ja wieder da!
HEINRICH DER LÖWE.
Ich will euch wärmen
Und trocknen – es ist Vaters, Herzogs Pflicht – Kennt
Ihr Bardewick?
CHRISTOPH.
Wer kennt die Stadt nicht, voll
Von Kaufherrn?
HEINRICH DER LÖWE.
Bald sehr leer von ihnen. –
– Wir stürmen sie, und festlich wärm und trockne
Ich euch am Brande ihrer reichsten Häuser.
WEHRFRIED.
'Ne teure, aber gute Heizung für
Uns Bauern.
HEINRICH DER LÖWE.
Werter als die Bürger seid
Ihr mir. Wenig tat ich nur für euch, und alles
Für sie – Undank mein Lohn von dem Gesindel, –
Ihr liegt im Regen und erwartet mich,
Sie ruhn auf Polstern, die sie mir verdanken,
Und lachen meiner –

Zu Fürst Borvin und dem Grafen von Borgholt.

Ordnet schnell die Scharen
Gen Bardewick – Und wißt, nicht bloß aus Rachsucht
Bekämpf ich es – Eh ich nach Braunschweig ziehe,
Muß ich mit einem festen Platz den Rücken
Mir decken – Bardewick ist gut dazu –
– Dann wider Kaiser Heinrich, wie einst gegen
Den Barbarossa!
GRAF BORGHOLT.
Wie ich höre, soll
In Bardewick jetzt grade Jahrmarkt sein.
HEINRICH DER LÖWE.
Ich will der billigste Verkäufer sein,
Will Waren, Käufer, will die ganze Stadt
Sehr wohlfeil machen – Nicht den Pfennig soll
[160] Dort Mann und Weib und Kind heut wert sein – Ich
Geb alles euch, mit Gut und Leben, und
Umsonst!
ALLE ANWESENDEN.
Hoch Sachsenherzog, Leu von Braunschweig!

Heinrich der Löwe unter wilder Kriegsmusik mit allen ab.
4. Szene
Vierte Szene
Der Garten des Bürgermeisters Rudlieb auf einer Anhöhe bei Bardewick.
Der Bürgermeister und der Ratsherr Hagener kommen. Hinter ihnen Diener.

BÜRGERMEISTER RUDLIEB.
Man hat hier in der ganzen Gegend die beste Aussicht.

Zu den Dienern.

Setzt die Bänke und Stühle hieher –

Es geschieht.

Gut so –

Zu dem Ratsherrn Hagener.

Laßt Euch nieder, Nachbar, und tut als wäret Ihr zu Haus.
RATSHERR HAGENER.

An Tagen wie heute, wo Jahrmarkt ist, bin ich gern außer der Stadt. Das Gedränge, Getöse, das Hin- und Herlaufen ist mir fatal, wie ein losgelassener Bienenkorb.

BÜRGERMEISTER RUDLIEB.

's ist wahr – So aus der Ferne, in Ruhe und behaglich wie hier, bei ein paar Flaschen Wein, hör ich gern die gedämpfteren Klänge des Jahrmarktlärmens, sein Gespiel und seine Tanzmusik herüberschallen.

RATSHERR HAGENER.

Was wir für einen gesegneten Herbst haben, Herr Bürgermeister. Seht einmal das Getreide! Die gelben Kornfelder wogen so schwer über die Ebenen und Hügel, als sollten sie darunter brechen.

BÜRGERMEISTER RUDLIEB.

Die Felder da gehören mir, aber ich glaube, ich habe sie zu teuer gekauft. Ich hätte das Geld sollen in die Handlung tun, es verzinset sich besser.

RATSHERR HAGENER.

Herr Nachbar, hätt es sich auch mehr verzinset, ich lobe mir einen sicheren ruhigen Besitz dazu, [161] wie ihn die Grundstücke gewähren.

BÜRGERMEISTER RUDLIEB.

Deshalb laßt Ihr wohl so mächtig an Eurem neuen Hause zimmern. Es ragt schon über alle andren Häuser mit seinem roten Dache wie ein Hahnenkamm hervor.

RATSHERR HAGENER.

Ich leugne nicht, es ist mir erst recht wohl, wenn ich Winters so in meiner warmen Stube, schön im Hause gelegen, sicher vor aller Gefahr sitze, und dann denke: alles ist mein eigen.

BÜRGERMEISTER RUDLIEB.
– Sind Eure Schiffe mit Pech und Pottasche aus der Ostsee zurück?
RATSHERR HAGENER.

Gottlob, und gut beladen, unter Peter Klausen. Es war höchste Zeit, denn es heißt wieder, der Däne sperrte den Sund.

BÜRGERMEISTER RUDLIEB.

Daran sind die Lübecker schuld; – sie beneiden unsren Bardewickschen Handelsflor, der ihnen über den Kopf wächst, und stecken sich jetzt hinter die Dänen, um uns wenigstens die Ostsee zu verschließen.

RATSHERR HAGENER.

Bardewick bleibt doch oben, wenige Jahre habens bewährt, – es hat den Keim zu einer Eiche, Lübeck nur zu einer Schlingpflanze.

ELISABETH
kommt.
Guten Abend, lieber Vater, und geehrter Herr Nachbar.
BÜRGERMEISTER RUDLIEB.

Du kommst wie gerufen, Tochter. Geh hin, hilf das Abendessen besorgen, und laß es hieher bringen. In der freien Luft schmeckt es noch einmal so köstlich.

RATSHERR HAGENER.
O ich bitte –
BÜRGERMEISTER RUDLIEB.

Nur still, still – Ihr müßt heute bei mir vorlieb nehmen – nur Hausmannskost, ein wenig Kaviar und ein paar Austern dabei, dazu ein gutes Glas Rotwein, den gestern meine Seefahrer mir aus Bordeaux mitgebracht haben.


Elisabeth ab.
RATSHERR HAGENER.

Eure Tochter ist doch die schmuckste; Dirne des Ortes. Hütet Euch nur vor dem Albrecht, dem jungen Ratsschreiber, sie scheint mit ihm zu liebäugeln.

BÜRGERMEISTER RUDLIEB.
Der arme Lump meine Tochter? Eher sollen Wasser und Feuer sich vermählen.
RATSHERR HAGENER.

Was meint Ihr zu meinem Sohn, dem Hermann? War der nicht ein Bräutigam für sie? Unsre [162] Äcker, unsre Wiesen, unser Handel berühren sich –

BÜRGERMEISTER RUDLIEB.

Na, da werden die Herzen schon nachkommen – Herr Nachbar, laßt uns die Sache überlegen. Draus kann etwas werden.

RATSHERR HAGENER.

Wären nur die Zeiten nicht so bedrängt, – wenn uns nur der Löwe von Braunschweig nicht stört – Er ist wieder gelandet.

BÜRGERMEISTER RUDLIEB.

Der alte Kerl wird sich freuen, wenn er nur selbst nicht auf dem Todesbette, worauf er bald einschlafen muß, gestört wird. Kaiser und Reich halten mit uns, und auch wir können ihm wehren durch unsre Stadtwälle, unsre Stadtwachen.

RATSHERR HAGENER.
Er tat uns früher manches Gute.
BÜRGERMEISTER RUDLIEB.

Danks ihm der Teufel. Er tats nur, weil es ihm selbst nützte, weil, je mehr wir emporkamen, so mehr ihm unsre Zölle einbrachten.

ELISABETH
mit Dienern, die das Abendessen auftragen, zurückkommend.
Hier, meine Herren, das Essen – O seht, wie schön geht dort die Sonne unter.
RATSHERR HAGENER.

Jungfer, das kann ich eben nicht sagen. Sie ist schrecklich rot, ein weiter Dunstkreis umweht sie, wie einen Löwen die Mähne, – wir bekommen böses Regenwetter.

BÜRGERMEISTER RUDLIEB.
Wie kommt Ihr auf Löwenmähnen?
RATSHERR HAGENER.
Nun, es fiel mir so ein, und der Braunschweig sitzt mir auch immer im Kopfe.
BÜRGER VON BARDEWICK
stürzen herein.

Herr Bürgermeister, Herr Ratsherr, auf! auf! Der Löwe von Braunschweig naht – Schwert und Feuer ringsum, in allen Städten und Dörfern, und immer näher auf uns zu – Helft, helft – rettet!

RATSHERR HAGENER.
Ha, war das die blutrote Sonne?
BÜRGERMEISTER RUDLIEB
verwirrt.
Die Wälle besetzt – Den Rat versammelt, – aufs Rathaus – Ein Dekret gegeben –
RATSHERR HAGENER.

Das wird was helfen! Meint Ihr, Herr Bürgermeister, wir hätten es mit einem armen Teufel aus dem Plebs zu tun, den der Ratsdiener exequieren kann?

BÜRGERMEISTER RUDLIEB.
Nun denn – mindestens zur Stadt! zur Stadt!
RATSHERR HAGENER.
Ihr geht ja den verkehrten Weg.
BÜRGERMEISTER RUDLIEB.
Verkehrt – ja so, – richtig, dort liegt die Stadt.
[163]
RATSHERR HAGENER.
Fort, fort! Da sprengen schon die vordersten slavischen Reiter des Fürsten Borvin durch das Korn.
BÜRGERMEISTER RUDLIEB.
Durchs Korn? durch unser Eigentum, die Gottesgabe? Ist das erlaubt?
RATSHERR HAGENER.
Zur Stadt! zur Stadt! Uns verteidigt – Leben, Häuser, Frau und Kinder, alles geht sonst darauf.
BÜRGERMEISTER RUDLIEB.
Sollte das möglich sein? – Meinen Stock her –
RATSHERR HAGENER.
Habt ihn ja in der Hand!
BÜRGERMEISTER RUDLIEB.
Elisabeth, meinen Hut – Mantel – Sind unsre Koffer fest verschlossen?
ELISABETH
die Hände ringend.
O Vater! Vater!
RATSHERR HAGENER.

Verschlossen? Sagt lieber versteckt – Denn finden die Feinde die Koffer erst, gebrauchen sie gewiß nicht Schlüssel, sondern Streitkolben und Äxte.


Truppen Heinrichs des Löwen, unter ihnen Wehrfried, treten auf.
ALLE ANWESENDE.
Weh, Weh, da sind sie!

Flüchten davon, bis auf den Bürgermeister, der vor Schrecken sich kaum zu rühren vermag.
WEHRFRIED.
Hoch Welf! Nieder, Herr Kaufmann!
BÜRGERMEISTER RUDLIEB.
Mein Gott, zurück den Speer, ich bin hier Bürgermeister und Patrizier.
WEHRFRIED.

Das ist hier ganz egal, Eure Hochwohlgeboren. Zwischen uns beiden ist nur der Unterschied, ob Ihr mich mit Eurem Käsemesser da an der Seite durchstechen könnt, oder ich Euch mit dieser Waffe niederstoße.


Er stößt ihn durch.
BÜRGERMEISTER RUDLIEB.

Weh mir – ich habe den Speer in der Brust – Unmöglich, es kann nicht sein, – und doch – Ich saß hier eben so ruhig –


Er stirbt.
Heinrich der Löwe mit Gefolge kommt.
HEINRICH DER LÖWE.
Sie sind bestürzt, sind überrascht! – Sturm, Sturm!
Die Graben durchgewatet, auf die Mauern!
Werft nach den Häusern, nach den Warenlagern
Pechfackeln – Krämer sinds – Nicht Geist, nicht Mut
Besitzen sie, – verbrennt ihr ihre Ballen, reißt
Das Geld aus ihren Fäusten, sind sie nichts!
[164] – Die Memmen rechneten und rechneten,
Und der Kalkül war richtig. – Es ging wohl
Mit ihrem Handel, ihrer Schiffahrt – Prächtig
Standen die Häuser und die Saaten – Torheit
War es gewesen, ihrem Herzog dankbar
Und treu zu sein – Sie brauchten seines Schutzes
Nicht mehr, sie waren reich genug – Nur neue
Abgaben hätt es ja gekostet – Schurken,
Das Eine habt ihr übersehn, ich bin
Noch stark genug, und führe noch ein Schwert,
Um eure Rechnungen wie eure Nacken zu
Durchschneiden!
Auf! Hie Welf!
ALLE ANWESENDEN.
Hie Welf!
GESCHREI DER BARDEWICKER
hinter der Szene.
Weh, Weh
Wir Armen! Weiter stürmen sie!
HEINRICH DER LÖWE.
Wie winzig
Und wie erbärmlich lautet dies Geschrei!
Wie anders tönte früher meinem Schlachtruf
Das donnernde »hie Waiblingen« entgegen!
O wieder solche Feind auf meinen Wegen!

Mit allen Truppen ab.
5. Szene
Fünfte Szene
Das erstürmte Bardewick.
Die Krieger Heinrichs des Löwen, unter ihnen Christoph, Wehrfried, Bernhard, Gottfried, dringen von jeder Seite herein. Überall Feuer, Rauch, Trümmer und Leichen. Bardewicker jammernd dazwischen.

ERSTER BARDEWICKER.
Meine Frau erschlagen, meine Tochter geschändet!
WEHRFRIED.
Das letzte war freilich nicht nötig, sie war schändlich genug.
ZWEITER BARDEWICKER.
Verbrannt alles! Alles Asche! Haus und Möbeln, Pferd' und Kuh!
CHRISTOPH.
Spottest du nun noch des Herzogs?
ZWEITER BARDEWICKER.
Ich heule, schreie über ihn zum Himmel!
[165]
WEHRFRIED.
Umsonst! der Himmel ist bekanntlich schwerhörig.
ERSTER BARDEWICKER.
Gott, o Gott, gestern und heute!
WEHRFRIED.
Heute ists besser; gestern lief hier schnödes Gesindel umher, heute ists fort.
HEINRICH DER LÖWE
mit Gefolge, Fürst Borvin und Graf Borgholt darunter.
Brennt weiter! – brennt! – Ein Brandmal werde dieses
Verräterische, undankbare Bardewick!
BARDEWICKER.
Gnade!
HEINRICH DER LÖWE.
Ihr jämmerlichen, unverschämten Buben,
Nur eure übermäßge Feigheit kann
Es wagen, Stirn und Hand emporzuheben
Und mich um Gnade anzuflehn! Ich wars,
Der euch begüterte, beschützte, – heuchelnd
Krocht ihr um meinen Fuß, solang ich Macht
Besaß, – doch seit ich sie verloren, wicht
Ihr von mir, wie die aufgescheuchten Vögel,
Und da mein Haar nun weiß, mein Auge dunkel
Geworden ist, lacht ihr mich aus! – Seid ihr so elend,
Daß ihr den Nutzen, ihr den schlechten Wucher
Der Ehr und eurem Herzog überschätzt,
Den Kaiser mehr als ihn scheut, weil der Kaiser
Der Stärkere jetzt scheint, so hättet ihr
Vor mir doch Ehrfurcht fühlen, aber nicht
(Was Barbarossa selbst nicht tat, und was
Sein Sohn, so wild er ist, gewiß nicht tun wird)
Mich höhnen sollen, – ihr kurzsichtgen Krämer,
Die ihr nicht weiter seht als eure Elle,
Die ihr gut wisset, was das Gold bedeutet,
Doch nicht, was ein empörter Geist will sagen! –
– Jetzt lache ich und eure Häuser brechen ein!
BARDEWICKER.
O Elend! Jammer!
HEINRICH DER LÖWE
zu seinen Kriegern.
Barmherzig seid! Kürzt den Rebellen ihr
Gewinsel, ihren Jammer ab, und schlagt
Sie tot!
BARDEWICKER.
Wehe! Wehe!

Sie werden erschlagen.
Zwei sächsische Gewaffnete kommen.
[166]
ERSTER GEWAFFNETER.
Die Stadt ist jetzt Ruine.
ZWEITER GEWAFFNETER.
Hier der Dom nur
Steht noch. Läßt du ihn niederreißen?
HEINRICH DER LÖWE.
Nein,
Als ewges Zeichen des, was diese Stadt
Einst war, soll er in fernste Zukunft ragen!
– Holt einen Eisenhammer –
Graf von Borgholt,
Kannst du Latein?
GRAF BORGHOLT.
Ich kanns mein Fürst.
HEINRICH DER LÖWE.
So will
Ich diese Trümmer, diesen Feuerqualm
Durch dich in die Weltsprache übersetzen,
Und jedem Fremdling sollen sie verständlich werden.

Der eiserne Hammer wird gebracht und Heinrich der Löwe übergibt ihn dem Grafen Borgholt.

Nimm ihn, und hau (denn daß du hauen kannst,
Sah ich soeben noch an deinen Schwerterschlägen)
In diese Platte über dem Portal
Des Doms, was ich diktiere:
Vestigia –
Hast du's?
GRAF BORGHOLT.
Da stehts.
HEINRICH DER LÖWE.
– leonis.
EIN REICHSHEROLD
tritt auf.
Bin
Ich hier im welfschen Lager?
HEINRICH DER LÖWE.
Ja, Reichsherold.
DER REICHSHEROLD.
Du kennst mich?
HEINRICH DER LÖWE.
O der Rock, den du da trägst,
Ist mir so gut bekannt, wie einst der Roßtrapp.
DER REICHSHEROLD.
Heinrich der Sechste ruft dich vor Gericht
Als Friedensbrecher, und gebietet dir
Bei Doppelstrafe Bardewicks zu schonen.
HEINRICH DER LÖWE.
Des Unsinns! Es gibt ja kein Bardewick!
DER REICHSHEROLD.
Herzog, treib keinen Scherz – Der Kaiser liebt
Ihn nicht.
HEINRICH DER LÖWE
auf Bardewicks Trümmer deutend.
Ist dieses Scherz?
[167]
DER REICHSHEROLD.
Gewiß nicht.
HEINRICH DER LÖWE
zeigt auf die Platte am Portale des Domes.
Also lies!
DER REICHSHEROLD.
Vestigia leonis.
HEINRICH DER LÖWE.
Mensch, das war
Einst Bardewick, so heißt es jetzt!
DER REICHSHEROLD.
Entsetzlich!
Erschrecklich!
HEINRICH DER LÖWE
kehrt dem Reichsherolde den Rücken, und wendet sich zu seinen Truppen.
Jetzt nach Braunschweig schnell – Noch einmal
Muß ich die Stadt sehn, wo ich bin geboren.
Ich kränkle und leicht könnt ich sterben, eh
Ich dort anlange, – aber dieser Zorn,
Der stärker ist als ich, bekommt mir wohl,
Und bis an Braunschweigs Tore möchten
Die Flammen Bardewicks noch wohl mein Blut
In Wärme halten –
Vorwärts! Vorwärts! Vorwärts!

Alle ab.

3. Akt

1. Szene
Erste Szene
Saal der Reichsversammlung in Hagenau. Ringsum Sitze, und mitten im Hintergrunde der Thron, prachtvoll mit den Symbolen des römisch-deutschen Kaisertums verziert. Nicht weit vom Thron ein Tisch mit Schreibmaterial für den Reichskanzler.
Agnes von der Pfalz und Prinz Heinrich von Braunschweig kommen.

