[195] Zenta

Aus dem Röhricht flieht der Reiher
Und der Storch mit schrillem Laut,
Wo, ein träger Riesenweiher,
Sich die Theiß im Flachland staut;
Aus dem Schlummerlied der Unken
Fährt der Flußgott jach empor,
Streicht vom Aug', noch schlafestrunken,
Sein Gelock' von Schilf und Rohr.
Welch ein ungewohntes Tönen
Stört der Oedniß tiefe Ruh?
Horch, mit Rasseln, Rollen, Dröhnen
Wälzt ein Strom dem Strom sich zu;
Lauter brausen, näher schwellen
Sein Fluthen wogend an
Und vom Glanz metall'ner Wellen
Blitzt es über'm Haideplan.
Fluth der Türken und Tartaren
Ueberschwemmt das Ungarland!
Hurtig pflanzten Janitscharen
Halbmond, Roßschweif dort am Strand,
[196]
Wo Wessiren jetzt und Bassen
Kriegsbefehl der Sultan gab,
Der nicht fremder Hand will lassen
Zornesruth' und Gnadenstab.
Leise, wie der schlaue Jäger
Den viel stärkern Ur beschleicht,
Folgt' ihm Oestreichs Bannerträger,
Hat sein äsend Wild erreicht.
Hoch zu Roß beschaut die Horde
Prinz Eugen im Augenflug,
Sieht, wie sie an Zenta's Borde
Schon die mächt'ge Brücke schlug.
Scheint ihn just nicht zu betrüben,
Wie ihr Heer in Theile fällt,
Halb noch hüben, halb schon drüben,
Hier in Schanzen, dort im Zelt;
Auf der Brücke ziehn noch Reiter
Und Geschütze, lange Reihn!
Zu den Seinen ruft er heiter:
»Jetzt ist's Zeit, jetzt sind sie mein!«
Halt! Ein Bot' in Schweiß und Schaume!
Eugen nimmt aus Wien den Brief,
Kennt das Vöglein schon am Flaume,
Steckt es in die Tasche tief.
»Vom Hofkriegsrath, Herr, vom Kaiser!«
Ungestüm der Bote rief,
Aber spräch' er sich auch heiser,
Ungelesen bleibt der Brief.
[197]
Eugen winkt, die Trommeln rasseln;
Tod, du sollst ans Ernten gehn!
Salven knattern, Säbel prasseln,
Bei Musik nur willst du mähn!
Eugens Fußvolk hat erklettert
Schanz' und Wall auf blut'gem Weg,
Rechts und links sein Stückknecht wettert
In den langen Brückensteg.
Um des Lagers fette Rinder
Bangt der Wessir mit Verdruß:
»Die Gefahr ist drüben minder,
Schwemmt die Heerden durch den Fluß!«
Scheu vom Lärm doch drängen, stoßen
Sie zur Brücke, daß sie wich,
Unverhoffte Bundgenossen,
Wurden schnell gut kaiserlich!
Trotz'ger Flußgott, halfst zerschlagen
Deine Schmach, ihr Brückenjoch,
Mußt von Leichenknäueln tragen
Jetzt die zweite Brücke noch!
Bist ein Schlemmer, bist ein Prasser,
Hast der Schwimmer nie genug,
Ziehst noch in dein fischreich Wasser
Roß und Mann und Wagenzug!
Hei, im Türkenlager springen
Oestreichs Krieger mit Gesang!
Rasten Schwert und Speer, so schwingen
Pfann' und Bratspieß sie mit Klang.
[198]
»Fangt die Heerden, die verirrten!
Groß der Sieg, das Mahl nicht karg!
Doch zu braten die Alliirten,
Solcher Undank ist zu arg!«
In des Sultans Purpurzelte
Auf dem Teppich ruht Eugen,
Fand nun Zeit, die früher fehlte,
In den Wienerbrief zu sehn:
»Nur nicht schlagen, nur nichts wagen!
Keinen Sturm und keine Schlacht!
Denn wird dieses Heer geschlagen,
Ist zu End' all unsre Macht.«
Eugen liest's und winkt dem Boten:
»Seine Antwort will ein Brief;
In Depeschen doch und Noten
Läuft mein Griffel manchmal schief;
Drum vermerke mir's unhuldig
Nicht des Kaisers Majestät,
Wenn die Antwort, die ich schuldig,
Etwas lang und breit geräth:
Türk'sche Beute, Rosse tragen
Sieben Tausende sie kaum,
Auf des Sultans tausend Wagen
Hat die ganze noch nicht Raum;
Sechszigtausend von Kamehlen
Sollen mühsam schleppen dran,
Was die Todten nicht erzählen
Dreißigtausend auf dem Plan.
[199]
Aus zehn Tonnen von Dukaten
Spricht es laut mit goldnem Mund,
Was vielhundertfach ihm thaten
Fahnen schon und Roßschweif kund. –
Als Postscript den Herrn Jesuiten
Bring' zehn Haremsdamen froh,
Hübsche Nönnlein, fromm von Sitten,
Taufen gibt's, so oder so.
Und besiegelt sei das Ganze
Mit dem Sultanssiegel hier,
Das vom Hals ich in der Schanze
Nahm dem sterbenden Wessir;
Doch der langgerathnen Worte
Kurzgefaßter Sinn ist der:
Hingeschmettert liegt die Pforte,
Schlafe ruhig, hoher Herr!«

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TextGrid Repository (2012). Grün, Anastasius. Gedichte. In der Veranda. Prinz Eugenius. Zenta. Zenta. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-0F61-4