Andreas Gryphius
Großmütiger Rechtsgelehrter
oder
Sterbender Aemilius Paulus Papinianus
Trauerspiel

[Motti]

[4] Justum. Et. Tenacem. Propositi. Virum.

Non. Civium. Ardor. Prava. Jubentium.

Non. Vultus. Instantis. Tyranni.

Mente. Quatit. Solida. Nec. Auster.

Dux. Inquieti. Turbidus. Hadriae.

Nec. Fulminantis. Magna. Jovis. Manus.

Si. Fractus. Illabatur. Orbis.

Impavidum. Ferient. Ruinae.

Q. Horatius Flaccus.

Lib. III Od. III


Specta. Juvenis. Et. Omen. Quidem. Dii.

Prohibeant. Ceterum. In. Ea. Tempora.

Natus. Es. Quibus. Firmare. Animum.

Expedit. Constantibus. Exemplis.

Paetus Thrasea

Ore C. Cornelii Taciti. Lib. XVI. Annal.

Inhalt

[4] Inhalt deß Trauer-Spils.

Aemilius Paulus Papinianus deß Römischen Käysers Severi geheimer Freund / Käysers Bassiani Schwager / seines Brudern Käysers Getae Verwandter / aller dreyer Oberster Reichs-Hofemeister oder Praetorii Praefectus, wird in der höchsten Ehre von Neid / Verleumbdung und Verdacht angetastet / nachmals als Käyser Bassianus seinen Stiff-Bruder Käyser Getam in den Armen der Mutter und Käyserlichen Wittib Juliae ermordet; angehalten den Bruder-Mord bey dem Römischen Rath und Läger zu entschuldigen. Weil er aber dise hochschändliche Unthat zu beschönen / ungeachtet alles Versprechens Eigen-Nutzes / angedräueter Gefahr / Verlusts der Ehre und Güter / ungeachtet aller einrede der Anverwandten / Freunde / und Käysers Bassiani selbst / großmütig verwidert wird er den Tod seines einigen Sohnes anzuschauen / und sein wolverdintes Haubt mit bestürtzung deß gantzen Hofes und der Welt / dem verfluchten Richt-beil zu unterwerfen gezwungen in dem XXXVI. Jahr / zehenden Monat und vierdten Tage seines Alters den XXV. deß Hornungs / als Burgermeister zu Rom gewesen /M. Pompejus Asper und P. Aper, welcher Ambt auff das CCXII. Jahr nach der Geburt unsers Erlösers und Seligmachers einfällt.

[5]

Kurtzer Begriff der Abhandlungen.

I.


Papinianus klaget über die wider Ihn entstehende heimlich und offentliche Verfolgung / gründet sich auff die Auffrichti[g]keit seines Gewissens / versichert die Käyserliche Wittib Julien seiner Treue und geneigten Gemütes gegen Ihren Sohn Getam: Widerleget die so Ihm Schuld gegeben / als wenn Er zu sehr Käyser Bassiano anhängig / ermahnet / letzlich seine Ehe-Gemahlin Plautiam zu Geduld und Vorsichti[g]keit bey bevorstehendem Unglück. Seine Hofe-Junckern verwerffen in dem Reyen / das herrliche Leben der Stats-Bedineten / und preisen den glückseligen Zustand der jenigen die ihre Zeit vor sich in stiller Ruhe zubringen.


II.

Laetus verhetzet Käyser Bassianum mehr und mehr auff Getam, wie denn zu einer sondern Verbitterung Anlaß gibt / daß sich Geta einen Befehl / welchen Bassianus außgefertiget / zu unterschreiben verwidert. Julia suchet vergebens beyde Fürsten zu versöhnen /und wird in Ihrer Gegenwart und Schoß Geta von Bassiano mit einem Dolch erstossen. Julia beweinet den Untergang Ihres Sohnes: Wird aber von Thrasullo Ihrem Sternseher erinnert / daß Sie durch dises wehklagen sich in höchste Gefahr stürtzen / widrigen falls / da Sie Ihre wehmut verborgen halten könne /gelegenheit disen Tod zu rächen / und abermals den Thron zu besteigen / erlangen werde. Worauff Sie gezwungen Ihre wehmut verbirget / und sich Cleandern, der deß ermordeten Fürsten Leiche abzufodern / und wie Sie sich geberde / zu erforschen, [6] abgefertiget / anzuhören entschleust. Die Gerechti[g]keit gibt den Rasereyen (in den Reyen) macht über den Bruder-Mörder.

III.

Käyser Bassianus beklaget sein verübetes Verbrechen / und verdammet Laetum, den vornehmsten Anstiffter dieser Ubelthat / zu dem Tode. Höret Cleandern, welcher erzehlet / wie bey abholung der Leichen sich Julie gestellet / und was Sie gebeten. Worauff der Käyser anschafft Ihr Laetum lebend oder tod zu gewehren / und verspricht Getae ein herrlich Begräbnüß. Indessen trachtet Laetus auff mittel und gelegenheit / krafft welcher Er zu dem Käyserlichen Thron (als dessen Geta nun nicht mehr habhafft / Bassianus aber wegen deß Bruder-Mordes unfähig) gelangen möchte. Befohret sich daß Ihm Papinianus in dem Lichte stehen dörffte / wird aber durch sein unverhofftes End-Urtheil erschrecket und der Käyserin überlifert. Papinianus weigert durchauß den Bruder-Mord zu beschönen. Julia vollzeucht ihre Rach an Laeto. Die Reyen erweisen daß kein Laster ungestrafft hingehen könne.

IV.

Dem Käyser Bassian wird von Cleandern vorbracht /wasermassen Papinian abgeschlagen die Entschuldigungs-Rede auffzusetzen / welches Er in höchsten Ungenaden empfindet / fordert derowegen Papinianum selbst vor sich / und befindet daß Er auff seiner meynung beständig verharre / derowegen der Käyser auff allerhand frembde und grausame Gedancken fällt / Papiniani Ehegemahl beklaget den vor Augen stehenden Untergang Ihres Hauses / und wird von Papiniano und Ihrem Kinde getröstet. Macrin entsetzet Ihn auff Käyserlichen Befehl seines Ambts / und führet seinen Sohn mit sich nach Hofe. Das Käyserliche Läger erbeut sich Papiniano beyzustehen, [7] und Ihn selbst auff den Thron zu erheben / welchen Vorsatz Er eiferigst verwirfft. In den Reyen wird dem schlummernden Bassiano sein künfftiger Tod vorgestellet.


V.


Die Käyserin Julia verspricht durch ihren Kämmerer /Papiniano, da Er Ihr beyzustehen sich erklären wolle /Thron und Ehe / aber vergebens. Dessen Vater und Mutter beweinen sein Unglück / Er gehet auff Befehl zu dem Käyser / verharret auff seinem Vorsatz / tröstet seinen derowegen zum Tode verdammeten Sohn und stirbet unverzagt. Als Plautia nebenst dem Römischen Frauenzimmer gleich auff dem Wege durch Threnen und Fußfall den Zorn deß Fürsten zu lindern; werden Ihr beyde Leichen entgegen bracht / worüber Sie in höchste Schmertzen und endlich in Ohnmacht sincket.

[8]

Personen

Personen.In dem Trauer-Spil werden eingeführet als Redende.

    • Aemilius Paulus Papinianus, Röm. Reichs-Hofemeister.

    • Plautia sein Gemahl.

    • Papiniani Sohn.

    • Papinianus Hostilius, Röm. Raths-Herr, Papiniani Vater.

    • Eugenia Gracilis, Papiniani Mutter.

    • Erster und Zweyter Diner Papiniani.

    • Zwey Haubtleute auß dem Läger.

    • Antoninus Bassianus Caracalla, Röm. Käyser.

    • Antoninus Geta, Röm. Käyser, Bassiani Stiffbruder.

    • Julia, Käysers Severi Wittib, Getae Mutter.

    • Laetus, Käysers Bassiani geheimer Rath.

    • Flavius,
    • Cleander, Käyserliche Bedineten.

    • Macrinus, Papiniani Nachfolger in dem Ambt, Bassiani Nachsaß auff dem Thron.

    • Drey Haubtleute so dem Käyser auffwarten.

    • Thrasullus, der Juliae Sternseher.

    • Das Frauenzimmer der Käyserin.

    • Das Römische Frauenzimmer.

    • Der Käyserin Cämmerer und Cammer-Bedinete.

    • Der Scherge so Papinianum enthaubtet.

Als Schweigende.

    • Unterschidene Haubtleut und Diner die beyden Käysern auffwarten.

    • Die Schergen mit den Welle-Beilen.

    • Papiniani Diner. Plautiae Stats-Jungfern.

    • Etliche geflügelte Geister.

    • [9] Die Reyen sind der Hofe-Junckern Papiniani, der Themis und Rasereyen, deß Geistes Severi und der Käyserlichen Hofeleute.

1. Akt

Die Erste Abhandelung.

Papinianus.

Wer über alle steigt / und von der stoltzen Höh

Der reichen Ehre schaut wie schlecht der Pöfel geh /

Wie unter jhm ein Reich in lichten Flammen krache /

Wie dort der Wellen Schaum sich in die Felder mache /

Und hier der Himmel Zorn mit Blitz und Knall vermischt

In Thürm und Tempel fahr / und was die Nacht erfrischt

Der heisse Tag verbrenn' / und seine Sieges-Zeichen

Siht hier und dar verschränckt mit vielmal tausend Leichen;

Hat wol (ich geb es nach) viel über die gemein.

Ach! aber! ach wie leicht nimmt jhn der Schwindel ein

Und blendet unverhofft sein zitterndes Gesichte /

Daß er durch gähen Fall wird ehr man denckt zu nichte.

Wie leichte bricht der Fels auff dem er stand gefast /

Und reist jhn mit sich ab! bald wird der Gipffel Last

Dem Abgrund selbst zu schwer / daß Berg und Thal erzittert /

Und sich in Staub und Dampff in weite Brüche splittert;

[11] Bald saust der rauhe Nord / und steht er dem zu fest

So bringt der faule Sud die ungeheure Pest

Die man Verläumbdung heist! wehn hat die nicht bekriget?

Wehn hat sie / wenn der Neid ihr beyfällt / nicht besiget?

Was ists Papinian daß du die Spitz erreicht? 1

Daß keiner dir an Stand / noch Macht / noch Hoheit gleicht?

Daß Läger / Hof und Rath / und Reich / dir anvertrauet?

Daß Hauptmann und Soldat bloß auff dein wincken 2 schauet?

Daß dich das Römsche Volck der Länder Vater nennt?

Daß dich Sud / Ost und West / und raue Scyth' erkennt?

Daß du mit Schwägerschafft 3 den Kaysern nah verbunden?

Daß dich Sever stets trew / du jhn stets Freund befunden?

Daß er in dem er schid, 4 die Kinder dir befahl?

Und baut auff deine Brust sein höchstes Ehren-Mahl?

Wenn eben diß die Klipp' an der dein Schiff wird brechen!

Nun mich die Warheit nicht umb Laster kan besprechen

Ist Tugend mein Verweiß / die als sie durch die Nacht

Mit hellen Strahlen drang und sich durchläuchtig macht /

Viel Nebel hat erweckt 5 die sich in Dünste theilen

Und umb und neben mich als Donner-Wolcken eilen

Von harten Knallen schwer und schwanger mit der Noth

Erhjtzt durch rote Glut gestärckt mit Ach und Tod.

Welch rasen steckt euch an in Zanck verwirrte Brüder! 6

Ists billich daß ein Mensch selbst wüt' in seine Glieder /

Und eifer in sein Fleisch? Wie? Oder mag das Reich

Das ersten Grund gelegt auff brüderliche Leich /

Nicht unter beyden stehn? Ist euch der Länder mänge /

Die grosse weite See / ja selbst die Welt zu enge?

Man theilte ja vorhin, 7 wofern deß Blutes Band

Euch nicht mehr zwingen kan / so scheid euch Flut und Sand!

Nah / dient es länger nicht / wofern nicht Rom soll zittern

[12] Ob einem Jammer-Spiel. Mir ahnts! es wil sich wittern

Ich schaw deß Brudern Faust im brüderlichen Haar

Die grosse Stadt in noth / die Länder in gefahr /

Die Flott in lichtem brand / den hohen Thron zustücket /

Und mich durch eines Fall (doch ohne Schuld) erdrücket.

Doch klag ich Rom / nicht mich / ich scheue keinen Tod

Den mir von langer Hand die Eisen-feste Noth

An diese Seiten gab / man ließ vor vielen Zeiten

Zu meinem Untergang den Werckzeug zubereiten.

Verläumbdung schliff das Beil / das durch den Hals wird gehn

Wenn mir der heisse Neid wird über Haupte stehn.

Und hierumb hat man längst das Volck auff mich verhetzet /

Und Lügen umbgestreut / und meinen Ruhm verletzet

Der nach mir leben wird / man murmelt hir und dar:

Man hält mich in Verdacht / und schätzt für wahr und klar

Was Argwohn von mir dicht / die Läger sind beflecket /

Die Kirchen nicht zu rein / der Rath selbst angestecket /

Wer könt es denn nicht sehn daß meine Zeit außrinnt:

Wenn jeder / Tag für Tag / mir zu verterben spinnt.

Was hab ich denn verwürckt? Unredliche Gemütter!

Kommt Kläger! tretet vor! entdeckt wie herb und bitter

Auch eure Zunge sey! Ich fliehe die gemein, 8

(Sprecht jhr) und schliesse mich vor Freund und Frembden ein.

Wahr ists daß ich bißher den Umbgang was beschnitten;

Seid dem / daß ich mich muß vor Freund und Frembden hütten /

Die / was mein offen Hertz freymütig von sich gibt /

Das gar nicht schmeicheln kan und Falschheit nie gelibt /

Verkehrt und gantz vergällt dem Fürsten zugetragen.

Schämt ihr euch nicht mein Wort verkehrt mir nach zu sagen;

So stört mein einsam seyn durch eur gereusche nicht.

Mein Hof ist dennoch frey / ich halte stets Gericht /

Geb' offentlich Verhör / auch wenn der lichte Morgen

[13] Den Himmel noch nicht siht / und sich der Tag verborgen.

Ich fahre keine Witt'b mit rauen Worten an /

Ich helffe wo ich mag / den ich nicht retten kan

Laß ich doch sonder Trost nicht von dem Angesichte /

Und klage wenn ich nicht / was jemand wüntscht / verrichte.

Man gibt mir ferner Schuld daß ich der Götter Ehr

Als auß den Augen setz' und nicht der Christen Lehr 9

Mit Flamm' und Schwerdt außreut'. Ists aber wol zu loben

Daß man so grimmig wil auff dise Leute toben /

Und Leich auff Leichen häufft da niemand recht erkennt

Was ihr Verbrechen sey? 10 Wer jetzund Christen nennt

Wil stracks daß man zur Qual auch ohn erforschen eile /

Da doch das heilge Recht gesetzte Zeit und Weile

Beym Blut-gericht' erheischt! man strafft / ich weiß nicht was /

Und schir ich weiß nicht wie / welch Recht spricht billich das;

Daß man ein erbar Weib 11 der Unzucht übergebe

Und in ein offen Haus auß ihrem Zimmer hebe /

Umb daß sie Christum liebt. Ist das die Röm'sche Zucht?

Ist diß ein neues Recht: So sey diß Recht verflucht!

Man wirfft mir weiter vor daß ich der Fürsten rasen

Und grimme Zwytracht stärck' und Flammen helff' auffblasen /

Die ich mit meinem Blut zu dämpffen willig bin.

Nim grosse Themis nim den Schandfleck von mir hin!

Ich der die gantze Zeit auch mit gefahr deß Lebens

Den Bassian gehemmt / den Antonin vergebens

Zu Freundschafft anermahnt / werd' umb ein Stück verdacht /

Drob sich mein Geist entsetzt. Wer hiß der Läger macht

Den Brüdern in gemein den theuren Eid ablegen?

Noch gleichwol wolt ich sie zu theilen nechst bewegen!

Ihr Götter dieses Reichs! wofern bey solchem Stand

Mein Rath auß Boßheit kam so waffnet eure Hand

Mit Blitzen wider mich / und last es nicht geschehen

Daß ich mein eigen Haus muß ausser Zweytracht sehen!

[14] Noch ferner sprengt man auß / als ring' ich nach dem Thron /

Und sucht auß diesem Zwist der Antoninen Kron;

Fahrt / rasende fahrt fort / also mir nachzustellen;

So wird die Lügen selbst in eurem Mund erhällen.

Hat die Aufflag in mir wol irgends einen Schein?

Kommt mit dem Anschlag auch mein Leben überein?

Wen hab ich umbgekaufft das Werck mit mir zu wagen?

Wem die Verrätherey / den Meyneid vorgetragen?

Hab ich das Läger je zu meinem Dienst ersucht?

Kan diß mein' Einsamkeit? Kan diß der Freunde Flucht?

Sind mir die fernen Reich' und eingetheilten Waffen

Mit Pflichten zugethan? So kommt ergrimmte Straffen

Und fodert mich zur Pein! ists denn ein eitel wahn

Warumb bedenckt man nicht was ich bißher gethan?

Gilt ein vergiffter Mund mehr als ein rein Gemüte;

So fege frembder Schuld mein unbefleckt Geblüte.

Und diß wird nun mein Lohn; daß ich so manche Nacht

Entfernt von süsser Ruh / in Sorgen durchgebracht /

Daß ich so manchen Tag Staub / Sonn und Frost getragen

Daß ich auff See und Land behertzt den Leib zu wagen

Mein und der Feinde Blut auff dieser Brust vermischt /

Durch meiner Glieder Schweiß der Länder Angst erfrischt /

Der Parthen Macht gestützt / den Nil und Phrat gezwungen /

Den stoltzen Rhein umbpfählt / den Balth ans Joch gedrungen /

Der Römer Recht erklärt / der Fürsten Schatz erfüllt /

Der Läger Trotz gezäumt / der Völcker Sturm gestillt /

Die Stadt in Hungers-Noth mit Ostens Korn gespeiset /

Jetzt West / jetzt wüsten Sud / und rauhen Nord durchreiset /

Dort Schantzen hin gesetzt / hir Mauren auffgebaut /

Hier Thamm und Wahl gesänckt / und wo dem Frieden graut /

Der Britten rauhe Ströhm' und Klippen-reiche Wellen

Mit Brücken überlegt / nie vor erkante Quällen

[15] Den Arabern entdeckt / mein Leben in Gefahr

Für Freyheit deines Raths / O Rom / und dein Altar

Schir Tag für Tag gewagt / mir nichts zu schwer geschätzet /

Durch eignen Guts Verlust / gemeines Best' ergetzet /

Der Feinde List entdeckt / und Frembd' in Bündnüß bracht /

Verjagt' ins Reich versetzt / und die verschworne Macht

In erster Glut erstöckt / was könt ich anders hoffen!

Ein Schatten-reicher Baum wird von dem Himmel troffen:

Ein Strauch steht unversehrt. Wer die gemeine Noth

Zu lindern sich bemüht; sucht nichts als eigenen Tod.

Wer sich für alle wagt / wird auch nicht einen finden /

Auff dessen rechte Trew er könn in schiffbruch gründen.


Papinianus. Der Käyserin Cämmerer.

CÄMMERER.
Glück zu!
PAPINIANUS.
Woher so früh?
CÄMMERER.
Recht auß der Frauen Saal
Das werthe Mutter-Hertz das stets in neue Qual
Durch diese Zwytracht sinckt / bemüht mich jhn zu grüssen
Und wil sich seiner Trew durch mich versichert wissen.
PAPINIANUS.
Wie? Zweiffelt Julie an unverfälschter Gunst!
CÄMMERER.
Die ungewissen Fäll umbhüllt mit trübem Dunst
Der Augen falscher Schein / der Klang vergällter Lippen /
Der Hertzen Wanckelmut sind leider harte Klippen /
An welchen Redli[ch]keit gar offt zu scheitern fährt.
Es weiß Papinian was ihren Geist beschwert.
Zugleich daß sie auff jhn all ihr Vertrauen setze /
Und weil er sicher steht / sich unvergänglich schätze.
Doch steckt der Neid den Hof mit so viel Seuchen an
Das niemand sonder Furcht. Wo man verläumbden kan:
[16] Beut Argwohn stets die Faust / wo Argwohn zugenommen:
Hat Schmertz die Oberhand und Haß den Thron bekommen.
PAPINIANUS.
Was mischt man so viel Wort' und hält was noth zurück?
Zagt Julia auffs new? Entdeckt uns was sie drück.
Auffrichtig hab ich stets zu wandeln mich beflissen
Nie der Verläumbder Mund (das niemand kan) zu schlissen.
CÄMMERER.
Man gibt ihr ein; es sey was mehr denn unerhört;
Daß Printzen / die in Haß / doch einen Mann geehrt /
Daß Geta sich zu letzt werd ohne Beystand finden;
Weil er sich läst zu sehr von Bassian verbinden.
Viel ists Papinian wenn uns der Käyser libt:
Und mit dem letzten Geist die Freundschafft übergibt /
Weit mehr / wenn dessen Huld wil gleich als erblich werden /
Und wenn deß Fürsten Leib verkehrt in Staub und Erden /
Sein Nachsaß unverfälscht die Neigung unterhält:
Das höchst und was anjetzt uns als unglaublich fällt
Ist / wenn zwey Hertzen hart umb eine Krone zancken;
In beyder Hold zu stehn / von keinem abzuwancken.
PAPINIANUS.
Daß mich Sever erhub / und an die Seite setzt /
Und (in dem mancher sich durch rauhen Fall verletzt)
Als mit der Faust erhilt; muß ich mit ruhm erkennen
Und zwar mein Glück / doch mehr / deß Käysers Urtheil nennen.
Das rede nun vor mich. War es der Tugend Lohn?
Was klagt ihr an mir an? Hat er der Fürsten Kron
Und Leben mir vertraut / als er die Zeit vollendet
Und Himmel-auff den Geist / nach so viel Sig gesendet:
So hat er einen Schatz / ja last mir anvertraut /
Weil er mein Hertz erkennt und gar genaw durchschaut /
Hab ich sein hoffen nun / das er geschöpfft / betrogen
Und letzten Willen nicht untadelhafft vollzogen:
[17] So richte Reich und Welt. Ist denn sein Wuntsch vollbracht:
Warumb zeucht Julia die Freundschafft in Verdacht.
Wofern ja Bassian auffrichtig mir geneiget:
(Sein Aug' entdeckt mir was / ob wol die Lippe schweiget!)
Wird hierdurch Geta nichts von Nutz und Schutz entgehn.
Ein Freund kan für jhn mehr denn ein verhaster stehn.
Denn daß ich seitwerts ab von jhm mich trennen solte /
Wenn Antonin durch mich was schädlichs suchen wolte;
Kommt meiner Ehr und Eyd und Redlichkeit zu nah.
Hier steht Papinian wie jhn das Läger sah;
Als er den hohen Schwur den Brüdern abgeleget /
Und durch sein Vorbild / Rath und Stadt und Heer beweget.
Man such jhn anders nicht. Wer aber bringt euch bey
Daß ich dem ältern mehr durch gunst verbunden sey?
Weil ich Ampts halber muß fast täglich mit jhm handeln?
Siht man mit Geta mich nicht schier viel öffter wandeln?
Bringt meine Wort' hervor! legt alles auff die Wag!
Diß ist die Lantze nicht die mich verletzen mag!
CÄMMERER.
Mehr wundert Julien daß man noch nie verspüret;
(Wie schwer auch Bassian von etlichen verführet)
Ob je Papinian, und wie / sich widersetzt.
PAPINIANUS.
Daß bald der Fürst auff diß / und bald auff den verhetzt:
Darff langer Worte nicht. Ob ichs gebillicht habe /
Ist leider was man fragt. Deß strengen Himmels Gabe
Ist diß was in uns wacht / das ihr Gewissen heist;
Das uns von innen warnt / und nagt / und rejtzt / und beist.
Wenn dieses schon zu schwach die Menschen zu gewinnen;
Wird man mit Reden nicht die Geister brechen können.
Doch that ich offt was mehr / als mir mein Stand erlaubt /
Zu wenig thät der Fürst der mir zu wenig glaubt.
CÄMMERER.
Es hört jhn niemand je deß Fürsten irrthum schelten.
PAPINIANUS.
Diß hilt man preisens werth / nun läst man michs entgelten!
[18] Daß ich dem Pöfel nicht die Ohren füllen kan
Mit frembder Laster Dunst; gebt ihr vor Laster an.
O thörichte der nichts als lästern kan und schänden /
Wenn er vom Trunck erhjtzt und mit nicht festen Händen
Den Wein zum Hals eingeust; erzittert und erschrickt
Wenn der den er verletzt / unzaghafft jhn beschickt /
Behertzt in gegenwart die schmach zu widerlegen.
Wer richten kan und soll ob der auff rechten Wegen
Dem j[e]der folgen muß sucht selbst deß Fürsten Ohr
Und trägt dem Völcklin nicht der grossen Thorheit vor.
CÄMMERER.
Sie eifert daß er nechst die Theilung vorgeschlagen!
PAPINIANUS.
Weil Rom zwey Sonnen nicht auff einen Tag wil tragen.
CÄMMERER.
Verstossen auß der Stadt: Verstossen von dem Reich!
PAPINIANUS.
Zwey Kronen spürt ich dort: Hier furcht' ich eine Leich.
CÄMMERER.
Entfernte kan man leicht durch schlaue Lüste dämpffen.
PAPINIANUS.
Anwesend' unversehns durch strenge Macht bekämpffen.
CÄMMERER.
Was heist von Rom verschickt? In fernes Elend zjhn.
PAPINIANUS.
Auff einem Thron dem Haß und steter Furcht entfljhn.
CÄMMERER.
Die Freunde können hir die herbe Zwytracht schlichten.
PAPINIANUS.
Und Feinde (leider) hir mehr Haß und Zanck anrichten.
CÄMMERER.
Es war der Fürsten Rath der diesen überwug.
PAPINIANUS.
Weil sich die Mutter selbst zu sehr ins Mittel schlug.
[19]
CÄMMERER.
Man könte zwar das Reich / doch nicht die Mutter theilen /
PAPINIANUS.
O könte sie das Reich und dessen Brüche heilen.