PRINZ HEINRICH.
Ich zittre, Agnes.
AGNES.
Zittern? Pah! Ich zittre
Ja nicht einmal.
PRINZ HEINRICH.
Ich fürchte deinthalb!
AGNES.
Gar
Nicht nötig.
PRINZ HEINRICH.
Schrecklich wird sein Zorn sein.
AGNES.
Mag
Er schrecklich sein, – was tut das, wenn nur wir
Uns nicht davor erschrecken?
PRINZ HEINRICH.
Unsre Liebe
Wird er zernichten wollen!
AGNES.
Heinrich,
Wär das nicht ein Versuch, worüber
Du lächeln würdest?
PRINZ HEINRICH.
Eher reißt
Des Himmels ewiges Gewölbe auseinander,
Als unsre Liebe. Aber alles, alles
Wird er aufbieten, unsre Ehe zu
Zerreißen.
AGNES.
Kommt zu spät. Die Ehe ist
Geschlossen, Priesterhand hat sie geheiligt.
PRINZ HEINRICH.
Dich zu verlieren, Heißgeliebte – O
[169] Entsetzlich! – Agnes, wüst wird mir das Haupt,
Wenn ich dran denke! Erst war ich so mutig,
Wollte so kühn dem Kaiser trotzen – Jetzt,
Da ich ihm nahe, da die Stunde der
Entscheidung schlägt, werd ich verzagt, und sehe,
Statt aller Hoffnungen, nur die Gefahr,
Daß man dich wegreißt, Blume meines Lebens!
AGNES.
Reißt man mich von dir weg, so welk ich hin,
Und du mir nach – Das sei dein Trost – Jedoch
Der Vetter tut es nicht.
PRINZ HEINRICH.
Wird er uns schonen?
Hat er nicht Tusculum geopfert, um
Die Kaiserkron nur schneller zu erhalten?
AGNES.
Freund, Tusculum
Ist doch noch längst so viel nicht als zwei Herzen,
Die wie die unsrigen sich lieben.
PRINZ HEINRICH.
Meinst du,
Er könnte treue Liebe schätzen?
AGNES.
Sicher!
PRINZ HEINRICH.
Es heißt, er hätte Liebe nie gekannt!
AGNES.
So stärker hat er sich darnach gesehnt.
PRINZ HEINRICH.
Wie weißt du das?
AGNES.
Sollt ich die Hohenstaufen
Nicht kennen? Bin ich selbst doch ihres Stammes!
PRINZ HEINRICH.
Ach, Mädchen, deine stolzen Anverwandten
Sind nicht so hold und mild wie du.
AGNES.
Ich merke,
Wir werden nimmer eins – Wir müssen kämpfen:
Hie Waiblingen!
PRINZ HEINRICH.
Hie Welf!

Er küßt sie.
AGNES.
Laß, Heinrich, laß,
Es lodern schon die Flammen.
PRINZ HEINRICH.
Auf
Den Lippen, auf den Wangen – Leuchten sie
Nicht schöner als der Brand der Städte,
Die frühren Zeichen unsres Feldgeschreis?
AGNES.
Und glaubst du, Kaiser Heinrich wäre so
[170] Kurzsichtig, daß er das nicht merkte? Ist
Er klug, bin ich es auch – Er wird sich freuen,
Daß Welf und Hohenstaufe sich durch uns
Versöhnen – Nach Neapel treibts ihn – Dort
Die tückischen Empörer zu bezwingen, muß er
In Deutschland Ruhe haben vor den Welfen –
Wer schafft sie sichrer ihm als unser Bündnis?
PRINZ HEINRICH.
Mein Vater aber?
AGNES.
Der ist alt und gut,
Und wird auch wohl am Grabe Ruhe wünschen.
PRINZ HEINRICH.
Du Kluge, Liebliche!
AGNES.
Da nahn Gelahrte,
Prälaten, Fürsten, oder wie sie heißen,
Versenkt in wichtige Gedanken. Tritt
Zurück mit mir, bis daß der Kaiser kommt.
Die armen Leute möchten uns langweilen.
Sie sprechen vielerlei, und tun sehr wenig.

Die Mitglieder des deutschen Reichstages, unter ihnen der Reichskanzler, der Erzbischof Konrad von Mainz, der Erzherzog von Österreich, der Landgraf Hermann von Thüringen, der Burggraf Hohenzollern, der päpstliche Nuntius, zwei Gesandte Frankreichs und viele andere Geistliche und Weltliche kommen.
DER REICHSKANZLER.
Prälaten, Fürsten, Ritter, nehmet eure Sitze,
Der Kaiser naht, den Reichstag zu eröffnen.

Sie lassen sich auf ihren Sitzen nieder, der Reichskanzler am Tische bei dem kaiserlichen Thron.
ERZBISCHOF KONRAD VON MAINZ
zu dem neben ihm sitzenden Landgrafen Hermann von Thüringen.
Was sagst du zu dem jungen Kaiser?
HERMANN VON THÜRINGEN.
Wild
Und klug dabei.
ERZBISCHOF KONRAD VON MAINZ.
Bezeichnest ihn sehr schonend.
Sag lieber eigennützig, hart, unbändig,
Wer sieht die Zacken seiner goldnen Krone,
Und denkt nicht an die Trümmer Tusculums?
HERMANN VON THÜRINGEN.
Er hat die Stadt mit Grausamkeit behandelt,
Doch möglich, daß die Not ihn dazu zwang.
[171]
ERZBISCHOF KONRAD VON MAINZ.
Frascati sage man jetzt statt Tusculum,
Denn nicht ein einzges Haus blieb dorten stehn,
Und unter Zweigen wohnen seine Bürger.
Nichts auf der Welt kann das entschuldigen.
HERMANN VON THÜRINGEN.
Er kommt. Der Nuntius geht ihm entgegen.
ERZBISCHOF KONRAD VON MAINZ.
Und eines Blickes würdigt er ihn kaum.
KAISER HEINRICH
kommt mit Gefolge, setzt sich auf den Thron, und wirft einen prüfenden Blick rund durch die Reichsversammlung, den er jedoch unter einem grüßenden Lächeln zu verstecken sucht.
Dann für sich.
Dieses die Reichsversammlung, die ich muß
Beherrschen? – Schmeichelei und Trotz und Schrecken,
Schwebt mir nunmehr abwechselnd um die Schläfen
Wie lichte bald, bald dunkle Wolken um die Alpen.

Laut.

Schwer ist das deutsche Szepter, – nur ein Gott
Vermocht es frei zu schwingen, wie's sich ziemt.
Neapels Herrscherstab, den ich zu tragen
Gewohnt bin, ist dagegen nur ein Spielzeug.
Zu schwach ist diese Hand – Darum verzeiht,
Ihr Mächtgen und Getreuen, wenn sie unter
Der Last bisweilen schwankt und zittert.
ERZBISCHOF KONRAD VON MAINZ.
Wir werden unsrer Pflicht gemäß dir helfen.
KAISER HEINRICH.
Mein Thron kennt nur zwei Stützen – eure Liebe
Und eure Kraft. Wo das Gebäude, das
Sich stärkrer Säulen rühmen dürfte?
– Kanzler,
Was haben wir zuerst hier zu verhandeln?
DER REICHSKANZLER.
Die streitge Bischofswahl von Lüttich.
KAISER HEINRICH.
Sage
Den Fall.
DER REICHSKANZLER.
Um Lüttichs bischöflichen Stuhl
Bekämpfen zwei Parteien sich: die eine
Will mit dem Grafen von Retest, die andre
Mit Brabants Albert ihn besetzen.
[172]
KAISER HEINRICH.
Und
Wem von den beiden gibt man im Kapitel
Die meisten Stimmen?
DER REICHSKANZLER.
Keinem. Denn die Stimmen
Sind gleich geteilt, und beide Teile dräuen
Mit Waffen schon einander gegenüber.
ERZBISCHOF KONRAD VON MAINZ.
Es muß das Äußerste geschehen, bei
So heilger Sache, bei der Wahl des Priesters,
Das Blutvergießen abzuwenden.
DER NUNTIUS.
Nimmer
Erlaubt der Papst, daß man auf solchem Wege
Ein Kirchenamt erwerbe.
KAISER HEINRICH.
Fürsten, Ritter,
Was meint ihr?
HOHENZOLLERN.
Herr, bedenklich ist die Sache.
Ich weiß nicht, welchen von den Nebenbuhlern
Ich vorziehen sollte. Beide sind so brav
Als tüchtig. Und wenn wir auch einen vorziehn,
Der andre wird sich nicht dabei beruhgen.
Langwierge Fehde drohet jedenfalls.
Am besten ists, wir stellen die Entscheidung
Dem Papst anheim. In einer Kirchensache
Wird er am richtigsten erkennen, und
Es werden die Parteien seinem Urteil
Am ehrsten folgen.
DER NUNTIUS.
Burggraf Hohenzollern,
Der heilge Vater fodert, daß man ihm die Sache
Anheimgibt. Ist ein Bischof denkbar ohne
Einwilligung des Papstes?
ERZBISCHOF KONRAD VON MAINZ.
Herr, sehr wohl,
Besonders auch der Erzbischof von Mainz,
Des Deutschen Reiches erster Fürst und Wähler!
– Wir alle sind der Kirche Glieder, vom
Geringsten Priester bis zum Kardinal,
Zum Papst – Denn der ist nur des Baues Spitze! –
Wie jeder Schnörkel dort am Dom für sich
Besteht, und doch das Ganze zieren hilft
Und tragen, walten wir in unsren Würden –
Dem Papste Ehre, doch die Kirch ist mehr
Als Er, und rühmest du, wir könnten
[173] Nicht ohne ihn bestehn, so hüte dich auch vor
Der Frage: wie er ohne uns bestehen will?
KAISER HEINRICH
für sich.
Dem Mainzer flammt das Antlitz auf wie Feuer –
Ich ahne auch, warum – Mein Vater wählte
Ihn sonder die Einwilligung des Papstes.
ERZBISCHOF KONRAD VON MAINZ.
Doch darin hast du Recht: die Sache Lüttichs
Ist eine geistliche, und in geistlichen Dingen
Gebührt dem Papst das Wort zuerst.
KAISER HEINRICH
für sich.
Wie schlau
Er einlenkt – Pech bleibt Pech, und Pfaff bleibt Pfaff,
Und klebt mit seiner Sippschaft unauflöslich
Zusammen – Nicht verdenk ichs – Machts
Der Schuster wie der Kaiser nicht grad so? Der Kaiser
Bleibt Kaiser, und Waiblingen bleibt Waiblingen –
Ihr sollts jetzt hören!

Laut.

Die Streitigkeit in Lüttich ist ganz klar:
Nach dem Vertrag zu Worms, geschlossen
Mit Papst Calixtus, hat bei zwistger Wahl
Des Bischofs, nur der Kaiser zu bestimmen:
Brabant verwerf ich samt Retest: Der Graf
Lothar von Herstall sei statt ihrer Bischof,
Und die Gebühren zahlt er meiner Kammer.
– So schreib es hin, Reichskanzler!
DER NUNTIUS.
Ich widerspreche! Schreibe nicht!
KAISER HEINRICH.
Wer hat
Hier zu befehlen außer mir? Wem dienen
Die Krieger da mit ihren Partisanen?

Zum Reichskanzler.

Du schreibst, wie ich gesagt.
DER NUNTIUS.
Herr, Herr, –
KAISER HEINRICH
tut als hörte er den Nuntius nicht.
Wir schreiten
Zu einem traurigen Geschäft. Der Held,
Vor dessen Wunderkraft Arabien
Erbebte, hat sich selbst erniedrigt, als
Er Östreich suchte zu erniedrigen.
Ein böser Geist hat ihn seitdem besessen,
Gewichen ist er von der heilgen Siegesbahn,
[174] In Heimlichkeit floh er davon, und wagte
Dem Ozean sich zu vertraun, doch da
Ergriff ihn Gottes Hand und warf im Zorn
Ihn an die deutsche Küste. – Samt Blondel
Ist er in meiner Macht, und zu Gericht
Soll er hier stehn. Selbst Frankreichs König tritt
Als Kläger vor die Schranke, unterwirft
Sich unsrer oberherrlichen Entscheidung.

Zu einigen seines Gefolges.

Führt König Richard vor!
ERZBISCHOF KONRAD VON MAINZ
für sich.
Was ein freches Spiel
Mit einem Könige! wie wird das enden?
KÖNIG RICHARD
wird hereingeführt.
Welch eine herrliche, gewaltige
Versammlung – Fürsten, Ritter und Prälaten
Gedrängt wie Stern an Stern, und unter ihnen
Auch nicht ein Einiger, der dem ungeheuren,
Gottlosen Frevel wehrt, mit dem man mich,
Den König Englands und den Streiter Christi,
Wagt festzuhalten?
KAISER HEINRICH.
König Richard, sprich
Von Frevel nicht, wenn dich der Herr der Welt,
Der römsche Kaiser, in der Mitte
Der Großen seines Reiches, die die Kraft
Und die Befugnis haben, frei zu stimmen,
Zu deiner eigenen Rechtfertigung
Vor seinen Thronsitz fodert.
KÖNIG RICHARD.
Herr der Welt,
Und römscher Kaiser? Hohle Namen!
KAISER HEINRICH.
Sind
Sie hohl, so ists mir um so größre Pflicht,
Daß ich, wie ich es nur vermag, sie fülle.
– Frankreich und Österreich verklagen dich.
KÖNIG RICHARD.
Ei, Frankreich!

Er erblickt die beiden französischen Gesandten.

Seid ihr da, Messieurs?
Ich ahnt es – Immer seid ihr vor mir,
Sei's daß ich in die Flucht euch jage, oder
Daß ihr mich zu betrügen denkt – Nehmt eure
Drei Lilien in Acht – Es könnte kommen,
[175] Daß ich sie einst mit meiner Rosse Hufen
Zerstampfte, und dafür drei Nesseln, falsch
Wie ihr, wie Städte brennend, Amiens,
Paris und Orleans hinpflanzte!
KAISER HEINRICH.
Auch
Beschwert sich über dich die Christenheit.
KÖNIG RICHARD.
Durch wen?
DER NUNTIUS.
Durch niemand, Herr. Der heilge Vater
Weiß nichts davon, und ihm allein gebührts,
Dich in der Kirche Namen zu verklagen.
Er aber achtet deine frommen Taten,
Und will, daß dich der Kaiser freiläßt.
DER REICHSKANZLER.
Herr,
Ihr sprecht unaufgefodert, ordnungswidrig –
KAISER HEINRICH.
Himmel,
Mein bester Kanzlei, laß durch deinen Eifer
Dich nicht verführen Alles, alles tu, nur nicht
Antworten! – Grade dadurch ist der Papst
So groß geworden – Hätten meine Ahnen
Nicht allzuoft der Ehre ihn gewürdigt,
Mit Worten seine Worte zu erwidern,
Statt dessen stolz geschwiegen, rasch gehandelt,
Nie fand er Anlaß vielen Lärm zu machen,
Und unbeachtet wäre sein Geschrei
Verklungen. Unser Widerspruch nur schaffte
Ihm Wert. –

Wieder zu König Richard.

Empört ist alle Christenheit,
Daß du den Kreuzzug, welchen du so heilig
Gelobt, so flau geführt hast, und so schnöde
Verlassen.
KÖNIG RICHARD.
Heiliger Georg und Margaretha!
– Ihn flau geführt? – Frag nach bei Saladin,
Frag nach bis Yemen bei arabschen Müttern,
Sie werden fluchend dich der Lüge zeihen! –
– Und ihn verlassen? – Weil der Schuft, der König
Der beiden Schufte da, im Stich mich ließ,
Mit seinem Heer nach Hause lief, um, während
Die Sarazenen mich bedrängten, mir
In Frankreich mein Besitztum zu entreißen –
[176]
ERSTER FRANZÖSISCHER GESANDTE.
Mein Fürst, verletz die Achtung nicht, die du
Dem König Frankreichs, deinem Lehnsherrn schuldest.
KÖNIG RICHARD.
's ist wahr – Klug muß man sein wie ihr – Die Form
Geschont, sonst alles nur verdorben – Gift
Gereicht, doch in kristallnen Gläsern –
Er ist mein Lehnsherr, ich sein Knecht – ich will
Ihm huldgen und ihn züchtigen – – – Das Kreuzheer
Verlassen? – Tränen, vor Jerusalem
Geweint, als ich nach seinen teuren Zinnen
Vergebens meine Arme streckte, weil
Der listige Franzose von mir wich,
Durchbrennt die Brust von diesem Kaiser, daß
Er fühlt, es schmerze mehr als glühndes Eisen,
Das Land des Heilands zu verlassen.
ERZBISCHOF KONRAD VON MAINZ
zu Kaiser Heinrich.
Herr,
So kann ein edler Held nur reden – Sicher
Ist er unschuldig. Gib ihn frei.
DIE ANWESENDEN.
Herr, gib
Ihn frei.
KAISER HEINRICH.
Wie? läßt auch dieser Reichstag,
So voll von weisen, mächtgen Häuptern, gleich
'Nem Kind sich täuschen? Nimmermehr!
Nur Großmut ist es, welche ihn
Zum übertriebnen Mitleid jetzt verleitet –
– Hört doch auch Frankreich!
ERSTER FRANZÖSISCHER GESANDTE.
Seiner Braut,
Der schönsten Blüt am hehren Stamm
Von Valois, der lieblichen Alise,
Bricht er die Treu und das Verlöbnis,
Und Sie, die Schwester König Philipps, muß
Um ihn im Kloster Saint Denis zum Tod
Sich härmen. – Kann er je genug das büßen?
KÖNIG RICHARD.
Man sollte weinen, hört man diese Herren
So schöne Worte machen, – und doch ists nur Wind! –
Die liebliche Alise ist so gelb
Und hager, wie nur ein französisch Weib –
[177] Wenn sie sich härmt, wirds ihr gewiß nicht schaden,
Ich weiß, sie hat der Tröster nur zu viel! –
– Mit eures Königes Bewilligung
Brach ich den Bund mit ihr, und fand ihn ab
Mit einer Summe, welche noch mir weh tut!
ERSTER FRANZÖSISCHER GESANDTE.
Er willigte nur ein auf die Bedingung,
Daß auch Alis es täte. Aber Sie
Tats nicht – sie liebt dich – Kann man Herzen
Mit Geld aufwägen?
KÖNIG RICHARD.
Ja, man kanns bei euch –
Der Bund mit ihr war nichts als Politik,
Und Politik hat ihn gelöst. Nie hat
Sie mich geliebt, und ich gottlob! sie auch nicht!
– Reichsfürsten hörts! der König Frankreichs frischt
Im Namen seiner Schwester eine alte Sache
Hier auf, daß ich nur länger bleib gefangen,
Und er so ruhiger ins Land mir bricht.
KAISER HEINRICH.
Du kannst die Schuld nicht leugnen, also schmälst du. –
– Wagst du bei Österreich auch so zu tun?
War er der Erste nicht auf Accons Zinnen?
KÖNIG RICHARD.
Er wars.
KAISER HEINRICH.
War er daher nicht wohl befugt,
Auch sein Panier zuerst dort aufzupflanzen?
KÖNIG RICHARD.
Auch das!
KAISER HEINRICH.
Und weißt du, was du tatest?
Du tratest mit dem Fuß des Reiches Herz
Und Schild – Das eigne Herz, den eignen Schild
Beschimpftest und verletztest du mir dadurch!

Aufspringend.

Empörung faßt mich! Alle, die hier sitzen,
Die Fürsten, Ritter und Prälaten, muß
Sie fassen – Wahrlich, wenig sollts mich wundern,
Wenn wir jetzt unsre Schwerter zückten, dich
Zusammenhieben auf der Stelle! –
Mag
Alise weinen, mag die Christenheit dir fluchen,
Die Tränen trocknen endlich, und den Fluch
Wird Gott erfüllen – Doch geschmähte Ehre
Wäscht sich in Blut nur rein!
[178]
ERZBISCHOF KONRAD VON MAINZ.
Entsetzlich!
HOHENZOLLERN.
Richard
Ist ein gesalbtes Haupt!
KAISER HEINRICH.
Doch nicht so fest
Gesalbt, daß ihm vor diesem Schwert das Haupt
Gesichert stände.
PRINZ HEINRICH
der mit Agnes zurückgezogen auf der Seite steht – zu Agnes.
Hörst du? Welch ein Mann!
AGNES.
Nun, nun, so schlimm noch nicht. Er sagts nur, und
Hat er nicht eben selbst vom Papst geäußert,
Man müßte, wo man kann, statt sprechen, handeln?
Das Haupt des Königs wäre längst wohl ab,
Wenn ernstlich es der Vetter so gewollt.
ERZHERZOG VON ÖSTERREICH.
Ich bitte, Kaiser, für sein Leben.
KÖNIG RICHARD.
Danke,
Mein Österreich. Ich weiß nicht, was mir einfiel,
Als ich dein Banner niedertrat bei Accon.
Ich handle oft, und denk erst hinterdrein.
Geärgert wirds mich haben, daß ich nicht
Die Fahne Englands, sondern eine andre
Am ehrenvollsten Platz sah. – Nicht gewohnt
Bin ichs – Verzeihe – Aber ein
Geschenk nehm ich nicht an, am wenigsten
Vom Feinde, und am allerwenigsten
Das Leben. Das wär eine ewge Schmach,
Und holt ich Atem, würds mich nur erinnern,
Daß es erbettelt sei, würde mehr als Gift
In meinem Munde.
KAISER HEINRICH
zu Österreich.
Ganz unnütze Furcht,
Daß seine Bitten dir das Leben retten.
Bei meiner Krone schwör ich –
HOHENZOLLERN.
Kaiser, halt –
Um Gotteswillen – Schone doch des Helden –
Nimm Lösegeld –
ERZBISCHOF KONRAD VON MAINZ.
Nimm es – Besprütze mit
So edlem Blut den Reichstag nicht.
KAISER HEINRICH.
Was? Geld
[179] Für Strafe?
ERZBISCHOF KONRAD VON MAINZ.
Ist denn das nicht Ritterbrauch?
Wird nicht der Tod mit Geld gelöst? Und wird
Ein Leben vorzugsweis mit Geld erkauft,
So muß es das von einem König sein.
Hat

Auf König Richard deutend.

er auch übereilt gehandelt, – Denk
An sein schuldloses Volk, es litte mit ihm.
KAISER HEINRICH.
So meint ihr alle?
DIE ANWESENDEN.
Ja.
KAISER HEINRICH
für sich.
Das wollt ich grade.

