Nachruf an Zacharias Werner
So bist du nicht mehr unter uns?
Bist hingegangen, Werner, abzulegen
Das unfreiwillig schaurige Profeß
Bei deinen grauen Mönchen vom Karmel,
Dem heilgen Berg, du armer Sohn des Tals?
[151]Was ist die Hora lang,
Der Guardian streng,
Und schrecklich der Posaunenschall des Fests!
Man sagt, daß wer sich selbst geschaut im Leben,
Die eigene Gestalt, ansichtig außer sich,
Daß er nicht leben könne fürder mehr
Und müsse sterben in der nächsten Frist.
O unglückselge Frucht der Selbstbeschauung!
Du hast dich auch geschaut und bist gestorben:
Denn das nicht, was er ist, nein, was er tut,
Das soll der Mensch erkennen und erwägen,
Sonst ist er tot, seis auch, daß er noch atme!
Die ewgen Geister schauen und sind heilig,
Der Mensch soll aber handeln und sei gut.
Nicht auf sich selbst, die eigne Form und Unform,
Soll er die Augen heften, wenden seine Glut,
Die Außenwelt ward ihm als lichte Braut,
Die mag er sich erfassen und umarmen,
Und Kinder zeugen, daß die Welt bestehe!
Fuch auch im Geisterreich der Unzucht mit sich selbst!
Du, Armer, hast die Ruhe nie gekannt,
Dein Streben nahm sie dir, und strebtest doch um Ruhe!
Da dir die Milch der Menschheit schmacklos war geworden,
Schien bald kein Reiz dir geistig scharf genug;
Dem Gleichgewicht entrückt durch eignes Schwanken,
Durchliefst du jeden Punkt des großen Hebels
Und suchtest nur den Ort, um fest zu stehn:
Umsonst! die Ruhe stellt sich ein, sobald man ruhig!
Im Sinnenrausch, im Rausch des innern Sinns
Ward er von dir gesucht und nicht gefunden,
Des geistgen Archimed δός μοι ποῦ στῶ,
Der heut und gestern immer gleiche Punkt,
Der ewge Mittelpunkt. Schlaf wohl du Armer!
Nun hast du ihn!