Dritter Aufzug
Das Innere von des Königs Zelte. Der hintere Vorhang desselben ist so, daß man durch denselben, ohne die daraußen befindlichen Personen genau unterscheiden zu können, doch die Umrisse derselben erkennen kann.
Medea, Gora, Jungfrauen im Zelte. Jason, Aietes und alle Personen des letzten Aktschlusses außer demselben.
Medea steht links im Vorgrunde aufgerichtet, die linke Hand auf einen Tisch gestützt, die Augen unbeweglich vor sich gerichtet in der Stellung einer, die hört, was außen vorgeht. Gora, sie beobachtend, auf der andern Seite des Tisches. Jungfrauen teils knieend, teils stehend um sie gruppiert. Einige Krieger im Hintergrunde des Zeltes an den Seiten aufgestellt.
JASON
von außen.
Ich will hinein!
AIETES
außen.
Zurück!
JASON.
Denkst dus zu wehren?
[852] Vom Schwert die Hand! die Hand vom Schwerte, sag ich,
Das meine zuckt, ich kann nicht drohen sehn!
Ich will hinein! Gib Raum!
AIETES.
Zurück, Verwegner!
GORA
zu Medeen.
Er rast, der Freche!
JASON
außen.
Hörst du mich, Medea?
Gib mir ein Zeichen, wenn du hörst!
GORA.
Vernahmst du?
JASON.
Dringt bis zu dir mein Ruf, so gib ein Zeichen.
Erwählte!
Medea, die bis jetzt unbeweglich gestanden, fährt zusammen und legt die Hand auf die tiefatmende Brust.
JASON.
Sieh, mein Arm ist offen. Komm!
Jasons Stimme kommt immer näher.
Ich habe dein Herz erkannt! Erkenn das meine
Medea, komm!
AIETES.
Zurück!
GORA.
Er dringt herein!
Medea reißt sich aus den Armen ihrer Jungfrauen los und flieht auf die andere Seite des Vorgrunds.
JASON.
Ich rufe dir! Ich liebe dich, Medea.
GORA
Medeen folgend.
Hast du gehört?
Medea verhüllt die Augen mit der Hand.
GORA
dringend.
Unglückliche, das also wars?
Daher die Bewegung, daher deine Angst,
O Schmach und Schande, wär es wirklich?
MEDEA
aufgerichtet, sie mit Hoheit anblickend.
Was?
JASON
indem er die Vorhänge des Zeltes aufreißt.
Ich muß sie sehn! – Da ist sie – Komm, Medea!
GORA.
Er naht! Entflieh!
MEDEA
zu den Soldaten im Zelte.
Steht ihr so müßig,
Braucht die Waffen, helft eurem Herrn!
AIETES
der indes mit Jason am Eingange gerungen hat.
Mit meinem Tod erst dringst du hinein!
[853]Die Soldaten im Zelte stürzen auf die Streitenden los. Jason wird weggedrängt.
Die Vorhänge fallen wieder zu.
JASON
draußen.
Medea? – Wohl, so mag das Schwert entscheiden!
ABSYRTUS STIMME.
Schwerter bloß! Hier ist das meine!
Waffengeklirr von außen.
GORA.
Sie fechten! Götter, stärkt der Unsern Arm!
Medea steht wieder bewegungslos da.
MILOS STIMME
von außen.
Jason, zurück! Wir werden übermannt,
Zwölf unsre Schar und Hunderte der Feinde!
Barbaren, brecht ihr den geschwornen Stillstand?
JASON.
Laß sie nur kommen, ich empfange sie!
AIETES.
Haut sie nieder, weichen sie nicht!
Das Waffengeklirr entfernt sich.
GORA.
Die Fremden werden zurückgedrängt, die Unsern siegen!
Medea, fasse dich. Dein Vater naht.
Aietes und Absyrtus kommen.
AIETES.
Wo ist sie? – Hier! Verräterin,
Wagst dus, zu stehn deines Vaters Blick?
MEDEA
ihm entgegen.
Nicht zu Worten ists jetzt Zeit, zu Taten!
AIETES.
Das sagst du mir nach dem, was geschehn,
Jetzt, da das Schwert noch bloß in meiner Hand?
MEDEA.
Nichts weiter von Vergleich, von Unterredung,
Von gütlichen Vertrags fruchtlosem Versuch.
Bewaffne die Krieger, versammle die Deinen
Und jetzt auf sie hin, hin auf die Fremden,
Eh sies vermuten, eh sie sich fassen.
Hinaus mit ihnen, hinaus aus deinem Land,
Rettend entführe sie ihr schnelles Schiff
Oder der Tod ihnen allen – allen!
AIETES.
Wähnst du mich zu täuschen, Betrügerin?
Wenn du sie hassest, was warfst du den Becher,
Der mir sie liefern sollte, Jason liefern sollte,
Jason – sieh mir ins Antlitz. Du wendest dich ab?
MEDEA.
Was liegt dir an meiner Beschämung.
[854] Rat bedarfst du, ich gebe dir Rat.
Noch einmal also, verjag sie, die Fremden,
Stoß sie hinaus aus den Marken des Reichs,
Der grauende Morgen, der kommende
Tag Sehe sie nicht mehr in Kolchis Umfang.
AIETES.