Laut.

Vor eurer Meinung beugt sich meine Jugend –

Zu König Richard.

So zahle denn das Lösegeld, und frei
Bist du, sobald du es gezahlt hast.
KÖNIG RICHARD.
Wohl.
– Wie hoch bestimmest du die Lösung?
KAISER HEINRICH.
Niedrig.
Mir zahlst du hunderttausend Mark in Golde,
Dem König Frankreichs zahlst du fünfzigtausend,
Und zwanzigtausend Österreichs Erzherzog.
KÖNIG RICHARD.
Das nennst du niedrig? Heiliger Georg,
Mit so viel Gelde kauf ich Königreiche!
KAISER HEINRICH.
Wie kannst du mäkeln um elendes Geld?
KÖNIG RICHARD.
So elend doch nicht, daß du es nicht nähmest!
KAISER HEINRICH.
Ich nehm es erstlich, weil das Recht es will,
Dann um zum hohen Zweck, den du grad aufgabst,
Zum Kreuzzug, es zu brauchen, – endlich,
Um meine Treuen mit ihm zu belohnen.
ERSTER FRANZÖSISCHER GESANDTE.
Die Lösungssumme scheint uns zu gering,
Der König Frankreichs fodert mehr.
KÖNIG RICHARD
zu den beiden französischen Gesandten.
Ei, ei,
Werd ich auf einmal euch so wert und teuer?
Ich dachte sonst, ich wäre nur so'n Lehnsmann
[180] Von Frankreich, und beizu auch Fürstlein Englands,
Das ihr mit euren Lanzenspitzen aus dem Meer
Könnt heben – Nun, ich fange an, mich selbst
Sehr hoch zu schätzen – Kaiser, ich bezahle,
Was du verlangtest!

Für sich.

Frankreich wär im Stande,
Daß es ihm mehr verspräche, mich zu halten,
Als ich ihm gebe, um mich freizulassen.
Verspräche, sag ich – Denn viel weiter als
La Manche England trennt von Frankreich, trennt
In Frankreich sich das Halten und Versprechen!

Auf den Kaiser blickend.

Ich hoffe, er siehts ein, und zieht die Barschaft
Den Worten vor – Es zuckt ihm etwas im
Gesicht, das darauf deutet.
KAISER HEINRICH
zu den französischen Gesandten.
Seid gewiß,
Daß ich mit Frankreichs König, meinem Freunde,
Mich über diese Sache leicht vereine.
Ich werde selbst ihm schreiben.
ERSTER FRANZÖSISCHER GESANDTE.
Wir verwahren
Jedoch bis dahin unser Recht.
KAISER HEINRICH
zu König Richard.
Wann
Wirst du die Lösung zahlen?
KÖNIG RICHARD.
Möglichst schnell –
Erlaub, daß man Blondel, den Sängerfürsten,
Hereinruft, und er Bote sei für mich
Nach England.
KAISER HEINRICH.
Bringt Blondel.
BLONDEL
wird hereingeführt, – zu König Richard.
O mein Monarch!
KÖNIG RICHARD.
Liebst du das Löwenherz?
BLONDEL.
Mehr als
Das eigene – Ich muß ja – Es ist größer!
KÖNIG RICHARD.
So
Beweis es, – laß die Reime und Gedichte,
Biet alle Tatkraft auf und allen Geist,
Flieg hin nach England, schaff die Summe her,
Die man von mir zur Lösung fodert.
[181]
BLONDEL.
Himmel,
Du wirst gelöst? Und wärs die ganze Welt,
Hin würf ich sie für dich!
KÖNIG RICHARD.
Nicht die Welt – Doch wenig
Ists auch nicht – Hundertsiebzigtausend Mark
In Golde!
BLONDEL.
Pah, die treib ich schon zusammen!
KÖNIG RICHARD.
Wirst du dabei das Vorurteil der Welt
Beachten, und durch alberne Rücksichten,
Bedenklichkeiten, lang mich harren lassen?
BLONDEL.
Ein schlechter Dichter, den sein Flug so hoch
Nicht trägt, daß, wo es Großes gilt zu leisten,
Bedenklichkeiten und Rücksichten ihn
Erschreckten – Gleich dem Adler steigt er in
Die Luft, die Erde weithin überschauend,
Und was ihm gut dünkt, packt er mit den Fängen.
KÖNIG RICHARD.
So höre denn! – Wenn du die Gelder eintreibst,
So schone der geringen Leute (Bauern,
Handwerker, mein ich) – arm sind sie, und treu
Dabei – Mit ihrer Hülfe such vielmehr
Die Schätze, wo sie sind – vor allen such
In Klöstern und bei den Hebräern – Einen
Kreuzfahrer zu befrein, ist heiliger,
Christlicher Zweck – Deswegen ziemts dem, Kloster,
Daß es mit Freuden zahle, und dem Juden,
Daß er mit Tränen gebe.
BLONDEL.
Herr, die Armut
Sanct Benedicti, welche zu bescheiden
In tiefsten Kellern liegt, will ich aufdecken,
In ihrer Blöße sie der Sonne zeigen, –
Der Juden Säckel aber will ich kehren, wie
Der Pflug die Erde, – es wächst doch
In ihnen hundertfältig wieder.
KÖNIG RICHARD.
Bring
Mir auch 'nen Renner mit, gestreckt und rasch,
Daß er die Meilen zu verschlingen scheint –
Bin ich erst frei, will ich schnell fort –
Nun eile!
BLONDEL.
Doch auch so sehr, daß ich im Hennegau
Bei einem Schloß nicht hielte, dessen Dächer,
[182] Mit dunklen und bemoosten Schiefern,
Dem Wandrer nicht verraten, welche Rose
Darunter blüht?
KÖNIG RICHARD.
Ha, Zaubrer! Welch ein Bild
Rufst du hervor?
BLONDEL.
Du sahst es oft in Syriens Sande.
KÖNIG RICHARD.
Ja, und in England, und in jedem Teil
Der Welt. – Ein holdes Haupt beugt sich zu mir
Auf seinem Schwanenhals hernieder, und
Die Nacht verfließt vor dessen Schnee und Glanz:
»Ich ruf es laut und ohn Erröten,
Das süße, werte Weib,
Es hilft in allen Nöten,
Und tröstet Seel und Leib.«

Blondel ab.
KAISER HEINRICH.
Beendigt, Richard, ist die Sache – Setze
Dich zu mir – Zauderst du?
KÖNIG RICHARD.
Ich glaube, Heinrich,
Du hast ein böses Spiel mit mir gespielt.
KAISER HEINRICH.
Sprich offen: hättest du, wenn du's vermochtest,
Nicht ebenso mit mir gehandelt?
KÖNIG RICHARD
nach einigem Bedenken, dann freien Blicks und mit freier Stimme.
Ja!
Und Gott bewahre dich vor Englands Küsten!
KAISER HEINRICH.
Mit einem Heer nur würd ich sie betreten.
KÖNIG RICHARD.
Sehr schwierig möcht es sein.
KAISER HEINRICH.
Je schwieriger,
So ehrenvoller – Dän und Normann tatens,
Was die vermochten, kann ich auch.

König Richard setzt sich neben den Kaiser. Ein Bote von Neapel tritt auf. Kaiser Heinrich zu ihm.

Ha, du,
Was bringst du?
DER BOTE.
Diesen Brief.
KAISER HEINRICH
liest den Brief für sich.
Wie? Tancred
Herr von Apulien schon, und abgefallen
[183] Das ganze Reich beinah – die Hauptstadt selbst
Rebellisch – und Constanze von dem Feind
Gefangen – Rocca d'Arce nur mir sicher –
– Ists nicht als rissen aus des Ätna Schlünden
Sich alle tausendjährgen Feuermeere los,
Und brandeten bis hieher, bis an meinen Fuß?
– Mein Dolch!

Er greift nach seinem Dolche und blickt furchtbar drohend auf den Boten.

Auch diese Fratze ist 'ne welsche –
Zu Boden sie –

Sich wieder mäßigend.

Doch still und klug, bedachtsam –
KÖNIG RICHARD.
Was ist dir?
ERZBISCHOF KONRAD VON MAINZ.
Was bewegt dich?
KAISER HEINRICH
sehr laut und heiteren Gesichts.
Freude! – Trotz
Des neulich ausgebrochnen Aufruhrs, ward
Neapels Reich ganz wieder mein. – Ich danks
Der Tapferkeit des Feldherrn Diephold – Und
Wir können nun das Kreuzheer, welches ich
Aufbieten will nach Palästina, statt
Durch Ungarns Wälder, sichren Weges
Durch meine Erblande, bis Bari leiten,
Und leicht und schnell von da mit meinen Flotten
Nach Griechenland es überschiffen!

Für sich.

Steht
Das Kreuzheer erst bei Bari, tuts was Beßres
Als Syrien durchschreiten – Die Normannen
Solls kreuzigen.
ERZBISCHOF KONRAD VON MAINZ.
Der Reichstag wünscht dir Glück.
KAISER HEINRICH.
Sehr traurig, daß wir von so heitrer Aussicht
Nach Süden, trüb nach Norden blicken müssen.
– Ist der Reichsherold an den Welfen schon zurück?
EIN GEWAFFNETER.
Er harret deines Winks, hereinzutreten.
KAISER HEINRICH.
Er komme.
PRINZ HEINRICH.
Agnes, schilt er meinen Vater,
[184] So spürt er, daß der Sohn des Leuen es
Vernahm.
AGNES.
Geduld! Ein bißchen zürnen wird er.
Doch ists ihm zu verdenken? Sieht er nicht
Bis jetzt in ihm den Feind?

Reichsherold tritt ein.
DER GEWAFFNETE.
Da ist der Herold.
KAISER HEINRICH.
Was macht der Welfe?
REICHSHEROLD.
Zieht in Braunschweig ein,
Und tilgt mit Schwert und Feuer seine Feinde.
KAISER HEINRICH.
Und wehrt ihm nicht die mächtge Bardewick?
REICHSHEROLD.
Sie ist nicht mehr.
KAISER HEINRICH.
Ha?
REICHSHEROLD.
Unter ihren Trümmern,
Umwogt von Rauch, fand ich den Leu'n, und als
Ich fragte, wo die Stadt sei, lacht' er wild,
Und wies, mit einer Stimme, die wie Meerflut
Mir donnernd schwoll entgegen, am Portale
Des Doms, der letzten Spur der Stadt, die Inschrift:
Vestigia leonis.
KAISER HEINRICH.
Narr, der selbst beschreibt,
Was er getan – Der Klügre überläßt
Es andern, und der Leu soll mir, indes
Ich lächelnd schweige, unterm Fuße heulen:
Vestigia Augusti!
– Hörts, Reichsstände!
So ist der Welfe, bricht wie ein reißend Tier
Den Bann, die Acht, verheert die Städte, rühmt
Der Tat sich! Just so wenig wie ein Löwe,
Mit dessen Namen er sich prahlend schmückt,
Je lernt des Reichs, des Kaisers Ehre schätzen,
Wird er es lernen. Will er denn so gern
'Ne solche Bestie sein, so laßt uns auch
Als solcher ihm begegnen – Keine Rast,
Bis daß von Deutschlands heimatlichem Boden
Der letzte Braunschweig weggetilgt ist!
AGNES
tritt vor.
Vetter,
Das geht nicht, oder du mußt deine Muhme mit –
Vertilgen.
KAISER HEINRICH.
Welch ein Mädchen,
[185] Schön wie der Tag, und feurig wie der Blitz,
Bricht durch des Reichstags Reihn und widerspricht mir?
AGNES.
Ich bin die Agnes, Vetter – Tochter des
Pfalzgrafen, Bruders Kaiser Friedrichs –
KAISER HEINRICH.
Agnes!
Gespielin meiner Kindheit –
AGNES.
Laßt die Kindheit –
Ich habe Wichtigres dir vorzustellen.
KAISER HEINRICH.
Der König Frankreichs wirbt um deine Hand.
AGNES.
Daß er mit ihr die Pfalz an Frankreich bringe?
Ich mag ihn nicht – Mein Erbteil gönn ich deutschen Männern.
ERSTER FRANZÖSISCHER GESANDTE.
Wie? schlägst du aus den Bund mit Valois?
KÖNIG RICHARD.
Wahrlich, sie konnte Besseres nicht tun.
AGNES
zu dem französischen Gesandten.
Ja, – wenn ich liebe, lieb ich nicht bloß Macht
Und Namen.
– Kaiser, ich war unvorsichtig,
Ich tändelte, und sah nicht um mich. Plötzlich
Stürzt' aus der Luft ein Edelfalk
Mit braunem Haupt und weißer Kehle, und
Ergriff mich – Zürnen sollt ich ihm – Allein
Ich konnte nicht – Das Mädchenherz ist ein
Unselges Ding – Wer es recht scharf anpackt,
Der hat es.
KAISER HEINRICH.
Wie versteh ich das?
AGNES
führt den Prinzen Heinrich vor.
Hier ist der Falk – der Welfensohn!
KAISER HEINRICH.
O Tod
Und Hölle!
AGNES.
Vetter,
Ich liebt ihn, konnte wahrlich nichts davor.
Nimm es nicht übel.
KAISER HEINRICH.
Mädchen, dank dem Himmel,
Daß du 'ne Blume, zart und hold, wie ich
Nicht eine kenne, bist, – wärst du 'ne Zeder,
Bei Gott, sie fiele vor meines Zornes Sturm!
[186] – Doch von dem Welfen da mußt du dich trennen.
AGNES.
Es geht nicht, denn ich bin mit ihm vermählt,
Und, Kaiser, hör ins Ohr!
KAISER HEINRICH.
Vor diesem Reichstag?
AGNES.
Warum nicht? Bin ich denn nicht deine Muhme,
Und darf ich dir nicht etwas heimlich sagen?
KAISER HEINRICH.
Wie keck und kühn! – Sie ist aus meinem Hause,
Und Wang und Augen tragen seine Farben!
AGNES
heimlich zu Kaiser Heinrich.
Hör, Kaiser, – kämpf und kriege nicht um Namen.
Welf und Waiblingen wären eins, wenn sie
Gleich hießen – Du mußt nach Neapel, dort
Den Aufruhr wieder zu beschwichtigen –
Was kann dir lieber sein, als unterdes
Vor deinem großen Feind, dem Leuen, Friede
Zu haben, und ich schaff ihn dir durch Liebe.
Denn ob du gleich dich eben bei der Meldung
Des Boten gut verstelltest, sah ich doch,
Daß in Sizilien nicht alles so steht, wie
Du heucheltest.
KAISER HEINRICH.
Wie schade, Mädchen,
Daß du nicht Mann bist. Du blickst tief.
AGNES.
Das Weib
Sieht tief, der Mann sieht weit. Euch ist die Welt
Das Herz, uns ist das Herz die Welt.
KAISER HEINRICH
laut.
Agnes
Von Hohenstaufen – Nicht kann ich es loben,
Daß du dich mit dem Welfen hast vermählt –
Jedoch, wer kann der Liebe wehren? Eher
Dem Hasse und dem Tode –
Sei mir denn
Willkommen, Stern, bei dessen Liebesglanze
Die beiden mächtigen, so lang getrennten
Geschlechter wieder freudig sich vereinen –
Mög ihnen stets ein solches Himmelslicht
Als deine Schönheit leuchten!

Zum Prinzen Heinrich.

Welfe, reich
Die Hand mir, – wir sind Freunde – Und in
[187] Braunschweig
Nenn ich bald deinen Vater auch so.
HOHENZOLLERN.
Edler
Und größer, Kaiser, konntest du nicht handeln.
ERZBISCHOF KONRAD VON MAINZ.
Wir alle sind verwundert und gerührt.
Des Höchsten Segen ruh auf diesem Frieden.
KAISER HEINRICH.
Sehr wichtig und erfreulich ist es mir, daß ihr
Dies so betrachtet. Und drum seid ihr würdig,
Aus Kaisermunde einen kaiserlichen Vorschlag,
Den ich – Gott sei mir Zeuge! – nicht
Um meines Hauses willen, einer Hütte,
Die allem Irdschen gleich, auf Deutschlands Boden
Kaum nach Jahrhunderten noch stehen wird,
Den ich vielmehr um Deutschland selbst euch tue:

Auf die Kaiserkrone seines Hauptes deutend.

Macht diese Krone erblich! denn, sagt an,
Woher seit Karl dem Großen, ewger Streit
Bei jeder Kaiserwahl, stets Widerspenstigkeit
Der Sachsen? Weshalb gilt dies mächtige,
Erhabne deutsche Volk, lang das nicht, was
Es wert ist? Warum wagen Nachbarn, die
Weit schwächer sind, weit elender als wir,
Uns Tag für Tag zu höhnen? Warum rauschen
Des Reiches Banner nicht in Rußlands Schnee
Und Libyens Sande? Warum schwillt die Brust
Dem Einzelnen wie Meereswoge, und
Verliert so jämmerlich sich in der Masse?
Warum zertrümmerten wir Romas Welt,
Und können diese Trümmer nicht beherrschen?
– Weil jeder einzelne in seinem Hochsinn glaubt,
Daß er bestehen könne, ohn das Ganze –!
– Ein Faszesbündel ohne Reifen ist dies Reich –
Laßt es uns binden mit dem Kaiserdiademe,
Und dieses bindet fest nur, wenn es ewig
Und erblich ist – –.
Bischof, Vasall, behalten
Die Länder, welche sie besitzen. Der
Vasall vererbe sie auf seine Söhne,
Den neuen Bischof wähle das Kapitel,
[188] Sobald der frühre ist gestorben. Aber
Der Kaiser erblich herrschendes Geschlecht,
Bewache ewig schützend, alle ewig
In ihrer Kraft und ihren Rechten.
HERMANN VON THÜRINGEN.
Dazu
Geb ich die Stimme nie. Der deutsche Fürst
Ist stolzer, edler als die Kön'ge alle,
Weil er wahlfähig ist zur Krone Roms!
Den hohen Vorzug sollte er verscherzen?
Wohl möglich, daß du selbst die Erblichkeit
Der Krone nicht mißbrauchest – Kannst du bürgen,
Daß es dein künftiges Geschlecht nicht tut,
Und, wie in Frankreich, diese Erblichkeit
Benutzt, die Lehn allmählich einzuziehen,
Und statt Vasallen, Sklaven um den Thron
Zu sammeln? Erblichkeit verschafft vielleicht
In unsren Kaisern uns Eroberer,
Schafft einen Hof voll Pracht, wie jener in
Konstantinopel – Doch wird der Erobrer
Nicht stets auch der Despot des eignen Volks?
Ersetzt scheinbare Pracht, (die Schlangenhaut,
Worunter Schmeichler und Verräter lauern,)
Der deutschen Fürsten, deutschen Städte Macht
Und Treue? – Herr, das Vaterland ist es,
Was wir auf Kindes Kind vererben – Drum
Braucht seine Krone erblich nicht zu sein!
KAISER HEINRICH.
Wer sprach das?
REICHSKANZLER.
Hermann, Landgraf Thüringens.
KAISER HEINRICH
für sich.
Ich hätte als Vasall auch so geredet.
ERZBISCHOF KONRAD VON MAINZ.
Groß, Kaiser, riesenhaft ist dein Entwurf,
Doch ist die Zeit für ihn zu klein, zu unreif.
Wie mancher Anspruch wäre zu bewältgen,
Wie vieles Unbestimmte zu bestimmen,
Eh man sich über ihn verständigte!
KAISER HEINRICH.
Thüringen du, und du Erzbischof – Mit
Derartgen Phrasen, wie ihr braucht, wird Deutschland
So lang noch eingeschläfert werden, bis
Es einst sich selbst zerreißt, und seine Stücke
[189] Hungriger Nachbarn leichte Beute werden.
Gut, ich verzichte. –
Dafür bitt ich eins:
Es steht der Kreuzzug mir bevor; – leicht könnt
Ich fallen – Wenns geschähe, wenn kein Herrscher
Mich dann sogleich ersetzte, würden in
Dem noch so sehr bewegten Reich, Aufruhr
Und Unordnung an jeder Stelle aus
Der Erde brechen – Wählet meinen Sohn,
Den Prinzen Friedrich von Sizilien,
Zum römschen Könige.
HERMANN VON THÜRINGEN.
Prinz Friedrich ist
Noch Kind.
KAISER HEINRICH.
Was schadet das? Bei Fürsten reicht
Es hin, wenn sie nur da sind, – ihre Stellung,
Nicht die Person tut ihren Völkern not.
Und dann, wo wären tüchtgre Vormünder
Als ihr?
HERMANN VON THÜRINGEN.
Laß uns den Antrag überlegen.
KAISER HEINRICH.
Ich bitte, tuts –

Für sich.

