[49] Die Dritte Abhandelung.
Bassianus und der 1. Hauptmann ausser dem Gemach.
Ach Bruder! Ach Sever! Ach Mutter! Ach geschehn!
Soll denn das grosse Rom den andern Nero 26 sehn!
Wer sind wir und wohin ist unser Ruhm verschwunden!
Verschwunden! Ach! Er starb durch unsers Bruders Wunden!
Verbracht und nie bedacht! und zwar durch unser Hand
Den Bruder-Mord verübt! was wird das ferne Land /
Wie wird das weite Reich die Unthat überlegen!
Was frembde Völcker wird nicht diser Schlag bewegen?
Gesetzt daß Geta sich zu etwas hätt erkühnt;
Ja daß er Lebens-Straff und Untergang verdint /
Muß sein verwandtes Blut denn dise Faust beflecken?
Muß seinen Mißverstand mein eigne Schmach verdecken?
Ha! Zepter theur erkaufft! Ha! Purpur-rot von Scham!
Rot von deß Brudern Blut! wir sind dem Leben gram
Das sich vor sich entsetzt! Ach! gar zu bald vollzogen;
Was nicht zu ändern steht! vollzogen; nie erwogen /
Als nach verübtem Werck! und soll man weiter gehn?
Kan wer gefrevelt hat nicht in dem fallen stehn?
Ach nein! wer einmal schon berg'-ab ins lauffen kommen;
Wird wider will' und macht vom rennen hingenommen /
Biß daß Er über Hals in tiffe Thäler stürtzt /
Und in Morast und Sumpff deß Lebens Zil verkürtzt.
Wer traut uns künfftig mehr? Wehm können wir vertrauen?
Wenn nicht das nechste Blut könt auff uns sicher bauen?
Das durch uns selbst verfil / und vilen dises dräut
Was wir gezwungen thun / und uns nicht minder reut /
Weil Stat und Noth uns zwingt / umb Rache zu verhüten:
In diß was Geta treu' / und jemals lib / zu wüten.
Ach Götter! ach was Rath! ach Bruder! ach Geduld!
Verzeih betrübter Geist / es war nicht unser Schuld!
[50] Es war zwar unser Schuld / doch wurden wir getriben /
Durch die / die Eigen-nutz mehr denn den Fürsten liben.
Durch die / die wider dich zum Eyver uns erregt /
Und Jhr selbst eigen Feur zu diser Brunst gelegt.
Durch die / die was Sie uns lib dachten / vorgepfiffen.
Die sich durch dise Thurst an unserm Ruhm vergriffen.
Wir sehns! doch nun zu spät! ach übel sonder Rath!
Auff Geist! ermunter dich / gib bey der frechen That
Noch einer Tugend Rest der nach-Welt zu erkennen.
Sie mag dich wie sie wil / und billich grausam nennen
Doch füge sie darzu; daß Bassian verspürt
Daß Er durch falsche Räth' auff eine That verführt /
Die er zu straffen sucht. Diß ist das schändlich' Eisen /
Dem aller Zeiten Zeit den Greuel wird verweisen.
Es fahr in Laetus Hertz! halt inn'; es ist zu gut.
Mischt deß Verräthers nicht / mit unsers Bruders / Blut
Das auff der Klingen starrt / hir sind noch neue Dolchen /
Hir Lybisch Gifft / gestärckt mit safft ergrimmter Molchen.
Geh Blatter dises Hofs! wir lassen dir die wahl /
Vor den verfluchten Rath. Njhm Becher oder Stahl!
Weil sich die That nicht läst in Lethe strohm versencken;
Soll durch die mittel man Jhr unverfälscht gedencken.
Schaw her auff deine Rach / du seyst auch wo du seyst:
Dein erster Tod-feind ligt / du hast entleibter Geist
Mehr Mittel / jtzt die Feind' / als lebend / auffzureiben.
Stracks Haubtmann.
HAUBTMANN.
Grosser Fürst.
BASSIANUS.
Man bring uns Zeug zu schreiben
Stell' unsern Briff alsbald / und selbst / dem Laetus zu /
Mit dem verdeckten Gold / und / daß er eilend thu /
Was wir zu recht erkennt.
HAUBTMANN.
Mein Fürst; es soll geschehen
Cleander sucht verhör.
BASSIANUS.
Cleander mag uns sehen.
[51] Cleander. Bassianus.
CLEANDER.
Was mir der Fürst vertraut / ist / und nach Wuntsch / verricht.
Der Hof ist höchst-bemüht die letzte Todten-Pflicht
Der abgeholten Leich' auffs prächtigst' abzulegen.
Die Mutter selbst beginnt den Unfall zu erwegen /
Und klagt mit mehr Verstand als man vermuten kan /
Und Frauen sonst gewohnt / bloß das Verhängnüß an.
BASSIANUS.
Meld' / und verhöl uns nichts wie Sie dich hab empfangen.
Ob Sie: wie und wie fern / mit Worten sich vergangen /
Mit kurtzem: Jhr Geberd'. Ein schweigend Aug' entdeckt
Offt mehr / denn Furcht und Zwang und stummer Mund versteckt.
CLEANDER.
Alsbald man Jhr vermeldt daß ich deß Fürsten willen /
So vil die Leich antrifft / erschienen zu erfüllen;
(Ich schwer' / und bey dem Heil deß Käysers / daß Ich nicht
Noch jemand was zu leid / noch Jhr zu lib' erdicht)
Hat man mich auff Jhr Wort geleitet / wo die Schaaren
Der Frauen umb den Leib deß Fürsten embsig waren /
Wie der bemühte Schwarm wenn sich der Tag verjüngt /
Umb frischen Klee / Camill und reine Rosen dringt.
Theils reinigten vom blutt die nun erblasten glider /
Theils wusch / theils netzte sie mit milden Threnen wieder /
Theils mischten Nard' und Myhr' und Socotriner Safft,
27Und streuten Weyrauch in deß Balsams feiste Krafft /
Theils seufftzten überlaut / und schlugen Arm und Brüste:
Theils suchten Schmuck und Zeug zum letzten Traur-Gerüste /
Biß die Princesse selbst sich in das Zimmer fand /
Die / das noch nicht in Eil / verwechselte Gewand
[52] Vom Haubt biß auff den Fuß mit schwartzer Seid umbhüllet:
Da sich der gantze Saal bloß auff ihr wincken stillet.
Sie saß / doch war ihr Haubt Mir seitwerts abgewand.
Und die betrübte Stirn lehnt auff der rechten Hand.