Du machst mich irre an dir, Medea.
MEDEA.
War ich es lange nicht, lange nicht selbst?
AIETES.
So wünschest du, daß ich vertreibe die Fremden?
MEDEA.
Flehend, knieend bitt ich dich drum.
AIETES.
Alle?
MEDEA.
Alle!
AIETES.
Alle?
MEDEA.
Frage mich nicht!
AIETES.
Nun wohlan denn, ich waffne die Freunde!
Du gehst mit!
MEDEA.
Ich?
AIETES.
Seltsame, du!
Sieh, ich weiß, nicht den Pfeil nur vom Bogen,
Schleuderst den Speer auch, die mächtige Lanze,
Schwingest das Schwere in kräftiger Hand.
Komm mit, wir verjagen die Feinde!
MEDEA.
Nimmermehr!
AIETES.
Nicht?
MEDEA.
Mich sende zurück
In das Innre des Landes, Vater,
Tief, wo nur Wälder und dunkles Geklüft,
Wo kein Aug hindringt, kein Ohr, keine Stimme,
Wo nur die Einsamkeit und ich.
Dort will ich für dich zu den Göttern rufen,
Um Beistand für dich, um Kraft, um Sieg.
Beten, Vater, doch kämpfen nicht.
Wenn die Feinde verjagt, wenn kein Frevler mehr hier.
Dann komm ich zurück und bleibe bei dir
Und pflege dein Alter sorglich und treu,
Bis der Tod herankommt, der freundliche Gott,
Und leise beschwichtigend, den Finger am Mund,
Auf seinem Kissen von Staub und Moos
Die Gedanken schlafen heißt und ruhn die Wünsche.
[855]AIETES.
Du willst nicht mit, und ich soll dir glauben?
Ungeratene, zittre! – Jason?
MEDEA.
Was fragst du mich, wenn dus weißt.
Oder willst dus hören aus meinem Mund,
Was ich bis jetzt mir selber verbarg,
Ich mir verbarg, die Götter mir bargen.
Laß dich nicht stören die flammende Glut,
Die mir, ich fühl es, die Wangen bedeckt,
Du willst es hören und ich sag es dir.
Ich kann nicht im Trüben ahnen und zagen,
Klar muß es sein um Medea, klar!
Man sagt – und ich fühle, es ist so! –
Es gibt ein Etwas in des Menschen Wesen,
Das, unabhängig von des Eigners Willen,
Anzieht und abstößt mit blinder Gewalt;
Wie vom Blitz zum Metall, vom Magnet zum Eisen,
Besteht ein Zug, ein geheimnisvoller Zug
Vom Menschen zum Menschen, von Brust zu Brust.
Da ist nicht Reiz, nicht Anmut, nicht Tugend, nicht Recht,
Was knüpft und losknüpft die zaubrischen Fäden,
Unsichtbar geht der Neigung Zauberbrücke,
So viel sie betraten, hat keiner sie gesehn!
Gefallen muß dir, was dir gefällt,
So weit ists Zwang, rohe Naturkraft.
Doch stehts nicht bei dir, die Neigung zu rufen,
Der Neigung zu folgen steht bei dir,
Da beginnt des Wollens sonniges Reich,
Und ich will nicht
Mit aufgehobener Hand.
Medea will nicht!
Als ich ihn sah, zum erstenmale sah,
Da fühlt ich stocken das Blut in meinen Adern,
Aus seinem Aug, seiner Hand, seinen Lippen
Gingen sprühende Funken über mich aus,
Und flammend loderte auf mein Innres.
Doch verhehlt ichs mir selbst. Erst als ers aussprach,
Aussprach in der Wut seines tollen Beginnens,
Daß er liebe – –
[856] Schöner Name
Für eine fluchenswerte Sache! – –
Da ward mirs klar und darnach will ich handeln.
Aber verlange nicht, daß ich ihm begegne,
Laß mich ihn fliehn. – Schwach ist der Mensch,
Auch der stärkste, schwach!
Wenn ich ihn sehe, drehn sich die Sinne,
Dumpfes Bangen überschleicht Haupt und Busen
Und ich bin nicht mehr, die ich bin.
Vertreib ihn, verjag ihn, töt ihn,
Ja, weicht er nicht, töt ihn, Vater,
Den Toten will ich schaun, wenn auch mit Tränen schaun.
Den Lebenden nicht.
AIETES.
Medea!
MEDEA.
Was beschließest du?
AIETES
indem er ihre Hand nimmt.
Du bist ein wackres Mädchen!
ABSYRTUS
ihre andre Hand nehmend.
Arme Schwester!
MEDEA.
Was beschließest du?
AIETES.
Wohl, du sollst zurück.
MEDEA.
Dank! tausend Dank! Und nun ans Werk, mein Vater!
AIETES.
Absyrtus, wähl aus den Tapfern des Heers
Und geleite die Schwester nach der Felsenkluft –
Weißt du? – wo wirs aufbewahrten – das goldne Vließ!
MEDEA.
Dorthin? Nein!
AIETES.
Warum nicht?
MEDEA.
Nimmermehr!
Dorthin, an den Ort unsers Frevels?
Rache strahlet das schimmernde Vließ.
Sooft ichs versuch, in die Zukunft zu schauen,
Flammts vor mir wie ein blutger Komet,
Droht mir Unheil, findets mich dort!