Wenn sie erst überlegen, will
Ich auch die Überlegung wohl zu lenken wissen.

Laut.

Ich mag bei dem Beraten über meine
Nachfolge selbst nicht gegenwärtig bleiben.
– Nach Braunschweig eil ich

Auf Agnes und Prinz Heinrich deutend.

mit den beiden, –
Dorthin schickt Nachricht, was ihr habt beschlossen.
KÖNIG RICHARD.
Heut hab ich viel von dir gelernt, mein Kaiser.
KAISER HEINRICH.
Leb wohl, o Richard – Wie der Klang der Kriegstrompete
Hat deine bloße Stimme mir das Ohr
Erschüttert – Du bist doch der erste Held.
KÖNIG RICHARD.
Und doch hältst du gefangen mich zurück?
KAISER HEINRICH.
Nicht tadle mich, erkenne mein Geschick –
[190] Ich seh nicht Einen nur, ich seh die Welt!

Richard wird fortgeführt, Kaiser Heinrich entfernt sich mit Agnes und dem Prinzen Heinrich vom Reichstage.
2. Szene
Zweite Szene
Ein Vorsaal in dem Schlosse Heinrichs des Löwen zu Braunschweig. Nacht. Ein paar große Leuchter brennen.
Christoph und Wehrfried auf Wache.

CHRISTOPH.
Ob der Herzog noch wach ist?
WEHRFRIED.

Gewiß. Ich glaube, er schläft gar nicht, so kränklich er auch ist. Sicher sitzt er wieder über den alten Chroniken, oder sieht dort nach dem Harze, oder wandert im Schlosse umher.

CHRISTOPH.
Horch, was war das?
WEHRFRIED.
Der Wind schlägt ein paar Türen zu, die in rostigen Angeln gehn.
CHRISTOPH.
's ist grauserlich!
WEHRFRIED.
Daß der Wind Türen zuschlägt?
CHRISTOPH.

Spotte nicht – Der Herzog wird die Freude, wieder in Braunschweig zu sein, nicht lange genießen. Bardewicks Eroberung wird wohl seine letzte Tat bleiben, und auch da schon machte ihn nur der Zorn so stark. – Es riecht im ganzen Schlosse nach Fichtenholz –

WEHRFRIED.

Das geht auf ihn nicht, denn er würde in einem zinnernen Sarg begraben. Wer weiß, welche Kammerkatze grade krepiert!

CHRISTOPH.

Gestern, bei hellem lichten Mittag, geht der Adolf die große Wendeltreppe hinunter, – was sieht er, da er auf den Flur kommt? Dich, mich, die ganze Dienerschaft in tiefster Trauer, mitten dazwischen einen großen Sarg, und darin der Löwe bleich und tot. Er will näher gehen – Weg ist alles.

WEHRFRIED.
Adolf ist guter Freund des Schloßkellermeisters, und trinkt wohl mal ein Tröpfchen.
CHRISTOPH.

Und – Gott sei mit uns, und uns und dem Herzoge gnädig – Schon drei Schildwachen haben nachts um diese Zeit, gegen zwölf Uhr, die Weiße Frau gesehen. – [191] Da hängt ihr Bild – Wie sieht es aus! – Mich schaudert!

WEHRFRIED.

Schurken sind die Schildwachen gewesen, wenn sie die Canaille, die ihrem Herzoge Unheil verkünden will, sei's ein Geist, sei's ein Menschenkind, nicht angehalten haben.

CHRISTOPH.
Hör, mit wie lang aushallenden Tönen krähen über uns die Wetterhähne.
WEHRFRIED.
Der schlimmste Wetterhahn ist der Schnee auf des Löwen Haupte.
CHRISTOPH.

Da kommt jemand – Nun, sei's die Hölle selbst, ich sterbe als ehrlicher Kerl auf dem mir angewiesenen Posten.

WEHRFRIED.

Du hast ebensoviel Mut, als Aberglauben. – Doch, laß nur die Waffe ruhn, – hörst du denn nicht, daß es der Herzog ist, der da naht? – Wir müssen uns zurückziehen. Er ist gern allein.


Zieht sich mit Christoph aus dem Saal zurück.
HEINRICH DER LÖWE
tritt auf, im schlichten Gewande, einen aufgebrochenen Brief in der Hand.
Er blickt noch einmal hinein. Dann.
Wahr also,
Heinrich der Welfe ist vermählt mit Agnes
Der Hohenstaufin! – Zorn und Unmut hätten
Vor Jahren mich darob ergriffen – Nun
Ists anders – Mögen Ruh und Frieden
Aus diesem Bündnis, keimen – Ruhig möcht
Ich sterben. Mich umwehn die kühlen Lüfte
Des Grabes schon, und sanft und sanfter schlägt
Das einst so wilde Herz. –
– Wie hab ich nicht gekämpft,
Gesiegt, gelitten, um den großen Zwist
Der Welfen und Waiblinger zu beenden –?
Es war umsonst – Jetzt endet ihn 'ne Hochzeit! –
Wie auch der Mensch drauf losstürmt – Nie erreicht er
Das Ziel, führt Gott es ihm nicht zu – – Gebirge drängen,
Mit ihrer Föhrenwälder Brauen höhnisch
Und finster auf ihn niederschauend, sich
Um den verirrten Wanderer – Er klimmt
Und klimmt – ringt über Felsen, windet durch
Gebüsche sich – umsonst! – kein Ausweg – Er
[192] Verzagt – Da setzt er seinen Fuß zufällig
Um eines Berges Ecke, und sieh da: geschmückt
Und reich, wie eine offene Muschel mit
Der Perle, prangt vor ihm das Tal
Mit seiner Stadt, dem Endpunkt seiner Reise –
Im Sonnenstrahle blinken ihre Türme,
Heerstraßen reißen Ross' und Wagen,
Die Ströme Schiffe brausend zu ihr hin,
Den Wanderer mit ihnen – Aber wird
Er auch da finden, was er dort
Zu finden hoffte? Wird der junge Bund
Der Welfen und Waiblinger lange währen? –
– Ich zweifle. – Alles was ich je erfahren, lehrt
Es anders. Auf der Erde Streit und Wut,
Selbst unter Freunden, Ruhe nur im Grab.
– – – Wie hold ist doch das Grab! Da auszuruhn
Von all den heftgen Aderschlägen, sicher
In ewger Stille vor den Stürmen allen
Des Lebens und des Hauptes – Nicht vertausch
Ich es um meinen Herzogsthron – Man lernt
Des Todes Wollust schätzen, wenn man achtzig Jahr
Gelebt. –

Er tritt an das Fenster.

Dort liegt der Harz, hoch und gewaltig,
Und Wetter leuchten über seinen Scheiteln –
Ha, seid ihr es, ihr glänzenden Gestalten
Der Kampfgenossen aus der Weserschlacht?
Blitzt ihr vom Himmel, winkt mich zu euch?
Wie flammt da Truchseß, funkelt Orla –
O Freunde, Freund', ich komme bald!
– Still ist dies Schloß, ganz Braunschweig schläft, –
Die alte, treue Stadt, und weiß nicht, daß
Ihr Herzog stirbt. –
– In Deutschlands großen Fürstenhäusern
Wohnt nicht der Lebende allein, – nein, auch
Des Stammes Mutter wandelt durch sie hin,
Versagt sich selbst des Paradieses Freuden,
Und achtet auf der spätsten Enkel Schicksal,
– So mächtig zieht es sie zu ihren Kindern! –
Der Pöbel fürchtet und belügt
Mit blutgen Märchen sie – Wir Fürsten wissen
[193] Es besser –
Wie die Wachen flüstern,
Soll sie in diesem Hause jetzt umgehen.
Ich glaube, daß die Wachen sich nicht täuschen –
Es zielt auf mich! –
Ha – Tür auf – klanglos – Was
Befällt mich? Nie gebebt hab ich im Kampfe,
Doch hier weht Geisterodem –

Die Tür des Saales öffnet sich von selbst, – die Weiße Frau kommt durch dieselbe, verweilt in der Mitte der Szene, und blickt den Herzog trüb an.

O, Sie ists – Grad
Wie sie im Bild dort hängt – Das seidne Schleppkleid
Wallt weithin hinter ihr, die Schlüssel hält
Sie in der Hand – Werd ich denn wieder Kind
Und zittre? – Herzog Sachsens und von Baiern,
Auch in dem Geisterreich erniedere
Dich nicht!

Zu der Weißen Frau.

Gegrüßt du Ahnin meines Stammes,
Du mir Verwandte, – und ich danke dir,
Daß du besorgt an mich in deiner Ruhe
Gedacht, und aus dem Sarge kommst, mir warnend
Den Tod zu künden! –
Ring nicht so die Hände, wahrlich
Ich furcht ihn nicht – Wann
Schlägt meine letzte Stunde?
DIE WEISSE FRAU.
Löwe, eben
Hört ich in meinem Grabgewölb die Domuhr
Zwölf schlagen, und die Räder rasseln noch –
Den Schlag von Ein Uhr hörst du nicht mehr.
HEINRICH DER LÖWE.
Wohl –
Sie schlug – Aus denn! – Das Blatt, der Leib fällt ab! –
Es sei, – und doch, ich könnte weinen –
Ists mir doch fast, als schied ich nun auf immer
Von einem alten Freunde – Diese Brust,
Mit der ich oft so freudig atmete,
Und dieser Arm, der oft für mich so stark
Gekämpft – Nun Asche wieder?
DIE WEISSE FRAU.
Heinrich, seit
Jahrhunderten hab ich geschwiegen, nur
[194] Durch still Erscheinen diesem Hause sein
Geschick verkündet – Heute muß ich reden,
Denn Du, der Größte des Geschlechtes, sinkst
Dahin nun wie die Andern – Weh der Mutter,
Die, mir gleich, ewig ihre Enkel blühen
Und welken sieht – Tief in das Grab
Dringt wie ein Wurm zu ihr der Schmerz, und peinigt
Sie an das Licht!
HEINRICH DER LÖWE.
Weswegen weilst du, Mutter,
Nicht mit den andern Geistern in den Höhn
Der Himmel, fern von allem Schmerz der Erde?
DIE WEISSE FRAU.
Ach,
Die Erde lieb ich immer, immer, weil
Ich da zuerst geliebt – 'Ne andre Liebe
Begriff ich nie, und darum wandl ich nun,
Zu meiner Freude und zu meiner Strafe,
So lang auf ihr, bis sie zertrümmert.
HEINRICH DER LÖWE.
Arme!
Kein Schreckgespenst, wie mancher hat gewähnt –
Vielmehr so mitleidswert – Laß mich
An deinen Busen stürzen, denn ich kann
An keinem treueren verscheiden –!
DIE WEISSE FRAU.
Halt –
– Noch eine Freude sollst du fühlen – Weither
Durch Nacht und Sturm vernehm ich Rosseshufen –
Ein Myrtenkranz umflicht die feindlichen
Geschlechter – Hohenstaufens holde Agnes,
Heinrich, dein Sohn, mit ihr vermählt, und zwischen ihnen
Der Kaiser, sprengen her, um deinen Segen
Zu ihrem Bündnis zu erflehn –
O
Auch dieser Bund vergeht mit seinen Myrten,
Mit Braut und Bräutigam, wie alles Irdsche –
Ich werd es sehen müssen!
HEINRICH DER LÖWE.
Du Unselge!
Nur ewig, um das Ende jedes Anfangs
Zu schaun!
DIE WEISSE FRAU.
Fast ward ich der Vergänglichkeit,
Des Glückes wie des Unglücks schon gewohnt –
Wenn du die Blume pflückst, ist sie gebrochen,
Wenn du das Glück genießt, ist es verschwunden,
[195] Und ist das Unglück erst nur da, so ist
Es auch bald überstanden.
HEINRICH DER LÖWE.
Aber, aber
Sag mir, ists so auch in den Regionen,
Wo unser Heiland thront, der Welterlöser?
Du kennst sie doch?
DIE WEISSE FRAU.
Ganz anders, anders droben,
Als du dir denkst – Ich kanns – ich mags – ich darfs
Nicht sagen – Weh mir!

Sie verschwindet.
HEINRICH DER LÖWE.
Bleib noch – Bleibe – Fort
Ist sie wie Nebelglanz – – Sie mags nicht sagen?

Er sinkt in einen Sessel – – Christoph und Wehrfried kommen herein.
WEHRFRIED.
Du sprichst schon lange sehr laut, Herzog – Befiehlst du etwas?
HEINRICH DER LÖWE.
Nein.
CHRISTOPH.
Vor dem Tore schallt eine Trompete. Öffnen wir es?
HEINRICH DER LÖWE.
Ja, öffnet es, und lasset meinen Sohn
Mit seiner Braut und Kaiser Heinrich ein.
WEHRFRIED.
Mit dem Kaiser?
CHRISTOPH.
Herzog, hast du ihn gelockt? Sollen wir ihn hier fangen und totschlagen?
WEHRFRIED.

Nun weiß ich, warum du zugibst, daß Prinz Heinrich eine Hohenstaufin heiratet – Du köderst mit ihr den schlimmsten Vogel in dein Netz.

HEINRICH DER LÖWE.
Ihr irrt euch. Kaiser Heinrich ward mein Freund,
Wer ihm ein Haar verletzt, verletzt mich. – Öffnet,
Und zeigt dabei ihm schuldge Ehrerbietung.
CHRISTOPH.
Sein Freund? Der Waiblinger? Rast er?
WEHRFRIED.
Die Beiden Freunde? Ein Tor, wer es glaubt.
HEINRICH DER LÖWE.
Ich sage, öffnet, öffnet – führt sie zu mir.

Christoph und Wehrfried ab.

Mit Unrecht nicht erstaunen diese Knechte:
Der Kaiser, Friedrichs Sohn, in Braunschweigs Burg? –
Ihr welfschen Säulen, brecht ihr nicht zusammen?
[196]
KAISER HEINRICH
mit Agnes und Prinz Heinrich tritt ein.
Gegrüßt mir, Haupt der Welfen.
HEINRICH DER LÖWE.
Ha, schon da –
– Verzeih, ich bin zu matt, um aufzustehen. –
KAISER HEINRICH.
Bleib ruhig – Wenn sich Welfen und Waiblinger
Versöhnen, gilt es nicht Formalitäten.
Weh ihnen, wenn sie sich nach Höflingsart
Nur scheinbar grüßen, und sich wieder fliehen –
Gefährlich spielten sie mit ihrer Größe.
Nein, wie zwei Ströme, die dem Bergeshang
Entstürzen, ihrem Flußbett folgend, sich
Vereinen, selbst bei Nacht, (wie wir jetzt eben)
Sich finden müssen, und dann unzertrennlich,
Breit und gewaltig zu dem Meere fluten,
Begegnen wir uns hier.
HEINRICH DER LÖWE.
Sohn Friedrichs – Vieles
Hab ich erfahren, lang gelebt – Unmöglich
Ist steter Friede zwischen unsern Stämmen.
Ob ein paar Blätter auch, wenn Sommerwind
Sie rührt, liebkosend sich entgegenflüstern –
Der Bäume Wurzeln sind in Finsternis
Gepflanzt und ringen ewig miteinander,
Und nach der Wurzel biegt sich doch der Stamm.
Zwei Sonnen nicht am Himmel, und auf Erden
Nicht zwei Geschlechter wie die unsrigen.
KAISER HEINRICH.
Grad weil wir so gewaltig sind, gelingt
Uns das unmöglich Scheinende vielleicht.
Nicht tote, winzge Blätter, die sich nur
Im Lüftchen regen, sind wir – Leu, es regt
In uns sich eigne Kraft, – frier auch die Wurzel
Tief in der Erde, – nah genug sind wir
Der Sonne, ihre Gluten einzusaugen,
Und sie hinabzusenden zu der Tiefe,
Die Füße damit zu erwärmen! – Hoffe
Die schönste Zukunft!
HEINRICH DER LÖWE.
Junger Fürst, wer oft
Gehofft hat, lernet – fürchten.
KAISER HEINRICH
deutet auf Agnes und den Prinzen Heinrich.
Sollte
[197] Dich dieser Kinder Anblick nicht noch einmal
Das Hoffen lehren?
HEINRICH DER LÖWE.
Heinrich, o mein Sohn –
Doch Sie da –?
KAISER HEINRICH.
Agnes, meine Muhme, Erbin
Der Pfalz, Gemahlin deines Heinrichs – schön
Und liebenswürdig wie ein Engel –
PRINZ HEINRICH.
Ja,
Als Friedensengel, Vater!
AGNES.
Sprecht nicht
Von Muhmen, Erbinnen und Engeln – Laßt
Mich seine Tochter sein!
HEINRICH DER LÖWE.
Selbst Welfen können
Nicht widerstehn, wenn Hohenstaufen schmeicheln –
– Sei meine Tochter, Mädchen, – Gott beschütze
Und stärke dich – Denn, Rose, blühen mußt
Du zwischen Felsen!
AGNES.
Armer Löwe,
Besorgt um mich, und selbst so krank – O laß
Mich deiner pflegen, deine weißen Locken,
Mir teurer als das eigne Haar, mit Küssen
Bedecken.
HEINRICH DER LÖWE.
Kommst zu spät, mein Kind. Todkündend
Erschien mir heute nacht die Weiße Frau.
KAISER HEINRICH
für sich.
Der Arme stirbt. Er träumt schon Kindermärchen.
HEINRICH DER LÖWE.
– Und eine Hohenstaufin pflegt mich – Das
Sind sichre Zeichen – 's geht mit mir zu Ende.
– Wie, Kaiser, lautet unser Friedensschluß?
KAISER HEINRICH.
Sehr ehrenvoll für dich – Von Acht und Bann
Bist du befreit, und Sachsens Herzogtum
Empfängst du wieder.
HEINRICH DER LÖWE.
Aber ich besaß
Ein andres Land noch – Flüsse schrien durch
Es hin mit Donnerstimmen – Nie vergeß
Ich sie –
KAISER HEINRICH.
Du denkst an Baiern – Was verlangst
Du nach ihm? – Nie ist es dir treu gewesen,
[198] Und Wittelsbach besitzt es längst.
HEINRICH DER LÖWE.
Nie treu –
So fahr es wohl – Es war vielleicht zu groß,
Um fest am Stamm zu hangen – Alle Groß
Und Schwere trennt sich leicht von dem, woran
Man sie will ketten, sei's der Apfel von
Dem Baume, sei's der Freund vom Freunde, oder
Das Volk vom Fürsten, – nur fällt sie dabei
Gewöhnlich auch zu Boden –
Wo mein Otto?
PRINZ HEINRICH.
Ich fragte schon nach ihm, – ich hört, er schliefe.
HEINRICH DER LÖWE.
So stört ihn nicht, und tretet auf die Seite.
– Man winkt mir schon.
KAISER HEINRICH.
Wer winkt?
HEINRICH DER LÖWE.
Dein Vater, Friedrich,
Und neben ihm die strahlende Mathildis –
– Er beugt sich zu mir nieder, gleich ihr lächelnd,
Der Freund, der Heldenjüngling wieder –
Die kaiserliche Krone, die elende
Sternschuppe, welche uns so oft verwirrt,
Fällt ihm vom Haupte hin zur Hölle,
Und prachtvoll steigen auf die Dioskuren!
KAISER HEINRICH.
Er phantasiert, – ruft einen Arzt!
HEINRICH DER LÖWE.
Nicht nötig –
Ich bin gesund und meine Jugend kehrt zurück.
– Wie fließt der Rhein so stolz dahin – Wie spiegeln
Sich Schloß und Stadt in seinen grünen Wellen!
Heil Hochheim, Heil Johannisberg, König
Der Rebenhügel – Rechts da Rüdesheim, die Zier
Am Bergessaume – links kommt Bingen – o
Wie tobt das Binger Loch, doch lauter tönen
Des Ofterdingen Saiten drein – Und dort
Hoch Ehrenbreitstein, Diadem des Felsens!
Dies ist mein schönster Tag!
KAISER HEINRICH.
Er denkt der Rheinfahrt,
Die er mit meinem Vater und dem hehren Sänger
Der Nibelungen, Ofterdingen, einst gemacht.
HEINRICH DER LÖWE.
O trag mich, Rhein, o reiß mich fort – schön stürzt
[199] Es sich mit dir zum Meer, zum Tode – Kaiser,
Was sag ich deinem Vater? Eben fragt
Er mich nach dir.
KAISER HEINRICH.
Sag ihm,
Der Hohenstaufe strebe noch so kühn wie immer,
Und wenn er auf des Ätna Gipfeln stände,
So würd er sehnend übers Meer
Hinschauen!
HEINRICH DER LÖWE
mit immer matterer, aber sehr bewegter Stimme.
Lebe wohl, mein treues Sachsen –
Ein Trost ist mir: mein Leib wird doch ein Stückchen
Von deiner Erde – Weser, Ocker, fahret wohl –
Leb wohl du Harz mit deinen Felsentalen, –
Wie gern verirrt ich mich nur einmal noch
In dir – Lebt wohl, ihr Sterne – Ach –

