Elegie auf den Tod einer Grille

Musen, hüllet mir die Leier,
Die sonst nur der Freud erklang,
In der Trauer dunkeln Schleier,
Klagend halle mein Gesang!
Schwermutsvoll, in dumpfen Tönen
Weine, holde Elegie,
Fleuch, o fleuch, mit leisem Stöhnen,
Hin ins Land der Phantasie!
Hebe dich auf leichten Schwingen
Zu der Göttin hehrem Thron,
Hilf ein Totenlied mir singen
In Tibulls gerührtem Ton!
Zwar nur eine kleine Grille
Ist es, was mein Lied beweint,
Aber diese niedre Hülle
Barg mir einen teuern Freund.
Einen Freund, der mir die Sorgen
Aus dem wunden Herzen sang,
Der an jedem frühen Morgen
Freudig mir entgegensprang.
Er, der oft mit seinen Scherzen
Lust und Heiterkeit mir gab,
Stürzt, ein Raub von herben Schmerzen,
In sein allzufrühes Grab!
Tot liegt er vor meinen Füßen,
Tot vor meinem feuchtem Blick,
Unerweckbar meinen Küssen,
Nimmer kehret er zurück!
Schlafe denn, da dich mein Kummer
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Nimmermehr zum Leben ruft,
Schlafe denn den Todesschlummer,
Ruhe sanft in düstrer Gruft!

Den 14ten Mai 1806

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Grillparzer, Franz. Gedichte. Gedichte. Elegie auf den Tod einer Grille. Elegie auf den Tod einer Grille. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-EE01-6