So bald Ich / was der Fürst Jhr durch mich an-liß sagen /
Der ernsten schweigenden umbständlich vorgetragen;
Strich Sie das schwartze Tuch von Jhrem Antlitz hin /
Das durch die Finsternüß des traurens heller schin /
Wie wenn Dian bey Nacht auffgeht mit vollem Lichte;
Und sprach mit etwas mehr ermuntertem Gesichte:
Der ungeheure fall' und was ihr schrecklich acht /
Und frembd' und unerhört ins Pövels Ohren kracht /
Kommt uns nicht unverhofft. Als der die Welt erblicket;
Umb den man itzund traurt: Ward Jhm der Tod beschicket.
Es wuste schon Sever eh Jhn der Götter Schaar
Auß unsern Armen riß daß Geta kurtze Jahr
Zu herrschen angesetzt. Uns ist er stets verstorben:
Biß unser Furcht ihr End' in seinem End' erworben /
Die nun nichts weiter sorgt. Zwar eine Mutter schmertzt
So rauer Untergang! doch Julie behertzt;
Daß ungemeines Glück leid' ungemeine Stösse /
Und überlegt den Schlag nach Jhrer Hoheit Grösse.
Hat das Verhängnüß uns in Römschen Thron gesetzt;
Hat der uns / der nun Gott / der Ehe werth geschätzt;
Liß er den Antonin als eignes Kind uns küssen:
Beschauten wir die Welt vor unsers Sohnes Füssen:
Und solten / nun die Zeit nichts höhers vor uns weiß /
Beklagen / was uns läst? Die baut auff schwaches Eiß /
Und ist nicht Zepters werth: Die weil Sie Zepter träget /
Was werther hält als sich. Die Erde wird beweget
Das Stirnen-Band
28 zureist. Man bringt die Todten-Baar
Für Kinder / für Gemahl / für Freunde. Ja die Schaar
Der Libsten wechselt offt und freut sich zu verletzen:
Vor die Sie vor den Hals entschlossen auff zu setzen.
[53] Ein unverzagt Gemüt steht wenn der Himmel fällt /
Und steigt im Untergang / und trotzt die grosse Welt.
So / ob die Mutter zwar verleurt was Sie geboren:
Hat Julie doch nichts bey der Verlust verloren.
BASSIANUS.
Unendlich grosser Geist / und grössern Glückes werth!
CLEANDER.
Das (fuhr sie fort) der Fürst deß Cörpers Rest begehrt:
Ist vil vor uns / und den der (wo er ja geglitten /
Auß Unverstand und Wahn) so raue Straff erlidten!
Cleander, wir gestehn / es mag nicht alles fein /
(Was unser Kind verübt) und ohne Zusatz seyn.
Doch war der Jugend vil / und Zungen die uns treiben /
Und eingebild'tem Wahn nicht wenig zuzuschreiben.
Auß Vorsatz hat man nie deß Fürsten Zorn erregt.
Wo durch diß Opffer nun die Schuld nicht außgefegt;
So stehen wir bereit / was Er verbrach / zu büssen /
Und willig unser Blut die Stunde zu vergissen.
Wo aber (wie du sagst) der Fürst als unser Kind /
Noch was von minster Hold vor seine Mutter find:
So meld' Jhm: Daß vor Jhn mehr Kummer an uns setze;
Als jemand meynt / das weh uns umb den Fall verletze.
BASSIANUS.
Wie? Kummer! und vor uns?
CLEANDER.
Fürst Geta, (sprach sie) ligt /
Nicht durch deß Brudern Faust. O nein! er ward bekrigt
Durch Meuchelmörder ränck. Es war deß Laetus zungen /
(Nicht Antoninus Stahl) die Jhm die Brust durchdrungen.
Er ists! der längst auff uns das scharffe Schwerdt gewetzt.
Er ists! der Fürst' auff Fürst' und Blutt auff Blutt verhetzt!
Er ists! der seinen Grimm durch Fürsten auß kan führen /
Durch den die Mutter / Kind / und Sohn den Ruhm verliren /
Der Antonin in Haß / und uns in Wehmut stürtzt /
Der Antoninus Ehr und Getae Zeit verkürtzt.
BASSIANUS.
Ach leider! grosse Fraw! du hast den Zweck getroffen!
[54] Ohn Laetus reitzen war der Unfall nicht zu hoffen!
Ach freilich! Laetus ists! der zu dem Stück uns trib.
CLEANDER.
Wo du noch (sprach sie) trew / wo dir Severus lib;
Der nun in Antonin und unser Seelen blühet /
Trag diß dem Käyser vor: Daß ob er jtzt nicht sihet /
Was Laetus vor jhn spinnt / doch endlich unsern Rath /
(Helfft Götter! daß nicht nur nach schon verübter That!)
Wird / ob wir auß der Welt / vor Welt und Göttern preisen.
Geht! geht! tragt Getam fort! der Feind schleifft Dolch und Eisen!
Auff dich mein Antonin! geht! Geta! gute Nacht!
Nim Antonin dich selbst / (weil Geta fällt) in acht!
Sie wolte noch was mehr / als Sie vor Threnen-rinnen;
Vor seuffzen und geschluck kein Wort außdrucken können.
Doch da der Diner Schaar / das Leich-Bett jtzt ergriff:
Wand Sie sich umb die Baar. Küst Getam offt und riff:
Mein Kind! Mein Sohn! Ade! Was muß Ich nicht verliren!
Man soll dich / werther Fürst / in dein Begräbnüß führen!
Und dich mein Antonin verführt der falsche Geist!
Zu beyder Untergang! geht die Jhr trew / und reist
Deß Ertz-Verräthers Hertz in tausend / tausend Stücke /
Geht! greifft den Mörder an: Er fall in seine Stricke /
Die er Sever dir noch in deinen Söhnen legt /
Geht! wo euch unser Angst unds Fürsten Ruhm bewegt;
Und bringt statt diser Leich' und nun erstarrten Glider /
Mir / auff deß Fürsten Wort / den Ertz-Verräther wieder.
So zehle Bassian unendlich lange Jahr!
Der Himmel leg' Jhm zu was uns noch übrig war!
Und was der Parcen Faust dem Bruder abgerissen /
Er herrsche! daß Jhm Schyt und Parthen dinen müssen!
Und daß die Welt von Jhm mit vollem Ruhm außschrey:
Daß Er selbst herrsch'
29 und nicht der Knechte Diner sey.
BASSIANUS.
Ob Rache zwar und Furcht die strengen Worte führen:
Doch können wir so vil an Laetus Werck verspüren /
[55] Daß er was ferner such' als seines Fürsten Heil.