Er sinkt sterbend hin.
KAISER HEINRICH.
So endet
Das Große, mit 'nem Seufzer – Er ist tot –

Zum Prinzen Heinrich.

Heil dir,
Herzog der Sachsen!
PRINZ HEINRICH.
Du rufst Heil mir, und ich seh
Ihn tot?
KAISER HEINRICH.
Betraure ihn, – doch dann genieß,
Was er dir hinterlassen. Mir starb auch
Erst jüngst der Vater – Schmerzlich war es – Doch
Genug nicht kann mans wiederholen:
Tod ist der Menschheit allgemeines Los,
Und wen er schreckt, wird niemals groß. –

Für sich.

Der Löwe tot – frei kann ich nach Neapel!

4. Akt

1. Szene
Erste Szene
Großer Saal im königlichen Schlosse zu Neapel.
Tancred, als König, auf dem Throne, um ihn auf ihren Sitzen die ersten Edlen der Normannen, unter ihnen der Erzbischof Matthäus von Palermo, der Graf Acerra und Bohemund. Überall normannische Wachen und Krieger.

GRAF ACERRA.
Nie schimmerte der Strahlenkranz der Sonne
So schön um dieses Landes Flur als heute.
BOHEMUND.
Errungen endlich alles, alles wieder.
TANCRED.
Nur Rocca d'Arce leider nicht.
BOHEMUND.
Die Tore
Neapels, die wir gestern erst erblickten,
Gleich aufgesprungen, als ob Zauberruten
Sie angerührt – Du auf dem alten Thron
In frischer Jugend, des Tyrannen Gattin
Gegangen, seine besten Freunde mit ihr –
Das ganze Land im Flug zurückerobert!
TANCRED.
Was leicht erobert ist, geht leicht verloren.
GRAF ACERRA.
So sprich nicht, König – Wann wohl dürften wir
Mit kühnren Hoffnungen als jetzt uns schmeicheln?
Das Glück geleitet, und Begeisterung
Umlodert, Einigkeit verbindet uns –
– Wann kannten unsre Ahnen etwas Größres?
TANCRED.
Der erste Freiheits-, erste Sieges-Schwindel
Ist allzu süß, als daß man sich in ihm
Nicht gern berauschte. Fühl ich es doch selbst
An meines eignen Herzens Schlägen. Deshalb
Seid achtsam, daß wir nicht in trunknen Wahnsinn
[201] Verfallen, um ermattet zu erwachen.
– Ich wähnte auch, es wär das Ziel, wenn so
Wie jetzt Neapels und Siziliens Krone
Auf meiner Scheitel prangte, beide Lande
Zu meinem Fuße lägen – Doch am Ziel
Nun angelangt, winkt schon ein höheres,
Wie oft der Wanderer, wenn er den Berg
Erklimmt hat, froh da ausruhn will,
Im Wahn, er sei nun auf des Weges Gipfel,
Den höhern Berg sieht, welchen der erklimmte
Verbarg. – Noch stehen wir den Italiänern
Als Feinde gegenüber, ob wir gleich
Wie sie im selben Land geboren sind –
Denn wir besitzen ihre Recht' und Güter.
Soll Sicherheit und innere Gesundheit
Das Reich erfreun, so muß das anders werden.
So lang das Volk sich unterdrückt hält, wechselt
Es gern den Unterdrücker, wärs auch bloß,
Den kurzen Reiz der Abwechslung zu fühlen.
Dann blicket hin nach Norden: Der Waiblinger
Hat mit dem Welfen sich versöhnt, und kehrt
Die Faust, die mit dem Leuen hat gerungen,
Freier als jemals gegen uns. Den Schlüssel
Des Reiches, Rocca d'Arce, hält Graf Diephold
Mit unbeugsamem Mute für ihn fest –
Weh uns, dringt Heinrich je so weit, dem Grafen
Ihn abzunehmen – Durch das aufgerißne Tor
Des Landes brandete wie Meereswogen
Er mit den überzählgen Scharen auf
Uns ein. Drum Rocca d'Arce Tag und Nacht
Gestürmt, bis seine Türme sich uns beugen,
Alsdann den Kaiser aufgesucht bis in
Die Lombardei, wo manche Städte noch
Ihm feindlich sind, sich gern mit uns vereinen –
In unserm Rücken aber, in Neapel
Dadurch die Ruh gewahrt, daß wir dem Volke
Entgegenkommen, wärs auch, daß wir lernten,
Von den Erobrungsrechten unsrer Ahnen
Ein wenig aufzuopfern.
BOHEMUND.
Wie? Aufopfern?
Was uns gebührt, was wir ererbt? Wir schmähten
[202] Im Grab noch unsre Ahnen. Haben
Sie darum mit so vielem Mut und Blute
Dies Land errungen, daß wir Enkel
Es wiederum mit den Besiegten teilten?
Der Pöbel soll mit uns auf eine Bank
Sich setzen, mit uns jagen in den Forsten?
Bei Gott, der feisteste der Eber soll
In meinen Waldungen vor meinem Pfeil
Noch sichrer sein, als so ein welscher Lump.
GRAF ACERRA.
Wie? Dem Despoten sollen wir entgegen,
Und die Verräter und Verdächtigen,
Die uns im Rücken drohn, beschenken, statt
Sie zu bestrafen? – Nun und nimmer – durch
Den Hals dem Feind das Schwert, nicht in die Hand –,
Vor allem aber Heinrichs Günstlinge,
Dem Grafen von Aversa.
TANCRED.
Schon' Aversa.
Er ist dein Todfeind, und persönliche
Erbittrung scheints, verfolgst du ihn zumeist.
GRAF ACERRA.
Ich bin sein Todfeind, ja, weil er Todfeind
Des Staates ist – Nicht Großmut – Wahnsinn wärs,
Ihn zur Erbauung seines Gleichen nicht
Hinrichten wollen, und zwar unter Qualen.
ERZBISCHOF MATTHÄUS.
Auf gleiche Weise sterb auch Ophamilla.
TANCRED.
Wie, dein Kollege?
ERZBISCHOF MATTHÄUS.
Und war er mein Vater,
Er müßte sterben unter Henkershand – Er hat
Darnach gelebt.
TANCRED.
Nie eben wart ihr Freunde –
Jedoch so weit – – Bedenk, er ist ein Priester
Gleich dir.
ERZBISCHOF MATTHÄUS.
Reißt ihm die Priesterkleidung ab,
Und einen Teufel, grad so dumm und feig
Als schlecht, erblickt ihr.
TANCRED.
Wärs nicht geratner
Ihn mit Gefangenschaft anstatt des Todes
Zu strafen?
[203]
ERZBISCHOF MATTHÄUS.
Ist er denn der Mühe wert,
Ihn ewig zu bewachen und zu nähren?
TANCRED.
– Führt Ophamilla und Aversa vor.

Mehrere Krieger ab, welche bald zurückkommen und den Erzbischof Ophamilla sowie den Grafen von Aversa gefangen hereinführen.
ERZBISCHOF MATTHÄUS.
Nun Ophamilla?
GRAF ACERRA.
Nun, Herr Graf Aversa?
TANCRED
zu Ophamilla und Aversa.
Als Kaisers Freund' – als Landsverräter – seid
Ihr angeklagt. Verteidigt euch.
GRAF VON AVERSA.
Vom Strick
Befreit erst meine Hände, und dann Waffen!
Mit ihnen nur, mit Worten nicht, kann man
Heimtücksche Buben, wie Acerra dort,
Bestrafen. Eine Wunde fühlen sie, doch Schimpf
Und Schande nicht.
GRAF ACERRA
springt mit einem Dolche auf Aversa zu.
Dies deiner Lunge,
Du giftgeschwollne Kröte!
TANCRED.
Halt –

Graf Acerra wird zurückgehalten.
GRAF VON AVERSA.
Daß du
Mich gern erwürgst, begreif ich leicht – doch daß
Du mir ins Aug kannst sehn, ist unbegreiflich, –
Du, der mich hinterlistig einlud, im
Freundlichen Zwiesprach unsren Zwist zu enden,
Und dann mich treulos nahm gefangen!
GRAF ACERRA.
Heult
Der Wolf, daß er so dumm war, in die Falle
Zu gehn? Kann dir dein deutscher Götze nicht
Mehr helfen? Machst jetzt schöne Phrasen, da
Es mit den schlechten Taten nicht mehr will?
Entarteter Normanne, schlimmer noch

Auf Ophamilla deutend.

Als jener Sizilianer, denn er schändet
Doch nicht so edlen Stamm als du.
GRAF VON AVERSA
mit sehr fester Stimme.
Der Kaiser
Ist dieses Reichs rechtmäßger Oberherr,
Denn seine Erbin hat sich ihm vermählt.
[204] Ein jeder, der ihm widerstrebt, ist ein
Empörer, und ihr seid es allesamt.
Das Glück kann eine Zeitlang euch bekrönen,
Doch nie das Recht, und endlich trifft euch die
Verdiente Strafe. Dieses glaub ich,
Und darauf sterb ich –
Und nun bitt ich,
Macht mich rasch ab und spart das Reden. Unnütz
Ist es, denn bald vergeß ichs doch im Grabe.
GRAF ACERRA.
Im Grab? Auf dem Toledo sollst du liegen,
Und Hunde dich zerfleischen.
GRAF VON AVERSA.
Darob jauchze
Doch nicht, Acerra, – es tut mir alsdann
Nicht weh mehr. –
ERZBISCHOF MATTHÄUS.
Ophamilla, kam es nun
Mit dir so weit? Ist dies das Ende?
Gebunden vor mir?
OPHAMILLA.
Barmherzger Gott!
Er schont mich nicht – ich hörs am Klang der Stimme!
ERZBISCHOF MATTHÄUS.
Du zitterst? Frierst du? Graut dir?
OPHAMILLA.
Grausig, kalt
Der Tod – Kalt wie dein Blick.
ERZBISCHOF MATTHÄUS.
Ich freue mich,
Daß ich es dir verkünde, du nicht mir:
Du siehst den Abend dieses Tags nicht mehr.
OPHAMILLA.
Matthäus! Todfeind! Gnade, Gnade! Schenke
Das Leben mir, laß dir genug sein, daß
Ich dir zu Füßen stürze –
ERZBISCHOF MATTHÄUS.
Reißt ihn wieder
Empor! Zu stehen ziemt ihm, nicht zu liegen.
OPHAMILLA.
Nicht atmen mehr, nicht hören, sehen, denken –
In einer Stunde alles aus – Ich tot, die Henker
Wildjauchzend über meinem Leichnam –
O Gott, das Leben ist doch schön, und säh
Man auch, so lang man lebt, nur einen Grashalm.
ERZBISCHOF MATTHÄUS.
Wie schwach!
OPHAMILLA.
Matthäus, leben laß mich, leben –
[205] Verfluchen will ich Kaiser Heinrich –
GRAF VON AVERSA.
Schurke!
OPHAMILLA.
– dich lieben will ich, will dein Sklave sein,
Du sollst mich treten, und ich will dafür
Dir danken, – aber laß mir diesen Atem,
ERZBISCHOF MATTHÄUS.
Verkehrt auf einem Esel mit dir zum
Schafott.
TANCRED.
Sprecht ihr dem Ophamilla,
Dem Aversa insgesamt das Todesurteil?
ALLE ANWESENDEN.
Wir alle sprechen es.
TANCRED
zu mehreren Kriegern.
So führet sie
Zum Tode.
OPHAMILLA.
Nein, ich will nicht sterben – Henker,
Wagt es mich zu berühren! Mit der Hand,
Mit meinem Fuß, mit meinen Zähnen wehr
Ich mich!
ERZBISCHOF MATTHÄUS.
Ophamilla, heute abend noch,
Wenn du in deinem Blut liegst, trink ich von
Dem schönen Syrakuser deiner Keller!

Der Graf von Aversa und Ophamilla werden, ungeachtet des Sträubens des letzteren, abgeführt.
GRAF ACERRA.
Die Kaiserin jetzt vor Gericht.
BOHEMUND.
Zeit ists.
ERZBISCHOF MATTHÄUS.
Und Not – Sie schadet uns selbst als Gefangne –
Die Unzufriednen alle sehn auf sie
Und ketten an sie ihre Pläne.
GRAF ACERRA.
Laßt
Das alberne und niederträchtge Weib,
Das der Normannen Szepter einem Fant
Und Fremdling gab für süße Blicke,
Im Meer ersäufen, wo es ist am tiefsten.
TANCRED.
Constanz' ist Weib, ist Kaiserin,
Und königlichen Bluts – Dreifacher Grund,
Sie dreifach zu verschonen und zu ehren,
Und nicht sie schändlich zu erwürgen.
ERZBISCHOF MATTHÄUS.
Gefährlich immer, bleibt sie unter uns.
[206]
TANCRED.
So lernet von mir Rittersitte. Meine
Gefangne ist Constanze, denn mir selbst
Ergab sie sich, und da's euch so gefährlich
Erscheint, daß sie hier länger weile, geb
Ich heute sie noch frei.
GRAF ACERRA.
Nein, König, nein,
Bei Gott nicht –
TANCRED.
Schwöre nicht, – bei meinem Wort,
Du schwörst sonst einen Meineid. Sie wird frei! –
Ein Weib kann uns nicht schaden, mindestens
In Feindes Reihen nicht – Das günstge Urteil
Der Welt gewinnen wir durch unsre Großmut.
– Wollt ihr gern Feinde töten, sucht sie hinter
Den Mauern Rocca d'Arces oder auf dem Feld
Der Schlacht.
GRAF ACERRA.
Der größte Feind des Normanns, König,
Ist dein mehr als empfindsam Herz – Tränks mit
Verräterblut, und es wird stärker.
ERZBISCHOF MATTHÄUS.
Guiskard
Umdrängt mit seinem Heere Rocca d'Arce
Schon monatlang, – es soll schon in der Veste
Der Hunger wüten – sicher fällt sie bald.
Wir brauchen also nicht noch neue Kräfte
An diesem Felsen zu zersplittern – Leider
Bedürfen wir sie auch in unsrer Nähe
Nur noch zu sehr. Noch schützen die Gesetze,
Die wir gegeben, weder uns, noch sich –
Noch müssen wir sie mit dem Schwert behüten,
Bis sie gewachsen zu selbstkräftgen Stämmen,
Und wir in ihren Schatten ruhen können.
Noch sind genugsam Truppen nicht vorhanden,
Um gar dem Kaiser selbst, wie du es wünschest,
Im Schlachtfeld zu begegnen. – Und
Ists ratsam, unsre Heimat zu verlassen,
Den Feind im Ausland aufzusuchen, der
Vielleicht noch nicht dran denkt, uns zu bekämpfen? –
– Wir wollen warten, bis er kommt, dann mag
Er sehen, was es heißt, wenn sich der Herr im Hause,
Neapel in Neapel wehrt.
GRAF ACERRA.
Nicht ganz
Denk ich wie du, und gerne stürmt ich los
[207] Auf Rocca d'Arce, packte bei dem Haar
Den Kaiserknaben, den sie dort verwahren,
Zerschmetterte am Felsen sein Gehirn,
Und färbte meines Wappens Silbergrund
Mit Kaiserblut zu Golde – gerne drang
Ich durch der Alpen Pässe, und erhellte
Den dunklen Norden, der uns Heinrich ausspie,
Mit Feur und Schwert – doch nicht vom Fleck den Fuß,
So lang der König spielt den Edelmütgen,
Und unsre schlimmsten, die inländschen Feinde,
Verschonet – Wie ich auch den Kaiser hasse,
Verräter haß und fürchte ich weit mehr.
TANCRED
nimmt die Krone vom Haupte und betrachtet sie wehmutsvoll.
O Krone, Krone, goldnes Kleinod, Zier
Und Glanz des Südens, Stern des Mittelmeeres –
Dein Reich ist deiner unwert! Du, Neapel,
Der Wunder Land, wo Berge brennen, Wälder
Von Lorbeern alle Hügel kränzen, nur
Die Hand erwarten, sie zu pflücken, – wo
Auf Posilippos Vorgebirg der Schwan
Von Mantua, der große Heldensänger,
Im Lorbeerschatten schläft, – weit herrlicher
Bist du als deine Söhne! – O der Schmach!
Vesuv und Ätna brennen mächtiger
Als unsre Brüste – Lorbeern grünen, voll
Und üppig, um im Herbst zu welken, und
Der Heldensänger schläft seit tausend Jahren,
Weil auch nicht Ein Held aufstand, der ihn weckte!
ERZBISCHOF MATTHÄUS.
O König, seufze nicht um Heldentum.
Es scheint, als wäre seine Zeit vorbei.
Gottlob! Es führte nur zu Blut und Unheil.
TANCRED.
Und wozu führt die Politik, mit der
Du heut mich hemmen willst? Wozu wohl anders,
Als daß du dein einmal errungnes Ansehn
In diesem Reiche kurze Zeit festhältst,
Parteien schaffst, in Hoffnung zwischen ihnen
Herrschen zu wollen, selbst der Krone
Zum Hohn, und endlich, wenn der große Feind
Von außen kommt, das ganze Reich, ich, du,
[208] Und deine Träume, Träumen gleich
Vor seinem Hauch verfliegen?
ERZBISCHOF MATTHÄUS.
Du könntest
Mir Pläne wider deinen Thron zutrauen?
War ich es nicht, der ihn dir baute?
TANCRED.
Oft
Schon schaffte nur der Schaffende, Matthäus,
Um selbst die Schöpfung zu genießen. – Mann,
Ich kenne dich!
ERZBISCHOF MATTHÄUS
für sich.
So hüte dich, – denn viel
Zu eigensinnig wird mir dein Gefühl.
TANCRED.
Das eure Freiheit? Zank mit eurem Herrscher!
Das eure Taten, euer Mut, Acerra?
Verfolgung, Grausamkeit! Glaubt ihr, die machten
Euch stark? Sie zeigen nur, daß ihr der Macht,
Die euch geworden, nicht seid würdig – Immer
Sind Feige und Unmündige die Grausamsten, –
Der Knabe quält, zerrupft die Fliege, welche
Der Mann bloß mit der Hand abwehrt! – Darum
Fiel uns des Sieges Frucht, o Bohemund,
Daß wir in träger Muße sie verschwelgten?
– O Weh, ihr großen, ihr hochherzgen Ahnen,
Muß ewig mich eur Angedenken mahnen?
Hat dies Geschlecht es völlig denn verloren?
Bin ich Jahrhunderte zu spät geboren?
Ihr kämpftet freudig an dem fernsten Strand,
Doch diese streiten kaum fürs Vaterland!
– Lebt wohl – ich eile zu des Guiskard Heere,
Denn nur vor Rocca d'Arce noch ist Tod und Ehre.