AIETES.
Törin! Kein sichrerer Ort im ganzen Lande,
Auch bedarf ich dein, zu hüten den Schatz
Mit deinen Künsten, deinen Sprüchen.
Dorthin oder mit mir!
MEDEA.
Es sei, ich gehorche!
Aber einen Weg sende mich, wo kein Feind uns trifft.
[857]AIETES.
Zwei Wege sind. Einer nah am Lager des Feindes,
Der andre rauh und beschwerlich, wenig betreten,
Über die Brücke führt er am Strom, den nimm, Absyrtus!
Nun geht! – Hier der Schlüssel zum Falltor,
Das zur Kluft führt! Nimm ihn, Medea.
MEDEA.
Ich? Dem Bruder gib ihn!
AIETES.
Dir?
MEDEA.
Vater!
AIETES.
Nimm ihn, sag ich, und reize mich nicht.
Deiner törichten Grillen bin ich satt.
MEDEA.
Nun wohl, ich nehme!
AIETES.
Lebe wohl!
MEDEA.
Vater!
AIETES.
Was?
Medea wirft sich lautschluchzend in seine Arme.
AIETES
weicher.
Törichtes Mädchen!
Er küßt sie.
MEDEA.
Vater auf Wieder-, Wiedersehn,
Auf baldiges, frohes Wiedersehn!
AIETES.
Nun ja, auf frohes Wiedersehn.
Sie mit der Hand von sich entfernend.
Nun geh!
MEDEA
die Augen mit der Hand verhüllend.
Leb wohl!
Ab mit Absyrtus.
Aietes bleibt nach dem Abgehen der Medea einige Augenblicke mit gesenktem Haupt hinbrütend stehen. Plötzlich rafft er sich auf, blickt einige Male rasch um sich her und geht schnell ab.
Eine waldigte Gegend an der Straße, die zum Lager der Argonauten führt.
Jason, Milo und andere Argonauten kommen.
MILO.
Hier laßt uns halten, Freunde. Die Barbaren
Verfolgen uns nicht mehr. Der Ort hier scheint bequem
Zum Angriff so, wie zur Verteidigung.
Auch ists der einzge Weg, der, seit der Sturm
Die Brücken abgerissen heute nacht,
Vom Sitze führt des Königs nach dem Innern,
Und lagern wir uns hier, so schneiden wir
Ihm jeden Hilfszug ab, den er erwartet.
[858] Geh einer hin zur Schar der Rückgebliebnen
Und leite sie hierher. Wir warten ihrer.
Erster Argonaut ab.
Zu Jason, der mit gekreuzten Armen auf und nieder geht.
Was überdenkst du, Freund?
JASON.
Gar mancherlei!
MILO.
Gesteh ichs dir? Du hast mich überrascht,
Du zeigtest eine Falte deines Innern heut,
Die neu mir ist.
JASON.
Hätt ich doch bald gesagt:
Mir auch!
MILO.
So liebst du sie denn wirklich?
JASON.
Lieben?
MILO.
Du sagtest heut es mindstens laut genug!
JASON.
Der Augenblick entriß mirs – und gesteh!
Sie rettete mir zweimal nun das Leben. –
MILO.
Wie? zweimal?
JASON.
Erst im Turm! –
MILO.
Das also wars,
Was dir den Turm so teuer machte?
JASON.
Das wars.
MILO.
Ja so.
JASON.
Nun denk dir; so vollgültgen Anspruch
Auf meinen Dank und- Milo, sie ist schön –
MILO.
Ja, doch eine Barbarin –
JASON.
Sie ist gut –
MILO.
Und eine Zauberin dazu.
JASON.
Ja wohl!
MILO.
Ein furchtbar Weib mit ihren dunkeln Augen!
JASON.
Ein herrlich Weib mit ihren dunkeln Augen!
MILO.
Und was gedenkst du nun zu tun?
JASON.
Zu tun?
Das Vließ zu holen, so mein Wort zu lösen,
Das andre aber heimzustellen jenen,
Die oben walten über dir und mir.
MILO.
So mag ichs gern! Beim Zeus, so denkst du recht!
Ein Argonaut kommt.
[859]ARGONAUT.
Links her vom Fluß sieht man sich Staub erheben,
Ein Häuflein Feinde naht heran.
JASON.
Wie viele?
ARGONAUT.
An vierzig oder fünfzig, kaum wohl mehr.
JASON.
Laßt uns zurückziehn und am Weg verbergen,
Denn sähn sie uns, sie kämen nicht heran.
Verschwunden ist die Hoffnung zum Vergleich,
So mögen denn die Schwerter blutig walten
Und, die dort nahn, den Reihen führen an.
Zieht euch zurück und haltet, bis ichs sage.
MILO.
Nur leis und sacht, daß sie uns nicht erspähn.
Ziehen sich alle zurück und ab.
Absyrtus und kolchische Krieger treten auf, Medea verschleiert in ihrer Mitte.
ABSYRTUS.
Die Waffen haltet bereit zum Schlagen,
Leicht könnten wir treffen 'ne Feindesschar,
Der Weg hier führt vorbei an ihrem Lager.
MEDEA
den Schleier zurückschlagend und vortretend.