Drumb hat er jtzt von uns schon sein bescheiden theil.
30Weil dennoch Julie so embsig es begehret;
So werd Er (wo Er lebt) zur Straff Jhr stracks gewehret.
Hat aber Er der Zeit sich etwa schon beraubt:
So legt vor Jhren Fuß sein abgeschmissen Haubt.
Eilt Haubtleut: Und vollziht was Wir zu thun gebitten!
Uns dünckt umb frembde Red'
31 und Urtheil zu verhütten
Höchst-nötigst: Daß die Leich' (auffs prächtigst als man kan)
Werd' auff die Glut versetzt. Man zeig unfehlbar an;
Daß Bürgermeister / Rath und Ritterschafft sich finde:
Daß man Cypressen-Sträuch' umb alle Gassen winde /
Daß man die Tempel schliss' und nichts was möglich sey
Zu leisten unterlass'. Alsbald das Leid vorbey;
Soll in der Götter Schaar den Bruder man erheben /
Durch Adler / Flamm' und Zelt. Rom soll Jhm Tempel geben,
32Und Prister / und Altar / und Denckmal / Schild und Bild /
Diß sey des Probus sorg. Wir wollen alle mild'
Für angewendten fleiß mit Ehr und Gut bedencken.
Daß sich die Läger nicht auff frembde Sinnen lencken:
Muß man / wie hoch und offt der Bruder uns verletzt /
Wie frech und hefftig Er sich heut' uns widersetzt /
Und ungescheut gesucht zu tödten und zu fällen /
Uns selbst / und was uns hold; dem Heer vor Augen stellen.
Diß ist das gröste Werck. Hir dint Papinian,
Das Wunder unsrer Zeit. Cleander zeig jhm an
Daß Er / (auff dessen Trew wir einig uns verlassen)
Uns bald die Red' an Rath und Läger woll' abfassen.
Laetus. Sabinus.
SABINUS.
Der Antoninen Haus / bricht von sich selbst entzwey.
Der trotze Bassian wird zwar deß Brudern frey;
[56] Doch schwächt er seine Macht / und hat die Seit' entblösset /
Für jeden / der auff Jhn mit frischer faust loß stösset.
Er steht auff seinem Fall. Wer itzund herrschen wil
Der räche disen Tod. Scheins mehr denn nur zu vil!
LAETUS.
Wahr ists! wir sind numehr dem Thron umb so vil näher.
Doch muß man vor sich sehn / je höher Berg' / je gäher.
Wir haben sonder Ruhm nicht kleinen Ruhm erjagt:
In dem durch alle Fäll / Hertz / Leib und Blut gewagt.
Der Scheitel ist uns schir mit Silber-Haar bedecket.
In dem wir vor dem Feind' in Stahl und Ertz gestecket.
Rom kennt woher wir sind. Der Rath kennt den Verstand /
Das Läger unsern Mut / das Volck die milde Hand.
Wir sind die ersten nicht die bloß durch Mut in Sigen /
Und durch der Völcker Hold deß Caesars Stul bestigen.
Mit kurtzem: Laetus ist der vor Severus war!
Ohn / daß er zu dem Reich bringt mehr bequeme Jahr.
SABINUS.
Bequemer als Sever;
33 der / als die Kräfft entgangen
Und Mut und Stärck' hinweg; zu herrschen angefangen.
Dem die bereiffte Zeit gab Spornen vor Gebiß /
Und murrisch' Ungeduld vor Jugend hinterliß.
Bequemer als sein Blut / das in erhjtztem rasen
Schir neuen Bürger-Krig durch zwytracht aufgeblasen /
Das nun mit Bruder-Mord den Fürsten-Hof befleckt /
Das mit so rauem Fall die grosse Welt erschreckt.
LAETUS.
Diß bleib an seinem Ort! man laß uns recht erwegen;
Was noch am wege steh' und wie es hin zu legen.
SABINUS.
Der Fürst kan nach der That deß Throns nicht würdig seyn.
LAETUS.
Diß ist die minste Sorg' und gar nicht was Ich meyn'.
SABINUS.
Die Mutter ist vilmehr auff strenge Rach gesonnen.
[57]LAETUS.
Wer Getam rächen kan: Hat Julien gewonnen.
SABINUS.
Ich sehe weiter nicht / wer so vil hindern kan.
LAETUS.
Ich einen! der zu trew!
SABINUS.
Wer ists?
LAETUS.
Papinian!
Ohn disen hätte nie der Glantz der Antoninen
In Purpur von dem Thron durch alle Welt geschinen.
Ohn disen hätte nicht biß auff die letzte Nacht /
Sever so lange Jahr in stoltzer Ruh verbracht.
Daß Bassian biß heut' in voller Macht gesessen;
Daß Geta nicht vorlängst mit Nam' und Leib vergessen:
Daß nicht das grosse Reich in heller zwytracht brennt:
Daß Rom noch einen Rath und eine Freundschafft kennt:
Daß Bassian vorhin wie bißher sicher blieben:
Werd einig disem Mann von allen zugeschrieben!
SABINUS.
Wahr ists! Er hat gar offt den Bruder-Zanck verwehrt!
Er hat der Läger Haß in lauter Gunst verkehrt.
Er hat was jtzt verbracht / biß itzund hinterzogen /
Ja blib dem Bassian und Geta gleich gewogen.
Ob schon Verwandschafft Jhm den Einen mehr verband;
Ob schon der ander Jhm ging besser an die Hand.
Wie wird Er aber jtzt zu disem Mord sich stellen?
LAETUS.
Wo Bassian nicht schlägt; wird Jhn doch Geta fällen.
Unmöglich daß Er nicht hir sein Gemüt erklär.
Ob er dem Mörder hold / ob Getae Tod beschwer.
Er wird (kenn Ich Jhn recht) so wenig jenes toben
Als dessen Untergang (vor wem es seyn mag) loben.
Geh' eilends und ergründ' höchst-klagend sein Gemüt.
Merck auff / was er vor Wort in erstem Sturm' außschüt.
Auch die / die gantz durchübt Jhr Hertze zu verstecken:
Entdecken Seel und Sinn bey unverhofftem schrecken.
Man wird auß seiner Red' und Meinung stracks verstehn;
Wie mit Jhm uns zu nutz in künfftig umbzugehn.
[58] Laetus. Ein Käyserlicher Haubtmann. 1.
HAUBTMANN.
Der Käyser schickt Jhm / Herr / sein eigenhändig Schreiben /
Und was diß Gold verdeckt / und schafft mir anzutreiben:
Daß disem / was er heischt / in Eil genung gescheh.