Geht ab; Krieger folgen ihm.
ERZBISCHOF MATTHÄUS.
Seid nicht bestürzt, – er ist noch jung, – die Hitze
Wird sich schon mäßigen, er kommt zurück.
Käm er wirklich nicht wieder, laßt uns dennoch
Fortfahren so, wie wir begonnen, –
Denn unsere Verfassung ist so gut,
Daß selbst ein König grade not nicht tut.
2. Szene
[209] Zweite Szene
Große Wachtstube in Rocca d'Arce.
Soldaten schlafend, im Gespräche oder sonst beschäftigt. Diephold kommt mit einem fränkischen Hauptmann.

DER HAUPTMANN.
Die Vorderschanze ist vom Feind erstürmt.
DIEPHOLD.
Erstürmt sogleich sie wieder.
DER HAUPTMANN.
Herr, die Schanze
Ist kaum des Blutes wert, und nützt uns wenig –
Man könnt es besser anderwärts verwenden.
DIEPHOLD.
Ei, mein Herr weiser Hauptmann, wagst Einrede
In einer Festung, die umlagert ist
Vom Feinde? Wo's nur gilt, dem Wort des Feldherrn,
Der mit dem eignen Haupt für alles haftet,
Zu folgen wie dem Wetterschlag die Flamme? – Weißt du,
Daß ich für die Minute, welche dein
Geschwätz dem Dienst des Kaisers hat geraubt,
Dich hängen lassen sollte? Doch die Strafe
Sei ehrenvoll, so wie der Tod, der sie
Wahrscheinlich wird begleiten – Stürm du selbst
Mir binnen Stundenfrist das Außenwerk
Zurück, sonst komm nicht wieder lebend vor
Mein Antlitz!
DER HAUPTMANN.
Danke – Statt verdienter Strafe
Gibst du mir Lohn und Ruhm!

Ab.
Achmet tritt auf.
DIEPHOLD.
Zurückgeschlagen?
ACHMET.
Nicht das, doch wie wir auch mit Vogelschnelle
Hinflogen an den Reihen der Belagrer,
Wir fanden nirgends unbewachte Punkte.
Der Guiskard ist ein tüchtger Feldherr.
DIEPHOLD.
Wie
Ist es mit deinen braven Leuten? Halten
Sie stets noch aus?
ACHMET.
Sie tun mir leid. Ich sehe,
Wie sehr sie Durst und Hunger fühlen – Bleich
[210] Sind ihre Lippen, gelb und hohl die Wangen –
Doch sagen sie kein Wort – Nur bei den Rossen,
Die Mangel dulden wie sie selbst, stehn Viele
Und schmeichlen ihnen, trösten sie, die Tränen
Im Auge.
DIEPHOLD.
Kanns nicht ändern. Mir auch schmerzt
Der Magen. Aber bei dem Himmel und
Der Hölle, – eh ich diese Veste, die
Der Kaiser mir anvertraut, des Hungers halber
Dem Feinde übergebe, zehr
Ich diese meine Hand auf!
ACHMET.
Übergeben!
Sag nicht das Wort! – Was ist denn Hunger gegen
Gefangenschaft? – Und blüht in diesem grauen
Und wüsten Baue eine Blume nicht,
Die ihn zur lieblichsten Oase wandelt?
DIEPHOLD.
Du meinst das Kaiserkind!
ACHMET.
Wen anders denn?
Wer sähe wohl sein blaues Auge blinken,
Und glaubte nicht vom Himmelstau zu trinken?
DIEPHOLD.
Fürwahr es ist ein wundersames Kind. Es kann
Nicht reden, doch sein Blick spricht schon und forscht!
ACHMET.
Zeig meinen Leuten es, wenn sie verzagen,
Und jubelnd werden sie die Not ertragen!

Hauptmann von Schwarzeneck, Albert, Wolfgang und andere Krieger, worunter auch Franken, kommen.
DIEPHOLD.
Ha, abgelöste Wachen – – Regt der Feind sich?
HAUPTMANN VON SCHWARZENECK.
Herr, er schreit wie ein mißgeborner Löwe – Der König Tancred ist eben bei ihm angekommen.
DIEPHOLD.
Mit vielem Geleit?
EIN FRÄNKISCHER KRIEGER.

Ich habe unter den normannischen Vorposten Bekannte, die mir manches verraten; sie deuteten mir an, er hätte nur zweihundert Mann bei sich.

DIEPHOLD.
Das ist sonderbar. Werden sie ihm schon ebenso treulos wie dem Kaiser? – – – Sonst nichts Neues?
HAUPTMANN VON SCHWARZENECK.
Ja, die Pest ist auch da.
DIEPHOLD.
Wo?
HAUPTMANN VON SCHWARZENECK.
Bei dem Ruprecht und noch ein paar andern. Der Arzt zog Handschuh an, als er sie [211] anfaßte.
DIEPHOLD.

Ich will ihn lehren, seine Pflicht mit bloßen Händen, und nicht in Handschuhen zu tun – Daß für die Kranken gesorgt wird, – das letzte Essen, der letzte Wein unserer Keller werde für sie gebraucht –

DER FRÄNKISCHE KRIEGER.
Straf mich Gott, ich wollt, ich hätte die Pest auch – Man bekommt dabei zu verzehren, wie ein König.
DIEPHOLD.
Nenn es nicht Pest, es wird eine andere leichtere Krankheit sein.
DER FRÄNKISCHE KRIEGER.

Bewahre – Pest ists nicht – es ist nur ein kleines Leiden, welches das Gesicht bräunt, die Augen heraustreibt, den Hals zusammenschnürt wie nichts Gutes, und jeden ansteckt, der dem Kranken nahe kommt – Kurz, es ist eine tötende Schwäche, – wie sie heißt, wird dem Sterbenden einerlei sein.

DIEPHOLD.
Werde mir nicht zu beißig, Konrad.
DER FRÄNKISCHE KRIEGER.

Das mußt du mir nicht verdenken, Feldherr – Hunger macht beißig – Brot hab ich nicht mehr, – so muß ich an Worten beißen.

DIEPHOLD.

Der Kaiser hat euch Jahre lang ernährt und besoldet, dafür lernt auch ein paar Monate für ihn hungern.

DER FRÄNKISCHE KRIEGER.
Bei Gott, es ist schwerer für ihn zu hungern als für ihn zu sterben.
ALBERT.

Ja, Herr, das Sterben ist bald vorüber, aber der Hunger ist wie ein lebendiges Tier, Tag und Nacht, beim Wachen und beim Traum munter und nagend.

DIEPHOLD.
Ihr seht, ich leide Mangel wie ihr.
DER FRÄNKISCHE KRIEGER.
Das zeigt die Größe unserer Not, hilft uns aber nicht.
DIEPHOLD.
Nun, redet, tadelt, wie ihr immer wollt,
Doch handelt treu und mutig, wie ihr sollt.

Geht ab, Achmet bleibt mit verschränkten Armen stehen und hört, bisweilen darüber lächelnd, das folgende Gespräch an.
ALBERT.
Hauptmann, du fluchst ja gar nicht mehr.
HAUPTMANN VON SCHWARZENECK.
Donnerwetter, ich halte den Atem an mir. Er hilft immer doch etwas den Magen zu füllen.
WOLFGANG.
Das war eine andere Zeit, Herr Hauptmann, als wir am Vesuve noch die Tränen hatten.
HAUPTMANN VON SCHWARZENECK.
Hast keine mehr, Kerl?
[212]
WOLFGANG.
Fort das letzte Tröpfchen, alles trocken –
HAUPTMANN VON SCHWARZENECK.
Element, auch nicht einmal Tränen!
DER FRÄNKISCHE KRIEGER
lachend.
Der Schmerz muß also ins Übermenschliche gehn.
ALBERT.

Hätt ich nur stets Träume wie gestern nacht, Hauptmann. Ich lag im Grünen – am Himmel zogen die Schäfchen über die Türme von Heilbronn dahin, und auf den Hügeln läuteten die Herden mit den Glocken dazu, – an allen Bäumen quollen saftige Birnen, überall funkelten Trauben, – ich aß und aß davon mit unerschöpflichem Appetit – Mir wars, als wär ich im Himmel – Da erwach ich und bei mir liegt diese halb aufgezehrte Stiefelsohle –

DER FRÄNKISCHE KRIEGER.

Stiefelsohlen liegen schwer im Magen, ich danke Gott, daß ich noch ein paar Schäfte und ein Hundsfell habe – Auf diese und auf zwei lang aufgesparte Rattenschwänze und ein gutes Glas Wasser aus dem Sumpf lade ich auf heute abend ein, Euch Herr Hauptmann und euch meine Kameraden.

HAUPTMANN VON SCHWARZENECK.
Donnerwetter, das wird ein Götterabend.
DER FRÄNKISCHE KRIEGER
heimlich, so daß Achmet es nicht hören kann.
Und dabei laßt uns überlegen, wie wir den Sarazenen ein Pferd stehlen – Ich habe meine Pläne –
WOLFGANG.

Vielleicht bringe ich zur Nachkost noch einen Skorpion und eine Viper mit. Ich bin den beiden Bestien lange auf der Spur, – sie sonnen sich da immer auf Gemäuer, – packe ich sie, – na!

HAUPTMANN VON SCHWARZENECK.

Kommt, laßt uns alles auf den Abend zubereiten. – Du Albert hilfst dem Wolfgang auf den Skorpion passen und die Viper.


Er, Albert, Wolf gang und der fränkische Krieger ab.
ACHMET.
Die Leute reden wild und meine schweigen, –
Ich wollt sie machten es wie die, und sprächen.
Der stumme Schmerz ist der zernagendste.

Agib, Caleb und andere Sarazenen kommen.
Sie stürzen Achmet zu Füßen.

Was ist euch? – Hat der Hunger euch so tief
Gebeugt?
AGIB.
Nein, uns nicht, – doch unsre Rosse,
Ach, unsre Rosse! –
[213]
ACHMET.
Erst steht auf – dann weiter.

Die Sarazenen erheben sich wieder. Dann.
AGIB.
O Emir, Emir, sie verschmachten und
Verdursten! Wie verwelkte Blätter hängen
Die Ohren ihnen, und sie richten sie
Nur mühsam auf, wenn wir zu ihnen reden!
Wir sehn den Jammer und wir können doch
Nicht helfen!
ACHMET.
Caleb, du! du stehst ja wie in Geist,
Ein stummer Schatten ohne Blut –
AGIB.
Wie sollt
Er nicht? Besitzt er nicht des Erdrunds Perle,
Zulma, die schönste der arabschen Stuten?
Seit vierzehn Tagen schon hat er sein Blut
Getrunken, und das Wasser, welches ihm
Geliefert wird, für sie gespart – Der Brunnen
Gibt jetzt kein Wasser mehr, und seine Adern
Sind dürre – Herr und Roß verdursten!
ACHMET
für sich.
Hier stürmt der Odem der Verzweiflung,
Allein ich weiß ein Mittel, ihn zu schwichtgen.
Der Sarazene kennt in Not und Mangel
Weit reichre Schätze als der Herrscher Größter –
Es sind die Zaubermärchen, – wie oft in
Der Wüsten Tiefe mächtge Wunderschlösser,
Umrauscht von Silberströmen und umschattet
Von Palmenwäldern, worin goldne Vögel
Gleich Funken hüpfen, dem Auge des
Verirrten Wanderers Erquickung lügen,
Erfrischen ihn die Feensagen –

Laut.

Hört
Ein Märchen, Kinder, wie ihr wohl noch keines
Vernommen!
AGIB.
Ha, ein Märchen – Sag es!
CALEB.
Stille!
Laß ihn doch reden!

Achmet läßt sich nieder, die Sarazenen setzen sich im Kreise um ihn.
ACHMET.
Mohr und Beduine reiten
Mit flüchtgen Rossen über Libyens Sand –
[214] Der rote Himmel brennt einäugig mit
Der Sonn auf ihre Häupter, – Sterne glänzen
Und zeigen ihnen Stund und Tag, – die Schlangen
Umringeln und die Leu'n umbrüllen sie –
Die Karawanen fliehn vor ihnen her –
Sie ihnen nach, und wissen nicht,
Worauf sie reiten, welcher Abgrund
Dicht unter ihrer Rosse Hufen dämmert –
Ganz Afrika ist unterwölbt, und Sonn
Und Sterne flammen unter seinem Boden
Noch sengender als über ihm! Daher
Die rätselhaften Ungetüme, die
Fast jeden Tag dies Land gebiert!
CALEB.
Wie groß
Ist Allahs Macht!
ACHMET.
Nicht Allahs – Satanai
Ist es, der dort sein Reich gegründet hat, –
Da blühen Sterne, Sonnen, Blumen, Früchte,
Allein von Höllenfeur sind sie geschwängert,
Weh jedem, der sie sieht, der sie genießt –
Für stets ist er verloren – Unterm Meer
Bei Tunis steht Dom Daniel, die Werkstatt
Des Satanai für die ganze Erde –
Es führen Millionen goldne Stiegen
Zu ihm hinunter, aber keine führt
Den Niedersteigenden zurück – 's ist unbegreiflich,
Wie Allah es erduldet, aber es
Ist wahr!
MEHRERE SARAZENEN.
O weiter, weiter!
AGIB UND CALEB.
Still doch, still,
Und hört!
ACHMET.
In des Domes Hallen,
Die tief wie Höllen, weit wie Himmel sind,
Wo riesge Feuerberge endlos stehen,
Um sie als Fackeln zu erleuchten, feiern
Sie die Mysterien, mit welchen sie
Die Welt verpesten durch
Das Böse – In den Erdennabel senken
Sie da die Keime aller Untat, und
Wenn Heere mordend ihre Lanzen heben,
So seht ihr ihrer Aussaat Ähren wogen,
[215] Und die Blutflecken an der Waffen Spitzen
Sind die Kornblumen! Lang noch, lange
Wird dieser Zauber währen, bis am Ende
Sich der Prophet aufrichtet, und den Ring
Ergreift, an den er ist gebunden.
MEHRERE SARAZENEN.
Emir,
Wo liegt der Ring?
ANDERE.
O stille, stille!
ACHMET.
Tief in
Dem Chaos, dünn, unscheinbar, schwer umwölkt
Von Nächten, unter tausend andren Ringen,
Die ihm ganz gleich – Doch des Propheten Hand
Wird auch im Dunkel, unter all
Den Ringen ihn erkennen –
Kennt ihr Mogreby?
CALEB.
Nein.
ACHMET.
Satanai's erster Erdendiener
Ist Er. Für Satanai sucht und raubt er
Von Ceutas Felsen bis nach Sinas Mauer
Die Königskinder – Wenn ein Herrscher lächelt,
Daß ihm die schönste seiner Sultaninnen
Das schönste Kind geschenkt, und wenn um ihn
Glückwünsche und Drommeten tönen, weilt
Das Unheil in dem Kreise – Mogreby.
CALEB.
Dein Märchen tönt – Ich höre die Drommeten,
Wovon es spricht.
AGIB.
Wahr ists – Sie schallen fern
Und zauberhaft aus ihm herüber.
ACHMET.
Wie?
Drommeten?
CALEB.
Lauschet, lauschet – horcht! das sind
Nicht Klänge, wie man sie bei Königshöfen
Im Orient vernimmt! – Hört, hört! – Da schallt
Geschmetter, ernst und rauh und streng, als wollt
Es Eisen brechen – 's ist die Kriegsmusik
Von Deutschen!
AGIB.
Und Geschrei dazwischen!
CALEB.
Es
Ist nicht ein Märchen – – Ist es nicht als sprengten
Etwa 'ne Stunde fern, gewaltge Pferde,
Wie sie die Abendländer lieben, donnernd
[216] Heran?
ACHMET.
Ich hörs jetzt auch! – Auf, auf! – Und da –
Alarm bläst man in dem Belagrungsheer –
Das ist kein Traum – Der Kaiser naht und der
Entsatz!

Alle springen auf.
CALEB.
Der Kaiser hat uns nicht vergessen!
AGIB.
Wir hatten das auch nicht verdient!
DIEPHOLD
stürzt mit seinen deutschen Gewaffneten herein, Hauptmann von Schwarzeneck, Albert, der fränkische Krieger usw.
usw. darunter.
Der Kaiser!
Der Kaiser! Höret ihrs? Er naht, er rettet!
ACHMET.
Wie eine Quelle der Sahara rieseln
Die Kriegestöne uns durch Mark und Bein,
Und gleich vom Tau erfrischten Blumen richten
Wir freudig uns empor!
DIEPHOLD.
Hoch Heinrich!
ALLE ANWESENDE.
Hoch!
HAUPTMANN VON SCHWARZENECK.

Nun soll doch alle Schockschwerenot die Normannen hunderttausend Klafter tief in die Erde schlagen, daß die Stücke wieder bis an die Sterne fliegen und in ihrem Feuer gebraten zurückfallen!

DER FRÄNKISCHE KRIEGER.
Gottlob, er flucht, – nun stehen die Sachen wieder gut.
ALBERT.
Ja, er hat wieder Luft!
DIEPHOLD
zu den Sarazenen.
Ihr überfliegt mit euren Rossen Pfeile –
Wer von euch wagts, die Reihen der Normannen
Zu überfliegen, und, hin und zurück,
Dem Kaiser unsre, uns des Kaisers Botschaft
Zu bringen?
ACHMET.
Da der Caleb.
CALEB.
Ich! und stehn
Auch die Belagerer sechs Mann tief, – mit
Der Zulma schweb ich drüber weg, obgleich
Dabei ein Wurfspieß mich leicht treffen wird.
DIEPHOLD.
So meld dem Kaiser unsren Dank und Gruß,
Meld ihm, wir würden gleich 'nen Ausfall tun.
CALEB.
Her meine Diamanten, meinen Schmuck.
DIEPHOLD.
Wozu?
[217]
CALEB.
Es geht zum Tode und zum Ruhm!

Man bringt ihm seine Juwelen, einen kostbaren Schal und einen mit Perlen besetzten Turban. Er bekleidet sich mit Schal und Turban, und steckt die Juwelen an die Brust.

Feldherr, jetzt reit ich!