Plautia. Papinianus. Der Cämmerer.
PLAUTIA.
Recht auß! nur (leider!) sie ists die den Brand entsteckt.
Sie / die die Unruh selbst und Seuch im Reich erweckt /
Und zweiffelt sie an uns? Was sucht man ferner Zeichen?
Must ihrer Statsucht nicht in fernes Elend weichen
Was keusch und redlich war / als sie den Hof betrat
Den sie mit Blut besprjtzt / mit Haß vergifftet hat?
O Schwester! werthes Hertz! wer hat das Band zutrennet /
Krafft dessen Antonin in deiner Lieb entbrennet!
Der nachmals dich so früh und unverdint verstiß
Und an Charibdens Strand 12 in tollem Zorn verwiß.
Was hat sie weiter vor! Papinian mein Leben!
Wil sie daß er zu letzt soll Plautien vergeben?
Sucht sie umb daß er mich noch nicht verlassen kan:
Wie er zu stürtzen sey? Euch Götter ruff ich an!
Euch die man frölich nennt wenn nun die Braut verhüllet, 13
Und ihres Liebsten Wuntsch mit Gegenwart erfüllet!
Euch Götter ruff ich an! die ihr die Röm'sche Macht /
Die ihr deß Fürsten Thron und weite Burg bewacht!
Euch Götter ruff ich an! den Glaub und Trew vertrauet!
Die jhr verdeckte Schuld ja Seel und Geist durchschauet!
Seyd Richter zwischen uns! und wo ihr steuren könnt;
So steuret dem was mir nicht Eh' und Ruhe gönnt!
So steuret dem / das wächst durch Argwohn / Haß und Flammen
Und seinen Ehrgeitz nährt durch tödten und verdammen!
[20]
CÄMMERER.
Durchlauchtigst ich erstarr; und weiß nicht wo ich sey:
Wil sie mit diesem Grimm der Fürsten Mutter bey?
Wie? Oder hab ich selbst den rauhen Zorn verschuldet?
PLAUTIA.
Ich hab' es gar zu lang' und mehr als lang' erduldet /
Und Zung und Wort gehemmt. Erlaubt: Ich breche loß /
Und geb euch / (hört nur zu) die gantze Seele bloß.
Ihr wolt mein Ehgemahl der Welt verdächtig machen /
Ihr lockt und rejtzt auff jhn deß tollen Pöfels Rachen /
Man spürt jhm Tag und Nacht auff allen Gängen nach /
Fängt seine Reden auff / beschmützt mit herber Schmach
Den wol-verdienten Fleiß; sucht heimlich umbzukauffen
Die jhm zu Diensten stehn / man siht Verräther lauffen
Umb Vor- und Hinter-Hof / in dem er euch erhebt /
Und für der Fürsten Heil und Mutter Ehre lebt.
Was rejtzt euch aber an den theuren Freund zu hassen?
Nichts / als nur daß er nicht wil Plautien verlassen.
Daß er mich nicht von sich heist zu Plautillen gehn.
Diß ist die gantze Sach / (es kan's ein Kind verstehn)
Das ander / das euch muß zu einem Vorwand dinen
Ist Nebel / Dunst und Dampff. Was darff man sich erkühnen
Zu forschen wehm wir trew? Wofern nicht Redli[ch]keit
Uns beyden pflichtig macht / und etwan auff die Seit
Haß oder Wolthat beugt / so könt ihr überlegen
Was jeder uns erwis / durch wessen Faust und Degen
Mein Vater untergieng. 14 Wer auff sein Haus entbrand /
Wer meine Schwester fern in Ceres Insel bannt.
Ists wahr nun; wie es wahr / daß Bassian betrübet
Uns / die Fürst Geta mehr denn wol sein Bruder liebet;
Warumb denn gibt man vor / man ziel auff jenes Theil /
Uns ist ein fest Gemüt vor keine Neigung feil.
Wir ehren beyder Kron / so trew deß einen wincken
Als werth deß andern Hold / eh wird Calisto sincken
Wohin der grause Styx die Schweffel-Wellen schickt:
Den jemand darthun / daß uns minste Schuld bestrickt.
[21]
CÄMMERER.
Den Eifer gibt Ihr ein / bloß ungewiß vermuten.
PLAUTIA.
Gewiß ists: Daß mir offt die Hertzens-Wunden bluten.
CÄMMERER.
Die Wunden / die Sie selbst Ihr durch Gedancken macht.
PLAUTIA.
Gedancken / die ihr frisch bißher zu Wercke bracht.
PAPINIANUS.
Genung! man weiß vorhin wie unser Haus gesonnen!
Durch schmeicheln ward ich nie; durch pochen nicht gewonnen.
Ich bin der Ehren satt / der Aempter überdruß /
Der Heuchler grosses Heer / der ungewisse Schluß
Den man auff Schrauben setzt / der Räthe zages zittern /
Der Zeitungs-Träger Gifft die Fürst auff Fürst erbittern /
Und was ich jetzt nicht rühr' ermuntert mein Gemüt;
Daß ich die Lachesis umb schnell' Entbindung bitt.
Ob gleich der Jahre Reiff den Scheitel noch nicht färbet 15
Und sich der Stirnen Haut in ernste Runtzeln kerbet.
Vielleicht wird (wenn ich hin) noch jemand frey von Neid /
Erwegen; wer ich war / wie ich der Zeiten Leid /
Großmütig überwand / und was mir angetragen /
Ja Schrecken / Furcht und Ach / hab auß der acht geschlagen /
Nicht Freund auß Gunst gestärckt / nicht Feind auß Haß betrübt /
Ja die mich unterdrückt biß in den Tod gelibt /
Und daß mir Redli[ch]keit nie auß der Brust zu rücken;
Ob schon der Zangen Grimm mich riss' in tausend Stücken.
PLAUTIA.
Vergiffter Zungen Stich reist über Zang und Pfal.
CÄMMERER.
Einbildung ist ihr selbst die allergrimmste Qual.
[22]
PLAUTIA.
Man gibt ihr Ursach Tod / und mehr uns vor zu stellen.
CÄMMERER.
Ich kam nicht an den Ort Sie weiter zu vergällen /
Auch ruffen mir Geschäfft. Ich geh! entzündet nicht
Ein Feuer / das schon glimmt und durch die Aschen bricht.
PLAUTIA.
Wil das Verhängnüß mich durch Glut zur Aschen machen:
So werdet ihr gewiß mit in der Flammen krachen.

Plautia. Papinianus.
PAPINIANUS.
Mein Hertz! es ist nicht ohn / es greifft die Seelen an
Und presst den grossen Geist / der sich nicht hemmen kan
Wenn Trotz mit schlauer List gewaffnet ein wil brechen:
Doch (leider!) es ist schlecht sich nur mit Worten rächen /
Wenn jener Schwerdter wetzt: Deß Vatern grosser Stand
Verfiel auff einen Tag. Das Glück das nur auff Pfand
Uns seine Schätze leiht; holt Zins und Haupt-Gut wieder
Wenn niemand sichs versiht. Wo sind die starcken Glieder
Der weiten Freundschafft hin? Es fordert noch was mehr /
Und wo nicht meinen Leib / doch unser beyder Ehr.
Sie lasse Julien und ihren Argwohn fahren /
Und nehme sich in acht. Wer sich nur kan verwahren
Wenn alles sincken wil / erhält das höchste Gut.
PLAUTIA.
O wolte / wollte Gott / daß Bassian mein Blut /
Daß Julia diß Hertz / zum Opffer stracks begehrte!
Hier ist sie die es jhn den Augenblick gewehrte.
Doch nein! es ist was mehr / die Schwester meld ich nicht /
Der der Cyclopen Fels die steten Seuffzer bricht /
Mein Trost es kam mir vor eh sich Matuta regte
Und sich die braune Nacht von ihrem Platz bewegte;
Mich daucht /
PAPINIANUS.
Es ist nicht Zeit auff Träum' anjetzt zu sehn!
[23] Wer wachend umb sich schaut / beobacht was geschehn /
Und spürt wie hoch die Lufft von Donner-Wolcken schwanger;
Schleust leichtlich das die Glut erhjtzt auff Hof und Anger.
Und bergt sich wo er kan. Wer auff der Wache steht:
Muß stehn / ob schon der Strahl jhm durch die Adern geht /
Solt auch auff jhn allein sich gleich der Blitz erheben.
Ade! die Stund ist hier. Ich muß Verhöre geben.

Reyen der Hofe-Junckern Papiniani.

Wie selig ist der Hof und Macht /
Und der beperlten Zepter Pracht /
Auß den vergnügten Sinnen stellt /
Und sich in engen Gräntzen hält /
Der nicht nach leichtem Glück und hohen Aemptern steht
Und bloß mit reiner Seel und Gott zu Rathe geht.

Er zeucht zwar nicht in Purpur auff
Kein scharff- mit Stahl-bewehrter Hauff /
Umbgibt sein unbewahrte Seit
Er führt kein Heer zu rauhem Streit /
Er schreibt den Fürsten nicht Gesetz und Schlüsse vor;
Doch hat er Wonn und Lust die sein Gemüt erkor.

Ob seine Taffel nicht besetzt
Mit allem was das Aug ergetzt
Ob er nicht bey schon nahem Tag
Spät' Abend-Mahlzeit halten mag /
Und fern-gepresten Wein auß edlen Steinen trinckt
Biß daß der Morgen-Stern der göldnen Sonnen winckt;

Ob niemand nach erkauffter Müh
Fällt zitternd vor jhm auff die Knie;
[24] Ob er nicht herrscht in dem Gericht /
Und über Hals und Leben spricht;
Auch nicht deß Fürstens Schatz in seine Koffer schleust /
Und frembde Fantasie ins Königs Sinnen geust.

Ob er nicht reiche Schlösser baut
Auch nicht sich selbst im Kupffer schaut; 16
Ob nicht sein Ebenbild der Welt
In Alabaster vorgestellt;
Ob jhn kein Thracisch Roß halb-tantzend einher trägt /
Ob auff sein wincken nicht das gantze Land sich regt;

Doch siht er auß der stillen Ruh
Dem unbedachten Pöfel zu.
Und weiß nichts von dem blassen Neid /
Nichts von dem innern Hertzensleid /
Das in Palästen wohnt und dem die Jahre kürtzt
Der offt von höchster Höh in tieffsten Abgrund stürtzt.

Jhm reicht man kein gebiesamt Gifft /
Das Drachen-Eyter übertrifft.
Er weiß nicht was Verläumbdung sey /
Und ist von Furcht und zagen frey.
Man hält auff seinen Leib Verräther nicht in Sold /
Und kaufft sein Haus nicht umb mit new-gepregtem Gold.

Wo Purpur nicht die Mauren deckt
Wird kein Auffmercker leicht versteckt.
Trug / Meuchelmord / Spieß / Dolch und Bley;
Laurt hinter der Tappezerey.
Er lacht wenn sich die Schaar der Opffer-Knecht erhjtzt
Und auff sein Ampt und Stand durch falsch weissagen spjtzt.

Er lebt vor sich jhm selbst zu gut
Bebaut das Land mit gleichem Mut /
[25] Vertreibt die bange Traurigkeit;
Mit Fällen längst verjährter Zeit.
Und was die Reich empört und Throne stürtzen kan
Das siht er unverzagt gleich einem Schaw-Spiel an.

Er forscht durch Fleiß und sinnen auß
Der nassen Amphitriten Haus
Versteht wenn Cynthia auffgeh
Und Hermes fünckel auß der Höh
Erfindet sich in sich und was noch mehr / die Noth
Liegt unter seinem Fuß / er pocht den grimmen Tod.

Sein Hertz ist heilger Götter voll /
Und wenn er hier gesegnen soll
Und jhn das Alter rufft zur Ruh;
Schleust er gar sanfft die Augen zu.
Wie daß uns denn was hoch / doch für und für verletzt
Vor dem was niedrig ist und stets erquickt / ergetzt?

2. Akt

Die Andere Abhandelung.

Bassianus. Laetus.

LAETUS.
Der Fürst verschertzt die Zeit / und schertzt mit seinem Heil.
BASSIANUS.
Ist denn der Zepter nur umb Blut und Wunden feil?
LAETUS.
Ja! wenn jhn zwey zu gleich mit aller Schaden führen.
BASSIANUS.
Das grosse Reich kan zwey mit einer Würde zieren.
LAETUS.
Das ließ weil Rom erbaut sich nicht ohn Schaden thun.
[26]
BASSIANUS.
Heist dieses auff dem Thron in höchsten Würden ruhn!
LAETUS.
Der ruht nicht der so eng' auff einem Thron muß sitzen.
BASSIANUS.
Soll ich mit diesem Dolch deß Brudern Hertz auffritzen?
LAETUS.
Der in deß Fürsten Geist stets neue Wunden macht.
BASSIANUS.
Die Wunden rühren wol zum meisten auß Verdacht.
LAETUS.
Wer schon Verdacht erweckt; kan leicht was mehr erregen.
BASSIANUS.
Nicht jede Wolcke dräut mit Blitz und Donner-Schlägen.
LAETUS.
Was Blitz und Donner schafft dämpfft auß der Erden vor.
BASSIANUS.
Man gibt Verläumbdern offt ein gar zu günstig Ohr.
LAETUS.
Was durch so viel entdeckt / kan nicht Verläumbdung heissen.
BASSIANUS.
Die freche Jugend pflegt unbändig außzureissen.
LAETUS.
Kan Jugend diß; was wird das Alter unterstehn!
BASSIANUS.
Hiran sind Schuld die jhm an seiner Seiten gehn.
LAETUS.
Dafern der Häuptmann weg: Halt ich das Heer geschlagen.
BASSIANUS.
Solt ich ein solches Stück an meinem Bruder wagen!
LAETUS.
Man siht nicht Brüder an wenn man umb Kronen spielt.
BASSIANUS.
Der Artzt ist scharff der nicht die Wunden selber fühlt.
LAETUS.
Nicht scharff / wenn schon der Leib nicht ohn den Schnidt zu heilen.
BASSIANUS.
Der schneidet viel zu tieff / der selbst den Stamm wil theilen.
[27]
LAETUS.
Der selbst zwey-stämmig wuchs / auß zweyer Mütter Leib.
BASSIANUS.
Auß eines Vatern Blut! auß eines Fürsten Weib!
LAETUS.
Wo nicht ein Mutter-Hertz / sind weit gesinnte Sinnen.
BASSIANUS.
Man kan auch frembd' und Feind durch Lieb und Gunst gewinnen.
LAETUS.
Viel leichter frembd' und Feind als Stiff-geschwistert Blut.
BASSIANUS.
Auch dieses / wenn die Art und Sinn und Seele gut.
LAETUS.
Wer kennt nicht Juliens hochmütigste Gedancken?
BASSIANUS.
Die nur auff Schönheit gehn / und fern von diesen Schrancken.
LAETUS.
Was mehr denn Schönheit gibt ihr diese Sinnen ein.
BASSIANUS.
Ein prächtig Antlitz kan nicht ohn Einbildung seyn.
LAETUS.
Hat ihr Geburts-Stern 17 nicht ihr Kron und Thron versprochen?
BASSIANUS.
Was ihr der Vater gab / hat ihr sein Tod zerbrochen.
LAETUS.
Weil noch das Leben blüht würckt der Gestirne Macht.
BASSIANUS.
Diß ist deß Himmels Lauff / der Sonnen folgt die Nacht.
LAETUS.
Und doch muß nach der Nacht die Morgenröth auffgehen.
BASSIANUS.
Kont Agrippine sich / wie Drusus starb, 18 erhöhen?
LAETUS.
Ja / wenn Ihr Nero nicht die Sehnen gantz zerschljtzt.
BASSIANUS.
Auff den der Pöfel noch mit Schmach und höhnen spjtzt.
[28]
LAETUS.
Der Pöfel / aber nicht die die den Stat erwegen.
BASSIANUS.
Er hat deß Brudern Tod offt zu beklagen pflegen.
LAETUS.
Den Bruder besser / denn sich selbst zu spät beklagt.
BASSIANUS.
Dort hatt' es Agrippin 19 nur gar zu vil gewagt.
LAETUS.
Pflegt man nicht jeden Schluß anjtzt frech auß zu schelten?
BASSIANUS.
Dennoch muß unser Schluß / trotz dem es leid! stets gelten.
LAETUS.
Jtzt gilt er / weil mit Macht Ihm nicht zu wider stehn.
BASSIANUS.
Wer solt uns wol mit Macht entgegen können gehn?
LAETUS.
Der / dem die Läger hold / dem Rath und Volck geschworen.
BASSIANUS.
Sie haben gegen uns noch Hold noch Pflicht verloren.
LAETUS.
Noch gegen Julien, die vor Ihr Blut bemüht.
BASSIANUS.
In dem deß Vatern Stamm in frischen Zweygen blüht.
LAETUS.
Stamm / Reich und Stab beruht auff dem der erst geboren.
BASSIANUS.
Der Vater hat uns beyd' auff einen Thron erkoren.
LAETUS.
Als Vater / ich gestehs / nicht als ein Fürst der Welt.
BASSIANUS.
Wir thun was Vater / Rom und Göttern wolgefällt.
LAETUS.
Ein Fürst muß Eltern zwar / doch nur als Fürsten ehren.
BASSIANUS.
Was wird man von Sever, das nicht gantz Fürstlich / hören?
LAETUS.
Das Er / was man nicht kan zutheilen / theilen hiß.
BASSIANUS.
Weil Läger / Volck und Rath es jhm gefallen liß.
[29]
LAETUS.
Ja was wird Ihnen nicht (wil nur der Fürst) gefallen!
BASSIANUS.
Sie speyn auff Fürsten offt stanck / rasen / gifft und gallen.
LAETUS.
Diß thun Sie / doch auß Furcht der Straffen / in geheim.
BASSIANUS.
Und bringen in den Rath geklärtes Honigseim.
LAETUS.
Das sich in Wermut kehrt wenn jemand Sie entzündet.
BASSIANUS.
Es ist der Völcker Recht / das Blut mit Blut verbindet.
LAETUS.
Ein Fürst ist von dem Recht und allen Banden frey.
BASSIANUS.
Jhn bindt der Götter Furcht. Diß Band geht nicht entzwey.
LAETUS.
Wil Jupiter nicht selbst allein den Zepter führen?
BASSIANUS.
So daß die Brüder nichts an Jhrer Macht verliren.
LAETUS.
Die stehn doch unter Jhm und unter eines macht.
BASSIANUS.
Jhr Götter dises Reichs! wo sind Wir hingebracht!
LAETUS.
Die Götter haben selbst die Theilung nie belibet.
BASSIANUS.
Ist jemand der mit Grund diß was du sagst vorgibet?
LAETUS.
Gab nicht Severus an ein doppelt Kammer-Bild? 20
BASSIANUS.
Du meinst das Fürsten Glück gezihrt mit Palm und Schild?
LAETUS.
Recht! aber ward sein Wuntsch eh' Er verschid vollführet?
BASSIANUS.
Nein! weil Er daß der Tod Jhm schon zu nahe / spüret.
LAETUS.
Was aber gab der Geist Jhm vor dem Abschied ein?
BASSIANUS.
Daß eines Tag' umb Tag solt umb die Fürsten seyn.
LAETUS.
Und haben besser je die Götter sich erklehret?
BASSIANUS.
Wir glauben fast daß Sie den Anschlag abgekehret.
[30]
LAETUS.
Sie reitzen noch das Volck das nur nach einem siht.
BASSIANUS.
Weil noch der Widerwill' in einem Hofe blüht.
LAETUS.
Die Blüte wird uns noch gar saure Früchte bringen.
BASSIANUS.
Dörfft uns das Läger auch / wenn was gewagt / bespringen?
LAETUS.
Eh wenn man gar nichts wagt / und andre wagen läst.
BASSIANUS.
Wenn nur Papinian mit steter Trew uns fest.
LAETUS.
Er ists. Doch Zeit und Glück verändert offt die Sinnen.
BASSIANUS.
Wie? Solte diser Mann sein Hertz auch ändern können?
LAETUS.
Man nenne keinen nicht beständig biß er tod.
BASSIANUS.
Wir haben seine Trew geprüft in grimmster Noht.
LAETUS.
Auch Geta, dem Er wol so hoch als Jhm verbunden!
BASSIANUS.
Wie offt hat Er nicht Rath vor beyder Zanck gefunden!
LAETUS.
Wer vor so grosse findt; sucht offtmals wol vor sich.
BASSIANUS.
Gewissen / grosser Mann! und Wissen spricht vor dich.
LAETUS.
Wer offt das meiste weiß: Gibt wenig auff Gewissen.
BASSIANUS.
Recht. Doch Papinian ist allhir auß zu schlissen.
LAETUS.
Ich geb es nach / und wüntsch Jhn ewig wie er ist.
BASSIANUS.
Wanckt er / so ist vor dich sein Ehren-Stand erkist.

Bassianus. Laetus. Flavius.
FLAVIUS.
Fürst Antonin steht an den Schluß zu unterschreiben
Krafft dessen Celsus soll Aegyptens Land-Vogt bleiben /
Biß Er / mein Herr / mit Jhm diß Stück was überlegt.
LAETUS.
Merckt Bassian wie sich sein hoher Vorsatz regt?
[31]
BASSIANUS.
Was? Wil uns Antonin numehr Gesetze stellen?
Wer sind wir? Wir und er! darff er wol Urthel fällen?
Nun? Nach verfastem Werck / umbstossen was man schloß?
Sind wir sein Gauckel-Spiel?
LAETUS.
Er gibt sich was zu bloß.
BASSIANUS.
Jhr Götter / welche Rom und dieses Reich anflehet;
Die Jhr durch uns vermehrt / was Jhr beschützt / ansehet:
Schaut auff den Ubermut der in der Brust entglimmt /
Deß Brudern / der als Feind uns zu verterben stimmt /
Was kan man doch forthin auß den verwegnen Wercken /
Durch jeden Sonnen-Lauff / als steiffe Frechheit mercken /
Die auff verdecktem grund uns vor das Licht auffbaut
Und einig von dem Thron nach unser Baare schaut.
Wie können in dem zwang' und hohn Wir länger stehen?
Eh soll der Abend-Stern nicht auß der See auffgehen /
Eh soll Apollo nicht uns weigern sein Gesicht
Als mittel uns und Jhn / (wo Mittel ja gebricht
Als letzte Macht) getrennt: Er scheid' in seine Britten /
Ja wo umb Calidon die kalten Norden wüten
Er geh wo Tagus reist / ja wo der Rhein entspringt /
Wo sich der Rhodanus durch See und Felder dringt /
Er geh wo Ister sucht das rauhe Land zu trennen /
Und hundertfach vermehrt ins schwartze Meer zu rennen /
Er such' umb Macedon Jhm ein bequemer Reich!
Beherrsche Phrygien! es gilt uns alles gleich!
Er jag' in Nabatra die niemals zahmen Löwen!
Wenn nicht in einer Burg Wir seinen Trotz zu scheuen.
Wir lassen Rom Jhm selbst / er bleib allhier! Wir zjhn
Wo seinem Ubermut und Vorsatz zu entfljhn.
LAETUS.
Bewegung wird numehr die Gifft nicht dämpffen können.
Man ändert zwar den Ort / nicht die erhjtzten Sinnen.
Der Brand glimmt hier in Rom / und lodert / und erkracht /
Ob schon der jhn entsteckt sich in die ferne macht.
[32] Solt Er wol weit von uns sich ruhig halten können /
Wo Läger / Heere / Städt' / und Schlösser zu gewinnen?
Wenn Jhn deß Fürsten Aug' in dem besetzten Zelt
Und hart umbschränckter Macht nicht in den Gräntzen hält.
Wehn schickt man mit Jhm auß? Die Er durch Gunst verbunden?
Die wagens Jhm zu gut. Die Wir stets trew gefunden?
Denn stehn Wir gantz entblöst! wenn Er gestärckt umbkehrt /
Und mit entblöstem Stahl durchstöst was Wir entwehrt.
Wird nicht der Außzug selbst / (solt Er erbittert weichen)
Erhitzen Land und See? Es gilt den höchsten Eichen
Wenn Boreas ergrimmt auß seinen Klippen reist /
Und den entdeckten Stamm zerschmettert und zerschmeist /
Wenn umb den Apenin die Wolcken sich bewegen;
Erklingt die schwartze Lufft von hellen Donner-Schlägen.
BASSIANUS.
Wer hilfft? Wer rettet uns auß der verwirrten Noht?
LAETUS.
Man rettet gantze Reich durch eines Menschen Tod.
BASSIANUS.
Der uns so nah verwandt! der uns so hoch verpflichtet!
LAETUS.
Der durch Verwandter Fall sein Haus und Haubt auffrichtet.
BASSIANUS.
Umbsonst! der Schluß ist fest! wir dinen länger nicht.
LAETUS.
Umbsonst! wenn man nicht bald das Joch in Stücken bricht.
BASSIANUS.
Was Römisch soll fort an nur eines wincken ehren.
LAETUS.
Was Römisch kan sich nur durch eine Macht vermehren.
BASSIANUS.
Halt an! Er kommt mit der / die Jhm den Wahn eingibt.
Und mehr Jhn hoch allein / denn beyde ruhig libt.

