Nachruf an Preschérn 1
1849.
»Kdo zna
Noč tamno rasjasnit', ki tare duha?
Kdo vé
Kregulja odgnati, ki kluje sercé
Od zora do mraka, od mraka do dné!«
Prešérn.
Wer kann
Erhellen die Nacht, die den Geist umspann?
Wer jag'
Den Geier vom Herzen, daß er's nicht nag'
Vom Morgen zum Abend, vom Abend zum Tag!
In würz'ger Luft, auf blumenbuntem Grunde
Ragt eine Linde neben einer Eiche,
Die Zweige sanft verschränkt zum grünen Bunde,
Als ob ein Freund dem Freund die Hände reiche;
Ob hier das Blatt gezackt sei, dort sich's runde,
Des Laubs und Schattens Farbe bleibt die gleiche!
Uns Nachbarkinder, spielend auf den Matten,
Umwölbt des grünen Doms vereinter Schatten.
[169]Da ward kredenzt Gluthwein vom letzten Jahre,
Der Keltersegen schwüler Sonnenbrände,
Und als ob Feuer in die Adern fahre
In Kampflust flogen an das Schwert die Hände;
Den Reigen löst das Volk, auf daß sich's schaare
Zur Linde hier, sich dort zur Eiche wende;
»Hie Slave!« – »hie Germane!« scholl es grimmig
Und Zornesworte brausten tausendstimmig.
Noch schwoll der Zwist; da strich ein flüsternd Klagen
Dahin durchs Säuseln der Slovenenlinde,
Ein Zittern ging, als mocht' ein Herz ihr schlagen,
Vom Stamm zum Wipfel ihr, vom Mark zur Rinde;
Von Männern ward ein Leichnam hergetragen,
Sie lehnten an den Stamm sein Haupt gelinde,
Ein Dichterhaupt! Dem Volke starb sein Seher;
Erschüttert trat ich von der Eiche näher.
Er war mein Lehrer einst! Aus dumpfen Hallen
Entführt' er mich zu Tiburs Musenfeste,
Zum Wunderstrand, wo Maro's Helden wallen,
Zur Laube, wo der Tejer Trauben preßte,
Zum Kap Sigeums, dran die Wogen prallen
Wie Waffentosen, bis zu Priam's Veste;
Sein Geisterschiff trug keine Flagg' am Ständer,
Nicht blau-roth-weiß', nicht schwarz-roth-goldne Bänder.
Wir sahn der Griechenfreiheit Todesbette,
Wir sahn im Blachfeld Rom und Hellas ringen,
Den Sieger dann, sich schmückend mit der Kette,
Um des Besiegten Haupt den Lorbeer schlingen,
[170]Den Kriegspfeil sinken vor des Marmors Glätte,
Vom Hauch der mildern Sitte morsch die Klingen!
Im Glast zerbrochner Römerschwerter gleiten
Mir Spiegelbilder spätrer Kämpferzeiten.
Auf dieses Todten Herz, – das nie gewittert,
Geleuchtet nur, – leg' ich die Hände gerne;
Die Weltenseele quillt, vom Markt zersplittert,
Ins Dichterherz zu ruhigem klaren Kerne;
Das Licht, das rings verirrt in Funken zittert,
Im Dichterherzen sammelt sich's zum Sterne;
Wenn Haß zum Streit hinaus das Volk getrieben,
Vergräbt's, wie Gold, ins Dichterherz sein Lieben.
Was dieses Leichenmundes heitrer Friede
Sein Volk gemahnt, der Tod kann's nimmer schwächen:
»Die Zunge löst' ich dir mit meinem Liede,
Wie Christ den Stummgebornen lehrte sprechen;
Ich war der Schmied, der dir die Pflugschar schmiede,
Der Sprache langverödet Feld zu brechen;
Und willst du froh ans Erntefest schon denken,
Noch manches Korn mußt du zur Furche senken.
Der goldne Eimer geht im Völkerringe
Von Hand zu Hand, aus deutscher dir zu thauen;
Du zückst das Schwert, daß deinen Dank es bringe,
Die Hand, doch nicht die Wohlthat, kann's zerhauen!
Der Hauch der Zeiten fährt in Faust und Klinge,
Wenn Haupt und Herz den Eingang ihm verbauen;
O thöricht eitles Mühn, des Geistes Blitze
Ablenken wollen in die Degenspitze!
[171]Das Weltgestirn entsteigt atlant'scher Welle
Glanzvoll, unhemmbar deinem Widerstreben;
Der West ward Ost! Liebst du die Morgenhelle,
Gen West, zum Aufgang, mußt dein Haupt du heben;
Willst du den reinen Born, schöpf' an der Quelle,
Der Rheingott keltert nicht blos ird'sche Reben;
Behagt dir nicht die kunstreich goldne Schale!
So trink' aus holzgeschnitztem Feldpokale! –
Es geht vom Hunnenkampf ein altes Sagen;
So rast der Grimm, daß, die im Feld gefallen,
Als Schatten noch fortkämpfen, luftgetragen,
Die Geisterfaust noch in den Wolken ballen!
Ein milder' Kampfrecht gilt in mildern Tagen:
Das Licht vereint die Streiter und es wallen
Versöhnte Geister durch die Feuerwolke,
Im Stern des Ruhms vorleuchtend allem Volke.«