Ab.
DIEPHOLD.
In Ordnung jetzt
Zum Ausfall – Schwaben, Franken, in die Mitte –
Die Vorderschanze, die der Hauptmann für
So nichtsbedeutend hielt, doch eben wieder
Erobert hat mit seinem Leben, klug
Genutzt, um aus ihr unaufhaltsam, nah
Und sicher, in den Feind zu brechen, und
Ihr Sarazenen, seid dem Heer nun, was
Ihr doch seid: seid die Flügel!
ACHMET.
Kinder,
Auf eure Rosse, und bedeutet ihnen,
Dies sei der letzte, der Befreiungskampf!
AGIB.
Der Caleb schon zurück!
CALEB
tritt wieder ein, heiß und verwundet.
Vom Kaiser Gruß –
Ich sprach ihn – Gleich angreifen sollt ihr,
Er tut es auch – Von den Normannen zwei
In Eile abgeschlagne Köpfe – liegen
Im Vorhof – Zeit nicht hatt ich, mehrere
Zu nehmen – Pfeile trafen mich – die Hunde
Dachten vielleicht, ich sollte davon bluten –
Die Narren, habe lang schon nicht mehr Blut –
– Lebt wohl – die Houris winken – Sorgt für Zulma –
Sie tat mir heute einen Dienst, wie nie!

Zum Himmel blickend.

– – Willkommen, ihr Geliebten – Ha, der Tod,
Ist er so schön? – Das ist kein Grab, Ich sinke
In Mädchenarme – Der Prophet legt selbst
Sie um den Nacken mir – Der Wonne –!

Er sinkt nieder und stirbt.
ACHMET.
Brennt
Den Leichnam unter feierndem Gebet
Zu Asche, und den ungeheuren Reichtum
Der Perlen und Juwelen, die der Tote
Bei sich geführt, versenkt mit ihm ins Grab –
[218] Kein Lebender verdient, ihn zu besitzen!
DIEPHOLD.
Jetzt los mit Doppelgrimm, wie Doggen, die die Kette
Zerreißen, – der Normannen Reihn gebrochen,
Und ihre Glieder auf das Feld gesät.
Dem Kaiser halb den Weg gespart und mitten
Auf der gemeinschaftlich errungnen Walstatt
Die Schwerter rot und dampfend, Flammen gleich
Hoch lodernd, wild verzehrend, ihm gewiesen,
Und huldgend dann vor ihm gesenkt.
ACHMET.
Gesenkt nicht! jubelnd um das Haupt geschwenkt!

Alle ab unter lauter Schlachtmusik.
3. Szene
Dritte Szene
Schlachtfeld vor Rocca d'Arce. Normannische, sarazenische und deutsche Kriegsmusik.
Heerscharen der Normannen ziehen über die Bühne, flüchten aber bald darauf zurück – Tancred und Guiskard treten in den Vorgrund.

GUISKARD.
Sie widerstehn nicht mehr dem Doppelangriff,
Und fliehn von beiden Seiten. Lieb ists mir:
Wohin sie fliehen, treffen sie doch Feind
Und Tod, den Kaiser oder Diephold.
TANCRED.
Guiskard,
Wenn ich dies seh, des Normannreichs gedenke,
So ists, als ständen wir auf abgebranntem Waldgrund
Die beiden letzten Stämme. Laß uns sterben,
Und aus dem Leben rette uns der Tod!
– Gottlob, find ich ihn nicht im Schwert der Deutschen,
So trag ich ihn doch lang schon in der Brust! –
Wie ich geahnet, war Neapels Krone
Mir eine Schlange – Sie hat mir das Herz
Zerpreßt, hat giftig mich gestochen – O,
Wärst du doch auf unserer letzten Reichsversammlung
Gewesen – Welche Herrschsucht bei Matthäus,
Welch grausam tolles Wüten bei Acerra,
[219] Und welche Flauheit und Genußsucht bei
Dem Bohemund!
GUISKARD.
Nicht jammre, König, handle –
Mit Worten nicht beschwörest du das Meer.
TANCRED.
Wohl, noch einmal versucht –

Zu vorüberfliehenden Truppen.

Steht! Haltet! Auf
Den Kaiser und den Diephold ein! Wir finden
Den Sieg da wieder, wo wir ihn verloren!
Auf, folgt mir!

Die Truppen hören ihn kaum und fliehen weiter.

Ach, es ist umsonst! – Vorväter,
Wie unsre, zeugen solche Enkel??
GUISKARD.
Wie
Du siehst.
TANCRED.
So tröste mich das Eine: Jedem
Gehts wie dem andern, nichts ist ausgenommen.
Die Eiche wächst und grünt Jahrhunderte,
Und sinkt zu Staub, wie jede Blum im Grase, –
Der Mensch wird alt, die Völker auch, –
Es modern selbst die Felsen der Gebirge,
Der Himmelsveste wirds nicht besser gehn, –
Die Welt wird auch wohl einmal Greis,
Man merkts an ihrer grauen Locke, der
Milchstraße nur zu deutlich – Wehe dann,
Wenn so wie wir im Reiche der Normannen,
In ihr noch ein'ge lebenstüchtige
Geschöpfe leben, ein paar frische Blätter
Am dürren Stamm.
– Dies ist mein letztes Wort,
Und eine Kaiserin sei Botin, daß
In dir und mir noch zwei Normannen leben,
Die wert sind, daß man ihrethalb die Menge
Verschont – Constanze send ich dem Gemahl
Zurück!
GUISKARD.
Nicht doch – Wie ich den Kaiser kenne,
Wird er dafür, daß du ihm die Gemahlin losgibst,
Dir schwerlich einmal danken. Schuldigkeit
Sieht er darin. Drum halt sie fest, – ein Pfand
Ist sie für einen guten Frieden.
TANCRED.
Frieden!
[220] Was nützt er und was machen wir mit ihm,
Wenn wir nicht seiner wert sind?

Ab.
GUISKARD.
Recht
Hat er! Und dieser Krieg hat nur
Bewährt, daß wir zu schwach für Sieg sind, wie
Für Frieden! –

Deutsche Truppen kommen, Normannen verfolgend.

Da der Feind – Sein Schwert erlöst
Mich wohl!
EIN DEUTSCHER KRIEGER.
Weg mit der italiänschen Viper!

Er haut ihn mit dem Schwerte nieder.
KAISER HEINRICH
kommt mit seinem deutschen Heere.

Unter ihm viele, die als Kreuzfahrer mit dem Kreuze bezeichnet sind. Er deutet auf den eben zu Boden stürzenden Guiskard.

Schont ihn für das Schafott: zu ehrenvoll

Ist ihm der Tod durch Kriegers Schwert!

DER DEUTSCHE KRIEGER.
Zu spät,
Da liegt er schon!
KAISER HEINRICH.
Sehr schade! Er gehörte
Dem Henker – Wenn der dich verklagt, schütz ich
Dich nicht!
DIEPHOLD, ACHMET mit ihnen Deutsche und Sarazenen stürmen herein.
Heil Kaiser, Kaiser! Heil Erretter!
KAISER HEINRICH.
Schön ists, im tiefsten Meeresgrund die Perle
Zu finden, schön, den Stern zu sehn nach Wettern
Der Nacht, – aber schöner doch, dem Freunde helfend
Zu nahn, die Wärme seines Händedrucks
Zu fühlen.
Diephold, Achmet, alle, alle,
Die Hand her – Dank euch sämtlich, Deutschen
Und Sarazenen – kaum vermag ich euch
Zu unterscheiden, und ich weiß nur, brav
Habt ihr gefochten, und was mehr noch gilt,
Ihr habt auch brav geduldet.

Zu seinem Gefolge.

Speise, Trank
Herbei, erquickt die Helden! – Ihren Pferden
Schnell Hafer, Wasser zugetragen – Könnten sie
Goldkörner essen, gerne schüttet ich
[221] Sie vor – Die ganze Welt ist mir so viel
Nicht, als der Freunde Treue zu belohnen!
DIEPHOLD.
Mein Kaiser, nicht zu hoch schätz unsre Dienste.
Burg Rocca d'Arce ist sehr fest und wir
Erfüllten grade nicht die schwerste Pflicht,
Indem wir sie verteidigten so lang
Als möglich.
KAISER HEINRICH.
Fest! fest! – Dörfer, Hütten sind
So fest wie Romas Kapitol, wenn Männer
Darin sich wehren, und ein Mettenfädlein
Ist Schlosses Mauer, wenn sie Memmen schützen.
Nicht Rocca d'Arces Felsen dank ichs, daß
Ich sie behalten. – Du, mein Diephold,
Bist Rocca d'Arce, und du sollst fortan
Auch heißen, was du bist, als Lohn empfangen,
Was du gerettet. – Ich belehne dich
Mit dieser Veste, schenk dir ihren Namen,
Einst Diephold, jetzt Fürst Rocca d'Arce!
DIEPHOLD.
Und überhäufst du mich mit welschen Titeln,
Die deutsche Treue soll darunter nicht
Ersticken.
KAISER HEINRICH.
Wo mein Knabe? Ist er wohl?
DIEPHOLD.
Ganz wohl. Der Sarazen und Deutsche stritten
Sich um die Ehre, ihn zu schützen, ihn
Zu pflegen.
KAISER HEINRICH.
Danke! danke! Bringt ihn mir!

Der Prinz Friedrich wird von den Wärterinnen dem Kaiser gebracht.

Er ist es – O laßt mich ihn küssen – Ha,
Er lächelt – weiß, daß ich sein Vater bin!
Mehr wert ist mirs, als wäre ich ein Gott!
– O steige, Stern, o steige, werde einst
Das Glück der Erde und – dein eignes! – Habe
Dir auch ein Spielzeug mitgebracht, mein Kind.
Sieh, Romas Königskrone!

Mehrere Ritter bringen auf einem roten Sammetkissen die römische Königskrone. Das Kind greift darnach.
KAISER HEINRICH.
Ha, er greift darnach – er ahnt,
[222] Was sie bedeutet – Halt sie fest – Es gibt
Kein Gold der Erde, das zu höhrem Wert
Als sie geprägt kann werden.

Die Kaiserin Constanze kommt mit Gefolge.

Wie? Constanze?
CONSTANZE.
O Heinrich, mein Gemahl, mein Kaiser, laß dich grüßen!
KAISER HEINRICH.
Wie kommst du aus den Kerkern der Normannen?
CONSTANZE.
Großmütig ließ mich Tancred aus der Haft.
KAISER HEINRICH.
Großmütig nenn es nicht. Er durfte nie
In Haft dich halten, – dank es ihm der Teufel,
Daß er zu spät tat seine Pflicht.
CONSTANZE.
O, Er
Ist edel, – ist der Einzge noch, in dem
Der alte Hochsinn meines Volkes brennt –
Nicht als Gefangene, als Kaiserin
Hat er mich stets behandelt.
KAISER HEINRICH.
Scheints doch fast,
Als wärest du in ihn verliebt! – Sieh hier
Dein Kind.
CONSTANZE.
Mein Kind, mein Sohn!
KAISER HEINRICH.
Lebt Tancred?
CONSTANZE.
Ach,
Es zehrt in ihm ein heimlicher Verdruß,
Er überlebt nicht der Normannen Fall.
Von Tag zu Tage welket er dahin.
KAISER HEINRICH.
So besser, denn, wenn ich ihn lebend fände,
So könnt ich die an dir bewiesne Milde
Ihm dadurch einzig lohnen, daß ich nicht
Mit Pferden ihn zerreißen, sondern nur
Enthaupten ließe. Gegenkönig sein,
Ist schlimmer als Verbrechen. 's ist Gefahr!
CONSTANZE
für sich.
Weh mir, er ist wie sonst – O Himmel,
Wenn seine Arme mich umfassen, ists mir,
Als breiteten sich Wüsten um mich her,
Und müßt ich drin verdorren wie 'ne Blume.
KAISER HEINRICH
zu den Umstehenden.
Die Schiffe Genuas und Pisas flaggen
[223] Im Bund mit mir schon vor Neapel, vor
Palermo, – reinigen die Meere vom
Normannischen Gesindel – Ahmen wir
Zu Land den kühnen Schiffern nach! Nicht eher
Geruht, als bis das ganze Reich erobert,
Messinas Pharus wie 'ne Pfütze überschritten,
Siziliens Dreizack unser ist. Es wird
So schwer nicht halten. Außer Guiskards Heere,
Das wir soeben erst vernichtet haben,
Besitzen die Rebellen keines, und Zwiespalt
Herrscht unter ihnen selbst. Gut, Leben, alles,
Was einem Normann angehört, sei euer!
EINER DER DEUTSCHEN KREUZFAHRER
auf die mit dem Kreuze bezeichneten Krieger deutend.
Herr, uns riefst du zum Kreuzzug – wolltest uns
Bei Bari überschiffen – Nicht als Landeroberer,
Als Christi Streiter kamen wir.
KAISER HEINRICH.
Höchst richtig.
Jedoch ihr seht, die Sache steht nicht so,
Wie man in Deutschland uns erzählte.
Abtrünnig ist das Land und unterworfen
Muß es erst werden, eh wir sicher, ich
An eurer Spitze, es verlassen, um
Von da zum Heilgen Grab zu ziehn.
DER KREUZFAHRER.
Es mag
So sein, doch mit den Sarazenen laß
Uns im Verein nicht kämpfen – die doch schließ
Aus unsern Reihen.
KAISER HEINRICH.
Ei, ihr Blinden! Seht ihr
Nicht Gottes Weisheit grad darin, daß selbst
Die Heiden, wähnend, nur für ihren Wohnsitz
Zu streiten, sich mit uns vereinen, und
Dies Land erobern helfen, ohne Ahnung,
Daß wir von hier aus grade nach der Stadt
Des Herrn, die sie verachten, ziehen werden?
– – Wo ist mein Kind? – Ha da! – Mein Sohn, mein Sohn!
Was wäre mir die Welt wohl, ohne dich?
– – Rückt vorwärts, Deutsch' und Sarazenen! –

5. Akt

1. Szene
Erste Szene
Platz vor dem Dome in Palermo, Ottangelo genannt.
Kaiser Heinrich, Constanze, Diephold, Achmet und viele andere Ritter und Herren, deutsche und sarazenische Krieger, halten auf ihm zu Pferde.

KAISER HEINRICH.
Wie heiter diese Luft!
CONSTANZE
für sich.
Und wie so düster
Sein Sinn!
KAISER HEINRICH.
Der Usurpator Tancred tot,
In meiner Macht die Schurken alle, die
Ihn unterstützten – Nirgends Widerstand!
– Wie auch die Scylla, die Charybdis heulten,
Die Wächterhunde von Sizilien,
Nichts half es, kein Verteidger sprang
Hervor, mich abzuwehren. Mein
Das Reich, das täglich aus der eignen Asche
Mit immer größrer Schönheit sich erneut,
Der echte Phönix von Europa! Mein
Das Gold des Königs Richard, schwer genug,
Noch andre Stückchen Erde aufzuwiegen.
CONSTANZE.
Sei nun zufrieden.
KAISER HEINRICH.
Nimmer – Hätt ich auch
Die ganze Welt – Schaut nicht der Himmel dort,
So tief und sehnsuchtsvoll, ein blaues Auge
Der Liebe, auf uns nieder, daß die Busen
Hoch klopfen müssen, auch, zu ihm zu stürmen,
An ihm zu schlagen?
CONSTANZE.
Führt nicht Christi Religion
Den Frommen sanft und ruhig nach dem Tode
Dahin?
[225]
KAISER HEINRICH.
Mag sein – Doch besser wärs, wir hätten
Ihn schon im Leben. –
Ha, der Griechenkaiser,
Der mir auf seinem halb verfaulten Thron
Mit leeren Titeln Romas Kaiserrang
Streitig zu machen wagt, soll jetzt es büßen! –
Wie eine Zunge streckt Neapel lechzend
Ins Mittelmeer sich aus, berühret dicht
Die griechschen Küsten – Dummheit, schleckt
Es nicht den Trank und Fraß, der ihm so nahe –
– Schickt nach Byzanz, und meldet dort dem Weichling,
(Auf dessen Stirn der kaiserliche Name
So leicht gedrückt wird, wie der Hufschlag auf
Den Kot), daß bei Bari und Messina
Die Flotten Heinrichs warten, zu erfahren:
Ob er auch meinem Kreuzheer freien Durchzug
Nach Palästina, und mir selbst 'ne Steuer,
Die meiner Macht und seinem Hochmut angemessen,
Gewähren wolle?

Einige des Gefolges ab.

Sind die nötgen Stellen
Der Stadt besetzt?
DIEPHOLD.
An jeder Eck und Straße,
Wo nur der Aufruhr atmen könnte, stehn
Schon deutsche Treue, bei der Kehle ihn
Sofort zu fassen, zu ersticken.
KAISER HEINRICH
sich umschauend.
Wahrlich,
Palermo ist 'ne stolze, prächtge Stadt,
Wohl wert, mit etwas Blut sie zu erobern.
Die Straßen breit und lang, und Marmorschlösser
Daran gereiht, wie Perlen an den Faden.
Der Platz hier vor dem Dom, geräumig, groß
Nach allen Toren hin die Aussicht bietend.
– Haltet! Er ist das Herz der Stadt – es laufen
Die Gassen von ihm aus wie ein Gewebe
Von Adern –

Zu Diephold.

Fürst, besetz ihn stark! – Wir halten
Palermos Leben in der Hand, so lang
Er unser ist –

[226] Wieder sich umschauend.

Hohe Häuser, mächtge Fenster,
Der Dom beian – die beste Stelle, ein
Schafott da aufzurichten –
Schlagt es auf! –
– – Weswegen so viel Fenster und Balkone,
So viele Märkt und Straßen, und so wenig Menschen?
CONSTANZE.
Die Furcht hält die Bewohner wohl zurück.
KAISER HEINRICH.
Sie fürchten? Müssen doch wohl schuldbewußt
Und feig sein, – denn sonst pflegt die Menge
Bei jeder Staatsveränderung zu hoffen.
DIEPHOLD.
Der Graf Acerra, welchen meine Leute
Einfingen bei Neapel, und mit ihm
Den Erzbischof Matthäus, harren beide,
Daß deinen Richterspruch sie hören.
KAISER HEINRICH.
Der
Matthäus auch gefangen? Gott sei Dank,
Das ist die Spinne, welche in der Stille
Die Fäden spann, mit denen sie Neapel
Wie eine Fliege dachte zu umfangen –
– Der Tor – Er sah nur seine arme Fliege,
Und dachte nicht der starken Männerhand,
Die sich nur auszustrecken brauchte, sein
Gewebe zu zerreißen. – So die Narren,
Die sich nur selbst, ihr kleines, enges Gut
Nur sehen, und die Wetter nicht bemerken,
Die sich von außen darum türmen.
Führt
Die Buben vor!

Erzbischof Matthäus und Graf Acerra werden gefangen hereingeführt.

O welche falsche, schändliche,
Von Leidenschaft verzerrte Fratzen! Wein
Wird sauer, siehet so ein Schuft ihn an! –

Zu den Beiden.