[33] Geta. Julia. Bassianus. Laetus. Nebenst der Käyserin Frauenzimmer.
GETA.
Dem Bruder wüntschen Wir Sig / Heil und glücklich Leben.
BASSIANUS.
Wir Jhm / und daß Er sich nicht höher mög erheben.
Als sein selbst eigen Heil und Nutz der Römer wil.
GETA.
Sein und der Römer Nutz ist unser höchstes Zil.
BASSIANUS.
Diß spricht der Mund: Sein Hertz ist fern von disem sagen.
GETA.
Man zeig' uns ob das Hertz je anders sich getragen.
BASSIANUS.
Diß zeigt die stete That. Wenn fällt uns Geta bey?
GETA.
Stets! wenn nicht Bassian den Bund reist selbst entzwey.
BASSIANUS.
Wer? Wir?
JULIA.
Wofern sein Hertz noch eine Flamme kennet;
Gekrönter Fürst und Sohn! die vor / Jhn gantz durchbrennet;
Als Er umb disen Hals die liben Armen schlug /
Und uns stets feste Trew mit seinem Kuß aufftrug.
Als Er sich umb die Brust voll keuscher Glut gewunden /
Und Mutter-hold in uns, 21 und Mutter selbst gefunden /
Wo sein Gedächtnüß noch die Wort 22 in Obacht hält
Mit den der Vater schid / als nun die grosse Welt
Zu klein vor seinen Ruhm / der Jhm den Weg gebähnet
In heilger Götter 23 Schloß dahin Er sich gesehnet
Als nichts Jhm hir anstand: So bitten Wir / Er schaw
Uns gnädigst-freundlich an: So bitten Wir / Er traw
Daß Julie sich nie / noch je ihr Kind erkühnet
Zu wagen was nicht Jhm zu Ehren-Nutz gedinet.
Wir bitten Er erkenn' ob schon ein Meuchel-Hund
Verdacht und Galle speyt / ob ein verläumbdend Mund
Jhm unsre Redli[ch]keit weit anders auß wil streichen;
Daß dennoch eh' ein Fels soll von dem Abgrund weichen /
[34] Daß eh' ein Ancker soll gehefft an Wolcken stehn
Daß eh' ein kreischend Roß soll durch die Wellen gehn /
Wenn sie in höchstem Zorn die Sternen fast besprützen /
Ja / daß das Reich der Nacht soll zeigen Ditis Pfützen;
Als jemand / sonder falsch uns darthun; daß man nicht
Nach seiner Wolfahrt Mast und Lauff und Ruder richt /
BASSIANUS.
Fraw Mutter und Princeß; es läst sich nicht verblümen
Was mehr denn häßlich scheint. Sie mag Jhr Hertze rühmen:
Sie fuss' auff Jhre Treu' und stell auffrichtig vor
Was Sie uns je erwiß: Sie findt ein offen Ohr
Und noch verlibte Seel. Eh soll die See verrinnen /
Eh soll der strenge Nord vor Schlossen / Gold gewinnen /
Und Demant vor Crystall / als Sie in diser Brust
Nicht fest verschlossen stehn. Sie prüf' es / hat sie Lust!
Und forder / was man nur kan von der Welt erheben /
Und Jhr Princess' / allein / der Römer Haubt kan geben.
Daß aber Sie was mehr sorgt vor Jhr eigen Blut
Als es der Stat erlaubt; ist freilich nicht zu gut.
Die Mutter (wir gestehns!) muß ja ihr Kind hoch liben /
Es pflegt ein rasend Wild sich hefftig zu betrüben
Wenn die noch junge Zucht durch Unfall wird verletzt.
Fürstinnen die das Glück auff steile Throne setzt;
Schreibt man ein härter Recht! Sie müssen diß nur achten;
Durch dessen Untergang Sie sincken und verschmachten.
Die Libe der Gewalt geht weit vor Blut und Kind.
Doch Sie ists (werthe Fraw) die kein Gesetze bindt.
Sie siht auff einem Thron zwey Jhrer Söhne blühen /
Der Ein ist ja ihr Kind / durch Sorg und aufferzihen /
Der Ander durch Geburt. Sie herrscht durch beyder Macht /
Wolan! Sie nehme beyd' auff gleiche Weis' in acht.
Geh' auß dem Mittelweg nicht auff die eine Seiten /
Sie laß Jhr eigen Fleisch sich nicht in irre leiten.
JULIA.
Zeugt Fürsten jener Welt! du vorhin Ehgemahl
Und numehr Göttern gleich! Wir wissen keine Wahl.
[35] Hört beyde Söhn' und glaubt! Wir wissen nicht zu sagen:
Zu welchem Wir mehr Lib' und wahre Neigung tragen.
BASSIANUS.
O Mutter! wär' es so! wol stünd es umb das Reich!
Wol auch umb Sie und Uns! Wir herrschten beyde gleich!
Entbränt in eine Lib' / hergegen muß man klagen:
Daß es der Bruder nur zu viel auff Sie darff wagen.
Was stöst er jtzt nicht umb? Nur weil es uns belibt:
Und Jhm der Mutter Gunst was frecher Sinnen gibt!
JULIA.
Fürst! ewig werthes Kind! Wir knien vor beyder Füssen /
Und wüntschen (ists geschehn!) durch unser Blut zu büssen /
Er mäss' uns diß nicht zu / was nie von uns gedacht.
Ein Hof-Verläumbder hat uns in diß Netz gebracht.
Ein toller frecher Mann / der Euer beyder Leben
Verfolgt / und sich selb-selbst wil auff den Thron erheben.
GETA.
Auff Mutter von der Erd! Es ist nicht weinens Zeit:
Wenn jeder wider uns und unser Unschuld schreyt.
Wenn jeder Sie durch uns sucht in das Grab zu stürtzen /
Ja selbst deß Brudern Macht durch beyder Fall zu kürtzen.
JULIA.
Ist denn die Brüder-Lib' in beyder Hertzen kalt?
GETA.
Hir brennt Sie! Bassian libt leider nur Gewalt.
BASSIANUS.
Hir brant Sie! Geta dämpfft sie mit list / haß und zancken.
GETA.
Der seinem Bruder trew / wenn Reich und Thron wird wancken.
BASSIANUS.
Der seine Schlüss' umbstöst / und sein Gesetz verlacht.
GETA.
Offt / wenn man schlüssen nicht zu embsig nachgedacht.
BASSIANUS.
Der seine Diner höhnt und die Verwalter schändet.
GETA.
Wenn man die besten nicht zu Land-Verwaltern sendet.
BASSIANUS.
Die besten / die Er uns nicht treulos machen kan.
[36]
GETA.
Treulos ist / der von uns diß gab dem Bruder an.
BASSIANUS.
Warumb verwirfft man dehn dem Wir Aegypten gönnten?
GETA.
Dieweil Wir seinen Geitz nicht mehr vertragen könten.
BASSIANUS.
Wird darmit unser Wort und Hand nicht höchst geschertzt?
GETA.
Nein! wenn der Fürst was Recht und Fürsten-Wort behertzt.
BASSIANUS.
So glaubt man daß Wir blind und unbedacht hin schreiben?
GETA.
Man soll nicht sonder Rath ein hohes Werck betreiben.
BASSIANUS.
Steckt Er denn voll von Rath; und schätzt uns ohn Verstand?
GETA.
Warumb setzt man den Rath dem Fürsten an die Hand?
JULIA.
O Kinder haltet inn!
BASSIANUS.
Man muß den Zäncker hören.
GETA.
Und den / der weis' allein sich dünckt / noch Weißheit lehren.
LAETUS.
Verträgt der Fürst den Hohn?
JULIA.
Gib nach mein Blut! gib nach!
O Fürst! O Bassian!
BASSIANUS.
Nim hin vor dise Schmach!
GETA.
Ach Bruder! Mutter Ach!
JULIA.
Ach Antonin! mein Hoffen!
GETA.
O Bruder! Ach verzeih!
JULIA.
Schaw unsre Brust ist offen!
O Kind! O Fürst! halt inn! O Jungfern! Diner! reist!
O reist den Fürsten hin! Eh' Er deß Brudern Geist
Durch so viel Stich' erschöpfft! O Himmel! Ich verschwinde.
GETA.
O Bruder! O Sever! O Mutter!
[37]
REYEN.
O was finde!
Ich für ein Jammer-Spil! O Fürst!
BASSIANUS.
Last! last uns loß!
Wie nun! wer hölt uns hir! Ist frech' Eur Trotz so groß?
Dörfft Jhr / verwogne / Faust an Euren Fürsten schlagen?
Wo sind wir! dörfft ihr Knecht' / Jhr auch Leib-eigne wagen
Zu gehn auff unserm Leib'? Jetzt bricht der Meyneid auß!
Man hat den Platz umbschranckt! man hat das sicher' Haus
Mit Mördern gantz umbsetzt! Mord! Mord! wir sind verrathen!
Man steht nach unserm Hals! O grimme grause Thaten.

Julia. Reyen deß Frauenzimmers.
REYEN.
O rauer Donnerschlag!
REYEN.
Ach werther Fürst! schöpfft mut!
Schöpfft mut mein Fürst!
REYEN.
Er ligt / ertränckt in mildem Blut.
REYEN.
Bringt Balsam!
REYEN.
Nur umbsonst!
REYEN.
Umbsonst! Er ist vergangen!
Ach hat der Götter macht so herben Fall verhangen!
Princess'! auff! auff!
REYEN.
O! last Sie in der Ruh
Der letzten Ohnmacht / setzt Jhr nicht mit disem herben Anblick zu!
Weh! Weh! der Fürst ist hin! durch Zorn erhjtzter Hände!
Die Mutter fällt dahin / durch ihres Sohnes ende.
Weh! Weh! der Fürst ist hin!
REYEN.
Unser Lust! der Erden Wonne! Trost der Welt! der Römer hoffen!
Hat der unverhoffte Blitz / dein belorbert Haupt getroffen!
[38] O daß Ich Zeugin bin!
Dises schrecklichen Beginnens /
O deß herben Threnen-rinnens!
Mit dem die Mutter wird das milde Blut abwaschen!
Fürstin! Ach! fällt deine Cron / auff deß werthen Kindes Aschen!
JULIA.
Wo sind Wir! Ach!
REYEN.
Ach Fürstin! Ach und Weh!
JULIA.
O Kind! O Geta!
REYEN.
Weh! Weh!
JULIA.
Recht der Welt vergeh!
Brecht Himmel! Sternen kracht! Sprützt Schwefel-blaue Flammen!
Jhr Lichter jener Welt fallt! Klippen stürtzt zusammen!
Und werfft den Grund der hart-befleckten Erden ein!
REYEN.
O Weh! O Pein!
JULIA.
Bruder-Mörder! Vater-Feind! Mutter-Hencker! Rechts-Verterb!
Menschen-Pest! Gesetz-Verlacher! Laster-Fürst! Cocytus Erb!
Sohn der schwartzen Rasereyen! die dich mit Nattern-Gifft genähret!
Alecto hat dir Jhre Schoß / Tysiphone die Brust gewehret!
Drachen-Blut hat dich getränckt! Basilisken-Fleisch gespeist!
REYEN.
O Schmertz! der unaußsprechlich beist und reist!
JULIA.
Götter! schaut Jhr dises an!
Schaut Jhr und mögt ruhig sitzen?
Ist kein Stral der treffen kan?
Waffnet Jhr Euch nur umbsonst mit den Donnerschwangern Blitzen /
Oder tragt Jhr Eure Pfeil' auff die Laster-losen Eichen?
Oder kan diß Mord-Geschrey nicht an Eur Gehöre reichen?
REYEN.
O Weh! O Ach!
JULIA.
Heilge Themis! Rach! O Rach!
Heilge Themis! wo du nicht
[39] Vor gekrönte taub und blind;
Wo noch jemand Urthel spricht;
Wo noch eine Straffen sind;
Blitze! verhere! zustöre! verbrenne!
Wüte! verterbe! verwüste! zutrenne!
Reiß alle Grundfest umb auff die der Mörder baut!
Zuschmetter was Jhn schützt! zustoß auff was er traut!
REYEN.
O Weh! O herbes Weh!
JULIA.
Schau' ab von deiner Höh!
Schaw weiland mein Sever, numehr der Römer Gott!
Ja wol! Gott sonder Macht! dein Kind mein Sohn ist tod!
Soll man mit räuchren dich in so viel Tempeln ehren?
Und kanst nicht auff dein Blut / auff Julien nicht hören?
Ist diß was meinem Fleisch / was Mir dein Mund versprochen?
Ist dises Reich und Cron?
Beherrschest du die Welt? Und lässest ungerochen
Dein' Eh-Gemahl und Sohn?
REYEN.
O immer-neues Leid! O unerschöpffte Schmertzen!
JULIA.
Wehm geht ihr Sterblichen mein Hertzeleid zu Hertzen?
Ist jemand der nicht weiß was Zepter und Paläste /
Der komm' und blick uns an! Wir sitzen Demant-feste /
Umbringt mit glantzem Stahl; verwahrt mit Tausend Wehren /
Umbschrenckt mit strenger Macht / beschützt mit Tausend Heeren /
Biß sich das schnelle Rad umbwendet
Und ein schneller Augenblick
Die Herrli[ch]keit in nichts: Die Cron in Band und Strick
Die Ehr' in Schmach / die Lust in tiffste Schmertzen endet.
REYEN.
Ach! hochgestürtzte Fraw!
JULIA.
Ach hochgestürtztes Kind!
Mein Geta! meine Lust! mein herrschen und mein hoffen!
Ach hätt' uns doch vor dich der raue Schlag getroffen!
Ach leider! Ich empfind
[40] Nur mehr denn vil was eine Mutter sey!
Man stiß mein Hertz durch deine Wund' entzwey!
Mein eigen Blut sprützt vor auß deinen grimmen Wunden!
Ich fühle deine Qual! dich hat der Tod entbunden.
Dein Antlitz lebet noch / in dem das mein erblast;
Der Wangen Purpur stralt; weil mich der Tod umbfast.
Wahr ists! ich fühl' an dir die Adern nicht mehr spilen /
Was machts! Ich bin erstarrt / und fühle nicht mich fühlen.
O! könt Ich Niobe!
Mich plötzlich und noch warm in rauen Marmel schlissen!
O könt ich Salmacis in Threnen-Ströme flissen!
REYEN.
O Weh! O Weh!
JULIA.
O Blume deiner Zeit!
Deß hohen Vaters Wonne!
Der weiten Länder Freud und deiner Mutter Sonne!
Du Bild der Freundli[ch]keit!
Wirst du / in dem Morgen-Taw so entblättert und zutreten!
Ach gebährst du solches trauren deinem Rom und allen Städten?
Kanst du angenehmes Licht / nicht biß auff den Abend stehn
Must du eh der Tag sich theilet finster-bluttig untergehn?
REYEN.
O rauer Untergang! O Uhrsprung harter Nacht!
JULIA.
O Nacht! die uns zu früh' auß ihrer Klufft erwacht!
Die uns mit Finsternüß und schwartzem Dunckel decket!
Und mit Qual / Angst / und Furcht / Gespenst und rasen schrecket.
Was thu / was fang ich an?
Was schreibt dein Blut mir vor / ob dem die Erd' errötet!
Ich kan und bin behertzt zu tödten / der getödtet /
Ich eil! Ich wil! Ich kan!
Durch deß Verräthers Tod den Bruder-Mord versöhnen /
Auff Läger! Läger auff! wer kan die That beschönen?
Die Bassian verübt? Auff Läger! steht mir bey!
Eur Fürst / Eur Geta rufft! hört auff sein Mord-Geschrey!
[41] Auff! waffnet Euch / die Jhr dem Fürsten theur verschworen!
Dem Fürsten! den (Ach!) Ich zu herrschen nicht geboren!
Betrübtes Rom! der dich zu schützen dachte:
Verbluttet und erstarrt.
Bestürtztes Rom! komm schaw doch und betrachte;
Was dein Fürst' in dir erharrt.
O wer die Colcher! O! wer Haemus raue Wälder /
Wer Schyten! wer den Pont / und der Cyrener Felder
Vor deine Pracht erwehlt!
Wer der Cimmerier uns nicht entdeckte Steine /
Wer Celten, wo es der geopfferten Gebeine
An Feur und Grabe fehlt
Für deinen Hof erkist. Du sahst es ja vorhin
Der du uns zu weichen rithest! Ach zu spät! nun glaub ich dir!
Uns war Sinn' und Witz verblendet / das Verhängnüß hilt uns hir.
Mich / Mich vor allen / die deß Unheils Ursach bin!
Was red' Ich und mit wehm? Kommt schwartze Rasereyen!
Jhr Töchter jener Nacht! entdeckt eur Schlangen-Haar!
Es wil noch Gott / noch Mensch uns einig Ohre leihen!
Kommt steckt umb dise Baar
Die Jammer-Fackeln an / steckt an mit Grimm und wüten /
Der Mutter feige Seel / deß Mörders Geist mit zagen /
Denn Hof mit Durst nach Blut / trotzt Menschen diß zu wagen /
Was selbst dem Laster nicht erlaubt von Euch zu bitten.
Fegt Schmach mit Meyneid ab / Ich leih Euch Hertz und Hand!
Führt heut ein Traur-Spil auß / daß wer durchs weite Land /
Von unserm Jammer hör't auch ob der Rach erschrecke /
Und sein ertäubtes Ohr und starrend Auge decke /
[42] Der unbesonnen' Anfang müß auff ein so kläglich End' außgehn
Ob dem versteinten Völckern auch die nassen haar zu berge stehn!

Julia. Reyen deß Frauenzimmers. Thrasullus.
THRASULLUS.
Durchläuchtigst ich bekenn': es ist was frech gewaget
Daß Ich mich untersteh / Sie / die die Welt beklaget /
Daß Ich mich untersteh / weil noch der Donnerschlag
Der disen Augenblick auff Jhren haaren lag /
Durch alle Zimmer kracht; weil Sie sich kaum kan regen /
Noch minder starrend weiß Jhr Leid zu überlegen;
Durch Red' und Gegenwart zu hindern ihr gewein.
Wenn Hertz und Seele weg / geht uns kein trösten ein
Durchlauchtigst'. Ich der stets geflissen Jhr zu dinen /
Bin Jhr zu Dinst / mit Jhr zu klagen / hir erschinen.
In dem die grosse Stadt geheul' auff heulen häufft /
Und sich ob disem Fall in Threnen gantz vertäufft.
JULIA.
In Threnen! weil der Fürst in Fürsten-Blut uns badet.
Doch numehr hats ein End' / ein Wetter hat geschadet
So hefftig: Daß kein Sturm uns mehr verletzen kan!
Schaw wo Sever uns liß! schaw unsre Zepter an!
Schaw endlich unsern Sohn! ja unsers Sohnes Leichen!
Könt auch ein grösser Schmertz ein grösser Weib erreichen?
Ist diß das hohe Glück / ist diß deß Himmels Schluß
Der Cron' auff Cronen gab? Furcht / Kummer / Noth / Verdruß /
Neid / Argwohn / falsche Freund / Zanck / zagen / nichtig hoffen;
Ist was wir in dem Thron statt wahrer Schätz' antroffen.
Doch was uns einig lib / was je das Hertz erquickt /
Was über Cron und Thron ligt hir zerschellt / zerstückt /
[43] Zerschmettert und zerstäubt! O wer mit dir entbunden!
O Fürst! und seine Ruh durch deinen Stich gefunden!
THRASULLUS.
Der schmertzlich Anblick rjtzt die Wunden weiter auff
Und greifft sie schärffer an / der milden Zehren lauff
Ergeust und wil durchauß sich mit dem Purpur mischen /
Der auß den Brüsten strömt: Last uns das Blut abwischen!
Das als Corallen-äst an allen Glidern klebt.
Komm du bethrentes Volck: Kommt Jungfern / tragt und hebt
Den / der das Reich erhob / der alle Last ertragen /
Die unerträglich schien. Entfernt der Mutter zagen
Deß Sohns entseelte Leich. Geht! geht! schafft Nard und Wein!
Und hüllt den reinen Leib mit Myhr und Balsam ein /
In Stück-werck weiser Faust / zirt die gekrönten Haare
Mit Palm und Lorber-Laub / schmückt die bedeckte Baare
Mit euren Flechten auß. Princess' ich sucht allein
Auff zwey / drey Wort / Jhr Ohr: Ich bote neuer Pein /
Und Bürge neuer Lust. Sie dencke was zurücke!
Bin Ich nicht der vorlängst das ungeheure Stücke
Auß Jhren Sternen las? Und Jhr den fall entwarff
Den vor deß Fürsten Grimm kein Mensch beklagen darff?
JULIA.
Wahr ists! du bists der uns deß Käysers Eh versprochen /
Und eh Severus Stul durch seinen Tod zubrochen
Uns früh sein End entdeckt! ach aber! diser Schlag
Ist was ich nie gefurcht und noch kaum glauben mag.
THRASULLUS.
Princesse warnt Ich nicht daß Geta bald würd' enden.
JULIA.
Doch wer entsetzte sich vor Kind und Bruders Händen?
THRASULLUS.
Daß Jhn ein mördlich Stich solt opffern seiner Baar.
[44]
JULIA.
Wahr ists. Doch scheuten wir nichts / denn nur Krigs-Gefahr.
THRASULLUS.
Durchlauchtigst': Jtzt ists Zeit für Heil und Haubt zu wachen.
JULIA.
Zu wachen nun mein Schatz und gut in Todes-Rachen!
THRASULLUS.
Sie hat noch mehr denn vil / das auff der Wage steht.
JULIA.
Reich / Cron und Sohn ist hin! und was nicht hin / vergeht.
THRASULLUS.
Sie hat noch Reich und Sohn und Leben zu verlieren.
JULIA.
Der Mörder lasse mich nur bald zur Schlacht-Banck führen!
THRASULLUS.
Princeß Sie linder was / den hart erhjtzten Mut.
JULIA.
Den durch und durch erhjtzt deß Kindes heisses Blut.
THRASULLUS.
Sie schon' Jhr eigen Blut unnötig zu vergissen!
JULIA.
O könt es dise Stund' auß allen Adern flissen!
THRASULLUS.
Es bringt den Fürsten nicht auß Ditis Klufft zurück.
JULIA.
Er führt in Ditis Klufft all unser Heil und Glück.
THRASULLUS.
Jhr blüht ein grösser Glück, 24 wo Sie den Sturm kan meiden.
JULIA.
Und haben wir noch was nach disem Leid zu leiden!
THRASULLUS.
Ja wol! die Wolck ist noch mit einem Stral gefast.
JULIA.
Was dräut der Himmel denn vor eine neue Last?
THRASULLUS.
Er dräut Jhr Ach und Tod wo Sie den Schmertz läst blicken. 25
JULIA.
Wie kan ein bluttend Hertz so raue Qual verdrücken.
THRASULLUS.
Geduld! hir muß es seyn wo Nero Zepter trägt.
JULIA.
Hört Götter jener Welt! was wird uns aufferlegt.
THRASULLUS.
Hir / hir steht Agrippin, wo Sie nicht kan verschmertzen.
JULIA.
Wie? soll denn Julie mit disem Traur-Spil schertzen?
[45]
THRASULLUS.
Fürstinnen kommt was mehr denn schlechten Müttern zu.
JULIA.
Deß Pövels Mutter hat mehr denn Princessen Ruh.
THRASULLUS.
Fürstinnen suchen Nutz auch auß Verlust zu erben.
JULIA.
Nutz mehr denn vil vor uns / wenn Wir gerochen sterben.
THRASULLUS.
Das Glück beut Jhr die Rach mit Rom und Zepter an.
JULIA.
Es fahre Rom und Reich wenn man sich rächen kan!
THRASULLUS.
Sie traw auff meine Wort' und hemme Schmertz und Zehren!
Der Haubtmann so den Leib deß Fürsten wird begehren!
Hat Macht; wofern Sie muckt auff Jhren Hals zu gehn!
JULIA.
Der grimme Zorn reist auß / die weiche Threnen stehn!
So steht dem Mörder frey auff Tygers Art zu wüten?
Und uns wird nicht vergont die Wehmut außzuschütten /
Gedoppelt grimmer Grimm! er raubt dem Bruder Zeit!
Den Freunden letzte Gunst! und uns Empfindli[ch]keit!
Wo sind Wir!
THRASULLUS.
Werthe Fraw Sie lasse sich bewegen.
JULIA.
Wol! wol! du bist erhört / last uns das Leid hinlegen
Das schlecht und weibisch steht / das Hertz ergrimmt und klopfft
Stirn / Wang' und Auge feurt / wie wenn die Lufft verstopfft
In unter-irrdsche Gäng' und keinen Außfall kennet
Biß die erhjtzte Glut durch alle Klüffte brennet
Und Fels und steile Berg' / und gantze Städt umbreist /
Und Menschen / Flamm und Graus biß in die Wolcken schmeist.
Klagt alle den man nicht die Threnen kan verschrencken!
Wir suchen Geta dir was mehr auffs Grab zu schencken.

[46] Der Cämmerer. Julia. Thrasullus.
CÄMMERER.
Fürstin / Cleander kömmt mits Käysers Cammer-Wach!
JULIA.
Deß Laetus höchster Feind! mehr denn gewüntschte Sach!
THRASULLUS.
Jtzt / jtzt / ists Zeit den Grimm der Schmertzen was zu zwingen.
JULIA.
Bleib unbesorgt. Wir sind entschlossen durch zu dringen
Wohin der Himmel rufft. Jhr Götter jener Welt
Jhr Kräffte die das Reich der untern Kercker hält /
Führt meinen Anschlag auß. Was ist Jhm anbefohlen?
CÄMMERER.
Er wil auffs Käysers Wort deß Fürsten Leich abholen.
JULIA.
Man leit Jhn durch den Saal wo unser Volck sich müht
Umb Grab-Schmuck zu der Blum die vor der Zeit verblüht.
Wir folgen auff dem Fuss' erbötigst Jhn zu hören!
Dir Rach thu einig Ich diß was ich thu zu ehren.

Reyen der Themis und der Rasereyen.
Themis steigt unter dem Klang der Trompeten auß den Wolcken auff die Erden.
THEMIS.
Der Greuel ist vollbracht
Der ernsten Rache macht
Soll auff die That einbrechen!
Man wird durch Sud und Nord /
Von disem Bruder-mord;
Mehr von der Straffe sprechen.

Das umbgesprützte Blut;
Erfodert Schwerdt und Glut.
Ich werd ein Traur-spil stifften:
Das mit gewalt und leid /
[47] Wird die bestürtzte Zeit /
Erschrecken und vergifften.

Der Bruder-Mörder fällt /
Zu Hohn der grossen Welt /
In tiffer Sünd auß Sünden.
Doch muß Ich vor sein Hertz
Mit ewig heissem Schmertz
Erfüllen und entzünden.

Du steh Papinian!
Sih kein bedräuen an!
Erschrick vor keinem tödten!
Durch das gezuckte Beil;
Erlangst du Ruhm und Heil /
Und weichst den grimmen Nöthen.

Er schadet sich / nicht dir
Weil Er / was für und für
Hat vor sein Haubt gestanden;
Von seiner Seiten stöst /
Und sich dem Dolch entblöst
Der schon vor Jhn verhanden.

Reiß Ditis Klufft entzwey!
Kommt Schwestern alle drey!
Jhr Wolcken lasst mich nider.
Kommt Rasereyen vor!
Kommt auß der Höllen Thor!
Mir ist Verzug zu wider.

Reyen der Rasereyen.
Kommen auß der Erden hervor.

Höchstes Recht der heilgen Welt!
Schaw man stellt sich willig ein.
[48] Was Cocytus noch verhält:
Wil dir stracks zu Dinste seyn.
Soll man Reich und Reich verheeren?
Soll man Städt' in nichts verkehren?
Soll man Thron und Zepter brechen?
Soll man Recht' und Satzung schwächen?
ALECTO.
Wohin willst du daß ich eil?
Grimm und Fackel ist entbrant.
TISIPHONE.
Fürstin hir ist Flamm und Pfeil!
Worzu brauchst du meine Hand?
MEGAERA.
Schaw wie sich die Schlange wind'
Mehr durch deine Blick' erhjtzt
Gifft ist / Feindin aller Sünd /
Was von meiner Scheitel schwjtzt.
ALLE DREY.
Dir Heiligste zu dinen
Sind wir bereit erschinen.
GERECHTIGKEIT.
Das grosse Rom erstarrt / ob seinem Bassian.
Sein Bruder fil durch Jhn; fallt ihr den Mörder an.
Er tödte was Jhn trib diß Schand-Stück zu begehen.
Er tödte was Jhm trew / durch den sein Reich kan stehen.
Entsteckt den tollen Geist mit Höllen-heisser Brunst
Er suche (wo Jhr wist und Ich nicht nenne) Gunst.
Er zag ob idem Blat und beb ob seinen Thaten.
Und fall auff eignen Mist / tod / blutig / und verrathen.
ALLE DREY.
Wir gehn behertzt dein wollen zu vollbringen.
So müsse Thron und Cron in Stücken springen!
So zitter ob der Straffe schweren Pein
Wer Heilge dir mag widerspenstig seyn.

Themis steiget unter dem Trompeten-Schall wider in die Wolcken.

3. Akt

[49] Die Dritte Abhandelung.

Bassianus und der 1. Hauptmann ausser dem Gemach.

Ach Bruder! Ach Sever! Ach Mutter! Ach geschehn!

