435. Chlotars Sieg über die Sachsen

Chlotar hatte seinen Sohn Dagobert über die austrasischen Franken zum König gesetzt. Dieser brach mit Heereskraft über den Rhein auf, um die sich empörenden Sachsen zu züchtigen. Der sächsische Herzog Bertoald lieferte ihm aber eine schwere Schlacht; Dagobert empfing einen Schwertstreich in sein Haupt und sandte die mit dem Stück vom Helm zugleich abgeschnittenen Haare alsbald seinem Vater, zum Zeichen, daß er ihm schleunig zur Hilfe eile, ehe ihm das übrige Heer zerrinne. Chlotar bekam die Botschaft, wie er gerade auf der Jagd war; bestürzt machte er sich sogleich mit dem geringen Gefolg, das ihn begleitete, auf den weiten Weg, reiste Tag und Nacht und langte endlich an der Weser an, wo der Franken Lager stand. Frühmorgens erhuben die Franken ein Freudengeschrei über ihres Königs Ankunft; Bertoald am andern Ufer hörte den Jubel und fragte, was er bedeute. »Die Franken feiern Chlotars [402] Ankunft«, antwortete man ihm. »Das ist ein falscher Wahn«, versetzte Bertoald, »denn ich habe gewisse Kundschaft, daß er nicht mehr am Leben sei.« Da stand Chlotar am Ufer, sprach keinen Laut, sondern hob schnell seinen Helm vom Haupte, daß das schöne, mit weißen Locken gemischte Haupthaar herunterwallte. An diesem königlichen Schmucke erkannten ihn gleich die Feinde; Bertoald rief: »Bist du also da, du stummes Tier!« Glühend von Zorn setzte der König den Helm aufs Haupt und spornte sein Roß durch den Fluß, daß er sich an den Feinden räche; alle Franken sprengten ihm nach; Chlotars Waffen waren schwer, und beim Durchschwimmen hatte ihm Wasser den Brustharnisch und die Schuhe gefüllt; dennoch folgte er dem fliehenden Sachsenherzog unermüdlich nach. Bertoald rief zurück: ein so berühmter König und Herr solle doch seinen Knecht nicht ungerecht verfolgen. Chlotar aber wußte wohl, daß er aus Hinterlist so redete, kümmerte sich nicht um die Worte, sondern holte ihn mit seinem schnellen Rosse ein und brachte ihn um. Darauf schlug er ihm das Haupt ab und trug es den nachkommenden Franken entgegen. Da verwandelte sich ihre Trauer in Freude; sie überzogen ganz Sachsenland, und der König Chlotar hieß alle Einwohner männlichen Geschlechts, die länger waren als das Schlachtschwert, das er damals gerade trug, hinrichten, auf daß die jüngeren und kleineren durch das lebendige Andenken hieran abgeschreckt würden. Und so verfuhr Chlotar.

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TextGrid Repository (2012). Grimm, Jacob und Wilhelm. Sagen. Deutsche Sagen. Zweiter Band. 435. Chlotars Sieg über die Sachsen. 435. Chlotars Sieg über die Sachsen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-03EB-0