LAETUS.
Trit ab / biß daß Ich mich was in dem Briff erseh.
Der Käyser zweiffle nicht! Ich bin bereit zu dinen.
Ja vor Jhn mich in Noht und sterben zu erkühnen.
HAUBTMANN.
Mein Herr Ich geh.
LAETUS.
Nicht fern! welch zittern stöst mich an!
Wie daß Ich das Papir nicht recht entbinden kan?
Hilff Himmel was ist diß! was schreibt Er! kan ich lesen!
Was ruht auff disem Blat? Mein sterben / mein genesen?
Weil Mittel uns entgehn /
Dir deinen Rath und Dinste zu vergelten /
Und uns nicht an wil stehn /
Daß uns die Nach-Welt solt undanckbar schelten:
So zahle dich mit eignen Händen /
Durch dises was wir übersenden.
Wie? Was Geschenck ist diß! Mir? Dolchen? Strang? und Gifft?
Bin Ichs den diser Blitz deß Bruder-Mörders trifft?
Wie? Mir! vor Rath und Dinst? Wie? Soll mein Blutvergissen
Beschönen deine Feil? entladen dein Gewissen?
Mir! Dolchen? Strang und Gifft! Wahr ists! ach Ich verdin /
Gifft leider! Strang und Dolch! doch nicht an Antonin!
Nicht an dem Wunder-Thir / dem tollen Ungeheuer /
Das würgend tobt und raast mit Hacken / Rad und Feuer /
Wahr ists! ach ich verdin / ach! Dolchen / Gifft und Strang!
Ah todter Fürst an dir! nach dessen Grufft Ich rang!
Auff den die schlaue Zung den Bassian vergifftet!
[59] Die Zunge / die dir heut' hat jeden Stich gestifftet.
Wahr ists! ach Ich verdin'! ach! Dolchen / Strang und Gifft!
An niemand denn an mir / den selbst das Ubel trifft
Das Ich / doch nur zu spät' auff ander außgesonnen!
Du hast mir / Bassian, du hast mir abgewonnen /
Weil du mich übereilt! Wer hat mich dir entdeckt?
Stirb Laetus! stirb! du hast die Gluth selbst angesteckt;
Die dich zu Aschen brennt! du hast den Tod verschuldet!
Weil du diß Unthier hast so lang in Rom erduldet.
Stirb Laetus! weil du selbst hast deine Zeit verschertzt!
Weil du Gelegenheit nie unverzagt behertzt.
Was red' Ich? Kont Ich heut den Mörder nicht erwischen?
Und mit deß Brudern Blut sein schuldig Blut vermischen?
Da bot das Glück sich dar; als in der Frauen meng'
Der Mörder kaum entkam dem heulenden Gedräng /
Wer hätt / hätt Ich die Faust dem Vorsatz können leihen /
Der unverdachten That mit Fug mich können zeihen?
Stirb Laetus! stirb! weil nichts vor dich zu hoffen steht:
Weil Vorsatz / Anschlag / Ehr und Stand zurücke geht.
Entzeuch den Greueln dich und den verfluchten Zeiten /
Die Helden in die Band und feig' auff Throne leiten.
Bezeuge mit dem Tod daß Rom nicht deiner werth /
Was / weil es dar / verlacht; wird / wenn es hin begehrt.
Bezeuge mit dem Tod daß dich nichts trotzen könne;
Gesetzt daß Bassian dir auch das Leben gönne!
Bezeuge mit dem Tod daß der kein Leben acht'
Der ewig überherrt schmacht' unter frembder Macht.
Wie? Soll Ich denn allein die letzte Zeit beschlissen?
Soll die bestürtzte Stadt nur mich heut einig missen?
Mein Geist! dafern der Leib' in Aschen soll vergehn:
So zünd' ein Feuer an das vor die müh kan stehn.
Nein! Laetus ist behertzt noch höher zu erdrucken /
In dem Er niderfällt! und alles hin zu rucken /
Was uns zu stürtzen sucht! hir steht der letzte Satz:
[60] Ein Augenblick verspilt und gibt den höchsten Schatz.
Was aber fang ich an? Wie brauch ich dein Geschencke?
Ertz-Mörder! daß Ich dir selbst deine Gifft einträncke?
Begehr Ich noch einmal von Bassian gehör /
Als wenn mir was entdeckt zu rettung seiner Ehr?
Als wenn Ich auff Jhn selbst von einem Anschlag wüste;
Und stoss' Jhm / wenn er kömmt die Dolchen durch die Brüste.
Umbsonst! der zage läst mich nimmer vor Gesicht!
Er scheut sich vor sich selbst. Such' Ich deß Tages Licht
Und renne durch die Stadt umbringt mit dicken Hauffen
Die umb mich für und für und Mir zu Dinste lauffen?
Und ruff' umb Hülff und Recht und flih das Läger an?
Und zeige wie der Fürst die Dinst ablohnen kan?
Die mit und unter mir in Stahl und Staub geschwitzet;
Vil / welche Geten Tod durch Hertz und Seele ritzet;
Beschirmen meine Sach! ach aber! wenn entdeckt:
Daß Ich der Brüder Zanck durch meine Zung entsteckt?
Doch könt es auch so bald durch Heer und Stadt erschallen?
Mit kurtzem / Laetus muß nur stürtzen / oder fallen!
Kein langer Rathschlag gilt! was schadets wenn versucht /
Was noch zu wagen steht! dafern es sonder Frucht /
Hab Ich die Schuld dem Glück' und mir nicht zuzuschreiben /
Auch besser / weil mich doch wil Bassian entleiben /
Daß Ich vor Freyheit / Volck / ja für den Thron verterb'
Als durch mein eigne Faust / als ein verzagter sterb.
Befreyte! Diner! Knecht! Leib-Knaben! Blut-Verwandten!
Kommt eilend! rufft herzu von Freunden / von Bekandten
Die zu erreichen sind:
HAUBTMANN.
Mein Herr / kein ruffen gilt!
Biß er deß Käysers Schluß an seinem Leib erfüllt /
Die Zimmer / dise Burg / die Thore sind besetzet /
LAETUS.
Ich habe / weil Ich lebt / nie Bassian verletzet;
Er gleichwol / wil mich tod. Gönnt daß Ich mich bereit!
Wer weigert sterbenden so engen Raum der Zeit?
[61] Rufft Eh-Gemahl und Kind! last mich den letzten Willen /
Wie uns das Recht erlaubt und bräuchlich / vor erfüllen.