Am Feindeslager? Warum diesen Weg?
Warum nicht den andern, mein Bruder?
ABSYRTUS.
Der Sturm hat die Brücken abgerissen heut nacht;
Jetzt erst erfuhr ichs. Aber sorge nicht!
Ich verteidge dich mit meinem Blut.
Wärst du nicht hier, ich forderte sie heraus.
MEDEA.
Um aller Götter willen
ABSYRTUS.
Ich sagte: wärst du nicht hier;
Aber nun, da du hier bist, tu ichs nicht.
Nicht um den höchsten Preis, nicht um Kampf und Sieg,
Setz ich dich in Gefahr, meine Schwester!
MEDEA.
So laß uns eilig vorüberziehn.
ABSYRTUS.
Kommt denn!
JASON
hinter der Szene.
Jetzt ist es Zeit! Greift an, ihr Freunde!
Hervorspringend.
Halt!
MEDEA
aufschreiend.
Er!
Zu Absyrtus.
Laß uns fliehen, Bruder!
[860]ABSYRTUS.
Fliehen? Fechten!
JASON
zu den andringenden Argonauten.
Wenn sie sich widersetzen, haut sie nieder!
Zu den Kolchern.
Zu Boden die Waffen!
ABSYRTUS.
Du selber zu Boden!
Schließt euch, Gefährten! Haltet sie aus!
MEDEA.
Bruder! Hältst du so dein Versprechen?
ABSYRTUS.
Versprach ich zu fliehn, so verzeihn mir die Götter,
Nicht daß ichs breche, daß ichs gab, das Wort!
Zu den Seinen.
Weicht nicht! Der Vater ist nah, er sendet uns Hilfe.
JASON
Medeen erblickend.
Bist dus, Medea? Unverhofftes Glück!
Komm hierher!
MEDEA
zu den Kolchern.
Schützet mich!
JASON
die sich ihm entgegenstellenden Kolcher angreifend.
Ihr! aus dem Wege!
Eur Eisen hält nicht ab, zieht an den Blitzstrahl.
Die Kolcher werden zurückgedrängt, die Griechen verfolgen sie.
JASON.
Die Deinen fliehn. Du bist in meiner Macht!
MEDEA.
Du lügst! In der Götter Macht, in meiner.
Verläßt mich alles, ich selber nicht!
Sie entreißt einem fliehenden Kolcher die Waffen und dringt mit vorgehaltenem Schild und gesenktem Speer auf Jason ein.
Stirb oder töte!
JASON
indem er schonend zurückweicht.
Medea, was tust du?
MEDEA
näher dringend.
Töte oder stirb!
JASON
mit einem Schwertstreich ihre Lanze zertrümmernd.
Genug des Spiels!
Das Schwert in die linke Hand nehmend, in welcher er den Schild hält.
Was nun?
MEDEA.
Treulose Götter!
Die abgebrochene Lanze samt dem Schild hinwerfend und einen Dolch ziehend.
Noch sind mir Waffen!
JASON
indem er Schild und Schwert von sich wirft und vor sie hintritt.
Töte mich, wenn du kannst.
[861]MEDEA
mit abgewandtem Gesicht, den Dolch in der Hand.
Kraft!
JASON
weich.
Töte mich, Medea, wenn du kannst!
Medea steht erstarrt.
JASON.
Siehst du, du kannsts nicht. Du vermagst es nicht!
Und nun zu mir! Genug des Widerstrebens!
Und weigerst dus? Versuch es, wenn du kannst.
Sie rasch anfassend und auf seinem Arm in die Höhe haltend.
So faß ich dich, so halt ich dich empor
Und trage dich durch unsrer Völker Streit,
Durch Haß und Tod, durch Kampfes blutge Wogen.
Wer wagts zu wehren? Wer entreißt dich mir?
MEDEA.
Laß mich!
JASON.
Nicht eher, bis du gütig sprichst,
Nicht eher, bis ein Wort, ein Wink, ein Laut
Verrät, daß du mir weichst, daß du dich gibst.
Zu ihr emporblickend und heftig schüttelnd.
Medea, dieses Zeichen!
MEDEA
leise.
Jason! laß mich!
JASON.
»Jason!« – Da sprachst du meinen Namen aus,
Zum erstenmale aus! O holder Klang!
»Jason!« wie ist der Name doch so schön,
Seit du ihn sprachst mit deinen süßen Lippen.
Hab Dank, Medea, hab den besten Dank!
Er hat sie auf den Boden niedergelassen.
Medea, Jason; Jason und Medea,
O schöner Einklang! Dünket dirs nicht auch?
Du zitterst! Setz dich hier! Erhole dich.
Er führt Medeen zu einer Rasenbank. Sie folgt ihm und sitzt mit vorhängendem Leibe, die Augen vor sich starr auf dem Boden, die Hände, in denen noch der Dolch, gefaltet im Schoße.
JASON
steht vor ihr.
Noch immer stumm, noch immer trüb und düster?
O zage nicht; du bist in Freundes Hand.
Zwar geb ich leicht dem Vater dich nicht wieder,
Ein teures Unterpfand ist mir sein Kind;
[862] Doch soll dirs drum bei mir nicht schlimm ergehn,
Nicht schlimmer wenigstens als mir bei dir.