Soll denn das grosse Rom den andern Nero 26 sehn!

Wer sind wir und wohin ist unser Ruhm verschwunden!

Verschwunden! Ach! Er starb durch unsers Bruders Wunden!

Verbracht und nie bedacht! und zwar durch unser Hand

Den Bruder-Mord verübt! was wird das ferne Land /

Wie wird das weite Reich die Unthat überlegen!

Was frembde Völcker wird nicht diser Schlag bewegen?

Gesetzt daß Geta sich zu etwas hätt erkühnt;

Ja daß er Lebens-Straff und Untergang verdint /

Muß sein verwandtes Blut denn dise Faust beflecken?

Muß seinen Mißverstand mein eigne Schmach verdecken?

Ha! Zepter theur erkaufft! Ha! Purpur-rot von Scham!

Rot von deß Brudern Blut! wir sind dem Leben gram

Das sich vor sich entsetzt! Ach! gar zu bald vollzogen;

Was nicht zu ändern steht! vollzogen; nie erwogen /

Als nach verübtem Werck! und soll man weiter gehn?

Kan wer gefrevelt hat nicht in dem fallen stehn?

Ach nein! wer einmal schon berg'-ab ins lauffen kommen;

Wird wider will' und macht vom rennen hingenommen /

Biß daß Er über Hals in tiffe Thäler stürtzt /

Und in Morast und Sumpff deß Lebens Zil verkürtzt.

Wer traut uns künfftig mehr? Wehm können wir vertrauen?

Wenn nicht das nechste Blut könt auff uns sicher bauen?

Das durch uns selbst verfil / und vilen dises dräut

Was wir gezwungen thun / und uns nicht minder reut /

Weil Stat und Noth uns zwingt / umb Rache zu verhüten:

In diß was Geta treu' / und jemals lib / zu wüten.

Ach Götter! ach was Rath! ach Bruder! ach Geduld!

Verzeih betrübter Geist / es war nicht unser Schuld!

[50] Es war zwar unser Schuld / doch wurden wir getriben /

Durch die / die Eigen-nutz mehr denn den Fürsten liben.

Durch die / die wider dich zum Eyver uns erregt /

Und Jhr selbst eigen Feur zu diser Brunst gelegt.

Durch die / die was Sie uns lib dachten / vorgepfiffen.

Die sich durch dise Thurst an unserm Ruhm vergriffen.

Wir sehns! doch nun zu spät! ach übel sonder Rath!

Auff Geist! ermunter dich / gib bey der frechen That

Noch einer Tugend Rest der nach-Welt zu erkennen.

Sie mag dich wie sie wil / und billich grausam nennen

Doch füge sie darzu; daß Bassian verspürt

Daß Er durch falsche Räth' auff eine That verführt /

Die er zu straffen sucht. Diß ist das schändlich' Eisen /

Dem aller Zeiten Zeit den Greuel wird verweisen.

Es fahr in Laetus Hertz! halt inn'; es ist zu gut.

Mischt deß Verräthers nicht / mit unsers Bruders / Blut

Das auff der Klingen starrt / hir sind noch neue Dolchen /

Hir Lybisch Gifft / gestärckt mit safft ergrimmter Molchen.

Geh Blatter dises Hofs! wir lassen dir die wahl /

Vor den verfluchten Rath. Njhm Becher oder Stahl!

Weil sich die That nicht läst in Lethe strohm versencken;

Soll durch die mittel man Jhr unverfälscht gedencken.

Schaw her auff deine Rach / du seyst auch wo du seyst:

Dein erster Tod-feind ligt / du hast entleibter Geist

Mehr Mittel / jtzt die Feind' / als lebend / auffzureiben.

Stracks Haubtmann.

HAUBTMANN.
Grosser Fürst.
BASSIANUS.
Man bring uns Zeug zu schreiben
Stell' unsern Briff alsbald / und selbst / dem Laetus zu /
Mit dem verdeckten Gold / und / daß er eilend thu /
Was wir zu recht erkennt.
HAUBTMANN.
Mein Fürst; es soll geschehen
Cleander sucht verhör.
BASSIANUS.
Cleander mag uns sehen.

[51] Cleander. Bassianus.
CLEANDER.
Was mir der Fürst vertraut / ist / und nach Wuntsch / verricht.
Der Hof ist höchst-bemüht die letzte Todten-Pflicht
Der abgeholten Leich' auffs prächtigst' abzulegen.
Die Mutter selbst beginnt den Unfall zu erwegen /
Und klagt mit mehr Verstand als man vermuten kan /
Und Frauen sonst gewohnt / bloß das Verhängnüß an.
BASSIANUS.
Meld' / und verhöl uns nichts wie Sie dich hab empfangen.
Ob Sie: wie und wie fern / mit Worten sich vergangen /
Mit kurtzem: Jhr Geberd'. Ein schweigend Aug' entdeckt
Offt mehr / denn Furcht und Zwang und stummer Mund versteckt.
CLEANDER.
Alsbald man Jhr vermeldt daß ich deß Fürsten willen /
So vil die Leich antrifft / erschienen zu erfüllen;
(Ich schwer' / und bey dem Heil deß Käysers / daß Ich nicht
Noch jemand was zu leid / noch Jhr zu lib' erdicht)
Hat man mich auff Jhr Wort geleitet / wo die Schaaren
Der Frauen umb den Leib deß Fürsten embsig waren /
Wie der bemühte Schwarm wenn sich der Tag verjüngt /
Umb frischen Klee / Camill und reine Rosen dringt.
Theils reinigten vom blutt die nun erblasten glider /
Theils wusch / theils netzte sie mit milden Threnen wieder /
Theils mischten Nard' und Myhr' und Socotriner Safft, 27
Und streuten Weyrauch in deß Balsams feiste Krafft /
Theils seufftzten überlaut / und schlugen Arm und Brüste:
Theils suchten Schmuck und Zeug zum letzten Traur-Gerüste /
Biß die Princesse selbst sich in das Zimmer fand /
Die / das noch nicht in Eil / verwechselte Gewand
[52] Vom Haubt biß auff den Fuß mit schwartzer Seid umbhüllet:
Da sich der gantze Saal bloß auff ihr wincken stillet.
Sie saß / doch war ihr Haubt Mir seitwerts abgewand.
Und die betrübte Stirn lehnt auff der rechten Hand.
So bald Ich / was der Fürst Jhr durch mich an-liß sagen /
Der ernsten schweigenden umbständlich vorgetragen;
Strich Sie das schwartze Tuch von Jhrem Antlitz hin /
Das durch die Finsternüß des traurens heller schin /
Wie wenn Dian bey Nacht auffgeht mit vollem Lichte;
Und sprach mit etwas mehr ermuntertem Gesichte:
Der ungeheure fall' und was ihr schrecklich acht /
Und frembd' und unerhört ins Pövels Ohren kracht /
Kommt uns nicht unverhofft. Als der die Welt erblicket;
Umb den man itzund traurt: Ward Jhm der Tod beschicket.
Es wuste schon Sever eh Jhn der Götter Schaar
Auß unsern Armen riß daß Geta kurtze Jahr
Zu herrschen angesetzt. Uns ist er stets verstorben:
Biß unser Furcht ihr End' in seinem End' erworben /
Die nun nichts weiter sorgt. Zwar eine Mutter schmertzt
So rauer Untergang! doch Julie behertzt;
Daß ungemeines Glück leid' ungemeine Stösse /
Und überlegt den Schlag nach Jhrer Hoheit Grösse.
Hat das Verhängnüß uns in Römschen Thron gesetzt;
Hat der uns / der nun Gott / der Ehe werth geschätzt;
Liß er den Antonin als eignes Kind uns küssen:
Beschauten wir die Welt vor unsers Sohnes Füssen:
Und solten / nun die Zeit nichts höhers vor uns weiß /
Beklagen / was uns läst? Die baut auff schwaches Eiß /
Und ist nicht Zepters werth: Die weil Sie Zepter träget /
Was werther hält als sich. Die Erde wird beweget
Das Stirnen-Band 28 zureist. Man bringt die Todten-Baar
Für Kinder / für Gemahl / für Freunde. Ja die Schaar
Der Libsten wechselt offt und freut sich zu verletzen:
Vor die Sie vor den Hals entschlossen auff zu setzen.
[53] Ein unverzagt Gemüt steht wenn der Himmel fällt /
Und steigt im Untergang / und trotzt die grosse Welt.
So / ob die Mutter zwar verleurt was Sie geboren:
Hat Julie doch nichts bey der Verlust verloren.
BASSIANUS.
Unendlich grosser Geist / und grössern Glückes werth!
CLEANDER.
Das (fuhr sie fort) der Fürst deß Cörpers Rest begehrt:
Ist vil vor uns / und den der (wo er ja geglitten /
Auß Unverstand und Wahn) so raue Straff erlidten!
Cleander, wir gestehn / es mag nicht alles fein /
(Was unser Kind verübt) und ohne Zusatz seyn.
Doch war der Jugend vil / und Zungen die uns treiben /
Und eingebild'tem Wahn nicht wenig zuzuschreiben.
Auß Vorsatz hat man nie deß Fürsten Zorn erregt.
Wo durch diß Opffer nun die Schuld nicht außgefegt;
So stehen wir bereit / was Er verbrach / zu büssen /
Und willig unser Blut die Stunde zu vergissen.
Wo aber (wie du sagst) der Fürst als unser Kind /
Noch was von minster Hold vor seine Mutter find:
So meld' Jhm: Daß vor Jhn mehr Kummer an uns setze;
Als jemand meynt / das weh uns umb den Fall verletze.
BASSIANUS.
Wie? Kummer! und vor uns?
CLEANDER.
Fürst Geta, (sprach sie) ligt /
Nicht durch deß Brudern Faust. O nein! er ward bekrigt
Durch Meuchelmörder ränck. Es war deß Laetus zungen /
(Nicht Antoninus Stahl) die Jhm die Brust durchdrungen.
Er ists! der längst auff uns das scharffe Schwerdt gewetzt.
Er ists! der Fürst' auff Fürst' und Blutt auff Blutt verhetzt!
Er ists! der seinen Grimm durch Fürsten auß kan führen /
Durch den die Mutter / Kind / und Sohn den Ruhm verliren /
Der Antonin in Haß / und uns in Wehmut stürtzt /
Der Antoninus Ehr und Getae Zeit verkürtzt.
BASSIANUS.
Ach leider! grosse Fraw! du hast den Zweck getroffen!
[54] Ohn Laetus reitzen war der Unfall nicht zu hoffen!
Ach freilich! Laetus ists! der zu dem Stück uns trib.
CLEANDER.
Wo du noch (sprach sie) trew / wo dir Severus lib;
Der nun in Antonin und unser Seelen blühet /
Trag diß dem Käyser vor: Daß ob er jtzt nicht sihet /
Was Laetus vor jhn spinnt / doch endlich unsern Rath /
(Helfft Götter! daß nicht nur nach schon verübter That!)
Wird / ob wir auß der Welt / vor Welt und Göttern preisen.
Geht! geht! tragt Getam fort! der Feind schleifft Dolch und Eisen!
Auff dich mein Antonin! geht! Geta! gute Nacht!
Nim Antonin dich selbst / (weil Geta fällt) in acht!
Sie wolte noch was mehr / als Sie vor Threnen-rinnen;
Vor seuffzen und geschluck kein Wort außdrucken können.
Doch da der Diner Schaar / das Leich-Bett jtzt ergriff:
Wand Sie sich umb die Baar. Küst Getam offt und riff:
Mein Kind! Mein Sohn! Ade! Was muß Ich nicht verliren!
Man soll dich / werther Fürst / in dein Begräbnüß führen!
Und dich mein Antonin verführt der falsche Geist!
Zu beyder Untergang! geht die Jhr trew / und reist
Deß Ertz-Verräthers Hertz in tausend / tausend Stücke /
Geht! greifft den Mörder an: Er fall in seine Stricke /
Die er Sever dir noch in deinen Söhnen legt /
Geht! wo euch unser Angst unds Fürsten Ruhm bewegt;
Und bringt statt diser Leich' und nun erstarrten Glider /
Mir / auff deß Fürsten Wort / den Ertz-Verräther wieder.
So zehle Bassian unendlich lange Jahr!
Der Himmel leg' Jhm zu was uns noch übrig war!
Und was der Parcen Faust dem Bruder abgerissen /
Er herrsche! daß Jhm Schyt und Parthen dinen müssen!
Und daß die Welt von Jhm mit vollem Ruhm außschrey:
Daß Er selbst herrsch' 29 und nicht der Knechte Diner sey.
BASSIANUS.
Ob Rache zwar und Furcht die strengen Worte führen:
Doch können wir so vil an Laetus Werck verspüren /
[55] Daß er was ferner such' als seines Fürsten Heil.
Drumb hat er jtzt von uns schon sein bescheiden theil. 30
Weil dennoch Julie so embsig es begehret;
So werd Er (wo Er lebt) zur Straff Jhr stracks gewehret.
Hat aber Er der Zeit sich etwa schon beraubt:
So legt vor Jhren Fuß sein abgeschmissen Haubt.
Eilt Haubtleut: Und vollziht was Wir zu thun gebitten!
Uns dünckt umb frembde Red' 31 und Urtheil zu verhütten
Höchst-nötigst: Daß die Leich' (auffs prächtigst als man kan)
Werd' auff die Glut versetzt. Man zeig unfehlbar an;
Daß Bürgermeister / Rath und Ritterschafft sich finde:
Daß man Cypressen-Sträuch' umb alle Gassen winde /
Daß man die Tempel schliss' und nichts was möglich sey
Zu leisten unterlass'. Alsbald das Leid vorbey;
Soll in der Götter Schaar den Bruder man erheben /
Durch Adler / Flamm' und Zelt. Rom soll Jhm Tempel geben, 32
Und Prister / und Altar / und Denckmal / Schild und Bild /
Diß sey des Probus sorg. Wir wollen alle mild'
Für angewendten fleiß mit Ehr und Gut bedencken.
Daß sich die Läger nicht auff frembde Sinnen lencken:
Muß man / wie hoch und offt der Bruder uns verletzt /
Wie frech und hefftig Er sich heut' uns widersetzt /
Und ungescheut gesucht zu tödten und zu fällen /
Uns selbst / und was uns hold; dem Heer vor Augen stellen.
Diß ist das gröste Werck. Hir dint Papinian,
Das Wunder unsrer Zeit. Cleander zeig jhm an
Daß Er / (auff dessen Trew wir einig uns verlassen)
Uns bald die Red' an Rath und Läger woll' abfassen.

Laetus. Sabinus.
SABINUS.
Der Antoninen Haus / bricht von sich selbst entzwey.
Der trotze Bassian wird zwar deß Brudern frey;
[56] Doch schwächt er seine Macht / und hat die Seit' entblösset /
Für jeden / der auff Jhn mit frischer faust loß stösset.
Er steht auff seinem Fall. Wer itzund herrschen wil
Der räche disen Tod. Scheins mehr denn nur zu vil!
LAETUS.
Wahr ists! wir sind numehr dem Thron umb so vil näher.
Doch muß man vor sich sehn / je höher Berg' / je gäher.
Wir haben sonder Ruhm nicht kleinen Ruhm erjagt:
In dem durch alle Fäll / Hertz / Leib und Blut gewagt.
Der Scheitel ist uns schir mit Silber-Haar bedecket.
In dem wir vor dem Feind' in Stahl und Ertz gestecket.
Rom kennt woher wir sind. Der Rath kennt den Verstand /
Das Läger unsern Mut / das Volck die milde Hand.
Wir sind die ersten nicht die bloß durch Mut in Sigen /
Und durch der Völcker Hold deß Caesars Stul bestigen.
Mit kurtzem: Laetus ist der vor Severus war!
Ohn / daß er zu dem Reich bringt mehr bequeme Jahr.
SABINUS.
Bequemer als Sever; 33 der / als die Kräfft entgangen
Und Mut und Stärck' hinweg; zu herrschen angefangen.
Dem die bereiffte Zeit gab Spornen vor Gebiß /
Und murrisch' Ungeduld vor Jugend hinterliß.
Bequemer als sein Blut / das in erhjtztem rasen
Schir neuen Bürger-Krig durch zwytracht aufgeblasen /
Das nun mit Bruder-Mord den Fürsten-Hof befleckt /
Das mit so rauem Fall die grosse Welt erschreckt.
LAETUS.
Diß bleib an seinem Ort! man laß uns recht erwegen;
Was noch am wege steh' und wie es hin zu legen.
SABINUS.
Der Fürst kan nach der That deß Throns nicht würdig seyn.
LAETUS.
Diß ist die minste Sorg' und gar nicht was Ich meyn'.
SABINUS.
Die Mutter ist vilmehr auff strenge Rach gesonnen.
[57]
LAETUS.
Wer Getam rächen kan: Hat Julien gewonnen.
SABINUS.
Ich sehe weiter nicht / wer so vil hindern kan.
LAETUS.
Ich einen! der zu trew!
SABINUS.
Wer ists?
LAETUS.
Papinian!
Ohn disen hätte nie der Glantz der Antoninen
In Purpur von dem Thron durch alle Welt geschinen.
Ohn disen hätte nicht biß auff die letzte Nacht /
Sever so lange Jahr in stoltzer Ruh verbracht.
Daß Bassian biß heut' in voller Macht gesessen;
Daß Geta nicht vorlängst mit Nam' und Leib vergessen:
Daß nicht das grosse Reich in heller zwytracht brennt:
Daß Rom noch einen Rath und eine Freundschafft kennt:
Daß Bassian vorhin wie bißher sicher blieben:
Werd einig disem Mann von allen zugeschrieben!
SABINUS.
Wahr ists! Er hat gar offt den Bruder-Zanck verwehrt!
Er hat der Läger Haß in lauter Gunst verkehrt.
Er hat was jtzt verbracht / biß itzund hinterzogen /
Ja blib dem Bassian und Geta gleich gewogen.
Ob schon Verwandschafft Jhm den Einen mehr verband;
Ob schon der ander Jhm ging besser an die Hand.
Wie wird Er aber jtzt zu disem Mord sich stellen?
LAETUS.
Wo Bassian nicht schlägt; wird Jhn doch Geta fällen.
Unmöglich daß Er nicht hir sein Gemüt erklär.
Ob er dem Mörder hold / ob Getae Tod beschwer.
Er wird (kenn Ich Jhn recht) so wenig jenes toben
Als dessen Untergang (vor wem es seyn mag) loben.
Geh' eilends und ergründ' höchst-klagend sein Gemüt.
Merck auff / was er vor Wort in erstem Sturm' außschüt.
Auch die / die gantz durchübt Jhr Hertze zu verstecken:
Entdecken Seel und Sinn bey unverhofftem schrecken.
Man wird auß seiner Red' und Meinung stracks verstehn;
Wie mit Jhm uns zu nutz in künfftig umbzugehn.

[58] Laetus. Ein Käyserlicher Haubtmann. 1.
HAUBTMANN.
Der Käyser schickt Jhm / Herr / sein eigenhändig Schreiben /
Und was diß Gold verdeckt / und schafft mir anzutreiben:
Daß disem / was er heischt / in Eil genung gescheh.
LAETUS.
Trit ab / biß daß Ich mich was in dem Briff erseh.
Der Käyser zweiffle nicht! Ich bin bereit zu dinen.
Ja vor Jhn mich in Noht und sterben zu erkühnen.
HAUBTMANN.
Mein Herr Ich geh.
LAETUS.
Nicht fern! welch zittern stöst mich an!
Wie daß Ich das Papir nicht recht entbinden kan?
Hilff Himmel was ist diß! was schreibt Er! kan ich lesen!
Was ruht auff disem Blat? Mein sterben / mein genesen?
Weil Mittel uns entgehn /
Dir deinen Rath und Dinste zu vergelten /
Und uns nicht an wil stehn /
Daß uns die Nach-Welt solt undanckbar schelten:
So zahle dich mit eignen Händen /
Durch dises was wir übersenden.
Wie? Was Geschenck ist diß! Mir? Dolchen? Strang? und Gifft?
Bin Ichs den diser Blitz deß Bruder-Mörders trifft?
Wie? Mir! vor Rath und Dinst? Wie? Soll mein Blutvergissen
Beschönen deine Feil? entladen dein Gewissen?
Mir! Dolchen? Strang und Gifft! Wahr ists! ach Ich verdin /
Gifft leider! Strang und Dolch! doch nicht an Antonin!
Nicht an dem Wunder-Thir / dem tollen Ungeheuer /
Das würgend tobt und raast mit Hacken / Rad und Feuer /
Wahr ists! ach ich verdin / ach! Dolchen / Gifft und Strang!
Ah todter Fürst an dir! nach dessen Grufft Ich rang!
Auff den die schlaue Zung den Bassian vergifftet!
[59] Die Zunge / die dir heut' hat jeden Stich gestifftet.
Wahr ists! ach Ich verdin'! ach! Dolchen / Strang und Gifft!
An niemand denn an mir / den selbst das Ubel trifft
Das Ich / doch nur zu spät' auff ander außgesonnen!
Du hast mir / Bassian, du hast mir abgewonnen /
Weil du mich übereilt! Wer hat mich dir entdeckt?
Stirb Laetus! stirb! du hast die Gluth selbst angesteckt;
Die dich zu Aschen brennt! du hast den Tod verschuldet!
Weil du diß Unthier hast so lang in Rom erduldet.
Stirb Laetus! weil du selbst hast deine Zeit verschertzt!
Weil du Gelegenheit nie unverzagt behertzt.
Was red' Ich? Kont Ich heut den Mörder nicht erwischen?
Und mit deß Brudern Blut sein schuldig Blut vermischen?
Da bot das Glück sich dar; als in der Frauen meng'
Der Mörder kaum entkam dem heulenden Gedräng /
Wer hätt / hätt Ich die Faust dem Vorsatz können leihen /
Der unverdachten That mit Fug mich können zeihen?
Stirb Laetus! stirb! weil nichts vor dich zu hoffen steht:
Weil Vorsatz / Anschlag / Ehr und Stand zurücke geht.
Entzeuch den Greueln dich und den verfluchten Zeiten /
Die Helden in die Band und feig' auff Throne leiten.
Bezeuge mit dem Tod daß Rom nicht deiner werth /
Was / weil es dar / verlacht; wird / wenn es hin begehrt.
Bezeuge mit dem Tod daß dich nichts trotzen könne;
Gesetzt daß Bassian dir auch das Leben gönne!
Bezeuge mit dem Tod daß der kein Leben acht'
Der ewig überherrt schmacht' unter frembder Macht.
Wie? Soll Ich denn allein die letzte Zeit beschlissen?
Soll die bestürtzte Stadt nur mich heut einig missen?
Mein Geist! dafern der Leib' in Aschen soll vergehn:
So zünd' ein Feuer an das vor die müh kan stehn.
Nein! Laetus ist behertzt noch höher zu erdrucken /
In dem Er niderfällt! und alles hin zu rucken /
Was uns zu stürtzen sucht! hir steht der letzte Satz:
[60] Ein Augenblick verspilt und gibt den höchsten Schatz.
Was aber fang ich an? Wie brauch ich dein Geschencke?
Ertz-Mörder! daß Ich dir selbst deine Gifft einträncke?
Begehr Ich noch einmal von Bassian gehör /
Als wenn mir was entdeckt zu rettung seiner Ehr?
Als wenn Ich auff Jhn selbst von einem Anschlag wüste;
Und stoss' Jhm / wenn er kömmt die Dolchen durch die Brüste.
Umbsonst! der zage läst mich nimmer vor Gesicht!
Er scheut sich vor sich selbst. Such' Ich deß Tages Licht
Und renne durch die Stadt umbringt mit dicken Hauffen
Die umb mich für und für und Mir zu Dinste lauffen?
Und ruff' umb Hülff und Recht und flih das Läger an?
Und zeige wie der Fürst die Dinst ablohnen kan?
Die mit und unter mir in Stahl und Staub geschwitzet;
Vil / welche Geten Tod durch Hertz und Seele ritzet;
Beschirmen meine Sach! ach aber! wenn entdeckt:
Daß Ich der Brüder Zanck durch meine Zung entsteckt?
Doch könt es auch so bald durch Heer und Stadt erschallen?
Mit kurtzem / Laetus muß nur stürtzen / oder fallen!
Kein langer Rathschlag gilt! was schadets wenn versucht /
Was noch zu wagen steht! dafern es sonder Frucht /
Hab Ich die Schuld dem Glück' und mir nicht zuzuschreiben /
Auch besser / weil mich doch wil Bassian entleiben /
Daß Ich vor Freyheit / Volck / ja für den Thron verterb'
Als durch mein eigne Faust / als ein verzagter sterb.
Befreyte! Diner! Knecht! Leib-Knaben! Blut-Verwandten!
Kommt eilend! rufft herzu von Freunden / von Bekandten
Die zu erreichen sind:
HAUBTMANN.
Mein Herr / kein ruffen gilt!
Biß er deß Käysers Schluß an seinem Leib erfüllt /
Die Zimmer / dise Burg / die Thore sind besetzet /
LAETUS.
Ich habe / weil Ich lebt / nie Bassian verletzet;
Er gleichwol / wil mich tod. Gönnt daß Ich mich bereit!
Wer weigert sterbenden so engen Raum der Zeit?
[61] Rufft Eh-Gemahl und Kind! last mich den letzten Willen /
Wie uns das Recht erlaubt und bräuchlich / vor erfüllen.
HAUBTMANN.
Umbsonst! deß Käysers Wort schleust allen Zugang auß.
LAETUS.
Der Frembden: Aber nicht der / die in einem Haus.
HAUBTMANN.
Es steht uns hir nicht frey zu deuteln und zu dichten.
Der Käyser wil. Ich muß was Er mir schafft verrichten.
LAETUS.
Der Mir zu dancken hat daß Er noch schaffen kan?
Der durch mich herrscht?
HAUBTMANN.
Mein Herr! das geht mich gantz nicht an.
LAETUS.
Nur sagt: Warumb Ich denn das Leben soll beschlissen?
HAUBTMANN.
Ich bin sein Richter nicht / er frage sein Gewissen.
LAETUS.
Das keines Lasters mich noch Frevels überzeugt.
HAUBTMANN.
Das Hertz bekennet vil ob wol die Lippe treugt.
LAETUS.
Mein Unschuld wird bezeugt durch dein so scharff verfahren /
Hab Ich den Hals verwirckt: So last es offenbaren.
Stellt Zeug und Richter vor!
HAUBTMANN.
Der höchste Richter klagt.
Er selbst schickt Jhm den Schluß! nur schleunig! nie verzagt
Ein unerschreckter Held wenn Jhn der Tod erblicket.
Was aber? Was ist diß?

Laetus. Der 1. und 2. Haubtmann.