HAUBTMANN.
Umbsonst! deß Käysers Wort schleust allen Zugang auß.
LAETUS.
Der Frembden: Aber nicht der / die in einem Haus.
HAUBTMANN.
Es steht uns hir nicht frey zu deuteln und zu dichten.
Der Käyser wil. Ich muß was Er mir schafft verrichten.
LAETUS.
Der Mir zu dancken hat daß Er noch schaffen kan?
Der durch mich herrscht?
HAUBTMANN.
Mein Herr! das geht mich gantz nicht an.
LAETUS.
Nur sagt: Warumb Ich denn das Leben soll beschlissen?
HAUBTMANN.
Ich bin sein Richter nicht / er frage sein Gewissen.
LAETUS.
Das keines Lasters mich noch Frevels überzeugt.
HAUBTMANN.
Das Hertz bekennet vil ob wol die Lippe treugt.
LAETUS.
Mein Unschuld wird bezeugt durch dein so scharff verfahren /
Hab Ich den Hals verwirckt: So last es offenbaren.
Stellt Zeug und Richter vor!
HAUBTMANN.
Der höchste Richter klagt.
Er selbst schickt Jhm den Schluß! nur schleunig! nie verzagt
Ein unerschreckter Held wenn Jhn der Tod erblicket.
Was aber? Was ist diß?
Laetus. Der 1. und 2. Haubtmann.
2. HAUBTMANN.
Halt inn! der Käyser schicket
Uns / selbst / und hebt die Straff und erstes Urtel auff /
LAETUS.
So bricht die Unschuld vor durch der Verläumbder Hauff.
2. HAUBTMANN.
Und wil / daß der Princeß man Laetum stracks gewehre.
[62]LAETUS.
Wehm? Julien.
2. HAUBTMANN.
Gar recht!
LAETUS.
Verzeiht Mir! Ich beschwere
Mich über dise Gnad'!
2. HAUBTMANN.
Eilt! reist die Dolchen auß!
Nemt Gifft und Strick hinweg!
LAETUS.
In Grund gestürtztes Haus!
Durchauß gefällter Mensch! Soll Julie ihr wütten
Und rasend-tollen Mut auff dises Haubt außschütten?
Vergönnt uns Bassian nicht einen freyen Tod?
Hir ist deß Fürsten Hand! ich eile sein Gebot
Großmüttigst zu vollzjhn. Gebt Gifft und Dolchen wieder!
Vergönnt daß Mir zuletzt die sterbend' Augenlieder
Ein werther Freund verschliss'.
2. HAUBTMANN.
Umbsonst! die Zeit vergeht /
Folg! oder.
LAETUS.
Schaut die ihr nach Stand und Würden steht;
Die ihr durch Dinst und Blutt wolt Fürsten-Gunst erwerben;
So laufft die Freundschafft auß! wir suchen nichts denn sterben!
Und sterben wird versagt! diß was Jhr schrecklich heist!
Ist jtzt mein höchster Wuntsch! doch das Verhängnüß reist
Mich von der Frey-Stadt weg die allen offen stehet.
Bin ich durch so vil Schweiß zu disem Fall erhöhet?
Doch schneid't der Käyser Jhm die Sehnen selbst entzwey /
In dem Er die durchstößt durch die er kummer-frey /
Durch die Er sicher sjtzt!
2. HAUBTMANN.
Legt hand an!
LAETUS.
Trit zurücke;
Daß Ich mit diser Faust dir nicht den Hals erdrücke!
Weg ketten! geht! Ich folg' / ein nicht erschreckter Mutt /
Der nicht mehr dinen kan; vergeust das frische Blutt
Mehr freudig denn die Feind' erbittert Jhn zu pochen!
Geht! Laetus höhnt die Qual und stirbt nicht ungerochen.
[63] Cleander. Papinianus.
CLEANDER.
So schlägt Papinian deß Käysers bitten auß?
PAPINIANUS.
Papinian betraurt deß Käysers Ruhm und Haus!
CLEANDER.
Was kan man weiter thun bey schon verübten Sachen?
PAPINIANUS.
Verübte Greuel nicht zu Recht und Tugend machen.
CLEANDER.
Die Noth zwingt Fürsten offt was auß der Bahn zu gehn!
PAPINIANUS.
Nicht uns / wenn Sie verführt / dem freveln bey zu stehn.
CLEANDER.
Er hat in heissem Zorn die harte That vollzogen.
PAPINIANUS.
Wir sind jtzt bey Vernunfft / von keinem Zorn bewogen.
CLEANDER.
Der Bruder griff Jhn was mit rauen Worten an.
PAPINIANUS.
Wol raue / wenn sie nur der Tod außsöhnen kan.
CLEANDER.
Es stund dem jüngern an; dem ältern was zu weichen.
PAPINIANUS.
Und disem sich was mehr mit jenem zu vergleichen.
CLEANDER.
Man weiß daß Brüder doch gar selten eins gesinnt.
PAPINIANUS.
Wenn durch Verläumbdung / Haß / und Zanck die Gunst zerrinnt.
CLEANDER.
Noch minder sitzen zwey auff einem Stul bequeme.
PAPINIANUS.
Bequem! im fall der Stul der Tugend angeneme.
CLEANDER.
Kam mit deß Vatern Kind
34 je Nero überein?
PAPINIANUS.
Wo aber Marcus herrscht da kont auch Verus seyn.
[64]CLEANDER.
Man hatt' auff Marcum diß / auff Verum das zu sagen.
PAPINIANUS.
Das Marcus stets mit Ruhm hat auß der acht geschlagen.
CLEANDER.
Da als er auff den Thron sich fest hatt' eingesetzt.
PAPINIANUS.
Die feste Ruh' ist hoch durch dise That verletzt.
CLEANDER.
Drumb soll Papinian mit Rath und Reden heilen.
PAPINIANUS.
Er kan dem Antonin nicht neuen Geist ertheilen.
CLEANDER.
Und doch dem Bassian erhalten Ruhm und Stand.
PAPINIANUS.
Er dint dem Bassian mit Hertzen / Seel und Hand.
CLEANDER.
Und weigert sich vor Jhn den Todschlag zu beschönen.
PAPINIANUS.
Wer den beschönen kan; kan Welt und Fürsten höhnen.
CLEANDER.
Diß Stück nimmt weil es noch verdeckt vil Farben an.
PAPINIANUS.
O Stück das keine Nacht noch Zeit verdecken kan!
CLEANDER.
Darnach man es der Welt wird in die Ohren bringen /
PAPINIANUS.