Wenn ich so vor dir steh und dich betrachte,
Beschleicht mich ein fast wunderbar Gefühl.
Als hätt des Lebens Grenz ich überschritten
Und stünd auf einem unbekannten Stern,
Wo anders die Gesetze alles Seins und Handelns,
Wo ohne Ursach, was geschieht, und ohne Folge,
Da seiend, weil es ist.
Dahergekommen durch ein wildes Meer,
Aus Ländern, so entfernt, so abgelegen,
Daß Wünsche kaum vorher die Reise wagten,
Auf Kampf und Streit gestellt, lang ich hier an,
Und sehe dich und bin mit dir bekannt.
Wie eine Heimat fast dünkt mir dies fremde Land,
Und, abenteuerlich ich selbst, schau ich
Verwundrungslos, als könnt es so nur sein,
Die Abenteuer dieses Wunderbodens.
Und wieder, ist das Fremde mir bekannt,
So wird dafür mir, was bekannt, ein Fremdes.
Ich selber bin mir Gegenstand geworden,
Ein andrer denkt in mir, ein andrer handelt.
Oft sinn ich meinen eignen Worten nach,
Wie eines Dritten, was damit gemeint,
Und kommts zur Tat, denk ich wohl bei mir selber,
Mich solls doch wundern, was er tun wird und was nicht.
Ein einzges ist mir licht und das bist du,
Ja du, Medea, scheints auch noch so fremd.
Ich ein Hellene, du Barbarenbluts,
Ich frei und offen, du voll Zaubertrug,
Ich Kolchis Feind, du seines Königs Kind,
Und doch, Medea, ach und dennoch, dennoch!
Es ist ein schöner Glaub in meinem Land,
Die Götter hätten doppelt einst geschaffen
Ein jeglich Wesen und sodann geteilt;
Da suche jede Hälfte nun die andre
Durch Meer und Land, und wenn sie sich gefunden,
[863] Vereinen sie die Seelen, mischen sie
Und sind nun eins! – Fühlst du ein halbes Herz,
Ists schmerzlich dir gespalten in der Brust,
So komm – doch nein, da sitzt sie trüb und düster,
Ein rauhes Nein auf meine milde Deutung,
Den Dolch noch immer in geschloßner Hand.
O fort!
Ihre Hand fassend und den Dolch entwindend.
Laßt los, ihr Finger! Bunte Kränze,
Geschmeid und Blumen ziemt euch zu berühren,
Nicht diesen Stahl, gemacht für Männerhand.
MEDEA
aufspringend.
Fort!
JASON
sie zurückhaltend.
Bleib!
MEDEA.
Von hier!
JASON.
Bleib da, ich bitte dich!
Ich sage dir: bleib da! Hörst du, du sollst!
Du sollst, beim Himmel, gält es auch dein Leben!
Wagt es das Weib, dem Mann zu bieten Trotz?
Bleib!
Er faßt ihre Arme mit beiden Händen.
MEDEA.
Laß!
JASON.
Wenn du gehorchst, sonst nimmermehr!
Er ringt mit der Widerstrebenden.
Mich lüstet, deines Starrsinns Maß zu kennen!
MEDEA
in die Kniee sinkend.
Weh mir!
JASON.
Siehst du? du hast es selbst gewollt.
Erkenne deinen Meister, deinen Herrn!
Medea liegt auf einem Kniee am Boden, auf das andre stützt sie den Arm, das Gesicht mit der Hand bedeckend.
JASON
hinzutretend.
Steh auf! – Du bist doch nicht verletzt, – Steh auf!
Hier sitz und ruh, vermagst du es zu ruhn.
Er hebt sie vom Boden auf. Sie sitzt auf der Rasenbank.
JASON.
Umsonst versend ich alle meine Pfeile,
Rückprallend treffen sie die eigne Brust.
[864] Wie haß ich dieses Land; sein rauher Hauch
Vertrocknete die schönste Himmelsblume,
Die je im Garten blühte der Natur.
Wärst du in Griechenland, da wo das Leben
Im hellen Sonnenglanze heiter spielt,
Wo jedes Auge lächelt wie der Himmel,
Wo jedes Wort ein Freundesgruß, der Blick
Ein wahrer Bote wahren Fühlens ist,
Kein Haß als gegen Trug und Arglist, kein –
Und doch, was sprech ich? Sieh, ich weiß es wohl,
Du bist nicht, was du scheinen willst, Medea!
Umsonst verbirgst du dich, ich kenne dich!
Ein wahres, warmes Herz trägst du im Busen,
Die Wolken hier, sie decken eine Sonne.
Als du mich rettetest, als dich mein Kuß –
Erschrickst du, Sieh mich an! – Als dich mein Kuß! –
Ja deine Lippen hat mein Mund berührt.
Eh ich dich kannt, eh ich dich fast gesehn,
Nahm ich mir schon der Liebe höchste Gabe;
Da fühlt ich Leben mir entgegenwallen
Und du gibst trügerisch dich nun für Stein.
Ein wahres, warmes Herz schlägt dir im Busen,
Du liebst, Medea!
Medea will aufspringen.
JASON
sie niederziehend.
Bleib! – Du liebst, Medea!
Ich sehs am Sturmeswogen deiner Brust,
Ich sehs an deiner Wangen Flammenglut,
Ich fühls an deines Atems heißem Wehn,
An diesem Beben fahl ich es: du liebst!