2. HAUBTMANN.
Halt inn! der Käyser schicket
Uns / selbst / und hebt die Straff und erstes Urtel auff /
LAETUS.
So bricht die Unschuld vor durch der Verläumbder Hauff.
2. HAUBTMANN.
Und wil / daß der Princeß man Laetum stracks gewehre.
[62]
LAETUS.
Wehm? Julien.
2. HAUBTMANN.
Gar recht!
LAETUS.
Verzeiht Mir! Ich beschwere
Mich über dise Gnad'!
2. HAUBTMANN.
Eilt! reist die Dolchen auß!
Nemt Gifft und Strick hinweg!
LAETUS.
In Grund gestürtztes Haus!
Durchauß gefällter Mensch! Soll Julie ihr wütten
Und rasend-tollen Mut auff dises Haubt außschütten?
Vergönnt uns Bassian nicht einen freyen Tod?
Hir ist deß Fürsten Hand! ich eile sein Gebot
Großmüttigst zu vollzjhn. Gebt Gifft und Dolchen wieder!
Vergönnt daß Mir zuletzt die sterbend' Augenlieder
Ein werther Freund verschliss'.
2. HAUBTMANN.
Umbsonst! die Zeit vergeht /
Folg! oder.
LAETUS.
Schaut die ihr nach Stand und Würden steht;
Die ihr durch Dinst und Blutt wolt Fürsten-Gunst erwerben;
So laufft die Freundschafft auß! wir suchen nichts denn sterben!
Und sterben wird versagt! diß was Jhr schrecklich heist!
Ist jtzt mein höchster Wuntsch! doch das Verhängnüß reist
Mich von der Frey-Stadt weg die allen offen stehet.
Bin ich durch so vil Schweiß zu disem Fall erhöhet?
Doch schneid't der Käyser Jhm die Sehnen selbst entzwey /
In dem Er die durchstößt durch die er kummer-frey /
Durch die Er sicher sjtzt!
2. HAUBTMANN.
Legt hand an!
LAETUS.
Trit zurücke;
Daß Ich mit diser Faust dir nicht den Hals erdrücke!
Weg ketten! geht! Ich folg' / ein nicht erschreckter Mutt /
Der nicht mehr dinen kan; vergeust das frische Blutt
Mehr freudig denn die Feind' erbittert Jhn zu pochen!
Geht! Laetus höhnt die Qual und stirbt nicht ungerochen.

[63] Cleander. Papinianus.
CLEANDER.
So schlägt Papinian deß Käysers bitten auß?
PAPINIANUS.
Papinian betraurt deß Käysers Ruhm und Haus!
CLEANDER.
Was kan man weiter thun bey schon verübten Sachen?
PAPINIANUS.
Verübte Greuel nicht zu Recht und Tugend machen.
CLEANDER.
Die Noth zwingt Fürsten offt was auß der Bahn zu gehn!
PAPINIANUS.
Nicht uns / wenn Sie verführt / dem freveln bey zu stehn.
CLEANDER.
Er hat in heissem Zorn die harte That vollzogen.
PAPINIANUS.
Wir sind jtzt bey Vernunfft / von keinem Zorn bewogen.
CLEANDER.
Der Bruder griff Jhn was mit rauen Worten an.
PAPINIANUS.
Wol raue / wenn sie nur der Tod außsöhnen kan.
CLEANDER.
Es stund dem jüngern an; dem ältern was zu weichen.
PAPINIANUS.
Und disem sich was mehr mit jenem zu vergleichen.
CLEANDER.
Man weiß daß Brüder doch gar selten eins gesinnt.
PAPINIANUS.
Wenn durch Verläumbdung / Haß / und Zanck die Gunst zerrinnt.
CLEANDER.
Noch minder sitzen zwey auff einem Stul bequeme.
PAPINIANUS.
Bequem! im fall der Stul der Tugend angeneme.
CLEANDER.
Kam mit deß Vatern Kind 34 je Nero überein?
PAPINIANUS.
Wo aber Marcus herrscht da kont auch Verus seyn.
[64]
CLEANDER.
Man hatt' auff Marcum diß / auff Verum das zu sagen.
PAPINIANUS.
Das Marcus stets mit Ruhm hat auß der acht geschlagen.
CLEANDER.
Da als er auff den Thron sich fest hatt' eingesetzt.
PAPINIANUS.
Die feste Ruh' ist hoch durch dise That verletzt.
CLEANDER.
Drumb soll Papinian mit Rath und Reden heilen.
PAPINIANUS.
Er kan dem Antonin nicht neuen Geist ertheilen.
CLEANDER.
Und doch dem Bassian erhalten Ruhm und Stand.
PAPINIANUS.
Er dint dem Bassian mit Hertzen / Seel und Hand.
CLEANDER.
Und weigert sich vor Jhn den Todschlag zu beschönen.
PAPINIANUS.
Wer den beschönen kan; kan Welt und Fürsten höhnen.
CLEANDER.
Diß Stück nimmt weil es noch verdeckt vil Farben an.
PAPINIANUS.
O Stück das keine Nacht noch Zeit verdecken kan!
CLEANDER.
Darnach man es der Welt wird in die Ohren bringen /
PAPINIANUS.
Verblümt es wie ihr wollt; es wird doch heßlich klingen /
CLEANDER.
Es ist wol eh'r und mehr / und hir und da geschehn.
PAPINIANUS.
Man wird auff Caesars Stul nicht vil dergleichen sehn.
CLEANDER.
Britannicus verfil durch seines Brudern Träncke /
PAPINIANUS.
Nicht durch entblösten Stahl / nur durch bedeckte Räncke.
[65]
CLEANDER.
Kein Unterscheid / ob Dolch / ob Gifft / die Rach außführ.
PAPINIANUS.
Ja dem / dem alles gleich; weit anders ists bey mir.
CLEANDER.
So schleust Papinian, das Gifft nur vor zu suchen.
PAPINIANUS.
Papinian muß Gifft und Bruder-Mord verfluchen.
CLEANDER.
Was ists denn das Er an dem Nero werther schätzt?
PAPINIANUS.
Daß Nero in der That sich ob der That entsetzt.
CLEANDER.
Er hiß den Gifft-Kelch selbst dem Bruder übergeben.
PAPINIANUS.
Damit es schien' es brächt Jhn strenge Seuch' umbs Leben.
CLEANDER.
Er griff die Mutter an mit scharff entblöster Wehr'.
PAPINIANUS.
Auß Jhrer Wunde rührt sein höchstes Unheil her.
CLEANDER.
Doch setzt Annaeus auff 35 daß es mit Recht geschehen.
PAPINIANUS.
Wie hat der grosse Mann so schlecht sich vorgesehen!
CLEANDER.
Er schrib von Agrippin' auffrichtig / klar und wahr.
PAPINIANUS.
Und dennoch fand sein Ruhm hirdurch die Todten-Baar.
CLEANDER.
Er that es umb den Ruhm deß Fürsten zu erhalten.
PAPINIANUS.
Und spür'te seinen Ruhm und jenes Lob veralten.
CLEANDER.
So steiff hat Burrhus nie dem Nero widerstrebt.
PAPINIANUS.
Ach! hätt Er (da noch Zeit:) mehr frey umb Jhn gelebt!
[66]
CLEANDER.
Mein Freund! wer lebt; der dint / wer dint; muß nichts versagen.
PAPINIANUS.
Wer so dint / wird Schmach / Schand und Fluch zu Lohne tragen.
CLEANDER.
Ach Götter! werther Freund! Er ringt nach seinem Tod.
PAPINIANUS.
Wer vor die Warheit stirbt; pocht aller Zeiten Noth.
CLEANDER.
Wie hitzig wird der Fürst den rauen Abschlag hören!
PAPINIANUS.
Ich muß das heil'ge Recht vor tausend Fürsten ehren.
CLEANDER.
Wo bleibt sein Stand? Sein Gut? und was Er hoffen kan?
PAPINIANUS.
Diß leere Kinder-werck geht schlechte Geister an!
CLEANDER.
Wil Er deß Käysers Grimm ein einig Kind vorwerffen?
PAPINIANUS.
Der Käyser kan ein Schwerdt auff Fleisch / nicht Seelen / schärffen.
CLEANDER.
Die werthe Plautie! der Himmel-hohe Geist!
PAPINIANUS.
Ist ihre Schwester nicht ins Elend längst verweist?
CLEANDER.
Wil Er sein gantzes Haus mit sich zu grunde stürtzen?
PAPINIANUS.
Vil liber / denn das Recht auch umb ein Haar abkürtzen?
CLEANDER.
Der Recht und Satzung gibt / hebt offt die Satzung auff.
PAPINIANUS.
Nicht die der Völcker Schluß erhält in stetem Lauff.
CLEANDER.
Die Römsche Taffeln 36 selbst sind durch die Zeit vertriben.
PAPINIANUS.
Der Götter ewig Recht ist stets im schwange bliben.
[67]
CLEANDER.
Es wird / wie was nur ist / in seine Nacht vergehn.
PAPINIANUS.
Es wird / wenn alles hin / in den Gewissen stehn.
CLEANDER.
Es ist der Völcker Recht das einen heist 37 gebitten.
PAPINIANUS.
Der Völcker Recht verbeut auff nechstes Blut zu wütten.
CLEANDER.
Die Stat-Sucht wischt das Recht bey allen Völckern auß.
PAPINIANUS.
Wo Stat-Sucht herrscht; verfällt der Fürsten Stul und Haus.
CLEANDER.
Gab Caesars letztes Blutt 38 nicht neue Macht zu freyen?
PAPINIANUS.
Must Jhm die neue Macht nicht zum verterb gedeyen?
CLEANDER.
Wo reist Papinian Jhn diser Eyfer hin?
PAPINIANUS.
Wo uns die Ewigkeit befestet den Gewin.
CLEANDER.
Er ist der Erden Haubt anjtzt der nechst auff Erden.
PAPINIANUS.
Und kan vor Abends noch der allerfernste werden.
CLEANDER.
Rath / Läger / Stadt und Reich wüntscht Jhm noch lange Zeit.
PAPINIANUS.
Rath / Läger / Stadt und Reich schaw mein Auffrichti[g]keit.
CLEANDER.
Wie wird / wo er verfällt das Spil so frembde lauffen!
PAPINIANUS.
Man wirfft durch eines Fall nicht Länder über Hauffen.
CLEANDER.
Das grosse Reich beruht sehr offt auff eines Heil.
PAPINIANUS.
Mir ist diß Haubt vors Reich; mehr vor die Warheit feil.
CLEANDER.
Soll ich dem Bassian die unsanfft' Antwort bringen?
[68]
PAPINIANUS.
Daß mein Gewissen nicht sich von Mir lasse zwingen.
CLEANDER.
Wil Er dem Käyser denn nicht rathen; rett' er sich.
PAPINIANUS.
Der Fürst hat Raths genung. Ich sorg' anjtzt für mich.
CLEANDER.
Ist denn Papinian durch gar nichts zu bewegen?
PAPINIANUS.
Pflag man je solchen Dinst 39 auff unser Ambt zu legen?
CLEANDER.
Der Käyser siht nicht Ambt / nur Freund / und Weißheit an.
PAPINIANUS.
Der ist nicht diß nicht das der diß verrichten kan.
CLEANDER.
Ach grosser Geist! Ich seh' ein grimmig Ungewitter!
PAPINIANUS.
Ein herrlich Tod ist süss' / ein schimpfflich Leben bitter.
CLEANDER.
Ja wenn man durch den Tod das Vaterland erhält.
PAPINIANUS.
Mehr wenn das Recht dardurch erhalten in der Welt.
CLEANDER.
Was durch die Finger jtzt / denn schärffer auffgesehen.
PAPINIANUS.
Man siht zu spät / wenn schon was lasterhafft / geschehen.
CLEANDER.
Ade! Ich red umbsonst. Ich bitt Er seh sich vor.
PAPINIANUS.
Ich seh auffs Käysers Ehr dem ich den Leib verschwor.
CLEANDER.
Villeicht wird Einsamkeit sein forschend' Hertz gewinnen.
PAPINIANUS.
Die weigern Fürsten gantz die einmal weigern können.

[69] Der Cämmerer. Julia. Laetus. Die Diner der Käyserin.

So ists Princess' Ich liff in höchster eil voran.
Man bringt Jhr was Sie sucht. Wo Rach' erquicken kan;
Und deß Verräthers Blutt den heissen Zorn mag dämpffen /
Den Sie so grimmig fühlt mit Jhren Schmertzen kämpffen;
So gönne Sie der Welt der hellen Augen Licht
Und wisch umb was ergetzt' Jhr weinend Angesicht.
JULIA.
O Götter! O! daß Wir zu sparsam vor gebeten!
Wir solten seine Zucht mit disen Füssen treten!
Mit seiner Kinder Blutt beflecken seine Brust /
Erröten seine Stirn' / erfrischen unsre Lust.
Doch scheint uns Titan noch! Wir hören das gedränge /
Das poltern und geräusch' hir abgeschickter menge /
Thut auff! das Wild ist dar! Treuloser! stehst du hir!
Da Ertz-Verräther du / voll wüttender Begir /
Hast mit Severus Blutt den frechen Mutt gekühlet /
Mit deines Fürsten Kopff und unsrer Macht gespilet /
Und durch deß Brudern Faust deß Brudern Hertz durchrennt /
Kind / Mutter / Bruder / Fürst / und Fürst und Reich zutrennt.
Befleckt das Recht der Welt / nach derer Qual gerungen
Durch welcher Beystand dir dein Will' und Wuntsch gelungen.
Jtzt schwebst du Segel-loß! jtzt splittert Mast und Schiff /
Das leider was zu früh' auff unser' Angst außliff.
Jtzt lodert dir die Glutt zu der du Pech getragen.
Der Donner der uns traff hat auff dich loß geschlagen.
Du sihst dein letztes Zil und kanst gar leicht verstehn;
Wie bluttig dir noch heut der Tag werd' untergehn.
LAETUS.
Ich seh's! und ich versteh's! und bin bereit zu tragen
Was ein ergrimmtes Weib / durch Leid getrotzt / kan wagen.
[70] Komm Löwin 40 Syriens! schlag' hir die Klauen ein!
Ich poche Tod und dich. Der Leib / die Brust ist dein /
Nicht mein behertzter Geist / der sich zu leben schämet /
Nun ein verlockter Fürst sich deiner Gunst bequemet /
Und was Jhm einig treu' auff deine Thränen wagt /
Komm! Laetus den du suchst; gewehrt sich unverzagt.
JULIA.
Hört wie das Unthir noch in seinen Banden rase!
Und grimmig Gall' und Gifft als Sinnen-loß außblase!
Erkennt er seine Schuld? Bemüht er sich durch Bitt
Zu lindern ein verletzt / doch tugendreich Gemütt?
LAETUS.
Ich! solt Ich dir? Die du nicht eins verzeihen können /
Zu meiner letzten Schmach vil sanffter Worte gönnen?
Und schmeicheln deinem Haß? Nein! bilde dir nicht ein;
Daß Laetus dir noch werd' anjtzt fußfällig seyn!
JULIA.
Fußfällig! nicht nur uns / auch unsers Fürsten Leichen!
LAETUS.
Eh wirst du mit der Hand biß an die Sterne reichen.
JULIA.
Wir haben vor den Trotz wol Mittel an der Hand /
LAETUS.
Die hat jtzt Laetus selbst / gebt uns deß Fürsten Pfand!
Gebt sein geschencktes Gifft! gebt Strang und Dolchen wider!
Die freye Seel' ergrimmt und bricht der schwachen Glider
Verrathen Wohn-Haus ein!
JULIA.
Begehrst du denn den Tod?
LAETUS.
Das Ende meiner Pein und hart-gespannten Noth.
JULIA.
Der Mörder sucht numehr den Tod als ein Geschencke.
LAETUS.
Er sucht / doch nicht von dir! Ich weiß dein wütten kräncke:
Daß mich der Menschen Recht nur einmal sterben läst /
JULIA.
Den einfach-kurtzen Tod hält lange Marter fest.
LAETUS.
Was hält dich denn zurück? Erfülle dein Beginnen!
[71]
JULIA.
Was soll man auff die Schuld vor eine Straff ersinnen?
LAETUS.
Ersinnen? Geh allein hirauff mit dir zu Rath.
Wie strafft dein Vaterland Leib-eigner Missethat?
JULIA.
Für solche Knecht' in Rom sind Creutzer zu geringe. 41
Und glüend Blech / und Hartz und Brand die Pest der Dinge.
LAETUS.
Diß alles fühlt wer dich un Röm'sche Sclavin siht.
JULIA.
Du sihst uns nur zu lang' indem die Freyheit blüht.
LAETUS.
O daß Sever dich nie / Rom nimmermehr gesehen!
JULIA.
Rom siht uns stets! du jtzt! bald wird es nicht geschehen!
LAETUS.
Wol Augen fast zu letzt ein schrecklich Ebenbild
Deß grimmsten Weibes ein; wie blickert Sie so wild /
Auff dis' auf jene Seit'? Als wenn die Blutt-Cometen
Mit überhäufftem ach und Jammer / Mord und tödten /
Bedräuen Land und See / das Wang' jtzt blaß / jtzt roth /
Entdeckt deß Hertzens-Gifft / daß ungeheure Noth /
Durch alle Glider prest / schaut wie die Lippe zitter!
Wie sich die Grausamkeit auff jedem Haar erschütter!
Wie Arm und Hand erbeb! und Knie und Fuß sich reg!
Wie hitzig sich die Brust auff kurtze Lufft beweg!
Erzörnte Julie! versöhne dein Gemütte!
Das Opffer ist schon hir! komm! komm Princeß! ich bitte
Geuß mein begehrtes Blutt auff deiner Seelen Brand!
Du göldnes Licht ade! reiß nun mit strenger Hand
Die starrend Augen auß / die nichts zu sehn entschlossen /
Biß du dein Trauer-Kleid mit meinem Blutt begossen.
JULIA.
Wie? Soll dein schändlich Blutt besprützen unser Hand?
Beflecken diesen Arm / und unser Traur-Gewand?
Nein Götter! solt jemand sich mit vergifften Drachen
An reiner Opffer-Stadt zu eurem Tempel machen?
Nein! schleuß die Augen nicht! du sollst noch etwas sehn /
Das weil der Erden Grund geleget / nicht geschehn.
Wir wollen dir den Sitz der ärgsten Boßheit zeigen.
[72] Denn magst du / wo du kanst / die frechen Augen neigen.
Stracks Diner! macht Jhn fest!
LAETUS.
Unnöthig! last mich stehn!
Last aller Marter Macht auff meine Glider gehn!
Es zeuge wer es siht! daß Ich mehr Qual zu tragen
Behertzt: Denn Julie gefast mir vorzuschlagen.
JULIA.
Entblöst die tolle Brust / drinn keine Redli[ch]keit /
Je einen Sitz erkor.
LAETUS.
Zertrennt! zersprengt diß Kleid!
Beschaut! die Brust ist bloß! doch überdeckt mit Wunden /
Durch die Sever den Thron / und du die Cron gefunden.
JULIA.
Rückt deß Verräthers Hertz auß dem zuschljtzten Leib!
LAETUS.
Seyd munter! rückt es hin! diß heist ein rasend Weib!
Laß in der Adern Brunn / laß (weil ich so soll sterben!)
Laß Sclavin Syriens dir neue Purpur färben.
JULIA.
Entweiche Phaeton! diß Hertze kömmt ans Licht /
In dem der gantze Styx! verdeckt eur Angesicht
Jhr Kertzen jener Welt! Diane lauff zurücke
Ob disem Greuel-Nest! du einig! du erblicke
(Wo du noch etwas kanst) was Reich und Land verflucht.
Er athemt! er vergeht! die tolle Seele sucht
Selbst sich von disem Sitz der Boßheit wegzumachen.
So müss' es allen gehn die mit vergifftem Rachen
Begeyfern Thron und Cron / vergällen See und Welt /
Zertrennen was das Band so nahen Blutes hält /
Zerrütten Hof und Stat / zerdrümern Reich und Stände /
Zersplittern so Paläst' als die verachten Wände
Verhetzen Kind auff Kind / erbittern Haus auff Haus
Und kehren grosse Reich' in Funcken / Asch und Graus /
So müss' es allen gehn! seyd Götter! seyd gebeten
Last uns mit disem Fuß auff aller Scheitel treten /
Als auff deß Mörders Hertz / die zu der Missethat
Deß Fürsten je gedint / mit Vorschub / Mut und Rath.
Jhr die gerechter Rach' habt eure Faust gelihen:
[73] Heist die beschimpffte Leich' in scharffen Hacken 42 zihen /
Wo ewig stete Schmach / die grause Staffeln baut
Dem / dem vor keiner Schand' und keiner Unthat graut.
Deß Ertz-Verräthers Hertz / gebt (damit all erkennen
Was solch' Anstiffter werth) Nachrichtern zu verbrennen.

Reyen der Hofe-Leute.

Erster Satz.


Verirr'te Seelen sprecht! sprecht mehr daß freche Sünden /
Nicht Straff' und Richter finden.
Ob gleich die Themis nicht
Stracks Hals und Haubt abspricht /
Wenn der verlockte Geist
Durch alle Schrancken reist /
Und mit getrotztem Mut die Götter scheint zu pochen /
Die ernste Rach' erblickt
Und martret und zerstückt
Ein Haubt das Frevel-voll und sonder Furcht verbrochen.

Erster Gegen-Satz.


Wahr ists! der schnelle Blitz bricht stracks nicht durch die Lüffte /
Wenn man mit Mord und Giffte
Nach Cron und Zepter ringt /
Wenn man / was recht / verdringt /
Wenn man mit falschem Rath
Befördert eine That
Ob der der Himmel-Baw muß zittern und erkrachen /
Astree kennt das Zil /
Wenn sie (O Trauer-Spil!)
Sich soll mit Donner-Knall und Sturm zur Rach' auffmachen.

[74] Erster Abgesang.


Indessen wird der Mensch der durch die Schuld beschwertzt:
Durch sein erhjtzt Gewissen /
Gefoltert und gerissen
Wie munter sein Gesicht / wie hoch er auch behertzt.
Er zittert vor sich selbst und bildet stets jhm ein
Die nächste Morgen-Röt' erfoder Jhn zur Pein /
Die süsse Nacht die all erquicket /
Hab Jhm schon Netz und Garn gestricket.
Jhm rückt der schweren Träume Hauff /
Unendlich sein Verbrechen auff /
Und mahlt Jhm Räder vor / und Zang und Glut und Pfal /
Und grause Werckzeug herber Qual.

Der Ander Satz.


Bestürtzte! diß sind Träum': Ob euch jtzt Dornen stechen!
Es wird ein Licht anbrechen /
An dem ein glantzend Schwerdt /
Ein glüend eisern Pferd /
Und Pech / und Bley und Hohn /
Als längst verdinter Lohn;
Euch auff dem Schaw-Gerüst soll aller Welt darstellen.
Wenn bey der Sonnen steht
Den Laster hat erhöht
Muß jhn die Straffe doch in tiffste Noth verfällen.

Der Ander Gegen-Satz.


Doch pflegt das Weter offt in frische That zu schlagen /
Daß wir den Rath beklagen /
Den zu Schmertz und Gefahr
Der falsche Geist gebar.
Wer andern Netz auffstellt
Verwirr't sich und verfällt
Offt in die selbte Klufft / die er hiß frembden graben.
Wer mit dem Laetus läufft /
[75] Der jtzt in Blutt vertäufft
Lern' auff dem Glätt-eiß heut umb etwas sänffter traben.

Ander Abgesang.


Gesetzt auch daß allhir (wo es zu glauben steht)
Wer schuldig ernster Straff entrinne /
Und lange Jahr in Ruh gewinne /
Und herrsche wenn was fromm und heilig gantz vergeht!
So lehrt uns dessen Glück das noch vil grösser Pein
Wo Minos Urtel spricht 43 vor jhn müß übrig seyn.
Der bösen stetes wol gedeyen /
Kan Menschen von dem Wahn befreyen /
Daß alles faul' in seiner Grufft /
Daß Seelen nichts als Rauch und Lufft.
Die hir das Recht erwischt die strafft es kurtze Zeit;
Dort quält die ewig' Ewigkeit.

4. Akt

Die Vierdte Abhandelung.

Bassianus. Cleander.