Verblümt es wie ihr wollt; es wird doch heßlich klingen /
CLEANDER.
Es ist wol eh'r und mehr / und hir und da geschehn.
PAPINIANUS.
Man wird auff Caesars Stul nicht vil dergleichen sehn.
CLEANDER.
Britannicus verfil durch seines Brudern Träncke /
PAPINIANUS.
Nicht durch entblösten Stahl / nur durch bedeckte Räncke.
[65]CLEANDER.
Kein Unterscheid / ob Dolch / ob Gifft / die Rach außführ.
PAPINIANUS.
Ja dem / dem alles gleich; weit anders ists bey mir.
CLEANDER.
So schleust Papinian, das Gifft nur vor zu suchen.
PAPINIANUS.
Papinian muß Gifft und Bruder-Mord verfluchen.
CLEANDER.
Was ists denn das Er an dem Nero werther schätzt?
PAPINIANUS.
Daß Nero in der That sich ob der That entsetzt.
CLEANDER.
Er hiß den Gifft-Kelch selbst dem Bruder übergeben.
PAPINIANUS.
Damit es schien' es brächt Jhn strenge Seuch' umbs Leben.
CLEANDER.
Er griff die Mutter an mit scharff entblöster Wehr'.
PAPINIANUS.
Auß Jhrer Wunde rührt sein höchstes Unheil her.
CLEANDER.
Doch setzt Annaeus auff
35 daß es mit Recht geschehen.
PAPINIANUS.
Wie hat der grosse Mann so schlecht sich vorgesehen!
CLEANDER.
Er schrib von Agrippin' auffrichtig / klar und wahr.
PAPINIANUS.
Und dennoch fand sein Ruhm hirdurch die Todten-Baar.
CLEANDER.
Er that es umb den Ruhm deß Fürsten zu erhalten.
PAPINIANUS.
Und spür'te seinen Ruhm und jenes Lob veralten.
CLEANDER.
So steiff hat Burrhus nie dem Nero widerstrebt.
PAPINIANUS.
Ach! hätt Er (da noch Zeit:) mehr frey umb Jhn gelebt!
[66]CLEANDER.
Mein Freund! wer lebt; der dint / wer dint; muß nichts versagen.
PAPINIANUS.
Wer so dint / wird Schmach / Schand und Fluch zu Lohne tragen.
CLEANDER.
Ach Götter! werther Freund! Er ringt nach seinem Tod.
PAPINIANUS.
Wer vor die Warheit stirbt; pocht aller Zeiten Noth.
CLEANDER.
Wie hitzig wird der Fürst den rauen Abschlag hören!
PAPINIANUS.
Ich muß das heil'ge Recht vor tausend Fürsten ehren.
CLEANDER.
Wo bleibt sein Stand? Sein Gut? und was Er hoffen kan?
PAPINIANUS.
Diß leere Kinder-werck geht schlechte Geister an!
CLEANDER.
Wil Er deß Käysers Grimm ein einig Kind vorwerffen?
PAPINIANUS.
Der Käyser kan ein Schwerdt auff Fleisch / nicht Seelen / schärffen.
CLEANDER.
Die werthe Plautie! der Himmel-hohe Geist!
PAPINIANUS.
Ist ihre Schwester nicht ins Elend längst verweist?
CLEANDER.
Wil Er sein gantzes Haus mit sich zu grunde stürtzen?
PAPINIANUS.
Vil liber / denn das Recht auch umb ein Haar abkürtzen?
CLEANDER.
Der Recht und Satzung gibt / hebt offt die Satzung auff.
PAPINIANUS.
Nicht die der Völcker Schluß erhält in stetem Lauff.
CLEANDER.
Die Römsche Taffeln
36 selbst sind durch die Zeit vertriben.
PAPINIANUS.
Der Götter ewig Recht ist stets im schwange bliben.
[67]CLEANDER.
Es wird / wie was nur ist / in seine Nacht vergehn.
PAPINIANUS.
Es wird / wenn alles hin / in den Gewissen stehn.
CLEANDER.
Es ist der Völcker Recht das einen heist
37 gebitten.
PAPINIANUS.
Der Völcker Recht verbeut auff nechstes Blut zu wütten.
CLEANDER.
Die Stat-Sucht wischt das Recht bey allen Völckern auß.
PAPINIANUS.
Wo Stat-Sucht herrscht; verfällt der Fürsten Stul und Haus.
CLEANDER.
Gab Caesars letztes Blutt
38 nicht neue Macht zu freyen?
PAPINIANUS.
Must Jhm die neue Macht nicht zum verterb gedeyen?
CLEANDER.
Wo reist Papinian Jhn diser Eyfer hin?
PAPINIANUS.
Wo uns die Ewigkeit befestet den Gewin.
CLEANDER.
Er ist der Erden Haubt anjtzt der nechst auff Erden.
PAPINIANUS.
Und kan vor Abends noch der allerfernste werden.
CLEANDER.
Rath / Läger / Stadt und Reich wüntscht Jhm noch lange Zeit.
PAPINIANUS.
Rath / Läger / Stadt und Reich schaw mein Auffrichti[g]keit.
CLEANDER.
Wie wird / wo er verfällt das Spil so frembde lauffen!
PAPINIANUS.
Man wirfft durch eines Fall nicht Länder über Hauffen.
CLEANDER.
Das grosse Reich beruht sehr offt auff eines Heil.
PAPINIANUS.
Mir ist diß Haubt vors Reich; mehr vor die Warheit feil.
CLEANDER.
Soll ich dem Bassian die unsanfft' Antwort bringen?
[68]PAPINIANUS.
Daß mein Gewissen nicht sich von Mir lasse zwingen.
CLEANDER.
Wil Er dem Käyser denn nicht rathen; rett' er sich.
PAPINIANUS.
Der Fürst hat Raths genung. Ich sorg' anjtzt für mich.
CLEANDER.
Ist denn Papinian durch gar nichts zu bewegen?
PAPINIANUS.
Pflag man je solchen Dinst
39 auff unser Ambt zu legen?
CLEANDER.
Der Käyser siht nicht Ambt / nur Freund / und Weißheit an.
PAPINIANUS.
Der ist nicht diß nicht das der diß verrichten kan.
CLEANDER.
Ach grosser Geist! Ich seh' ein grimmig Ungewitter!
PAPINIANUS.
Ein herrlich Tod ist süss' / ein schimpfflich Leben bitter.
CLEANDER.
Ja wenn man durch den Tod das Vaterland erhält.
PAPINIANUS.
