[150] 1811.
Meines Wissens hat noch niemand einen jungen Menschen beim Erwachen der Leidenschaft geschildert. Er müßte gemalt [150] werden, wie er Tag und Nacht von üppigen Bildern umlagert ist, wie er glühend eine gewisse Gelegenheit sucht und, wenn sie kommt, nicht etwa bloß zu scheu ist, sie zu benützen, sondern nicht einmal merkt, daß sie da ist. Ich kann mir sehr wohl denken, daß, besonders wenn er kurzsichtig ist und in jemanden verliebt ist, er nicht einmal die Person, in die er es ist, auf der Gasse wieder erkennt; denn wir lieben in der Zeit nur das Bild, das unsere Phantasie malt; das Mädchen, das wir zu lieben glauben, ist nichts, als die Leinwand, auf welche jene die Farben aufträgt. Ich hörte einmal von jemand sagen (oder war ich es selbst?), er sei verliebt, er wisse aber noch nicht, in wen. Ich habe nie etwas gehört, was wahrer und den Jüngling charakterisierender wäre. Ich habe mir einst vorgenommen, ein solches Bild in einer projektierten Fortsetzung von Goethes Faust zu zeichnen, aber der Plan ruht mit vielen anderen. Beaumarchais' Cherubin in Figaros Hochzeit ist bei weitem nicht alles, was man in der Hinsicht verlangen kann, nichtsdestoweniger ist er aber, besonders mit Mozarts Seelenmusik, hinreißend.