BASSIANUS.
Göttin die über Thron / die über Fürsten wacht /
Und Seel' an Seelen bindt mit Demant-fester Macht /
Du nicht verfälschte Trew / die was hir schwebt und lebet
In festem Stand erhält / und seinem Fall enthebet:
Schaw auff ein bebend Hertz / das sich verlassen siht /
Von dem / umb dessen Glück und Ruhm wir stets bemüht.
Dem Rom / dem Römsche Macht / dem unser Haubt vertrauet
Auff den wir! ach umbsonst! umbsonst! umbsonst! gebauet.
Der mit Verwandschafft uns / der uns durch Eyd verpflicht.
Die Saul auff die wir uns gelehnt: Zerspringt / zerbricht!
[76] Von wehm wird Antonin noch etwas hoffen können:
Wenn uns Papinian nicht mehr die Faust wil gönnen?
CLEANDER.
Der unbewegte Geist der nur vor billich hält
Was Themis leichter Schaar zu scharffer Richtschnur stellt
Und gar nicht überlegt daß hoher Fürsten Leben
Nicht der Gesetze Zwang von jemand untergeben /
Entsetzt sich was zu thun das dem zu nahe scheint /
Das Er vor heilig schätzt.
BASSIANUS.
Nein! Nein! Cleander meint
Mit diser Außflucht uns in sanfften Traum zu wigen /
Solt uns Papinian mit disem Dunst obsigen?
Nein! Nein! die hohe Seel hat ein vil weiter Zil!
Sie weiß wol was das Recht bey schlechtem Pövel wil /
Sie weiß daß der / dem Land und Reich zu Dinste stehen;
Nicht stets könn' auff der Bahn gemeiner Bräuche gehen.
Der Segel-lose Kahn der an dem Strande spilt:
Laufft Furcht und Anstoß frey / wo Er nicht Klippen fühlt /
Nicht Felsen / Sturm und Sand. Soll man ein Last-Schiff führen;
So muß man nicht nur stets nach Wind und Nord-Stern spüren.
Man muß (wo Seichten sind) wo steile Höhen stehn:
Wo umb die Vorgebirg' erhjtzte Wellen gehn
Wo Teuffen / wo die See wil keinen Bleywurff kennen /
Wenn stete Schläg' auff Schläg' jtzt Bret und Kiel zutrennen
Offt weichen von dem Strich' auff den der Boßmann siht
Wenn nicht der tolle Nord sich umb die Segel müht /
Man fährt offt seitwärts ab / auch öffter gar zurücke.
So wird der Port erreicht mit Vortheil / Ruhm und Glücke /
Diß weiß Sie und noch mehr / und steht uns doch nicht bey.
Warumb? Deß Pövels Lust blüht wenn ein falsch Geschrey
[77] Sich an die Fürsten macht / und Sie auffs grimmst' abmahlet /
Denn streicht man den und den / der stets mit Tugend pralet
Durch Haus und Gassen auß / und Paetus wird gelibt: 44
Weil Nero seinen Ruhm in die Rappuse gibt.
CLEANDER.
Mir steht deß Fürsten Wort nicht an zu widerlegen /
Doch daß Papinian durch dises zu bewegen /
Was Volck und Pövel schwätzt: Kommt mir unglaublich vor.
Der Fürst bedencke nur wie theur er sich verschwor /
Als jtzt Sever bereit den Lauff der Zeit zu schlissen /
Und in der Sternen Saal die Götter zu begrüssen /
Wie trew er iderzeit den grossen Thron gestützt /
Und seiner Käyser Ruhm bey Heer und Volck geschützt /
Wenn Zwytracht je entstund; war er bereit zu schlichten /
Glückselig / wenn wo Zanck / die Unlust zu vernichten /
Sein munterer Verstand hat manchen Sturm ersteckt
Der / wenn er recht ergrimmt / ein grösser Feur erweckt.
BASSIANUS.
Ohn ists nicht: Daß Wir Jhm biß auff den Tag verbunden!
Doch schlägt Er unserm Ruhm anjtzt die schärffsten Wunden.
Wie? Oder libt Er wol deß Todten Cörper mehr
Als den der herrscht und lebt und seines Käysers Ehr.
CLEANDER.
Er ist deß Antonins und nicht deß Geten Schwager.
BASSIANUS.
Ja! wenn Plautilla nicht 45 verschickt von unserm Lager /
[78] Das hochgesinnte Weib das nichts denn Rach ergetzt /
Umb daß der Schwester Glantz in Finsternüß versetzt /
Umb daß dem Vater nicht die freche That gelungen;
Hat endlich was Sie sucht / wornach Sie stets gerungen.
Sie hat den werthen Mann verzäubert und verwirrt;
Daß Er / trotz Jhr und uns / und seiner Weißheit / irrt /
Daß Er sich unterfängt sich dem zu widersetzen:
Der durch ein wincken kan vil tausend Schwerdter wetzen.
So gehts! der Frauen Mund zubricht auff einen Tag
Mehr denn die greise Zeit mit Müh' auffsetzen mag.
CLEANDER.
Mein Fürst daß Plautien der Schwester Ungenade /
Deß Vatern Untergang / und Tod den Geist belade;
Mag nicht unmöglich seyn / daß Sie sich untersteh /
Zu stillen dise Qual durch new-gesuchtes Weh;
Kommt mir nicht glaublich vor / auch ist nicht zu vermutten
(Gesetzt daß Plautien die Hertzens-Stösse blutten!)
Daß sich Papinian gesteifft durch Weiber Rath /
Und winseln unterfang' höchst ungewisser That.
Vilmehr wird Plautie mit ernstem Fleiß sich mühen;
Daß Jhr kein Unfall mög anjtzt das Bret entzihen /
Das in dem Schiffbruch Jhr noch einig überblib /
Als Jhrer Schwester Schiff an steile Klippen trib /
Als der der Sie gebar / nachdem er so gestigen:
Sich augenblicklich fand vor aller Füssen ligen.
Was hat die arme doch / wo Jhr die Saul entfällt;
Vor Hülffe / Schutz und Rath / die Schwester misst der Welt /
Und dennoch unentseelt: Deß Vatern schimpfflichs Ende /
Sein plötzlich Jammer-Spil klingt wo sie sich hinwende /
Wahr ists: Ein Sohn ist dar / der Sie zur Mutter macht /
Doch der die zarten Jahr kaum auß der Kindheit bracht.
Wer sich so einsam siht / Mein Fürst / läst alles schwinden;
Was mächtig Rach und Neid und Ehrgeitz zu entzünden.
Wer sich so einsam siht / bebt wenn die Lufft sich regt /
Mehr wenn der Götter Gott auff Eich' und Felsen schlägt.
[79]
BASSIANUS.
Wer ward durch Weiber nicht / wie weiß er auch / bethöret
Zumahl wenn Heer und Stadt und selbst der Stat jhn ehret?
Wenn sich Gelegenheit Jhm in die Hände spilt
Was unterläst ein Hertz das bloß auff Rache zilt
So einsam als es sey! wer wenig auffzusetzen
Läst das verzweiffeln sich / Trotz / Witz und Furcht / verhetzen
Daß Er was übrig ist und was noch gelten mag
Zu Fromen / zu Verlust / wagt auff den letzten Schlag /
Es sey nun wie es sey! man muß die Sach ergründen.
Nur Plautien versucht ob Sie zu überwinden /
Und bey uns halten woll'. Umbsonst wird die verdacht;
Die durch bedinte That sich uns verbunden macht.
Man fordre sie alsbald / indem wir unterfangen
Zu schaun ob von Jhm selbst noch etwas zu erlangen.

Bassianus & Papinianus.
PAPINIANUS.
Der Käyser herrsch und leb!
BASSIANUS.
Es lebe wer Jhm Heil /
Und Reich und Leben gönnt!
PAPINIANUS.
Mir ist das Leben feil
Vor meines Fürsten Haubt / und Reich und Ruh und Leben.
BASSIANUS.
Es blick auß seiner That. Wo Wercke Zeugnüß geben
Sind Worte sonder Nutz. Was hat er sich erklärt
Auff diß was von Jhm ward zu unserm Nutz begehrt?
Ist diß Papinian der an der Seit uns gehet?
Der unserm Läger schafft? Der durch uns ward erhöhet?
Dem / numehr Gott Sever, sein Reich und Blutt vertraut
Als ob der Zepter Last dem müden Alter graut?
Ist diß Papinian den so vil tausend ehren?
[80] Von dem wir disen Tag so grimmen Undanck hören.
Ist diß Papinian dem nichts verborgen lag?
Und der jtzt nicht erkennt was jhn verletzen mag?
Was nützt die Weißheit die bey zweiffelhafften Fällen
Nicht Fürsten / nicht sich selbst / kan fest und sicher stellen?
PAPINIANUS.
Es geh nachs Fürsten Wort! und blick auß meiner That /
Ob mir sein Leben werth / wo ich mit treuem Rath
Wo ich mit Faust und Stahl stets vor den Thron bemühet /
So ists nicht rühmens noth / daß man mich höher sihet
Als je mein wüntschen stig / daß mich Sever erwehlt
Zu sorgen / als er ward von Sorgen loß gezehlt /
Das auff mein' Ansprach' offt das Reich und Läger gibet /
Ja / was noch mehr / der Fürst was mehr denn gnädig libet:
Gesteh ich freylich zu. Doch diser Glantz der Ehr
Die Staffel / diser Stand / zwingt mich je mehr und mehr
Zu sehn warumb ich sey auff disen Ort gesetzet.
Ist durch geschwinden Fall der Erden recht verletzet:
Wie kan Ich / was die Welt vor raw und grausam hält /
Außstreichen / zwar ein Mensch versiht sich offt und fällt
Und strauchelt wenn Jhn Grimm und Lust und Schuld verleiten /
Wenn Jhn Verläumbdung stöst / und Schmeichler an der Seiten
Auff engem Wege gehn. Wer noch die Glider trägt:
Trägt was zu gleiten zwingt / biß er sich schlaffen legt.
Doch wer sich etwan hir zu hitzig übereilet
Und durch getrotzten Zorn und plötzlich irren feilet:
Steh auff so bald er kan. Wer andre mit sich reist
Verteufft sich mehr und mehr.
BASSIANUS.
Durchauß verwähnter Geist!
[81] Wehn suchst du durch den Dunst der Worte zu verblenden
Wir kennen dein Gemüt das fast an allen Enden
Nach Ruhm durch unsre Schmach und Schimpff und Abgunst jagt.
Doch glaub': Es ist von dir zu deinem Fall gewagt.
PAPINIANUS.
Könt Ich deß Käysers Ruhm durch meinen Tod erwerben:
Könt Ich vor seinen Fall und disen Unfall sterben.
So wär es meine Lust. Ach! aber diser Tag
Nimmt was Papinian nicht wieder bringen mag!
BASSIANUS.
Papinian der mehr der Syrer Abkunfft 46 treue /
Als unserm Vorder-Recht.
PAPINIANUS.
Der Vorruck ist nicht neue!
Doch mein schon langer Dinst hat stärcker widerlegt
Was ein verläumbdend Mund ins Käysers Ohren trägt.
BASSIANUS.
Er hat Jhn / nun Er hin / zu schützen auch erkoren.
PAPINIANUS.
Hab ich nicht Antonin und Getae gleich geschworen?
BASSIANUS.
Wie daß der Todte denn jtzt höher bey Jhm gilt?
PAPINIANUS.
Sie gelten beyde vil / doch mehr der Themis Bild.
BASSIANUS.
Hat Geta nichts versehn / nie Sich auff Uns erkühnet?
PAPINIANUS.
Sein irren hat / mein Fürst / die Straffe nicht verdinet.
BASSIANUS.
Nicht da Er uns nach Stand und Cron und Leben zilt?
PAPINIANUS.
Verleumbdung hat allein diß Traur-Stück abgespilt.
BASSIANUS.
Es sey nun wie es sey! man ist uns gleich verpflichtet.
PAPINIANUS.
Doch nicht zu loben was mit keinem Ruhm verrichtet.
[82]
BASSIANUS.
Ja wenn Plautilla nur uns noch vermählet wär'.
PAPINIANUS.
Plautill' und Plautia die dinen nicht hiher.
BASSIANUS.
Man sucht deß Schwähers Tod / der Schwester Fall zu rächen.
PAPINIANUS.
Hab Ich nicht stets verflucht deß Schwähers schwer Verbrechen?
BASSIANUS.
Auch seinen Untergang und wol-verdinte Pein.
PAPINIANUS.
Die lehr' uns unbefleckt und rein und heilig seyn.
BASSIANUS.
Zu gleich gehorsam / Uns / da nöthig zu erzeigen.
PAPINIANUS.
Doch nicht von dem was recht sich seitwarts ab zu neigen.
BASSIANUS.
So beut der Schwager 47 Uns denn weder Hand noch Rath.
PAPINIANUS.
Ich weiß daß Antonin nicht gut heist was er that.
BASSIANUS.
Hat / wer dem Läger schafft / nun ein so zart Gewissen.
PAPINIANUS.
Das nach-Rew und der Wurm deß Frevels nie gebissen.
BASSIANUS.
Vil haben disen Fall weit anders überlegt.
PAPINIANUS.
Die was Ich noch nicht weiß auff andre Meinung trägt.
BASSIANUS.
Villeicht auch können wir noch seinen Dinst vermissen.
PAPINIANUS.
Der Käyser meinen Dinst / ich nicht ein rein Gewissen.
BASSIANUS.
Von hir! wir können selbst mit uns zu Rathe gehn.
Weil Räth' in Jhrem Wahn nur gar zu vil verstehn.

[83] Bassianus. Flavius.
BASSIANUS.
Der hohe Geist besteht! last uns auff Mittel dencken:
Krafft welcher wo er nicht zu zwingen doch zu lencken.
Er strebt nach Ehr und Preis; man raub' jhm Ambt und Stand!
Libt Freyheit über Gold / es schreck' jhn Stock und Band.
Wie lang ists daß sein Kind das grosse Rom erfreuet?
Warumb nicht seinen Tod dem Vater angedräuet?
Man bringe Plautien ein raues Elend vor.
Man spreng auß daß er sich auff unser Haubt verschwor.
Recht! es taug alles hir doch wird am schärffsten schneiden
Daß Er beschuldigt soll als Ertz-Verräther leiden.

Papinianus. Plautia. Papiniani Sohn.
PLAUTIA.
O stets gewisse Furcht! wo steh / wo fall Ich hin!
Nun mir mein Heil entfällt! Nun Ich verlassen bin!
Nun Ich! wo find Ich Wort ein Elend außzusprechen /
Das unaußsprechlich ist? Die müden Augen brechen /
Weil mir das Hertz entzwey. Der matte Geist vergeht:
Weil meine Seele schmacht. O die ihr / was erhöht /
Nicht sonder heissen Neid auß eurer Tiff anblicket:
Schaut wie von Kindheit an mich Angst und Ach umbstricket!
Schaut wie das freche Glück 48 weit über alle führ:
Damit man was man fand zu aller Lust verlihr.
Was hat der grosse Ruhm dem Vater je gegeben?
Der hir in Rom verfil könt an dem Nilus leben /
Und lebte noch anjtzt / wenn Jhm Aegypten mehr
In stiller Ruh' erquickt / und nicht der frembden Ehr
Geschminckter Dunst verführt. Warumb deß Käysers Bette
Plautille so gewüntscht! O Schwester! fleuch und rette
Den schon verdammten Hals! Nun dich ein wüstes Feld
Ein unbewohnter Strand fest in Bestricknüß hält;
[84] Bist du mehr frey als vor ins Römschen Fürsten Armen /
Doch dürfft auch Freund und Feind sich über dich erbarmen /
Wenn ein geringer Mann der nichts begüttert ist
Doch mit sich selbst vergnügt dich zu der Braut erkiest?
Mein Hertz! O ich vergeh! Mein Kind heist diß Beginnen!
Heist diß der Römer Hold und treue Gunst gewinnen?
Das höchst-ergetzte Volck 49 bejautzt noch deine Spil /
Ach aber Ich bethren ein gar zu nahes Zil /
Und gar zu nahe Klufft / in die du wirst versincken
Deß Vatern Unschuld muß ins Käysers Grimm ertrincken;
Deß Vatern Untergang benebelt deinen Glantz /
Man gibt vor Lorbern dir schon den Cypressen Krantz /
O nie erhörter Fall! O unverhofftes hoffen!
Wird denn die Tugend nur durch solchen Blitz getroffen?
PAPINIANUS.
Getroffen / nicht versehrt! getroffen / nicht verletzt!
Getroffen / nicht zermalmt! deß Himmels schicken setzt
Nicht schlaffen Seelen zu. Wer mutig zu bestehen
Den heist deß Höchsten Schluß auff solchen Kampff-platz gehen.
Wer hir beständig steht; trotzt Fleisch und Fall und Zeit.
Vermählt noch in der Welt sich mit der Ewigkeit /
Und höhnt den Acheron. Mein Hertz es heist nicht sterben!
Wenn wir durch kurtze Qual unendlich Lob erwerben:
Das nach uns weil die Erd' auff ihren Stützen ligt /
Tod / Grufft und Holtz-Stoß pocht / und über alle sigt
Die zwar auff Blutt und Leib / nicht auff die Seelen wütten:
Wer kennt den starcken Geist? Wer unverletzte Sitten?
Wenn Sie nicht grimme Noth / nicht grauser Feinde Schwerdt /
Nicht Läster-Zungen Gifft / nicht Gall und Glutt bewehrt /
Man glaubt daß Ich vorhin der Weißheit mich beflissen /
Man glaub jtzt daß mein Werck geh über alles wissen
Man glaubt daß Themis mich geehrt und hoch gebracht:
[85] Man seh daß Ich vor Sie deß Käysers Hold verlacht.
Du selbst erquicke dich / daß durch ein scharff betrüben
Die Götter deine Trew und hohe Tugend üben.
PAPINIANI SOHN.
Fraw Mutter wer die Welt in diser Zeit betrat /
Ward eh' er halb gelebt deß müden Lebens satt.
Ich bin von Jhr dem Tod' in dises Licht geboren /
Vil besser denn den Tod in höchster Ehr erkoren /
Als schändlich und befleckt nur Jahr auff Jahr gezehlt /
Und biß auff graue Haar umb eitel Tand gequält.
Der hohen Eltern Blutt erhitzet mein Gemütte
Und sucht ein ferner Zil / den Sitz der höchsten Gütte
Die über Menschen herrscht / und disem Gräntzen setzt
Der Völcker wider Volck und Städt auff Länder hetzt.
PLAUTIA.
Wo werd Ich arme hin? Wie vil werd Ich verliren!
PAPINIANUS.
Gewinnen durch Geduld / was dich wird ewig ziren.
PLAUTIA.
O Eh-Gemahl! O Sohn! mein ein und keusche Lust!
PAPINIAN.
Behalt für Jhn und Mich ein unerschreckte Brust.
PAPINIANI SOHN.
Sie rühme daß Jhr Sohn durch keine Noth zu zwingen.
PAPINIAN.
Es kan dem Käyser doch nichts wider mich gelingen.
PLAUTIA.
Zu vil nur wider mich!
PAPINIANUS.
Nichts wider deinen Ruhm!
PAPINIANI SOHN.
Je mehr der Himmel treufft / je schöner wächst die Blum.
PLAUTIA.
Du Blume deiner Zeit wirst in der Blüt abfallen!
PAPINIANI SOHN.
Weit besser denn zu welck zu treten seyn von allen.
PLAUTIA.
Er trit / er trit uns ja der alle nider trat!
PAPINIANUS.
Nicht Geister / über die er nichts zu herrschen hat.
[86]
PAPINIANI SOHN.
Nicht grosser Götter Recht das jhn noch wird zutreten.
PLAUTIA.
Wofern der Götter Ohr jtzt hört auff Wuntsch und beten.
PAPINIANUS.
Jhm wüntsch' Ich ernste Rew und dir Beständigkeit.
PLAUTIA.
Ich mir den schnellen Tod zu Trost in langem Leid.
PAPINIANUS.
Ein langes Leiden dint vil schwache zu verstärcken.
PLAUTIA.
Ein langes Leiden läst offt grosse Schwachheit mercken.
PAPINIANUS.
An der nicht / die Geduld zum Beystand Jhr erwehlt.
PLAUTIA.
Die über-menschlich Angst all Augenblicke zehlt.
PAPINIANUS.
Die über-menschlich Angst auff Erden Göttlich machet.
PLAUTIA.
Die in der rauen Qual so Freund als Feind verlachet.
PAPINIANUS.
Und steter nach-Ruhm ehrt / und Rom und Welt beklagt.
PLAUTIA.
Nach der das nechste Blutt auß Furcht nicht weiter fragt.
PAPINIANUS.
Wer nicht mehr fragen darff betraurt doch was uns schmertzet.
PLAUTIA.
Was hilfft es wenn er nicht die raue Noth behertzet.
PAPINIANUS.
Wer hülff-los überwand: erlangt vil grösser Ehr.
PLAUTIA.
Wir kämpffen aber ach! der Feind drückt was zu sehr.
PAPINIAN.
Die edle Palme wächst je mehr man sie beschweret.
PLAUTIA.
Die zarte Perle wird durch scharffen Wein verzehret.
PAPINIANUS.
Ein reiner Demant bleibt: die stoltze Klippe steht.
[87] Ob Amfitriten Schaum gleich über Gipffel geht
Nur Mut / last Antonin, Trotz / Grimm und rasen wagen!
Wir können diß und mehr behertzt und freudig tragen.

Macrinus. Papinianus. Plautia. Der Sohn.

Durchlauchtigster: Ich komm' 50 auff unsers Fürsten Wort /
Ein Bothe rauer Post. Doch steht er auff dem Ort
Auff dem er seinen Fall noch glücklich kan verhüten.
Wie Antonin es wüntscht. Gilt mein wolmeynend bitten /
Und schlägt Papinian geneigten Rath nicht auß:
So blühe / ja es blüht sein wol-verdintes Haus.
PAPINIANUS.
Was unser Fürst begehrt was treue Freund' einrathen
Ist jederzeit mein Wuntsch; wofern nicht schnöde Thaten
Fürst oder Freund von mir durch Wort und bitten sucht /
Wer was nicht redlich wil. Sucht bey Mir sonder Frucht.
MACRINUS.
Papinian versteht daß Antonin erhitzet
Und zornig über Jhn als ungehorsam blitzet:
Kan man dem Käyser denn nicht was zu Willen seyn?
PAPINIANUS.
In dem verfluchten Werck? Macrin mit kurtzem: Nein.
MACRINUS.
Durchlauchtigste kan Sie den starcken Sinn nicht beugen?
PLAUTIA.
Ich kan nichts mehr denn nur von seiner Tugend zeugen.
MACRINUS.
Bedenckt der Vater denn nicht sein gelibtes Kind?
SOHN.
Wer nur das Recht ansiht schlägt Kinder in den Wind.
MACRINUS.
Mir leider fällt es schwer das Urtheil außzuführen.
PAPINIANUS.
Mir leicht es außzustehn. Soll Ich das Haubt verliren?
Sag an? Ich bin bereit!
[88]
MACRINUS.
Last Götter! last nicht zu
Daß Ich den Fall anschaw!
PAPINIANUS.
Was wil man daß Ich thu?
MACRINUS.
Der Fürst / Papinian, entsetzt Jhn seiner Würde.
PAPINIANUS.
Die acht ich (glaubt es fest) vor eine schwere Bürde.
Weg / weg bemühtes Ambt. Weg du verblendend Ehr.
Du leichte Handvoll Dunst! Ich kenne dich nicht mehr.
MACRINUS.
Ich bin geschickt Jhm Dolch und Zirath abzuheischen.
PAPINIANUS.
Gar wol! Man lasse Mich noch über diß zerfleischen.
Hir ist der scharffe Stahl den Ich behutsam trug /
Zu meiner Käyser Dinst / als Ich die Feinde schlug /
Der Römer Ehr erhöht / der Fürsten Brust beschützet.
Der Dolch ist glaubt mir nie mit Bürger-Blutt besprützet;
Ich geb jhn willig hin! Jhr Läger gute Nacht!
Papinian wird loß! nun hat Er auß gewacht!
MACRINUS.
Ach kan er sich denn selbst so tiff ernidrigt schauen?
PAPINIANUS.
Ich sey auch wer Ich sey / Mir wird von Mir nicht grauen.
MACRINUS.
Der Fürsten Bilder stehn Jhm denn nicht weiter zu.
PAPINIANUS.
Der Heilgen Themis Bild ist einig meine Ruh /
Nemt / nemt die Bilder hin! sie stehn mir in dem Hertzen.
Der den Ich jtzt noch ehr' / und der den meine Schmertzen
Bejammern auff der Baar! was sind die Bilder noth
Die nun zu ändern sind nach eines Fürsten Tod?
MACRINUS.
Das Käyserliche Buch der hohen Ambts-Gesetze /
Muß eingehändigt seyn.
PAPINIANUS.
Umb das Ich nicht verletze
Das allgemeine Recht daß der die grosse Welt
Hat in Jhr Wesen bracht und in dem Stand erhält /
Nicht irgend auß Papir / auff stetes Ertz getriben /
Nein / sondern das er hat der Seelen eingeschriben /
[89] Verlir Ich höchst erfreut mein Ambt-Recht / nemt es hin.
Schätzt ihr diß vor Verlust? Ich halt es vor Gewin.
MACRINUS.
Lescht nun die Kertzen auß die auff dem Golde brennen.
PAPINIANUS.
Man kan die scheinend' Ehr auch sonder Kertz' erkennen.
MACRINUS.
Raumt ab das weisse Tuch mit dem gestückten Rand.
PAPINIANUS.
Nichts das uns besser zir als eine reine Hand!
Was heischt Macrin noch mehr?
PLAUTIA.
Was kan Er ferner wollen?
PAPINIANUS.
Ist diß der Götter Schluß daß wir verschwinden sollen /
Und schafft es Antonin, warumb denn vil gezilt /
Und mit dem Tocken-werck so kindisch hir gespilt.
Meynt Jhr daß dise Schmach wofern es Schmach zu nennen /
Die kräncke / die / was Ehr und wahre Hoheit kennen.
Nein! warlich! Stand und Ambt und Gold ist flüchtig Gut.
Was niemand raubt das ists! ein unbewegter Mut.
MACRINUS.
Der Fürst wil endlich Sich mit seinem Sohn besprechen.
PLAUTIA.
Ja rächen / sagt / an Jhm ein Väterlich Verbrechen.
MACRINUS.
Der Fürst sucht anders nichts / als beyder Glück und Heil.
PLAUTIA.
Mein Kind Ich schaw vor dich nichts als ein bluttig Beil.
SOHN.
Fraw Mutter nur getrost! ich kan es auch ertragen!
MACRINUS.
Durchlauchtigste Sie glaub es ist ein eitel zagen.
PAPINIANUS.
Behertzt mein Sohn! behertzt! und dencke wer ich sey!
Ja wer du numehr selbst. Der Himmel steh dir bey /
Erschrick ob keinem Blick.
[90]
SOHN.
Ach Vater soll Ich scheiden!
Soll Ich vor Jhn den Tod ja raue Marter leiden:
So glaub Er daß mich nichts so inniglich erfrew /
Als daß mein Leben fällt / vor seine Vater-Trew.
Ade mit disem Kuß! worzu die heissen Zehren.
Fraw Mutter! diser Tag wird einen Sohn gewehren
Der Jhr nur würdig ist. Die höchst-betrübt' erblast
Und sinckt in Ohnmacht hin: der rauen Jammer Last
Beklämmt die grosse Seel.
MACRINUS.
Auff last uns nicht verweilen.
SOHN.
O Mutter gute Nacht.
PAPINIANUS.
Wer wird die Wunden heilen
O stets bestürmter Geist! tragt / daß Sie sich erquick /
Den Athem-losen Leib ins Zimmer stracks zurück.

Papinianus. Zwey Haubtleute auß dem Läger.