Mehr wenn das Recht dardurch erhalten in der Welt.
CLEANDER.
Was durch die Finger jtzt / denn schärffer auffgesehen.
PAPINIANUS.
Man siht zu spät / wenn schon was lasterhafft / geschehen.
CLEANDER.
Ade! Ich red umbsonst. Ich bitt Er seh sich vor.
PAPINIANUS.
Ich seh auffs Käysers Ehr dem ich den Leib verschwor.
CLEANDER.
Villeicht wird Einsamkeit sein forschend' Hertz gewinnen.
PAPINIANUS.
Die weigern Fürsten gantz die einmal weigern können.
[69] Der Cämmerer. Julia. Laetus. Die Diner der Käyserin.
So ists Princess' Ich liff in höchster eil voran.
Man bringt Jhr was Sie sucht. Wo Rach' erquicken kan;
Und deß Verräthers Blutt den heissen Zorn mag dämpffen /
Den Sie so grimmig fühlt mit Jhren Schmertzen kämpffen;
So gönne Sie der Welt der hellen Augen Licht
Und wisch umb was ergetzt' Jhr weinend Angesicht.
JULIA.
O Götter! O! daß Wir zu sparsam vor gebeten!
Wir solten seine Zucht mit disen Füssen treten!
Mit seiner Kinder Blutt beflecken seine Brust /
Erröten seine Stirn' / erfrischen unsre Lust.
Doch scheint uns Titan noch! Wir hören das gedränge /
Das poltern und geräusch' hir abgeschickter menge /
Thut auff! das Wild ist dar! Treuloser! stehst du hir!
Da Ertz-Verräther du / voll wüttender Begir /
Hast mit Severus Blutt den frechen Mutt gekühlet /
Mit deines Fürsten Kopff und unsrer Macht gespilet /
Und durch deß Brudern Faust deß Brudern Hertz durchrennt /
Kind / Mutter / Bruder / Fürst / und Fürst und Reich zutrennt.
Befleckt das Recht der Welt / nach derer Qual gerungen
Durch welcher Beystand dir dein Will' und Wuntsch gelungen.
Jtzt schwebst du Segel-loß! jtzt splittert Mast und Schiff /
Das leider was zu früh' auff unser' Angst außliff.
Jtzt lodert dir die Glutt zu der du Pech getragen.
Der Donner der uns traff hat auff dich loß geschlagen.
Du sihst dein letztes Zil und kanst gar leicht verstehn;
Wie bluttig dir noch heut der Tag werd' untergehn.
LAETUS.
Ich seh's! und ich versteh's! und bin bereit zu tragen
Was ein ergrimmtes Weib / durch Leid getrotzt / kan wagen.
[70] Komm Löwin
40 Syriens! schlag' hir die Klauen ein!
Ich poche Tod und dich. Der Leib / die Brust ist dein /
Nicht mein behertzter Geist / der sich zu leben schämet /
Nun ein verlockter Fürst sich deiner Gunst bequemet /
Und was Jhm einig treu' auff deine Thränen wagt /
Komm! Laetus den du suchst; gewehrt sich unverzagt.
JULIA.
Hört wie das Unthir noch in seinen Banden rase!
Und grimmig Gall' und Gifft als Sinnen-loß außblase!
Erkennt er seine Schuld? Bemüht er sich durch Bitt
Zu lindern ein verletzt / doch tugendreich Gemütt?
LAETUS.
Ich! solt Ich dir? Die du nicht eins verzeihen können /
Zu meiner letzten Schmach vil sanffter Worte gönnen?
Und schmeicheln deinem Haß? Nein! bilde dir nicht ein;
Daß Laetus dir noch werd' anjtzt fußfällig seyn!
JULIA.
Fußfällig! nicht nur uns / auch unsers Fürsten Leichen!
LAETUS.
Eh wirst du mit der Hand biß an die Sterne reichen.
JULIA.
Wir haben vor den Trotz wol Mittel an der Hand /
LAETUS.
Die hat jtzt Laetus selbst / gebt uns deß Fürsten Pfand!
Gebt sein geschencktes Gifft! gebt Strang und Dolchen wider!
Die freye Seel' ergrimmt und bricht der schwachen Glider
Verrathen Wohn-Haus ein!
JULIA.
Begehrst du denn den Tod?
LAETUS.
Das Ende meiner Pein und hart-gespannten Noth.
JULIA.
Der Mörder sucht numehr den Tod als ein Geschencke.
LAETUS.
Er sucht / doch nicht von dir! Ich weiß dein wütten kräncke:
Daß mich der Menschen Recht nur einmal sterben läst /
JULIA.
Den einfach-kurtzen Tod hält lange Marter fest.
LAETUS.
Was hält dich denn zurück? Erfülle dein Beginnen!
[71]JULIA.
Was soll man auff die Schuld vor eine Straff ersinnen?
LAETUS.
Ersinnen? Geh allein hirauff mit dir zu Rath.
Wie strafft dein Vaterland Leib-eigner Missethat?
JULIA.
Für solche Knecht' in Rom sind Creutzer zu geringe.
41Und glüend Blech / und Hartz und Brand die Pest der Dinge.
LAETUS.
Diß alles fühlt wer dich un Röm'sche Sclavin siht.
JULIA.
Du sihst uns nur zu lang' indem die Freyheit blüht.
LAETUS.
O daß Sever dich nie / Rom nimmermehr gesehen!
JULIA.
Rom siht uns stets! du jtzt! bald wird es nicht geschehen!
LAETUS.
Wol Augen fast zu letzt ein schrecklich Ebenbild
Deß grimmsten Weibes ein; wie blickert Sie so wild /
Auff dis' auf jene Seit'? Als wenn die Blutt-Cometen
Mit überhäufftem ach und Jammer / Mord und tödten /
Bedräuen Land und See / das Wang' jtzt blaß / jtzt roth /
Entdeckt deß Hertzens-Gifft / daß ungeheure Noth /
Durch alle Glider prest / schaut wie die Lippe zitter!
Wie sich die Grausamkeit auff jedem Haar erschütter!
Wie Arm und Hand erbeb! und Knie und Fuß sich reg!
Wie hitzig sich die Brust auff kurtze Lufft beweg!
Erzörnte Julie! versöhne dein Gemütte!
Das Opffer ist schon hir! komm! komm Princeß! ich bitte
Geuß mein begehrtes Blutt auff deiner Seelen Brand!
Du göldnes Licht ade! reiß nun mit strenger Hand
Die starrend Augen auß / die nichts zu sehn entschlossen /
Biß du dein Trauer-Kleid mit meinem Blutt begossen.
