Der treue Diener

Einst als in tiefem Sinnen Max durchs Gefängniß schritt,
Pocht's an die Pforte schüchtern und naht mit leisem Tritt;
Vermummt in die braune Kapuze, den Rücken gebückt und krumm,
Stand jetzt ein Mönch im Zimmer und sah sich bedächtig um:
»Gott ist ein Brillenschleifer, hat Gläser hell und blaß,
Wir Menschen sind die Käufer; der Eine sieht trüb durchs Glas,
Den Andern kneipt's in die Nase, rein zeigt's dem Dritten und klar;
Die grüne Hoffnungsbrille bring' ich, sein Knecht, euch dar.«
»Macht's kurz, Herr Pater! – Doch seltsam, verzeiht, und zürnet nicht,
Mir dünkt, die Kutte passe zu eurem Schalksgesicht
Wie Lenz und starrer Winter, wie Lachen und Weinen zugleich,
Wie eine Rose, blühend am Pfaffenkäppleingesträuch.«
»Errathen, mein lieber Maxe, der von der Rosen ist da,
Eu'r Kunze steht euch rettend im Mönchsgewande nah!«
»Willkommen, Bursche, willkommen, du edles, treues Blut!
Doch sprich, wie um die Kapuze gabst du den Schellenhut?«
Da fliegt an den Hals des Königs der lust'ge Pater jetzt,
Ei, wie er ihm Brust und Hände mit warmen Thränen netzt!
Sein Antlitz frisch und fröhlich aus der Kapuze nickt,
Wie ein rothes Alpenröslein aus schwarzer Erde blickt:
[238]
»Was Wunder? Ein Mönch und Schalksnarr kein selten Paar ist dieß,
Verspürt ein Mönch das Jucken, kratzt sich ein Narr gewiß;
Sie trinken aus einem Glase, und theilen Bett und Gemach.
Ihr folgtet nicht dem Narren, gebt nun dem Mönche nach.
Ich kam, euch zu befreien. Schon jüngst bei kalter Nacht
Schwamm ich durch das Gewässer, das diese Mauern umwacht,
Da klatschten die Schwäne die Flügel und schnatterten so grell,
Als wäre jeder aus ihnen ein flämischer Rebell.
Drauf in Francisci Kloster sprach ich beim Prior ein,
Der trinkt euch zu Ehren täglich ein halbes Fuder Wein,
Er hat, nebst Gruß und Segen, euch dieses Kleid bescheert
Und einen gesattelten Frater und ein psalmirend Pferd.
Nach Middelburg nun reitet zu Kaiser Friederich,
Dieß Brieflein euch zu bringen sandt' er von dannen mich;
Sein Heer fliegt euch zur Rettung mit Sturmesungestüm,
Die Herren von Baiern und Sachsen und Brandenburg mit ihm.
Wir tauschen Rock und Würde, das Haupt scheer' ich euch glatt,
Einstweilen nehmt die Haarkron' an goldner Krone Statt.
Wie sollen die Flämmlinge schauen, wie will ich vor Lachen mich winden,
Wenn sie den König suchen und einen Narren finden!«
Da sprach gerührt der König: »Dank dir, du treuer Kumpan!
Ich weiche nicht von hinnen. Gar klug zwar ist dein Plan,
Doch ziemt wohl einem König solch Fastnachtsmummenkleid?
Als Segel dien' ihm Klugheit, als Ruder Frömmigkeit!«
»Gemach, mein lieber König! da fällt mir ein Märchen ein:
Es gingen Fromm und Klug einst in eine Schenke hinein;
Der Fromme schenkt manierlich in Beider Gläser den Wein,
Der Kluge aber possirlich säuft beide Gläser rein.
[239]
Du bist zu fromm, mein König, für dieses Flämmlingsgezücht.
Komm, nimm die Kutt', ich wette, sie läßt dir so übel nicht!
Schnell, Frater Maximiliane, zeigt der Tonsur euch werth,
Auf, tapfrer Franciscaner, wohlauf, zu Pferd, zu Pferd!«
»Spar' deinen Athem, Bursche!« so brauste Max jetzt drein,
»Das Wort, das ich gesprochen, steh' fest wie Marmelstein!
Ich schwur den Eid, zu bleiben, es ist ein Königseid!
Leb' wohl, getrost mein Treuer, die Rettung ist nicht weit.«
Noch flehte Kunz, – vergebens! sein Blick bat flehentlich,
Darauf verzog's ihm die Lippen, halb bitter, halb weinerlich,
Und zwischen den Zähnen murrt' er: »Ach, ahnt' ich doch den Sparren!
Wer nun hier sucht den König, der findet wohl einen Narren.«

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TextGrid Repository (2012). Grün, Anastasius. Gedichte. Der letzte Ritter. Thron und Dreifuß. Der treue Diener. Der treue Diener. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-0DA3-B