[51] 7.

Seht dort den Mönch, kapuzumhüllt die Augen!
Doch diesen scheint ihr Wohnhaus nicht zu taugen,
Zween Adlern gleich, aus dunkeln, öden Klüften
Zum Flug sich schwingend nach den sonn'gen Lüften.
»Auf meinem Haupt, von der Kapuz' umdunkelt,
Hat einst ein Helm mit grünem Zweig' gefunkelt;
Dieß Herz, in eine Kutte jetzt verkrochen,
An einen Panzer trieb's kampflustig Pochen!
Wie rauschten, Leipzig, einst auf deinen Bahnen
Ums trunkne Haupt uns der Begeist'rung Fahnen
Daß, wer da fiel, mit Jauchzen, wohl wie trunken
Unter des Lebens grünen Tisch gesunken!
Der Himmel glüht', als schien' er selbst zu bluten,
Die Sonne lag auf rothen Dampfesfluthen,
Als wenn ob uns der Purpur Deutschlands schwebte,
Und sie auf ihm als Kaiserkrone bebte!
Uns Alle deckte mild sein Riesenschatten,
Darunter focht sich's gut und ohn' Ermatten!
Doch saht ihr's, wie in Fetzen er zerflogen
Und Nebel blieb, der gaukelnd uns belogen!
[52]
Die Banner, drauf in Gold: Freiheit! geschienen,
Sie sind zerrissen, und das Wort mit ihnen!
Mir graute nimmer vor des Kampfes Wüthen,
Doch bebt' ich vor des Siegeskranzes Blüthen!
Mein Lorberreis, ich gab es preis den Lüften,
Und die Begeist'rung trug ich stumm zu Grüften,
Daß sie, wie Todte in der schwarzen Erde,
In dieser Kutte still bestattet werde.
Ihr, die ihr schlaft auf Leipzigs Fluren, Brüder,
Einst tritt zu euch der Waffenbruder wieder;
Das wird ein lustbarlich Erkennen geben,
Seht ihr im Maskenkleid heran ihn schweben!
Statt mich in freies, grünes Feld zu neigen,
Daß meinem Herzen Blumen frisch entsteigen,
Muß dann in dumpfe, dunkle Gruft ich schweben,
Unfruchtbar, ach, im Tode, wie im Leben!
Statt farb'gem Kleid und blankem Wehrgeschmeide,
Dran sich die arme, kahle Erde weide,
Wird meinen Leib die Kutte scheu umschleichen
Und meine Lend' ein Strick, das Sklavenzeichen!
Statt daß bekränzt die Fahn' aufs Grab sich senke,
Als ob sie mein in stillem Dank gedenke,
Wird die Kapuz' aufs Auge mir gerissen,
Fürwahr, als ob sie mein sich schämen müssen!
[53]
Statt daß im Trauermarsch die Trommeln hallen,
Den letzten Gruß der Brüder Büchsen knallen
Und pochend an des Himmels Pforten schlagen,
Dem alten Krieger Einlaß anzusagen;
Schnarrt dumpf zur Gruft mein Sarg am Seile nieder,
Umkrächzen mich der Mönche heis're Lieder
Mit müdem Flügelschlag, wie satte Raben!
Wirst du auch, deutsche Freiheit, so begraben?«

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Grün, Anastasius. Gedichte. Schutt. Eine Fensterscheibe. 7. [Seht dort den Mönch, kapuzumhüllt die Augen!]. 7. [Seht dort den Mönch, kapuzumhüllt die Augen!]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-112B-2