JULIA.
Wie? Soll dein schändlich Blutt besprützen unser Hand?
Beflecken diesen Arm / und unser Traur-Gewand?
Nein Götter! solt jemand sich mit vergifften Drachen
An reiner Opffer-Stadt zu eurem Tempel machen?
Nein! schleuß die Augen nicht! du sollst noch etwas sehn /
Das weil der Erden Grund geleget / nicht geschehn.
Wir wollen dir den Sitz der ärgsten Boßheit zeigen.
[72] Denn magst du / wo du kanst / die frechen Augen neigen.
Stracks Diner! macht Jhn fest!
LAETUS.
Unnöthig! last mich stehn!
Last aller Marter Macht auff meine Glider gehn!
Es zeuge wer es siht! daß Ich mehr Qual zu tragen
Behertzt: Denn Julie gefast mir vorzuschlagen.
JULIA.
Entblöst die tolle Brust / drinn keine Redli[ch]keit /
Je einen Sitz erkor.
LAETUS.
Zertrennt! zersprengt diß Kleid!
Beschaut! die Brust ist bloß! doch überdeckt mit Wunden /
Durch die Sever den Thron / und du die Cron gefunden.
JULIA.
Rückt deß Verräthers Hertz auß dem zuschljtzten Leib!
LAETUS.
Seyd munter! rückt es hin! diß heist ein rasend Weib!
Laß in der Adern Brunn / laß (weil ich so soll sterben!)
Laß Sclavin Syriens dir neue Purpur färben.
JULIA.
Entweiche Phaeton! diß Hertze kömmt ans Licht /
In dem der gantze Styx! verdeckt eur Angesicht
Jhr Kertzen jener Welt! Diane lauff zurücke
Ob disem Greuel-Nest! du einig! du erblicke
(Wo du noch etwas kanst) was Reich und Land verflucht.
Er athemt! er vergeht! die tolle Seele sucht
Selbst sich von disem Sitz der Boßheit wegzumachen.
So müss' es allen gehn die mit vergifftem Rachen
Begeyfern Thron und Cron / vergällen See und Welt /
Zertrennen was das Band so nahen Blutes hält /
Zerrütten Hof und Stat / zerdrümern Reich und Stände /
Zersplittern so Paläst' als die verachten Wände
Verhetzen Kind auff Kind / erbittern Haus auff Haus
Und kehren grosse Reich' in Funcken / Asch und Graus /
So müss' es allen gehn! seyd Götter! seyd gebeten
Last uns mit disem Fuß auff aller Scheitel treten /
Als auff deß Mörders Hertz / die zu der Missethat
Deß Fürsten je gedint / mit Vorschub / Mut und Rath.
Jhr die gerechter Rach' habt eure Faust gelihen:
[73] Heist die beschimpffte Leich' in scharffen Hacken
42 zihen /
Wo ewig stete Schmach / die grause Staffeln baut
Dem / dem vor keiner Schand' und keiner Unthat graut.
Deß Ertz-Verräthers Hertz / gebt (damit all erkennen
Was solch' Anstiffter werth) Nachrichtern zu verbrennen.
Reyen der Hofe-Leute.
Erster Satz.
Verirr'te Seelen sprecht! sprecht mehr daß freche Sünden /
Nicht Straff' und Richter finden.
Ob gleich die Themis nicht
Stracks Hals und Haubt abspricht /
Wenn der verlockte Geist
Durch alle Schrancken reist /
Und mit getrotztem Mut die Götter scheint zu pochen /
Die ernste Rach' erblickt
Und martret und zerstückt
Ein Haubt das Frevel-voll und sonder Furcht verbrochen.
Erster Gegen-Satz.
Wahr ists! der schnelle Blitz bricht stracks nicht durch die Lüffte /
Wenn man mit Mord und Giffte
Nach Cron und Zepter ringt /
Wenn man / was recht / verdringt /
Wenn man mit falschem Rath
Befördert eine That
Ob der der Himmel-Baw muß zittern und erkrachen /
Astree kennt das Zil /
Wenn sie (O Trauer-Spil!)
Sich soll mit Donner-Knall und Sturm zur Rach' auffmachen.
[74] Erster Abgesang.
Indessen wird der Mensch der durch die Schuld beschwertzt:
Durch sein erhjtzt Gewissen /
Gefoltert und gerissen
Wie munter sein Gesicht / wie hoch er auch behertzt.
Er zittert vor sich selbst und bildet stets jhm ein
Die nächste Morgen-Röt' erfoder Jhn zur Pein /
Die süsse Nacht die all erquicket /
Hab Jhm schon Netz und Garn gestricket.
Jhm rückt der schweren Träume Hauff /
Unendlich sein Verbrechen auff /
Und mahlt Jhm Räder vor / und Zang und Glut und Pfal /
Und grause Werckzeug herber Qual.
Der Ander Satz.
Bestürtzte! diß sind Träum': Ob euch jtzt Dornen stechen!
Es wird ein Licht anbrechen /
An dem ein glantzend Schwerdt /
Ein glüend eisern Pferd /
Und Pech / und Bley und Hohn /
Als längst verdinter Lohn;
Euch auff dem Schaw-Gerüst soll aller Welt darstellen.
Wenn bey der Sonnen steht
Den Laster hat erhöht
Muß jhn die Straffe doch in tiffste Noth verfällen.
Der Ander Gegen-Satz.
Doch pflegt das Weter offt in frische That zu schlagen /
Daß wir den Rath beklagen /
Den zu Schmertz und Gefahr
Der falsche Geist gebar.
Wer andern Netz auffstellt
Verwirr't sich und verfällt
Offt in die selbte Klufft / die er hiß frembden graben.
Wer mit dem Laetus läufft /
[75] Der jtzt in Blutt vertäufft
Lern' auff dem Glätt-eiß heut umb etwas sänffter traben.
Ander Abgesang.
Gesetzt auch daß allhir (wo es zu glauben steht)
Wer schuldig ernster Straff entrinne /
Und lange Jahr in Ruh gewinne /
Und herrsche wenn was fromm und heilig gantz vergeht!
So lehrt uns dessen Glück das noch vil grösser Pein
Wo Minos Urtel spricht
43 vor jhn müß übrig seyn.
Der bösen stetes wol gedeyen /
Kan Menschen von dem Wahn befreyen /
Daß alles faul' in seiner Grufft /
Daß Seelen nichts als Rauch und Lufft.
Die hir das Recht erwischt die strafft es kurtze Zeit;
Dort quält die ewig' Ewigkeit.