Willkommen! Wie der Graf Aversa jüngst
Und Ophamilla vor euch standen, steht
Ihr heut vor mir – Du echter Erzbischof
Jedoch der Hölle, nicht des Himmels, – was
Sagst du dazu?
[227]
ERZBISCHOF MATTHÄUS.
Verflucht seist du, verflucht
Sei ich, verflucht die ganze Welt, und möchte
Sie untergehn mit mir und so wie ich!
KAISER HEINRICH.
Acerra,
Sagst du dasselbe?
GRAF ACERRA.
Amen, Kronendieb!
KAISER HEINRICH.
Zum Glück ist das, was unverbesserlich erscheint,
Doch auch vertilgbar! – Bischof, Priesterblut
Ist allzu heilig, daß ich es vergösse,
Und diese schöne Stadt damit befleckte –
In Feuer will ich es verklären, und
Vorm Tor, auf dem Schindanger solls verbrennen –
Hinweg mit ihm, und macht den Balg zu Asche! –
– Acerra, du liebst ja die edlen Rosse, –
So fesselt ihn lebendig an den Schweif
Des edelsten und wildesten der Hengste,
Und jaget mit ihm durch Palermos Straßen,
Daß er darin mit blutgen Zeilen schreibe,
Wie ich Rebellen strafe!
– Sarazenen,
Sprengt nebenan, und wenn sich etwa Pöbel
Wehklagend, Aufruhr drohend, sammelt, treibt
Wie Staub ihn auseinander! –
Wo der Bohemund?
DIEPHOLD.
Wie du befahlst, gefesselt und geblendet,
Liegt er auf seinem schönen Gute bei
Tarent.
KAISER HEINRICH.
Für ihn die rechte Strafe. Liegen
Auf seinen Schätzen soll der Schwelger, aber
Sie doch nicht sehen, nicht berühren dürfen.
Ein beßres Los erwarte keiner der
Normannen.
– Was ist das?
EIN DEUTSCHER HAUPTMANN
auftretend.
Lärm im Hafen!
Die Flotten Genuas und Pisas, welche
Uns dieses Land erobern halfen, rüsten
Einander gegenüber – Wurfgeschütze
Erfüllen die Verdecke – wilde Augen
Drohn neben ihnen, wie entbranntes Eisen –
[228]
KAISER HEINRICH.
Und, Freund, warum?
DER HAUPTMANN.
Die Genuesen rufen,
Du hättest ihnen, als du sie ersucht,
Mit ihren Schiffen zur Bezwingung
Neapels und Siziliens dir Hülfe
Zu leisten, alle Häfen dieser Lande
Zum ewigen Besitz versprochen, und darunter
Palermo. Aber die Pisaner schreien, nicht
Den Genuesen, den Pisanern sei's versprochen.
– Du lächelst?
KAISER HEINRICH.
Ists mir doch, als stritten beide
Um Kaisers Bart! – Palermo ist besetzt
Von meinen Truppen. Eh den Kopf mir weg
Als diese Stadt.
DER HAUPTMANN.
Doch dein Versprechen –?
KAISER HEINRICH.
Hab
Ich dumm versprochen, kann ich dadurch nur
Es bessern, daß ich so gescheut bin, um
Es schlecht zu halten!

Genueser und Pisaner stürzen in die Szene.
EIN GENUESE.
Recht, o Kaiser, Recht!
EIN PISANER.
Recht, Kaiser, Recht!
KAISER HEINRICH.
Was ist?
DER GENUESE.
Hast du Palermo
Nicht uns versprochen, wenn wir treu dir dienten,
Und waren wir für dich zu Land und See
Nicht eifrig?
DER PISANER.
Waren wir das minder?
Und hast du uns nicht diese Stadt gelobt?
KAISER HEINRICH.
Zuerst versöhnt euch, wie es Kriegsgenossen
Geziemt, – und dann mein Wort: aufrührerisch
Und wider Kriegszucht ist der Kampf, den ihr
Da führet zwischen euch.
DER PISANER.
Die Genuesen
Begannen ihn.
DER GENUESE.
Und ihr habt uns, statt redlich
Zu streiten, im Gewühle des Gefechtes nur
Beraubt.
DER PISANER.
Beraubt! – Euch war auch viel zu rauben!
[229] Hier dieser Schild und der Pechkessel – zehn
Flachsbrechen, und der Korb mit ein paar Zwiebeln
Und Galgant, ist ja alles, was wir fanden,
Als wir eur Admiralschiff stürmten.
DER GENUESE.
Diebe!
– Auf! Genua!
DER PISANER.
Auf! Pisa!
KAISER HEINRICH.
Deutsche auf
Und Sarazenen – Nieder jedermann,
Der sich zu rühren wagt mit seiner Waffe!
– Wo eure Podestas?
DER GENUESE.
Der unsre fiel
Ja im Gefechte vor Messina.
DER PISANER.
Und
Der unsre konnte, wie du weißt, nicht mit
In diesen Feldzug ziehn.
KAISER HEINRICH.
Urkunden zeigt,
Worin ich einem von euch diese Stadt
Gelobt.
DER GENUESE.
Sie liegen im Archiv zu Genua –
DER PISANER.
Zu Pisa –
KAISER HEINRICH.
Und ihr glaubt, ich könnte ohne
Die Oberhäupter eurer Städte, ohne
Selbsteigne Ansicht eurer Dokumente,
Mit euch hier unterhandeln? – Tapfer, brav
Habt ihr für mich gestritten, und eur Lohn
Sei eurer Dienste wert. Doch meinet ihr,
Ich könnte unter allen den Geschäften,
Die wie Gewölke des Aprils mein Haupt
Umfluten, auch die Kleinigkeit behalten,
Ob ich

Zu dem Pisaner.

an euch Palermo schenkte,

Zu dem Genuesen.

oder
An euch? – Denkt ihr, ich wäre Gott, allwissend?
– Die Sache soll nach Recht entschieden werden,
Sobald ihr sie der Form gemäß mir vortragt.
– So lange geht! –

Die Genueser und Pisaner ab, aus dem Dome schallen Orgelklänge.

– Ein Strom Musik
[230] Braust aus der Kathedrale auf uns ein.
Wie eine ausgerißne Blume auf
Den Wassern schaukelt sich das Herz
Auf diesen mächtgen Orgeltönen. Was
Geschah?
CONSTANZE.
Weihnachten ist. Christ ward geboren,
Und brachte der mit Schuld beladnen Welt
Vergebung von dem Vater – Engel fielen,
Wie Blütenregen aus des Waldes Dunkel,
Vom Himmel nieder, – arme Hirten sangen,
Und Kön'ge beteten zum Stern, der über
Der Krippe leuchtete zu Bethlehem –
Die Welt war glücklich, neugeboren – Ahme
Dem Heiland nach.
KAISER HEINRICH.
Gemahlin, Gott nachahmen
Ist leicht gesagt, doch schwer getan. Er, der
Allwissende, Allmächtige, kann gut
Verzeihn, – wer kann ihm schaden? Aber
Bei schwachen Menschen ist es anders, – wir
Bedürfen der Verräter, der Spione,
Der Henker und des Schwertes, uns zu schützen.
– – Heut Weihnacht! Wer vermöchte das zu ahnen,
Wenn er wie ich aus Deutschland eben kommt?
Da sieht es heute anders aus – Die Berge
Vom Laub entblößt, beschneiet, kahle Glatzen –
Eis allethalb, und an der Blumen Stelle
Nur Kerzen – Hier die Aloen entfaltet,
Weithin in grünenden Alleen, wie Kelche
Der Wonne, übergroß, selbst wenn Titanen
Draus schlürften, – dort die Berge, schwarzumblättert,
Wie lockge Negerhäupter schauend in
Die Gassen!
CONSTANZE.
Feierst du das Fest nicht?
KAISER HEINRICH.
Ja,
Ich feire es, und da es gut, wenn man
Ans Heilige das Irdsche knüpft, so soll
Zugleich mit diesem Fest gefeiert werden,
Daß ich, der wahre, der rechtmäßge Oberherr,
Neapel und Sizilien, so rasch
Und glücklich durch die Fügung Gottes wieder
Errungen habe.

[231] Eine alte Sizilianerin mit ihrem Sohne tritt auf.
DER SOHN.
Mutter, Mutter, – tu's nicht – Bleibe
Zurück – Er läßt dich töten. –
DIE ALTE SIZILIANERIN.
Mag er, mag er!
Ich muß ihn sehen, den Tyrannen, muß
Auf seiner Stirn sein Schicksal lesen, immer
Stehts auf der Stirne.
KAISER HEINRICH.
Was will die Person?
Wer ist sie?
EINER AUS DES KAISERS GEFOLGE.
Eine Zauberin, Prophetin
Val Demonis – Wenigstens gilt sie im Volk
Dafür.
KAISER HEINRICH.
Und das mit Recht. Ein häßlich Weib,
Ist eine Hexe oder nicht viel besser –
Und gelb genug sieht dieses Scheusal aus.
DIE ALTE SIZILIANERIN.
Ha, Bube, Bube, der sich Kaiser nennt,
Mit Blut dies heitre Land besudelt, wie
Ein Knab ein schönes Bild zur Unstalt macht –
Sieh dich nur um – sieh um, sieh um! – Der TOD.
Steht hinter dir, hoch wie Monte Gibello!
Nur ein paar Tage, und bist sein! – Noch blickst
Du wild und feurig, deine Wangen glühn noch,
Und deine Zähne schimmern, – Narr, der Blick,
Die Zähn und Wangen sind nur Sargbeschläge, –
Du bist ein Sarg, Mensch, und die Leiche
Liegt in dir schon!
KAISER HEINRICH.
Nach römischen Gesetzen,
Die ich als römscher Kaiser ehre, brennt
Man Hexen auf im Feuer. – Mit ihr fort
Zum Holzstoß, würdige Nachfolgerin
Bischofs Matthäi!
DIE ALTE SIZILIANERIN.
Du stirbst in zwei Tagen,
Und keiner deiner Pläne wird erfüllt.
KAISER HEINRICH.
So trifft mich denn das Los des Irdischen.
DER SOHN.
O Mutter, Mutter, Mutter! Warnte ich
Dich nicht? Wie wird der Vater jammern, wie
Die Schwester? – Kaiser, Gnade für die alte,
[232] Die arme, mitleidswerte Frau!
KAISER HEINRICH.
Sie stirbt
In dieser Stunde – Wenn sie prophezeit, muß
Ich ja zum Dank es auch tun – Und ich tue
Noch mehr, denn ich erfülle, was ich wahrgesagt.
DER SOHN.
O Gnade! Gnade!
KAISER HEINRICH.
Weg den Jungen, – sein
Geheul belästigt mich.

Die alte Sizilianerin und ihr Sohn werden fortgeführt.
CONSTANZE.
Wäre ich doch Bäurin,
Statt Kaiserin – Und doch muß ich ihm folgen,
Wie jener Sonne diese Erde, – er ist zu
Gewaltig.
KAISER HEINRICH.
– Irr ich, oder wehte da nicht Seeluft?
ACHMET.
Du irrest nicht, ich spüre sie schon lange.
Das Meertor dort weht mit entfalteten
Gewaltgen Flügeln sie bis in die Mitte
Der Stadt.
KAISER HEINRICH.
Nun in den Dom, und dann
In Ätnas Waldungen 'ne Falkenjagd.

Er will vor die Domtür sprengen, auf einmal stutzt sein Pferd, und er sieht in die Höhe, voll Erstaunen.

Was da?
ACHMET.
Das ist das Riesenhaupt des Ätna, –
Hoch aus dem Äther blickt er auf die Insel,
Umwallt von seiner ewgen Wolke Rauchs.
KAISER HEINRICH
schaut an dem Ätna hinauf.
Wie klein sind wir – Nichts Größres doch als die
Natur – Auf jenem Berge muß ich stehen,
Daß er mich trage an des Himmels Höhen!

Alle reiten vor den Dom, steigen ab, und treten, die Sarazenen ausgenommen, hinein.
2. Szene
Zweite Szene
Früher Morgen. Gehöfte eines Herdenbesitzers bei Palermo.
Der Herr und sein Knecht kommen.

DER KNECHT.
Nun haben wir einen neuen Herrscher.
[233]
DER HERR.
Ja, statt des Normannen, einen Deutschen. Treibe die Schafe aus – Sind die Ziegen schon gemelkt?
DER KNECHT.
Ja. – Der Kaiser soll sehr grausam sein, und Palermo in Blut fließen.
DER HERR.
Das Blut wird schon trocknen. Unsre Sonne ist heiß.
DER KNECHT.

Bei der heiligen Rosalia, mir ist doch nicht wohl, wenn so ein böser Mensch, wie 'ne Wetterwolke, die jede Minute losblitzen kann, über einem hängt.

DER HERR.

Du, Freund, sieh da die Trümmer des Apollotempels, – dort die Befestigungen der Karthager, – da wieder der Römer, – hier einen zerfallenen Turm der Byzantiner wider die Korsaren, – da Wälle und Linien der Sarazenen, – alles zu Stücken. Nur Eines ist geblieben: Der Hirte wechselt hier mit Hirten, der, welcher hinaustreibt, hört das Rufen dessen, der hereintreibt, und ein Mann, der nicht schliefe, könnte sich doppelten Lohns erfreuen. Die Halme beugen sich unter ihrer Schwere, wie trunken, und breitstirnige Stiere wetzen ihre Hörner im Sande, – Vater Ätna ernährt uns alle, und ob der Normann oder der Hohenstaufe Sizilien beherrscht, heute abend tanzen unsre Landmädchen doch.

DER KNECHT.
Der Kaiser ist doch zu erschrecklich.
DER HERR.
Wird sterben – Unsre Saaten wachsen immer wieder. – Treibe die Schafe aus.

Beide ab.
3. Szene
Dritte Szene
Hoch am Ätna. Morgendämmerung, die bald dem kommenden Tage weicht.
Der Kaiser Heinrich, mit Constanze, Diephold, Achmet, und Gefolge kommt. Diener mit Falken auf der Faust unter dem letzteren. Jagdmusik zwischendurch.

EINER DES GEFOLGS.
Wir stehen jetzo an dem Saume der
Bewohnten Welt – Noch ein paar Schritte, und
Das Grün der Waldung weicht dem ewgen Schnee.
[234]
KAISER HEINRICH.
Ich seh ihn durch die Blätter schimmern, hoch her, nackt
Und glänzend, wie des Lebens Höhen – Nur
Die Täler, wo im Laub der Sonnenstrahl
Sich kühlt, das Laub dagegen sich an ihm erwärmt,
Wo ruhiger als unterm Baldachin der Kaiser,
Der Käfer unter seinem Blatte sitzt,
Sind Wiegen des Glücks – Auf den Bergen hat
Man nur die Aussicht.
ACHMET.
Aber, Kaiser, was für eine
Ist diese auch? Bei dem Propheten, hier
Zu stehn und niederschaun, ist besser als
Kurzsichtgen Blicks im engen Raume, gleich
Dem Käfer zu genießen.
KAISER HEINRICH.
Laßt die Jagd
Beginnen – Her die Falken – Nichts auf Erden
Ist dem Normannen wichtger als sein Jagdbann –
Heut will ich ihm das abgewöhnen – Laßt
Die Vögel über seine Forsten steigen,
Und schießt mir ein Baron nur einen nieder,
So stürzen tausend Wetter auf ihn selbst!

Die Falken werden losgelassen und steigen auf.

Zeit ists – Denn seht, Auroras goldne Krone,
Die sie mit zarten Rosenfingern um
Die Welt gelegt, erblaßt schon vor dem Glanz
Des Helios! – O ihr gewaltgen Sonnenrosse,
Wie elend ist die Erde, wenn man euch
Milchweiß und glühend, über Himmelshöhn
Hinfliegen sieht, wie über Hügel!
CONSTANZE.
Heinrich,
Dies Reich ist doch wohl wert, daß es die Sonne
Mit solchem holden Strahl, wie jetzt, beleuchtet! –
Verzeih, nicht sag ichs, weil ichs dir zum Brautschatz
Gebracht, – ich sags nur, um dich zu erfreuen!
KAISER HEINRICH.
Nicht unrecht hast du, – wären die Bewohner
Nur besser – In Sizilien funkeln Blumen,
In Deutschland glühen Männerbrüste – Nichts
Doch edler als ein deutsches Herz. –
– 'Ne Stätte,
Wie diese, kennt die Welt wohl nicht – Hoch flammt
[235] Der Ätna, eine Fackel, über uns, beleuchtet
Das Fabelland des Mäoniden, – wie
Des Meergotts Dreizack liegt die Insel uns
Zu Füßen, alle Krümmungen der Flüsse
Verfolgt der Blick, und aus dem Dunkel der
Kastanienwälder glänzen alte Türm
Und alte Mauern! –
– Ist es doch, als lagerten
Sich alle Götter des Olympus dicht um mich:
Poseidon da, mit blaugelocktem Haupte,
Dort Arethusa, furchtsam fliehend, – hier
Im Berg die Donnerhammer der Cyclopen, –
Da Hyblas Biene, fröhlich summend
Und ungestört vom Hammerschlag –, und dort
Das Tal von Enna, voll der süßen Frucht
Der Hesperiden – Ja, Proserpina,
Ich kanns mir denken, daß du frohe Jungfrau
Zur ewig finstern Göttin bist geworden –
Wie kannst du solchen Frühlingstals vergessen,
Wenn Pluto dich daraus zum Acheron
Geraubt!
– Doch, Freunde, nun erinnert euch
Der Dichter auch, die, mit der Gottheit selbst wetteifernd,
Das Leben schmücken und die Erde – Hoch
Homer, in dessen Liede diese Insel prangt,
Hoch Ofterdingen, der das Herz zerreißt,
Damit er es erhebe!
ALLE ANWESENDE
denen auf einen Wink des Kaisers Gläser mit Syrakuser gefüllt werden, die Gläser leerend.
Hoch!
CONSTANZE
auf Heinrich blickend.
Wer dächte
Bei diesen Worten, diesen Blicken voll
Begeisterung, daß Zorn und Mord und Tod
Aus ihnen sprühen könnten?
KAISER HEINRICH.
Freundin,
Wo Feuer ist, da brennts, – bald so, bald so, –
Etwas muß es verzehren. – Sieh den Ätna, –
Er machts nicht besser, bald beglückt
Und bald zerstört er –
Ist auch Ofterdingen
Gefallen auf dem Kreuzzug meines Vaters?
[236]
DIEPHOLD.
Nein Herr, er lebt in Ungarn, um bei Klingsohr,
Dem Zaubrer, seine Kunst noch zu verbessern.
KAISER HEINRICH.
Die Dichtkunst auch, die erste Zauberin,
Bedarf noch andern Zaubers? – Nun, so gibts
Nicht einen Selgen unter dieser Sonne – Ist
Der Dichter nicht beglückt in seinen Träumen,
Wie wären wirs im Wachen?
– Wer da?
DIEPHOLD.
Gesandte von dem Griechenkaiser.
KAISER HEINRICH.
Führt
Sie vor.

Zwei griechische Gesandte treten auf.

Was bringt ihr?
ERSTER GRIECHISCHER GESANDTE.
Freundesgruß
Von unserm Herrn, Gewährung freien Durchzugs
Nach Syrien, und die verlangte Steuer.
KAISER HEINRICH
für sich.
Drei Jahre noch und alles ist vollendet –
Ihr deutschen Fürsten möget trotzen nach Belieben,
Ich zwing euch doch, die Kaiserkrone erblich
Zu machen, – dann das heilge Land erobert, – dann
Stark durch Neapel und durch Deutschland,
Geschmückt mit eines Kreuzzugs heilgem Ruhm,
Den Papst, die Lombardei zertrümmert – Dann – –
– Was für ein schmaler, dunkler Streif im Süden
Am Horizonte?
ACHMET.
Fern und dunkel, wie
Der Erdteil selbst ist, dämmern dort die Küsten
Von Afrika.
KAISER HEINRICH.
Auch dies Afrika muß mein
Einst werden, – ziehn muß ich durch die Sahara,
Und dann an Nigers Fluten mich erfrischen –
Kein Land, an welchem dort das Meer sich bricht,
Das ich mir endlich nicht erränge – O,
Ich stehe auf des Ätna Gipfeln, und
Wie der Schütz die Pfeile sendet durch die Luft,
Send ich die Kriegsschiffe durch die See!

Laut aufschreiend.

[237] Weh,
Was schlug? Wer klopft? – Das ist mein Herz nicht –
Der Tod! – Der Hund! – Mein Kind! mein Kind! – Empörung
Wird sich erheben, wild und toll wie Rosse,
Wird Deutschland, wird Neapel, stürmen
Vor dem unmündgen Herrscher – Meine Hand
Nur konnte die erst jetzt Gebändigten
Schon zügeln – Armes Weib –

Er sinkt an die Erde.
CONSTANZE.
Er stirbt! Ein Schlagfluß!
O Jammer, Jammer, Alles nun verloren!
KAISER HEINRICH.
So unerwartet, schmählich hinzusterben –
O wär ich lieber nimmermehr geboren!

Er stirbt.
CONSTANZE.
Nun nahet mir das Unheil, das Verderben!
ACHMET.
So plötzlich hingestürzt im größten Glück!
DIEPHOLD.
Das schrecklichste, das tragischste Geschick!

Alle stehen in tiefem Schmerze um den Leichnam Constanze stürzt über ihn.

Notes
Entstanden 1828.
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TextGrid Repository (2012). Grabbe, Christian Dietrich. Die Hohenstaufen. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-E63E-9