Liebst mich, mich, wie ich dich! – Ja, wie ich dich!
Er kniet vor ihr.
Schlag deine Augen auf und leugne, wenn dus kannst.
Blick mich an und sag: nein. – du liebst, Medea!
Er faßt ihre beiden Hände und wendet die sich Sträubende gegen sich, ihr fest ins Gesicht blickend.
JASON.
Du weinst, Umsonst! ich kenne Mitleid nicht!
Mir Aug ins Aug, und sage: nein! – du liebst!
Ich liebe dich, du mich. Sprichs aus, Medea!
[865] Er hat sie ganz gegen sich gewendet. Ihr Auge trifft das seinige. Sie schaut ihm mit einem tiefen Blick ins Auge.
JASON.
Dein Auge hats gesagt. Nun auch der Mund!
Sprichs aus, Medea! sprich es aus: ich liebe!
Fälle dirs so schwer? Ich will dichs lehren, Kind.
Sprichs nach: ich liebe dich!
Er zieht sie an sich; sie verbirgt, dem Zuge folgend, das Gesicht in seinen Haaren.
– Und noch kein Wort!
Kein Wort, obschon ich sehe, wie der Sturm
An deines Innern festen Säulen rüttelt.
Und doch kein Wort!
Aufspringend.
So hab es, Störrische!
Geh! Du bist frei, ich halte dich nicht mehr!
Kehr wieder zu den Deinigen zurück,
Zu ihren Menschenopfern, Todesmahlen,
In deine Wildnis, Wilde, kehr zurück. Geh!
Du bist frei; ich halte dich nicht mehr!
AIETES
von innen.
Hierher, Kolcher, hierher!
JASON.
Dein Vater naht.
Sei froh, ich weigre dich ihm nicht.
Argonauten kommen weichend. Hinter ihnen Aietes, Absyrtus und Kolcher, die sie verfolgen.
AIETES
auftretend.
Braucht eure Waffen, wackre Genossen!
Wo ist mein Kind?
ABSYRTUS.
Dort, Vater, sitzt sie.
AIETES
zu Jason.
Verruchter Räuber, mein Kind gib mir zurück!
JASON.
Wenn du mich bittest, nicht wenn du mir drohst.
Dort ist dein Kind. Nimm sie und fahr sie heim.
Nicht weil du willst, weil sie will und weil ich will.
Zu Medeen hintretend und sie anfassend.
Steh auf, Medea! Komm! Hier ist dein Vater!
Du sehntest dich nach ihm; hier ist er nun.
Verhüten es die Götter, daß ich hier
[866] Zurück dich hielte wider deinen Willen.
Was zitterst du? du hast es selbst gewollt.
Er führt die Wankende zu ihrem Vater und gibt sie ihm in die Arme.
Hier, Vater, ist dein Kind.
AIETES
Medeen empfangend, die das Gesicht auf seiner Schulter verbirgt.
Medea!
ABSYRTUS.
Schwester!
JASON.
Nun, König, rüste dich zum Todeskampf!
Die Bande, die mich hielten, sind gesprengt.
Zerronnen ist der schmeichelhafte Wahn,
Der mir der Tatkraft Sehnen abgespannt.
Mit ihr, die jetzo ruht in deinem Arm,
Legt ich den Frieden ab und atme Krieg.
Auf, rüste dich, es gilt dein Heil und Leben!
Zu Medeen.
Du aber, die hier stumm und bebend liegt,
Das Angesicht so feindlich abgewandt,
Leb wohl! Wir scheiden jetzt auf immerdar.
Es war ein Augenblick, wo ich gewähnt,
Du könntest fühlen, könntest mehr als hassen,
Wo ich geglaubt, die Götter hätten uns
Gewiesen aneinander, dich und mich.
Das ist nunmehr vorbei. So fahre hin!
Du hast das Leben zweimal mir gerettet,
Das dank ich dir und werd es nie vergessen.
In ferner Heimat und nach langen Jahren
Will ichs erzählen in dem Kreis der Freunde.
Und frägt man mich und forscht: wem gilt die Träne,
Die fremd dir da im Männerauge funkelt?
Dann sprech ich wohl in schmerzlicher Erinnrung:
Medea hieß sie; schön war sie und herrlich,
Allein ihr Busen barg kein Herz.
AIETES.
Medea,
Was ist? Feucht liegt dein Gesicht auf meiner Schulter.
Weinst du?
JASON.
Du weinst? Laß mich die Tränen sehn,
O, laß michs glauben, daß du weinen kannst.
Blick noch einmal nach mir, es ist das letzte Mal;
[867] Ich will den Blick mittragen in die Ferne.
Denk doch, es ist zum letzten-, letztenmal.
Er faßt ihre herabhängende Hand.
AIETES.
Wagst dus, zu berühren ihre Hand?
JASON
indem er ihre Hand fahren läßt.
Sie will nicht. Nun wohlan, so sei es denn!
Du siehst mich nimmermehr auf dieser Erde.
Leb wohl, Medea, leb wohl, auf ewig wohl!
Er geht rasch.
MEDEA
das Gesicht hinwendend und den Arm ihm nachstreckend.
Jason!