Durchlauchtigster! das Heer, 51 die Läger und die Schaaren /
Nach dem Sie voll von Mut in höchster Eil erfahren
Daß Antonin auff Jhn in tollem Zorn ergrimmt /
Und seine Schmach ja Fall / auch wol den Tod gestimmt;
Entschlissen Jhm zu Dinst für Jhn sich keck zu wagen /
Und lassen Jhre Pflicht Jhm mit dem Reich antragen.
Er rette sich und uns / und die erschreckte Welt /
Die durch den Bruder-Mord bestürtzt / zurücke prellt /
Und uns und Rom verspeyt / man soll auff sein erklären:
Deß Caracallen Kopff Jhm alsobald gewehren.
Diß wüntscht wer Redli[ch]keit / wer seine Tugend schätzt /
Und sich dem Frevel-Stück deß Fürsten widersetzt.
PAPINIANUS.
Daß Mir das Läger noch auff disen Tag gewogen;
Und sich so fern erklärt / auch (wie Jhr angezogen)
Sein Glück durch meines sucht: Rührt auß Wolmeynung her /
[91] Die ich mit Danck erkenn / doch glaubt mir Ich begehr
Nichts als deß Fürsten Heil auch durch diß Blutt zu stützen
Der sucht nicht frembder Schutz den Tugend kan beschützen.
Geht! bleibt dem Käyser trew! es geh auch wie es geh!
Glaubt daß auff meinem Haubt nicht aller Nutz besteh.
Und denckt wem Jhr mit Eyd und theurer Pflicht verbunden.
HAUBTLEUTE.
Herr unser Pflicht verstarb durch deß Entleibten Wunden.
Wir schworen Antonin und Geta trew zu seyn /
Als Fürsten / diser fil durch unverhoffte Pein;
Der ander hat sich selbst der hohen Macht entsetzet.
Als Er durch Bruder-Mord Gott / Blutt und Recht verletzet.
Man schaw auch auff den Bund: Wer ists der jhn zuriß?
Und sein selbst eigen Ehr / in tollem Grimm durchstiß.
Die Trew ward einem nicht nur beyden gleich versprochen /
Der Fürst hat was uns band und hilt nun fast zubrochen.
PAPINIANUS.
Jhr irrt ach Libst / Jhr irrt. Der Fürst ists der uns schafft.
Gesetzt auch daß Er feil. Ein unbepfählte Krafft
Kan zwar (es ist nicht ohn) in tiffste Laster rennen:
Doch darff ob seiner Schuld kein Unterthan erkennen.
Die Götter sitzen nur (dafern Sie was verbricht
Und auß den Schrancken reist) vollmächtig Blut-Gericht.
Wer einen Eingriff hir sich unterstund zu wagen;
Hat Blitz und Untergang zur Außbeut hingetragen.
HAUBTLEUTE.
Die Götter straffen spät! auch nie! so mag er frey
Mit Mord / Gifft / Unzucht / Trug / Zwang / rasen / Vollerey /
Bey unterdruckter Ach! in Lust die Zeit beschlissen?
PAPINIANUS.
Jhn martert / weil er feilt stets sein erhjtzt Gewissen /
[92]
HAUBTLEUTE.
Man führt der Götter Recht durch Menschen-Schwerdter auß.
PAPINIANUS.
Die Schwerdter sind verpflicht der Antoninen Haus.
HAUBTLEUTE.
Herr! ach sein Haus verfällt! Er such es zu bewahren.
PAPINIANUS.
Fürs allgemeine best wolt ich mein Haus nicht sparen.
Setzt uns nicht ferner zu. Die Seele wird erschreckt
Ich bin durch Eure Wort und Ansprach hart befleckt.
Ein reines Hertz hat Schew an solche That zu dencken
Fahrt wol!
HAUBTLEUTE.
So schlägt Er auß was Jhm die Läger schencken.
PAPINIANUS.
Das Läger hat nicht Macht zu liffern was es gibt /
Fahrt wol! zeigt allen an / die mich so heiß gelibt /
Die Ich als Brüder ehrt daß ob Ich schon verterbe
Doch meinem Käyser trew / der Läger Diner sterbe /
Daß Ich die Nahmen / groß / Fürst / glücklich / jtzt verlacht
Weil deß Gerechten mich und Treuen herrlich macht.
HAUBTLEUTE.
O Blum der Tapfferkeit! O Sonn und Ruhm der Weisen!
Vor dessen Mund dein Rom / vor dessen Faust und Eisen
Der strenge Parth' erschrickt! O daß du minder fromm /
Und mehr verwegen! ach! wie würde diser Strom
Der dein bestürmtes Schiff / wil in den Abgrund neigen
In einem Augenblick sich theilen und verseigen!
O daß du minder fromm! wie stünd es Antonin!
Und mehr verwegen! ach! der Mörder wär jtzt hin!
O daß du minder fromm! und etwas mehr verwegen!
Wie wolten wir die Gifft von Rom und Reich außfegen!

[93] Reyen der Rasereyen und deß Geists Severi.
Käyser Bassianus erscheinet auff einem Stul schlaffend / von etlichen geflügelten Geistern wird ein Amboß mit Hämmern auff den Schaw-Platz bracht / auff welchem die Rasereyen einen Dolch schmiden.
ALECTO.
Rüstig ihr Schwestern / es fordert die Rache /
Gläntzende Dolchen beschleunigt die Sache /
Leget die dampffenden Fackeln bey Seite /
Biß man das Werckzeug der Straffen bereite.
Last uns die klingenden Hämmer auffschwingen.
Schreckliche Themis es müsse gelingen /
Was wir den Mörder zu stürtzen beginnen!
Sterbliche solten wir schlummernde können
Eure gehäuffete Frevel vertragen /
Die uns zu richten und rechten betagen /
Eher wird Phebe die Sonne verkennen /
Eher wird Thetis hell-lodernd verbrennen /
Als Jhr! O Thörichte! je mit gedeyen
Werdet die Rechte der Götter anspeyen.
DIE RASEREYEN
zusammen.
So wie die Schläg auff diß Eisen abgehen
Müsse wer schuldig die Hämmer außstehen
So wie die Funcken umbfligen und springen
Müsse der Blitzen sein Hertze durchdringen
So wie sich Feuer und Stahl hir vermählen
Muß jhn der Fluch auch durchbrennen und quälen.
MEGAERA.
So schlage Gottes Zorn auff sein verdammtes Haubt
Es werd' Jhm Stand und Ehr und Gut und Leib geraubt
Es falle sein Geschlecht
[94] Und lebe doch zu ewig stetem Hohn
Und schaue wie das Recht
Verkehr in nichts den ungerechten Thron.
DIE RASEREYEN.
So wie die Schläg auff diß Eisen abgehen / etc.
TISIPHONE.
Er rase Sinnen-loß so wie die Klinge zischt
Jhm sey zu mehrer Pein
Und ewig-steter Angst was sein Gemüt erfrischt
Er sinck in Laster ein
Und auß Laster in mehr Noth
Und fühle sich stets lebend-tod.
DIE RASEREYEN.
So wie die Schläg auff diß Eisen abgehen / etc.
SEVERUS.
Brich Erde! brich entzwey!
Der Himmel gibt es nach /
Daß Ich die herbe Schmach
Daß Ich das Mord-Geschrey
Daß Ich den Bruder-Mord mit neuem Mord abfege /
Und dich zu Boden lege!

Du / nun nicht mehr mein Sohn!
Pfui! seh' Ich dich noch an!
Pfui! wie daß Ich noch kan
Dich meines Stammes Hohn
Dich Seuche deiner Zeit / ob der der Welt wird grauen
Dich Schlangen-Zucht anschauen?

Gerechte Schwestern! gebt!
Gebt eurer Hände Werck!
Erfrischt mit neuer Stärck
[95] Was von Sever noch lebt /
Reicht mir den scharffen Dolch last mich bestürtzten Alten /
Eur Rach-Ambt doch verwalten.
DIE RASEREYEN.
Nim hin was auff deß Himmels Schluß
Zu ernster Straffe dinen muß.
SEVERUS.
Schaw wie mein Kind 52 durch dich /
Ertz-Mörder unterging /
Als es die Stich empfing /
So wil durch disen Stich
Ich (wie du bist mit Jhm Verräther umbgegangen)
Auch Rach und Ruh erlangen!

Die Geister verschwinden zugleich / der Käyser erwachet und gehet traurig ab.

5. Akt

Die Fünffte Abhandelung.

Der Käyserin Cämmerer. Papinianus.

Mein Herr: Die enge Zeit vergönnt an disem Ort /

Bey so verwirrtem Lauff uns leider wenig Wort.

Er siht wohin sein Glantz (O Licht der Welt) verfalle:

Rom zittert über Jhm / und starrt; wir trauren alle;

Doch eine Seel allein sorgt standhaft noch vor Jhn /

Wir sehen Julien in Jhrem Sohn verblühn:

Sie hat der heisse Schmertz so hefftig nicht gebunden /

Daß Sie ohn Wehmut könt empfinden seine Wunden.

Sie beut Jhm Jhre Recht': Er reich' Jhr seine Hand /

Und rette Sie und sich Jhr beyder Heil und Stand /

[96] Besteh' auff beyder Trew. Jhm steht das Läger offen;

Sie hat durch Jhn den Thron und Er die Cron zu hoffen.

Nur muttig sich erklärt.

PAPINIANUS.
Fällt unter so vil Pein
Der grossen Julien noch mein Gedächtnüß ein:
So überlege Sie wie Ich vorhin gestanden /
Und glaube daß Ich noch (ob Pein und Tod vorhanden
Und nach der Seelen ziel) zu wancken nie gedacht.
Der Käyser blitz' auff mich / mißbrauch' erhjtzter Macht /
Und suche meinen Fall / doch wil Ich treue sterben.
Ich suche keinen Thron durch Meuchelmord zu erben.
CÄMMERER.
Wer leider hir zu trew hat Hals und Leib verschertzt!
PAPINIANUS.
Dem Fürsten ward das Pfand der Trew hirauff versetzt.
CÄMMERER.
Dem Fürsten! der numehr der Treusten nicht verschonet.
Man ist / wenns Cronen gilt / der Trew gar ungewohnet.
PAPINIANUS.
Mir wird was ungewohnt bey frembder Noth anstehn.
CÄMMERER.
Läst Er die so Jhn acht in Jhrer Angst vergehn?
PAPINIANUS.
Sie wag Jhr Schiff nicht mehr auff die ergrimmte Wellen.
CÄMMERER.
Sie sucht das Sein' auß Sturm in sicheren Port zu stellen.
PAPINIANUS.
Sie leide sich und ruh' und meyde die Gefahr.
CÄMMERER.
Sie rufft Jhn auff den Stul von schwartzer Todten-Baar.
PAPINIANUS.
Die Mir die Tugend selbst zum Ehren-Bett' auffsetzet /
Die Ich weit über Stül und Lorber-Krantz geschätzet.
Man red uns nicht mehr ein / und ob es wol gemeynt /
Taug doch die Meynung nichts! wer meinen Fall beweint
Siht nicht wie hoch Ich sey durch disen Fall gestigen /
CÄMMERER.
Ach leider wenn sein Haubt wird vor dem Richt-Beil ligen.

[97] Eugenia Gracilis. Papinianus Hostilius. Papinianus. Ein Haubtmann.

Ach was erwarten wir! warumb die grauen Haar
Auff disen Tag verspart! was sind die langen Jahr
Als Staffeln zu der Angst / die das gekränckte Leben
Nach so vil rauer Qual dem Abgrund übergeben?
In welchem Ehr und Ruhm und Stand und Glück versinckt /
Und unser hoffen selbst in tiffster Schmach ertrinckt.
Mein Sohn! ach wenn du mir die Augen zugedrücket!
Wenn du den kalten Leib zu letzter Grufft beschicket /
Eh dises Licht anbrach! hätt Ich nach höchster Lust
Das lib' Elyser-Feld mit Freuden-voller Brust /
Umbkräntzt mit deiner Ehr und hohem Glantz besuchet!
O wüntschen sonder Frucht!
PAPINIANUS.
Wer nur dem Wechsel fluchet /
Und bloß die Hoheit libt / die auff- und untergeht:
Nicht anders als Dian, die jtzt in Flammen steht /
Bald aber zanckicht wird / und ehe sie sich theilet
Schon vor der Sonn erblast / und in ihr dunckel eilet /
In dem Sie gantz verschwindt: Der kennt das strenge Recht
Deß schnellen Lebens nicht. Was sterblich: Schwebet schlecht
Auff lauter Ebb und Flutt. Was uns pflag groß zu machen /
Was vor der Welt uns zirt; das sind geborgte Sachen.
Was druckt und was man druckt / ist nur der leere Tand.
Im Hertzen steht der Schatz den keiner Rauber-hand /
Im Hertzen blüht der Ruhm / den keine Macht entführet.
Was Mutter mich und dich auff unvergänglich ziret:
Nimmt uns kein Bassian. Heut ist der grosse Tag
Den wer uns trew und huld / mit Lust bejauchzen mag.
Der Tag ists welcher dich zu einer Mutter machet /
Deß Sohnes / der den Trotz der rauen Macht verlachet /
Deß Sohnes der vor stand / und Gold / Gewissen schätzt /
[98] Und vor das Heilge Recht / den reinen Leib auffsetzt.
Diß ist der Tag der mir die Ewigkeit bescheret.
Der mir was Zeit noch Leid zutreten kan / gewehret.
Auff Mutter! trockne denn diß thränende Gesicht.
Mißgönne mir und dir die herzlichst Ehre nicht.
HOSTILIUS.
Mein Sohn! wehn wollten nicht die hoch-erlauchten Sinnen /
Der unerschreckte Mutt der grosse Geist gewinnen?
Welch Vater solte nicht ob einem solchen Sohn
Sich freuen vilmahl mehr denn über Stab und Cron?
Doch leide: Daß Ich noch mein schmachtend Hertz außgisse /
Das über deiner Noth die heisse Schmertzen risse
Durchfoltert und zuzwickt. Man nennt diß Leiden schön;
Wahr ists daß Socrates mit Ruhm muß untergehn.
Callistenes verfil zu deß Pelloeers Schande
Und immer neuen Schmach. Athen beseufftzt die Bande
Deß tapffern Phoeions, die / die jhm Gifft gemischt;
Hat die geschwinde Rach in höchstem Grimm erwischt.
Der grosse Seneca hat als er auffgeriben /
Deß Fürsten grause That mit seinem Blutt beschriben.
Deß freyen Paetus Lob kan nimmermehr verblühn /
Und Burrhus Redli[ch]keit wird keine Nacht bezjhn.
Schön ists / mit einem Wort / den Geist vors Recht hingeben /
Doch schöner Recht und Reich erretten durch sein Leben.
Wer vor die Tugend fällt: thut wol. Der noch vilmehr
Der vor die Tugend steht. Wenn Aeolus zu sehr
Sich gegen Segel setzt / und die getrotzte Wellen
Mit Schlägen / Schaum und Sand das müde Schiff zuschällen:
Gibt man den Winden nach / und rudert wie man kan /
Nimmt keine Strich' in acht / fährt rück- auch seitwerts an /
Biß sich der Sturm geschwächt; denn eilt man einzubringen
Was vor auß Noth versäumt. So muß die Fahrt gelingen!
So bringt man Schiff und Gutt an das gewüntschte Land /
[99] Wer hir sich widersetzt und durch das freche Band
Der tollen Klippen rennt: muß sammt dem Mast versincken.
Es ist / ich geb es nach / schwer / grimmer Fürsten wincken
Stets zu Gebote stehn / doch kan ein grosser Geist
Durch Sanfftmut / offt / die Macht die alles trotzt und reist /
Entwehren: Daß Sie sich als ein Gewitter lindert.
Man geb umb etwas nach. Wenn man den Strom verhindert
So reist er strenger durch. Offt hat geringe Zeit /
Offt ein gelinder Wort / die scharffe Grausamkeit
Bezwungen und bepfählt. Wenn die nun stillen Sinnen /
Deß heissen Zornes leer: denn kan man vil gewinnen.
Denn pflantzt man Redli[ch]keit auch Wunder-thiren ein.
Zäumt Löwen / baut das Heil der sorgenden Gemein.
Denn rettet man sich selbst / bringt Länder auß verterben.
Schützt Völcker / bauet Städt / und zeucht auß Fall und Sterben
Wornach der Tod schon griff.
PAPINIANUS.
Genung! ich merck' es schon
Die Väterliche Lib' und Neigung zu dem Sohn
Bringt dise Meynung vor. Papinian soll hören
Was bey dem Unfall kan ein Röm'scher Rath-Herr lehren.
Hostilius versteht daß sein Papinian
Woll sterben: Aber nicht dem Mörder schmeicheln kan.
Man muß je Fürsten was zuweilen übersehen!
Nicht stets entgegen gehn / bemänteln was geschehen /
Verdecken manchen Feil / erinnern wenn es Zeit /
Anzeigen wo gejrr't: Und mit Bescheidenheit.
Wenn aber solch ein Stück ob dem die Welt erzittert /
Ob dem was nah und fern bestürtzt / und höchst erbittert /
So sonder Schew verübt / stehts keiner Seelen frey;
Daß Sie so schnödes Werck vor schön' und recht außschrey.
Hir fordert mich der Fürst! wie könt Ich doch entweichen?
Er steht nach meinem Ruhm. Eh muß die Sonn' erbleichen:
Als daß Sie Mich befleckt / verzagt / und feig anschaw.
[100] Ich weiß daß Antonin selbst ob der Mord-That graw;
Solt Ich denn solch ein Stück / trotz Sinnen! trotz Gewissen!
Außstreichen? Und die Faust die noch blutt-triffend / küssen?
Nein! Nein! es koste Stand / es koste was es wil!
Mein Vater! wer verleurt; gewinnt auff disem Spil.
EUGENIA.
Ach was verlir Ich nicht! O Stab der müden Jahre!
HOSTILIUS.
O letzter Trost! O Ruhm! O Schutz der grauen Haare!
PAPINIANUS.
Eur beyder Lebens-Schiff / eilt an das libe Land /
Und darff nicht vilmehr dinst. Vergönnt daß Ich die Hand /
(Weil es deß Himmels Schluß) dem Ruder was entzihe;
Vergönnt daß Ich dem Sturm der ankommt / schnell entflihe.
HOSTILIUS.
O Dinst! O Schiff! O Sturm! O Schiffbruch an dem Land!
EUGENIA.
O wer gibt meiner Asch' ein leichtes Häufflein Sand!
PAPINIANUS.
Geduld und Tugend kan ein ewig Grabmal stifften.
EUGENIA.
Wie wird mir? Irr ich schon in Leichen-vollen Grüfften?
HOSTILIUS.
Ja freilich bin Ich schon ein leben-loser Leib /
Der Freunde Furcht und Angst! der Feinde Zeit vertreib!
Deß Käysers Haß und Schimpff!
PAPINIANUS.
Nun Vater! Er betrachte;
Vor wehn Jhn Reich und Volck und Rom und Nach-Welt achte!
Gebt Römscher Rath-Herr! gebt nicht zarten Schmertzen nach!
[101] Ein steiler Felsen steht / ob schon die schnelle Bach
Hell rauschend umb Jhn scheust. Eugenie bedencket
Daß Euch durch meine Schmach stets blühend Lob geschencket!
Entweicht! man fodert uns! verschmertzt was euch betrübt!
Der zagt vor keiner Angst der Recht und Götter libt.
Was bringt der Haubtmann vor?
HAUBTMANN.
Der Käyser hat befohlen /
Durchlauchter / alsobald Jhn in den Rath zu holen.
PAPINIANUS.
Ich komm.
HAUBTMANN.
Ach werther Held! Er nehme sich in acht!
PAPINIANUS.
Ich thu's! und bin auff mein / und's Käysers Heil bedacht.
HAUBTMANN.
Man sagt: es sey sein Ambt schon andern übergeben.
PAPINIANUS.
Es wird ein ander kaum nach meinen Sitten leben.
Mein Nachsaß (glaubt es fest! die Seele gibt mirs ein!)
Wird thöricht: oder bald mein ernster Rächer seyn.

Bassianus. Papinianus. Sein Sohn. Die Auffwärter deß Käysers. Papiniani Diner. Die Schergen mit den Welle-Beilen.
BASSIANUS.
Wir sind / Papinian, auff die Geheimnüß kommen!
Die Nebel-Kapp' entfällt / weil was Er vorgenommen;
So hell als Phoebus stralt / vor aller Augen ligt.
Was ists daß man uns stets mit Worten eingewigt?
Daß man so steiff auff Recht und Heili[g]keit kan pochen?
Wenn man verschworne Trew leichtsinnig hat gebrochen?
PAPINIANUS.
Mir kommt was Antonin vor Sonnen-klar außgibt:
[102] Noch zimlich dunckel vor. Wer reine Tugend libt:
Bricht weder Trew noch Eyd und achtet kein verklagen /
Dafern Er hinderrücks wird gifftig angetragen.
BASSIANUS.
Was noth / daß man die Sach' als frembd' ins ferne stöst:
Wenn der verdeckte Grund der Sinnen schon entblöst?
Kennt man die Häubter nicht die sich auff uns verschworen?
Und Getam zu dem Thron durch unsern Tod erkoren?
PAPINIANUS.
Es sey auch wie es sey! hir ist mir nichts bekant.
BASSIANUS.
Bot nicht Papinian Jhm selbst Rath / Hülff und Hand?
Wie steht Er so verwirrt? So starrend? Was zu schlissen?
Schaut an! Jhn überweist sein überzeugt Gewissen!
PAPINIANUS.
Ich starr! und bin verwirrt / ob diser neuen List!
Frey aller Schand und Schuld! Komm wer du Kläger bist!
Komm wer du zeugen kanst! entdecke mein Verbrechen!
Trit vor / der du mich wilst ob solcher That besprechen!
Wer ists mit dem Ich je auff solche Sprünge kam?
Den Ich bereden könt' und in den Bund annam?
Mein Fürst! Ich bitt umb Recht! bin Ich zu überweisen;
So fall Ich willigst hin. Man brauche Stahl und Eisen /
Und was gerechtes Recht auff Ertz-Verräther setzt.
Wofern Verläumbdung sich mit diser Schmach ergetzt;
So richt auch / wer sich stets vor meinen Feind erkläret /
Und sprech ein Urtheil auß. Was irr ich? Man beschweret
Mein' über-reine Seel auß Neid / mit diser Schuld /
Damit man meinen Tod beschöne! Nur Geduld!
Die Welt ist nicht so blind / noch so verführter Sinnen;
Daß sie durch solche Träum' und Mährlin zu gewinnen.
Glaubt es der Käyser wol / (wie hoch er auch erhitzt)
Daß sich Papinian mit solcher Schmach beschmjtzt?
[103]
BASSIANUS.
Die Sach' erlaubt uns nicht ein lang Gericht zu hegen.
Papinian kan leicht die Klage widerlegen:
Wenn Er mit erster Trew deß Käysers Schluß außführt.
Was sind vil Worte noth wo man die Wercke spürt?
Fragt Er; ob Antonin Jhn ob der That verdencke?
Wir fragen: Ob Er uns mit Ungehorsam kräncke?
Doch glimmt die Libe noch in seines Fürsten Brust.
Da Jhm Papinian der schnöden That bewust:
So glaub Er wir verzejhn: Er bitt uns nur die Hände;
Und baw auff erste Pflicht ein wol-gewüntschtes Ende.
Dafern er sonder Schuld; warumb sich widersetzt?
Und durch hartneckicht seyn deß Fürsten Macht verletzt?
PAPINIANUS.
Jhr Götter die Jhr jtzt / und wenn wir nun entschlaffen /
Die vorgesetzte Lust / und wol-verdinte Straffen /
Ohn irren zuerkennt / die niemand trügen kan;
Ich ruff euch auff diß Haubt zu Zeug- und Richtern an!
Gönnt / wo Ich ursach je zu disem Wahn gegeben:
Mir nimmer Rast noch Ruh! es schwerme nach dem Leben
Mein hart-beklämmter Geist durch dicker Nächte Lufft!
Und wimmer / seufftz' und heul' umb meine Todtengrufft!
Der Fürst verzeihe dem / der was Ich nie verrichtet /
Der was Ich nie gedacht; mir Gottlos angedichtet.
Mir seh er keine Schuld / list noch verbrechen nach;
Weil wider Jhn mein Hertz mit Vorsatz nichts verbrach.
Ists tödlich / daß Ich nichts thu wider mein Gewissen /
Daß der von Jugend auff der Rechte sich beflissen /
Auff den die grosse Welt mit vollen Augen siht /
Der für deß Fürsten Ehr unendlich sich bemüht /
Ein Stück das Antonin in heissem Zorn begangen /
[104] Nicht außzustreichen weiß: so wüntsch Ich mit verlangen /
Den höchst-gelibten Tod. Ich bin deß Lebens satt!
Das so vil krummer Gäng und wenig rechter hat.
BASSIANUS.
Der geht sehr krumm der stets die höchste Macht wil richten!
PAPINIANUS.
Krumm geht / wer Laster lobt / und Tugend kan vernichten.
BASSIANUS.
Hört den vergällten Mund / den falsch-gesinnten Geist.
Was hält uns länger auff? Die rasend Ehrsucht reist
Den Mann auff frembde Werck'. Jtzt! jtzt ists Zeit zu thämmen!
Und den geschwellten Mutt durch letzten Zwang zu hemmen!
Er siht sein einig Kind / und siht es jtzt zu letzt /
Wo er mit einem Wort sich ferner widersetzt:
Stracks Diner! Stock und Beil.
PAPINIANI SOHN.
Es ist ein Mensch geboren!
Und als ein Mensch dem Tod in der Geburt erkoren /
Geboren in die Welt! doch von Papinian!
Geboren / wo man nur durch Tugend leben kan!
Erkoren von dem Tod als mich die Welt empfangen!
Erkoren von dem Tod der stets mir nachgegangen!
Noch an der Mutter Brust! der Vater bebe nicht!
Mir wird der schöne Tod zu einem hellen Licht;
Das als ein schimmernd Stern wird durch die Nach-Welt stralen /
So lang als Phoebe soll die braunen Wolcken mahlen.
Mein Vater!
BASSIANUS.
Reist jhn fort!
PAPINIANUS.
Warumb? Der Käyser hör!
BASSIANUS.
Warumb? Umb daß er Sein!
SOHN.
Und theilhafft seiner Ehr!
PAPINIANUS.
Mein Kind! Mein wahres Blutt! du stirbst! doch sonder Schande!
[105] Vor mich! zu meiner Straff! entschlisst die ehrnen Bande!
Ich habe / nicht mein Kind / deß Käysers Grimm entsteckt!
Mein steiffer Vorsatz hat den harten Zorn erweckt /
Ich komm / und bin bereit mit meinem Haubt zu büssen /
BASSIANUS.
Der Käyser wil von dir nichts denn Gehorsam wissen.
PAPINIANUS.
Wol! wol! so stirb mein Kind! weil es der Käyser heist!
Wir sind gehorsam! Fürst! ein unerschreckter Geist /
Thut willig: was uns nur das Heilge Recht erlaubet.
SOHN.
Nun Vater! gute Nacht!
PAPINIANUS.
Der grimme Zufall raubet /
Mein Sohn / dir Jahr und Stand / und was die Erden schätzt;
Doch schenckt Er was kein Beil noch Sturm deß Glücks verletzt.
Mein Sohn! stirb unverzagt! diß Leben ist ein krigen /
Voll Angst / ein solcher Tod: das allerhöchste sigen.
BASSIANUS.
Der Sig wird warlich dir gar nicht ersprößlich seyn.
PAPINIANUS.
Diß ist der höchste Sig / daß mein Gewissen rein.
BASSIANUS.
Schaut Völcker / dises heist vor grosser Weißheit rasen /
PAPINIANUS.
Solch rasen hat mir nie die Geister angeblasen.
BASSIANUS.
Es bläset in den Wind was dich so groß gemacht.
PAPINIANUS.
Wind / Schatten / Rauch und Sprew ist aller Menschen Pracht.
BASSIANUS.
Das zeugt Papinian, der Nichts auß Allem worden.
PAPINIANUS.
Es stürmt heut auß dem Ost / und morgen leicht auß Norden.
BASSIANUS.
Der Sturm riß deinen Stamm mit Ast und Wurtzel auß.
[106]
PAPINIANUS.
Vor zweiffelt Ich; nun hab ich ein beständig Haus.
BASSIANUS.
Beständig / wenn dein Sohn in eignem Blutte badet.
PAPINIANUS.
Dem weder Beil noch Grimm deß Fürsten hat geschadet.
BASSIANUS.
Geschadet? Bringt hervor sein abgeschmissen Haubt!
PAPINIANUS.
Nun seh Ich / O mein Kind! was Ich von dir geglaubt!
Ich schaw den hohen Mutt! die unverzagten Sinnen!
Die nicht durch Furcht / durch Angst / durch dräuen zu gewinnen /
Die in den frechen Tod sich unerschreckt gewagt.
Die / ob dem alles bebt / und zittert / nicht verzagt.
Die standhafft / ob wol zart! vor Threnen / Blutt vergossen /
Und engen Lebens-Zil / mit weitem Ruhm beschlossen.
Rühmt Eltern eure Frucht die umb deß Landes Heil /
Für Wund und sterben bot das edle Leben feil!
Mir bleib es unverwehrt den Sohn recht außzustreichen /
Der für Recht / Gott / und Land und Vater wolt erbleichen!
Der meine blühend Ehr ergetzt durch disen Preis!
Und seine fest gestellt! wie grosser Väter Fleiß /
Und Glück / und Ruhm ist nicht auff erstes Kind abkommen!
Durch das der Ahnen Licht beschwärtzt und abgenommen!
Wie wenn Diane sich vor Jhren Phoebus stellt /
Und den durchlauchten Glantz entzeucht der trüben Welt.
Den grausen Kummer kan mir der Verlust benehmen.
Ich darff deß meinen mich weil Menschen sind nicht schämen.
[107]
BASSIANUS.
Was rath! deß theuren Manns standhaffte Tapfferkeit
Lockt aller Hertzen an! uns zwingt die raue Zeit
Auff Heil und Reich zu sehn. Soll unser Land denn sagen
Wie steiff Papinian sich gegen uns getragen!
Der ob die Lippe schweigt; uns raw und herb auffrückt /
(Entschuldigt ers nicht selbst) was unser Hertze drückt!
Soll Rom und Läger denn stets auff uns beyde sehen?
Und weil es jenen lobt: Uns höchst-empfindlich schmähen?
O Götter! hätt Er uns nicht tausendfach verpflicht.
Doch wenns an Zepter geht / gilt Dinst und Freundschafft nicht.
Man muß! wir haben schon sein Blutt vergissen lassen!
Man gab / Jhm anlaß sich zu rächen / uns zu hassen!
Solt Jhm / was wir verübt nicht zu Gemüte gehn:
So must in seiner Brust kein Vater-Hertze stehn?
Ach! müssen wir die Faust in seinem Blutte färben!
Wir müssen! ach! es sey! Papinian soll sterben.
PAPINIANUS.
Gar willig! grosser Fürst! diß kan / diß wil Ich thun!
Es müsse von nu an die lange Zancksucht ruhn /
Die Hof und Hof zertheilt / und Freund auff Freund verhetzet!
Es falle was bißher / dir Rom / sich widersetzet!
Last Götter mich vor Fürst / vor Rath / Volck und Gemein /
Vor Läger / Land und Reich / ein rein Sün-opffer seyn!
Ade gelibte Stadt! Beherrscherin der Erden!
Es müsse deine Macht umb so vil grösser werden;
Als Ich mich vor dein Heil auffrichtig stets bemüht!
Ade sigreicher Fürst! der ins verborgen siht;
Siht das sein Ruhm allein der Zweck sey meiner Thaten.
Gebt Götter / die dem Thron so wol und besser rathen;
Als Mir je möglich war. Kommt Diner! kommt herzu!
Versichert Plautien daß Ich in lange Ruh /
[108] Auß langer Noth versetzt! sie mässig' ihre Zehren!
(Die wo was nach uns bleibt die Geister mehr beschweren /
Als wol der Pövel meynt) Sie glaub! ob wir geschwind
Doch / durch der Parcen Schluß / auff kurtz getrennet sind!
Sie halt ob dem was uns kan nach dem End erheben!
Sie ehre meinen Tod / und folge meinem Leben!
Erinnert die / die mich in dises Licht gebracht;
Daß ein durchlauchter Tag uns reiss' auß langer Nacht.
Nemt Kleid und Mantel hin! wenn sich das Schaw-Spil endet /
Wird der geborgte Schmuck / wohin er soll / gesendet.
Man halt in meinem Hof umb mich kein Tod-geschrey!
Wer noch leib-eigen dint; 53 sey loß. Ich geb jhn frey.
Und hirmit / gute Nacht! bleibt Freunde bleibt gesegnet!
Bleibt Helden bleibt gegrüst! wer seiner Noth begegnet:
Befödert seine Lust / und wird / wie klein er / groß.
Jhr die den Spruch außführt: Kommt Hals und Brust ist bloß.
Heilge Themis die du Sitten
Ins Geblütt hast eingepflantzet;
Die der grimmen Völcker wütten /
Durch gemeines Recht umbschantzet;
Und durch diß was du gesetzt
Dein gelibtes Rom ergetzt;
Gönne daß Ich dir zu Ehren
Dir / die Ich jtzt sterbend grüsse;
Die Ich annoch sterbend libe;
Mein nicht schuldig Blutt vergisse.
Und / (wo Ich was bitten kan)
Schaw diß Reich heilwertig an!
SCHERGE.
Geschehn! was mir der Fürst hat anbefehlen wollen /
BASSIANUS.
Du hättest unser Wort, 54 durchs Schwerdt / außführen sollen /
Wie wird uns! ist er fort? Ligt nicht die Leich allhir?
Wir irren! Geta seufftzt und winselt für und für.
[109] Ach Vater! ach Sever! ach Bruder! ach wer springet
Mit Fackeln umb uns umb? Wer stöst uns! ach wer schwinget
Das von Blutt rothe Schwerdt? Wie? Bricht der Grund entzwey?
Wer bläst das Streit-Horn! ach! wir spüren was es sey:
Wie wir durch Beil und Stahl zu wütten sind geflissen
So wüttet in uns selbst ein rasend toll Gewissen.