JASON
umkehrend.
Das wars! Medea! Komm zu mir!
Auf sie zueilend und ihre Hand fassend.
Zu mir!
AIETES
sie an der andern Hand haltend.
Verwegner, fort!
JASON
Aietes Hand wegschleudernd und Medeen an sich reißend.
Wagst dus, Barbar!
Sie ist mein Weib!
AIETES.
Sein Weib? – Du schweigst, Verworfne?
JASON
Medeen auf die andere Seite führend.
Hierher. Medea, fort von diesen Wilden.
Von nun an bist du mein und keines andern!
AIETES.
Medea, du weigerst dich nicht? du folgst ihm?
Stößt ihm nicht den Stahl in die frevelnde Brust?
Verruchte, wars vielleicht dein eignes Werk?
Auf Jason eindringend.
Meine Tochter gib mir, mein verlocktes Kind!
MEDEA
sich zwischen beide werfend.
Vater, töt ihn nicht! Ich lieb ihn!
JASON.
Er konnte dirs entreißen und ich nicht!
AIETES.
Schamlose! Du selbst gestehsts? Gestehst deine Schande?
O, daß ich nicht merkte die plumpe List,
Daß ich selbst sie sandte in seinen Arm,
Vertrauend der Väter Blut in ihren Adern!
JASON.
Darfst du sie schmähen?
[868]MEDEA.
Höre mich. Vater!
Es ist geschehn, was ich fürchtete. Es ist.
Aber laß uns klar sein, Vater, klar!
In schwarzen Wirbeln dreht sichs um mich,
Aber ich will hindurch, empor aus Dunkel und Nacht.
Noch läßt sichs wenden, ab sich wenden. Höre mich!
AIETES.
Was soll ich hören? Ich habe gesehn!
MEDEA.
Vater, vernicht uns nicht alle.
Löse den Zauber, beschwichtge den Sturm!
Heiß ihn dableiben, den Führer der Fremden.
Nimm ihn auf, nimm ihn an!
An deiner Seite herrsch er in Kolchis,
Dir befreundet, dein Sohn!
AIETES.
Mein Sohn? Mein Feind.
Tod ihm, und dir, wenn du nicht folgst!
Willst du mit mir? Sprich! Willst du oder nicht?
MEDEA.
Höre mich.
AIETES.
Willst du oder nicht?
ABSYRTUS.
Gönn ihr zu sprechen, Vater!
AIETES.
Ja oder nein?
Laß mich, Sohn! – Willst du? – Sie kommt nicht! – Schlange!
Er holt mit dem Schwert aus.
JASON
sich vor sie hinstellend.
Du sollst sie nicht verletzen!
ABSYRTUS
zugleich dem Vater in den Arm fallend.
Vater, was tust du?
AIETES.
Du hast recht. Nicht sterben soll sie, leben;
Leben in Schmach und Schande; verstoßen, verflucht,
Ohne Vater, ohne Heimat, ohne Götter!
MEDEA.
Vater!
AIETES.
Du hast mich betrogen, verraten.
Bleib! Nicht mehr betreten sollst du mein Haus.
Ausgestoßen sollst du sein, wie das Tier der Wildnis,
Sollst in der Fremde sterben, verlassen, allein.
Folg ihm, dem Buhlen, nach in seine Heimat,
Teile sein Bett, sein Irrsal, seine Schmach;
Leb im fremden Land, eine Fremde,
Verspottet, verachtet, verhöhnt, verlacht;
[869] Er selbst, für den du hingibst Vater und Vaterland,
Wird dich verachten, wird dich verspotten,
Wenn erloschen die Lust, wenn gestillt die Begier;
Dann wirst du stehn und die Hände ringen,
Sie hinüberbreiten nach dem Vaterland,
Getrennt durch weite, brandende Meere,
Deren Wellen dir murmelnd bringen des Vaters Fluch!
MEDEA
knieend.
Vater!
AIETES.
Zurück! Ich kenne dich nicht!
Komm, mein Sohn! Ihr Anblick verpestet,
Ihre Stimme ist Todeslaut meinem Ohr.
Umklammre nicht meine Kniee, Verruchte!
Sieh ihn dort, ihn, den du gewählt;
Ihm übergeb ich dich;
Er wird mich rächen, er wird dich strafen,
Er selber, früher als du denkst.
MEDEA.
Vater!
AIETES
indem er die Knieende von sich stößt, daß sie, halbliegend, zurücksinkt.
Weg deine Hand, ich kenne dich nicht!
Fort, mein Sohn, mein einziges Kind!
Fort, mein Sohn, aus ihrer Nähe!
Ab mit Absyrtus und Kolchern.
JASON.
Flieh nur, Barbar, der Rach entgehst du nicht!
Zu den Argonauten.
Nun, Freunde, gilts; die Waffen haltet fertig
Zum letzten Streich, der Sieg bringt oder Tod.
Auf Medeen zeigend.
Sie kennt das Vließ, den Ort, der es verbirgt,
Mit ihr vollbringen wirs und dann zu Schiff.
Medeen hintretend, die noch auf eine Hand gestützt, die andre über die Stirne gelegt am Boden liegt.
Steh auf, Medea, er ist fort. – Steh auf!
Er hebt sie auf.
Hier bist du sicher.
MEDEA
die sich in seinen Armen aufgerichtet hat, aber mit einem Kniee noch am Boden liegt.
Jason, sprach er wahr?
[870]JASON
sie ganz aufhebend.
Denk nicht daran!
MEDEA
scheu an ihn geschmiegt.
O Jason, sprach er wahr'
JASON.
Vergiß, was du gehört, was du gesehn,
Was du gewesen bis auf diese Stunde.
Aietes Kind ist Jasons Weib geworden,
An dieser Brust hängt deine Pflicht, dein Recht.
Und wie ich diesen Schleier von dir reiße,
Durchwoben mit der Unterirdschen Zeichen,
So reiß ich dich von all den Banden los,
Die dich geknüpft an dieses Landes Frevel.
Hier, Griechen, eine Griechin! Grüßet sie!
Er reißt ihr den Schleier ab.
MEDEA
darnach fassend.
Der Götter Schmuck!
JASON.
Der Unterirdschen! Fort!
Frei wallt das Haar nun um die offne Stirn;
So frei und offen bist du Jasons Braut.
Nun nur noch eins und dann zu Schiff und fort.
Das Vließ, du kennsts, zeig an mir, wo es liegt!
MEDEA.
Ha, schweig!
JASON.
Warum?
MEDEA.
Sprich nicht davon.
JASON.
Mein Wort hab ich gegeben, es zu holen,
Und ohne Siegespreis kehrt Jason nicht zurück.
MEDEA.
Ich sage dir, sprich nicht davon!
Ein erzürnter Gott hat es gesendet,
Unheil bringt es, hat es gebracht!
Ich bin dein Weib! Du hast mirs entrissen,
Aus der Brust gerissen das zagende Wort,
Ich bin dein, führe mich, wohin du willst,
Aber kein Wort mehr von jenem Vließ!
In vorahnender Träume dämmerndem Licht
Haben mirs die Götter gezeigt,
Gebreitet über Leichen,
Besprützt mit Blut,
[871] Meinem Blut!
Sprich nicht davon!
JASON.
Ich aber muß, nicht sprechen nur davon,
Ich muß es holen, folge was da wolle.
Drum laß die Furcht und führ mich hin zur Stelle,
Daß ich vollende, was mir auferlegt.
MEDEA.
Ich? Nimmermehr!
JASON.
Du willst nicht?
MEDEA.
Nein!
JASON.
Und weigerst du mir Beistand, hol ichs selbst.
MEDEA.
So geh!
JASON
sich zum Fortgehen wendend.
Ich gehe!
MEDEA
dumpf.
Geh – in deinen Tod!
JASON.
Kommt, Freunde, laßt den Ort uns selbst erkunden!
Er geht.
MEDEA.
Jason!
JASON
wendet sich um.
Was ist?
MEDEA.
Du gehst in deinen Tod!
JASON.
Kam ich hierher und fürchtete den Tod?
MEDEA
auf ihn zueilend und seine Hand fassend.
Ich sage dir, du stirbst
Halblaut.
In der Höhle liegts verwahrt,
Verteidigt von allen Greueln
Der List und der Gewalt.
Labyrinthische Gänge,
Sinnverwirrend,
Abgründe, trügerisch bedeckt,
Dolche unterm Fußtritt,
Tod im Einhauch,
Mord in tausendfacher Gestalt,
Und das Vließ, am Baum hängts,
Giftbestrichen,
Von der Schlange gehütet,
Die nicht schläft,
Die nicht schont,
Unnahbar.
[872]JASON.
Ich hab mein Wort gegeben und ich lös es.
MEDEA.
Du gehst?
JASON.
Ich geh.
MEDEA
sich ihm in den Weg werfend.
Und wenn ich hin mich werfe,
Flehend deine Kniee umfaß und rufe:
Bleib! Bleib!
JASON.
Nichts hält mich ab!
MEDEA.
O Vater, Vater!
Wo bist du? Nimm mich mit!
JASON.
Was klagst du?
Wohl eher wär das Recht, zu klagen, mir.
Ich tue, was ich muß, du hast zu wählen.
Du weigerst dich, und so geh ich allein.
Er geht.
MEDEA.
Du gehst?
JASON.
Ich geh!
MEDEA.
Trotz allem, was ich bat,
Doch gehst du?
JASON.
Ja!
MEDEA
aufspringend.
So komm!
JASON.
Wohin?
MEDEA.
Zum Vließ,
Zum Tod! – Du sollst allein nicht sterben,
Ein Haus, ein Leib und ein Verderben!
JASON
sich ihr nähernd.
Medea!
MEDEA
ausweichend.
Die Liebkosung laß!
Ich habe sie erkannt! – O Vater! Vater!
So komm, laß uns holen, was du suchst;
Reichtum, Ehre,
Fluch, Tod!
In der Höhle liegts verwahrt,
Weh dir, wenn sichs offenbart!
Komm!
JASON
ihre Hand fassend.
Was quält dich?
[873]MEDEA
indem sie ihre Hand aufschreiend wegzieht.
Ah! – Phryxus! – Jason! –
JASON.
Um aller Götter willen!
MEDEA.
Komm! Komm!
Huscht fort, mit weit aufgerissenen Augen vor sich hinstarrend. Die andern folgen.
Der Vorhang fällt.