Papinianus Hostilius. Eugenia Gracilis. Die Reyen deß Römischen Frauenzimmers. Der Erste Diner Papiniani. Der Ander Diner. Reyen der Diner Papiniani. Beyde Leichen.
HOSTILIUS.
O Seelen die Jhr noch bey uns / nun alles fällt /
In wahrer Treue steht! die Rom / der grossen Welt /
Als Lichter unser Zeit / ruhm-würdigst vor wird stellen /
Jhr die Jhr uns / die wir verteufft in Unglücks-Wellen /
Noch Händ und Armen reicht / und den entsteckten Grimm /
Deß Fürsten Euch bemüht / durch Anmut Eurer Stimm /
Durch seuffzen / durch gewein und Vorbitt auffzuheben;
Die ihr uns Sohn und Heil jtzt wieder sucht zu geben;
Geht hin! O Sonnen geht! vertreibt die schwartze Nacht /
Die alles auff dem Hof bestürtzt und dunckel macht /
Geht hin! es ward wol eh ein reissend Löw beweget;
Daß er sich auff die Schoß der zarten Frauen leget /
Und Raub und Zorn verliß! geht! was der Mund nicht spricht;
Bringt Stamm / und Schönheit vor / und eur bethränt Gesicht.
Die Rosen die der Taw der Zehren übergossen /
Der Zehren die vor uns und unser Blutt geflossen /
Geht ringt nach disem Ruhm / daß ihr der Erden Licht /
Deß Fürsten rechte Faust / Astreens Zuversicht
[110] Nach der der Tod schon griff; durch euren Fleiß erhalten /
So müsse nimmermehr eur Haus und Lob veralten!
Geht! und weil mir der Geist nur auff der Zungen hält;
Erlangt daß mich die Lust entzuck auß diser Welt /
Daß Ich die müden Jahr in Hertzens-wonne schlüsse;
Und sterbe / wenn Ich dich mein Sohn / mein Leben küsse /
PLAUTIA.
Kommt Mutter! steurt auff mich den abgezehrten Leib!
Legt den verdorrten Arm umb meinen Hals! Ich bleib /
Vor Eure Schnur / jtzt Stab. Kommt außerkorne Frauen! 55
Freundinnen / den nicht kan vor unserm Jammer grauen.
Umbgebt diß vorhin hoch- jtzt tiff-gestürtzte-Paar!
Kommt! rettet neben mir so vil von einer Baar!
REYEN.
Last uns zu allererst deß Fürsten Mutter grüssen!
Sie komm' und knie mit uns zu deß erzürnten Füssen.
Kein grosses Hertz / das selbst ein rauer Unmut nagt;
Hat Beystand / dem der bat / in letzter Noth versagt /
PAPINIANI 1.
DINER.
Reiß Erden! Himmel kracht! raast Zwirbel-wind und sauset!
Jhr steile Klippen springt! getrotzte Wellen brauset!
Führt Suden mich von hir wo unerhörte Kält;
Dem Nachruff Grantz und Zil was außzubreiten stellt!
Jagt Norden! jagt mich fort / wo Jhm der Weg verrigelt /
Und durch entsteckte Glutt / der Sonnen gantz versigelt!
Doch ach! wo wüntsch Ich hin! der Schrecken-volle Tag!
Die Jammer-schwangre Nacht bebt vor dem Donner-Schlag!
PLAUTIA.
Ach Götter! ach was ists! ach Himmel ists geschehen
Wo ist Papinian?
[111]
1. DINER.
Man wird Jhn stracks hir sehen
REYEN.
Sag an! was klagst du denn? Was bringst du schrecklichs vor!
PLAUTIA.
Wo ist mein Herr und Kind?
1. DINER.
Nicht fern! nah an dem Thor!
Schaut an die treue Schaar bringt sie herein getragen.
Doch beyden / leider! sind die Haubter abgeschlagen!
Durch das verfluchte Beil! O Käyser! Rom und Stand!
O Sohn! O Vater! O gestürtztes Vaterland!
REYEN DER DINER.
O numehr! O nun wir in deiner Burg erscheinen!
Ach! steh uns frey zu weinen!
Flisst Thränen die vorhin der raue Hof verbot!
Ach / leider ach! ach! ach! Papinian ist todt.
REYEN DER FRAUEN.
O schrecklich Anblick! ach! die müde Mutter starret /
Und weiß nicht wie ihr wird. Der greise Vater harret
Den Athem einzuzjhn! und reist die grauen Haar
Von dem schir kahlen Haubt / und streut auff jede Baar
Deß hohen Alters Schnee! Schlag Plautie die Brüste. 56
Fall in der Scheitels Pracht! Ja grüsse was dich küste.
Wofern dein heisses Leid sich hirdurch lindern kan.
Hir ligt dein libstes Kind / hir ligt dein werther Mann!
EUGENIA.
Ha! ha! ha! ha! ha! ha! ha! Sohn! ach! Sohn! ach Sonne!
Verdunckelt durch den Tod in Mittag deiner Wonne!
Und bin Ich noch nicht hin! O hört mein wüntschen an!
O Götter! O wofern euch die erbitten kan /
Die nichts zu bitten weiß / als ein geschwindes Ende;
[112] Verwandelt eh als ich mein Kind ins Grab versende /
Mich Mutter sonder Sohn / in einen harten Stein;
Entziht Verstand und Sinn dem schitternden Gebein /
Last mich wie Nioben in einen Fels verarten;
Ich wil den Donner-Stral nun unerschrocken warten.
REYEN DER FRAUEN.
Ach überhäufftes Trauer-Spil!
Ach höchster Seelen bluttig Zil!
Ach können die so schmählich untergehen /
Die vor das Reich! vor Fürst und Tugend stehen!
HOSTILIUS.
Ja schmählich / dem der Sie zu disem Beil verwiß!
Euch rühmlich! Sohn und uns! wer so die Welt verliß:
Besteigt der Himmel Burg! ach aber! ach ich sterbe!
In dem Ich Euren Ruhm Mein Sohn / und Sohns Sohn erbe!
Was steht die Ehre mich! verweister alter Greiß!
Was denckst / was gibst du an! verlaßner! ach Ich weiß
Ich weiß nicht von mir selbst! Ich bin in euch gestorben;
O hätt Ich dise Gunst vor lange Dinst erworben;
Daß man das Richt-Beil mir / daß man auff euch gewetzt;
Mit außgeholtem streich hätt' an den Hals gesetzt.
REYEN DER FRAUEN.
Der arme Vater kan der überhäufften Zehren /
Sich / was Er Sich auch sucht zu zwingen / nicht erwehren
Das pfnutzen dringt hervor! nur Plautien gebricht
Das weinen mit der Red': Jtzt schlägt Sie das Gesicht
Auff Jhres Libsten Leich / und starrt ob seinen Wangen /
Und küst sein bluttig Haubt. Jtzt eilt Sie zu umbfangen /
Deß Sohns enthalsten Leib / Jhr zweiffelnd Geist erschrickt:
Und streitet wo die Lib ein grösser Leid erblickt /
EUGENIA.
Ach! ach! Mein werther Sohn und du mein ander Leben!
Ach! soll Ich beyder Mich auff einen Tag begeben!
[113] Euch ging das grimme Beil durch Nacken / Mir durch Hertz /
Euch tödtete der Zorn deß Fürsten / mich der Schmertz!
REYEN DER FRAUEN.
Ach Schmertz! ach Leiden!
Ach bluttig scheiden!
EUGENIA.
Ist diß Papinian! ist diß das Angesicht /
Nach dem sich Rom und Welt als seinem Leit-Stern richt?
Ist diß die schöne Stirn auff der der Tugend Wesen /
Und treu' Auffrichti[g]keit außdrücklich war zu lesen?
Ist diß der weise Mund ob dem die Erden starrt'
Auff dessen Außspruch man als auff Weissagung harrt'?
Ist diß die Edle Faust / die Feind und Krig vertriben?
Und Richtschnur und Gesetz der Nach-Welt vorgeschrieben?
Ist diß Papinian? Ist diß sein bluttig End!
Und kracht die Erden nicht / in dem Er in die Händ
Der Grausamkeit verfällt?
REYEN.
Ach Ursach! (ach!) zu klagen!
Welch Höllen-donner hat den Lorber-baum zuschlagen? 57
Baum unter dessen Zweig man Schutz und Ruhe fand /
Welch Räuber nimmt dich hin / höchst-schätzbar Himmels-Pfand?
Wer wird? Wer wird nunmehr die unterdruckten schützen?
Der Witwen Beystand seyn? Wer die Verwaiste stützen?
EUGENIA.
Und du mein Morgen-Stern! O Hoffnung von dem Stat;
Stirbst umb deß Vatern Schuld / der keine Schuld nicht hat!
O weh! O soll Ich dir die Augen leider schlissen?
Und Zehren auff dein Blutt (Ich armes Weib!) vergissen?
O Rose die der Sturm in erster Blüt abriß!
Wie daß Ich / nicht noch nechst den müden Leib verliß!
Ja nicht vor Wonne starb da Rom dich selig schätzte /
Und sich ob deiner Ehr und Schaw-Spil höchst ergetzte!
Du hättest meinen Geist mit deiner Seel umbfast?
Du hattest was Ich jtzt soll thun / der Glider Last
Der letzten Glutt vertraut / und die noch übrig' Aschen
Und diser Knochen Rest / mit Thränen abgewaschen /
[114] Die mich vor Balsam / Myhr und Aloen erquickt!
O eitel wüntschen ach! ach! ach! der Himmel schickt
Was wider Recht der Zeit / die mich bestatten solten;
Erfordern diß von Mir! heist diß die Müh vergolten!
O Schluß der Götter ach! Ich / die nicht tüchtig bin
Leb und schwerm auff der Welt / die tüchtig sind: sind hin!
Schaut an mir schaut und lernt was wir zu hoffen haben!
Auff einmal soll Ich Kind und Kindes-Kind vergraben.
HOSTILIUS.
Vergraben / Stamm und Haus und Hülff / und Schutz und Ehr!
Doch Nein! die Ehre blüht und wächst je mehr und mehr /
Mein Sohn! auß deinem Blutt. Doch ligt Jhr auff der Baare /
Verwaister Eltern Schmertz und Stab der letzten Jahre.
O Jahr! O Stab! O Angst! mein krachend Hertz erstickt:
In dem euch durch eur Blutt gefärbte Purper schmückt.
REYEN DER FRAUEN UND DINER
zusammen.
Ach wer wird Rom die Bluttschuld dir abwischen /
Durch die die Zwey ihr reines Blutt vermischen.
Ach! ach! O Fluch! O Schmach! ach Schmertz! ach Leiden!
Ach kläglich scheiden!
DER 2.
DINER.
Betrübte / die Jhr hir in lauter Thränen schwimmt /
Seht vor Euch! Grimm auff Grimm und Trotz auff Trotz entglimmt.
Deß Fürsten Zorn scheint gantz in rasen sich zu wandeln /
Er heist was hir und dar erwürgt auffs hefftigst handeln.
Man schleifft durch Gaß in Gaß / in Hacken Leich auff Leich /
Ach daß Papinian der harten Schmach entweich!
Daß nicht sein Eingeweid beflecke Stein und Erden!
Eilt / last die Tyber nicht deß Greuels fähig werden.
[115] Wo waschen wir uns wol von diser Unthat rein /
Wenn der geweihte Fluß selbst wird entweihet seyn.
HOSTILIUS.
O! kan ein Schweffel-Pfeil auff schon entleibte blitzen!
Kan sich die freche Glutt auff todter Asch erhitzen!
Welch Nord reist Wurtzeln auß? Wenn er den Stamm zubrach
Eilt! eilt! tragt Baar und Leich ins innerste Gemach /
Schafft schleunigst was man darff zu beyder letzten Ehren /
Kommt Diner! mich verlangt die Reden anzuhören /
Wormit Papinian die schöne Thaten schloß
Mit welchen er sein Blutt vor Fürst und Recht vergoß.
REYEN DER FRAUEN.
Halt! Plautie Sie sinckt zu Jhres Liebsten Füssen.
Bestürmte Plautie! ob Er dir schon entrissen
Doch lebt sein hoher Geist in deiner keuschen Brust /
Sie ligt gantz Athem-los!
EUGENIA.
O angenehme Lust
O Sterben (wo du tod) das über alles Leben!
O Ruh (wo dich der Geist auff kurtze Zeit begeben)
Tragt! tragt Sie mit Jhm hin: Kommt Jungfern! helfft uns nach!
Ich lebend-Todte folg' euch Todten! wo die Bach
Der Thränen sich verstopfft; so soll mein Blutt abrinnen
Und mit dem Geist den Gang durch jedes Glid gewinnen.
REYEN DER FRAUEN.
Wir folgen doch nicht dir O Held zu deiner Grufft
Nicht dir den Ewigkeit in ihre Festen rufft!
Wir folgen grosser Mann höchst-klagend und gedencken
Das Recht mit deiner Leich und Sohn ins Grab zu sencken.

Ende.

Anmerkungen

[116] Anmerckungen.

1 21. Vers. Papinianus war nunmehr so hoch kommen daß vor jhn wenig oder keine Staffeln zu dem höchsten Ehren-Thron mehr übrig. Sintemal er nach unterschidenen mit ruhm geführeten Ehren-Aembtern damals Praefectus Praetorio gewesen. Von welcher hohen Verwaltung Petrus Faber Semest. l.c.I. II. III. und die Notitia Imperii Orientis & Occidentis. Unter ihrer Auffsicht waren die Käyserliche Hof-Läger und milites Praetoriani, welche man damals auch Corporis custodes ac stipatores genennet / konte also villeicht diser Ehren-Stand mit der Würde deß Obristen Reichs-Hofemeisters verglichen werden. Ego, diser Meynung ist Faber, non valde aberraturum credo, si quis Praefectum, Praepositum aut Comitem Palatii, vel si Majorem domus, Praefecto Praetorii, protectorumq; Praetorianorum comparaverit, qui domesticorum Comes in aula Constantinopolitana dicebatur.


2 v. 24. Sintemal jhnen das Haubt-Läger unterworffen / also gibt Burrhus bey dem Tacito, als jhn Seneca angesehen / und gleichsam gefraget an militi imperanda caedes esset, dise Antwort. Praetorianos toti Caesarum domui obstrictos, & memores Germanici nihil adversus progeniem ejus ausuros.


3 v. 27. Antoninus Caracalla Käysers Severi Sohn und Papinianus haben zwey Schwestern geheyrathet /jener Plautillam, diser Plautiam. Nachdem aber diser beyden Frauen Vater Plautianus auff Antonini geheiß umbgebracht / hat Käyser Severus Plautillam mit dem Sohne welchen Antoninus mit ihr gezeuget / in das Elend in Sicilien geschicket / ihr aber dennoch so vil mit gegeben als zu Nutz und Nahrung von nöthen /besihe Herodianum nahe dem Ende deß Dritten Buchs. Wie denn Dio in seinem LXXVI. erwehnet daß Plautianus nicht von Antonini, sondern auff dessen Befehl von eines Diners Hand nidergestossen.


4 v. 29. Disem vornemlich sind beyde Söhne von dem Käyser anbefohlen. Spartianus.


5 v. 35. Besihe die gantze Betrachtung Königs Caroli von Groß-Britanien über den Tod deß Grafen von Staffort / da sehr nachdenckliche Worte zu befinden. c. 2.


6 v. 39. Von diser Zwytracht handeln Dio, Herodianus, Spartianus umbständlich.


7 v. 45. Weil sich beyde Fürsten zu Rom gar nicht vertragen können / ist man schlüssig worden beyde durch Theilung deß Reichs von einander zu sondern /damit einer vor deß andern nachstellen und hinterlist umb so vil mehr sicher leben könte / derowegen haben sie mit zuzihung Väterlicher Freunde in gegenwart der Mutter Juliae sich so fern verglichen / daß Antonin gantz Europam, Geta gantz Asiam haben solte / zumal weil durch Göttliche Vorsorge das Vor-Meer oder Propontis, dise Theile der Erden gleichsam abgräntzete. Antoninus möchte seine Läger bey Bizantz, Geta zu Chalcedon in Bithynien, welche diser Stadt gegen über / auffschlagen / damit auff dise Weise idweder sein Land behüten / und dem andern das übersetzen verwehren konte. Wer auß den Römischen Rath-Herren in Europa geboren solte zu Rom verbleiben / die andern aber dem Geta folgen. Geta war entschlossen seine Hofhaltung zu Antiochien, oder Alexandrien, welche Städte / damals nicht vil kleiner als Rom / zu stifften. Auß den Sud-Ländern /blib Mauritanien und Numidien, Antonino. Was disen gegen Osten anhängig / ward dem Geta überlassen. Als man hirmit geschäfftig / und die andern alle das Angesicht traurig unter sich auff die Erden schlugen /fänget Julia an: Meine Kinder / wie Erde und See zu theilen / habet ihr nunmehr gefunden / und beyde Fuß-feste Länder scheidet das Pontische Meer / wie werdet ihr aber die Mutter theilen? Wie kan ich unglückselige unter euch beyde getrennet oder zuschnitten werden / tödtet mich derohalben vor allen dingen / und idweder begrabe meine Helffte bey sich / daß ich zu gleich unter euch mit Erd und See getheilet werde. Als sie dises geredet / fil sie mit vilem heulen und winseln beyden umb den Hals / umbfing / und suchte sie mit einander zu versöhnen. Als hierüber sich ein sonderes mitleiden erhub / ward diser Rath von allen verworffen. Dises ist auß Herodiani IV. Buch etwas weitläufftiger erzehlet / umb daß diser Theilung hin und wieder in den folgenden Abhandelungen erwehnet wird. Daß aber Papinianus allhir vorgibt / man hätte auch wol vorhin getheilet; gehet auff die Zeiten M. Antonini und Veri, welche beyderseits ob wol nicht mit getheileter Gewalt / doch mehrentheils fern von einander geherrschet und Krig geführet.


8 v. 69. Was vortreffliche Gemütter offt allerhand Affterrede und Gefahr zu vermeyden / thun müssen /ist jhnen nicht selten übel gedeutet. Von dem berühmeten Weisen schreibet Tacitus: Instituta prioris potentiae commutat, prohibet cultus salutantium, vitat comitantes, rarus per urbem, quasi valitudine insensa aut sapientiae studiis domi attineretur. Jhm aber wird schuld gegeben / quod Piso visendo eo prohiberetur. In dem XV. Jahr-Buche wird Thraseas verläumbdet /quod nuncupationi votorum non adsit, quamvis quindecimvirali sacerdotio praeditus. Illum assiduum olim & indesessum, qui vulgaribus quoq; Patrum consultis semet fautorem aut adversarium ostenderet, triennio non introiisse Curiam, nuperrimeq; cum ad coercendos Silanum & Veterem certatim concurreretur, privatis potius Clientium negotiis vacavisse.


9 v. 86. Unter Severo hat sich eine hefftige Verfolgung wider die Christen entsponnen / von welcher Tertullian. in Apologet. Spartian. in Severo. Euseb. lib. VI. Baronius zwar wil Papiniano zumessen / als wenn er mit dem blutt der Christen sich zeit-wehrenden Sturms beflecket. Annal. Tom. II. In dem 214. Jahr. §. 3. es mangelt aber an Beweis. Denn daß etliche Juristen in causis Christianorum dijudicandis nullam aequi habuerint rationem, wird gar wol nachgegeben; daß aber Papinianus insonderheit unter disen gewesen / wird hirauß noch nicht erzwungen. Daß Domitius Ulpianus siben Bücher von den Straffen der Christen geschriben / wie Lactantius lib. V.c. II. erzehlet / ist seine eigene nicht Papiniani Schuld. Dannenher wir Papinianum also einführen / wie es die Rechte und seine bekante Auffrichti[g]keit erfordern. Zu geschweigen / daß der sonsten über massen belesene Cardinal auß sonderm Eifer wider die Rechts-Gelehrten vil geschriben / welches sich nicht auff sie erweisen lassen.


10 v. 90. Auß Justini, und Tertuliani Schutz-Schrifften erscheinet klar / daß die Christen ohne weitere Erkäntnüß und Verhör / umb deß blossen Namens willen zu der greulichsten Marter verdammet. Besihe den bekanten Sende-briff Plinii deß Jüngern. Zuförderst Justinum Apolog. II. bald nach dem anfang.


11 v. 95. Lise Basalium den Bischoff zu Cappadocia, in seinem Buche von der wahren Jungfrauschafft, und der Lateiner und Grichen Märter-Bücher oder Menologia und Martyrologia.


12 v. 266. Sicilien, an welcher Enge das gefährliche Würbel-wasser von den Alten mit disem Namen begabet.


13 v. 271. Die Römischen Bräute worden mit verhülletem Gesichte den Bräutigam zugeführet / wie auß allen Lateinischen Poeten mehr denn bekant. Besihe Brissonium de ritu nuptiarum. Dise Decke deß Gesichtes war gelber Farbe und Flammeum genennet /nach Pomponii Meynung / quod eo perpetuo Flaminica uteretur. Quid si, quod aliquando mihi visum, a colore flammeo?


14 v. 305. Plautianus von dessen unaußsprechlichem Reichthum / grosser Gewalt / Gunst bey dem Käyser Severo und bluttigem Untergang / Spartianus, Dio Cassius und Herodianus außführlich handeln.


15 v. 327. Papinianus ist / wie seine Grabschrifft außweiset / umbkommen in dem XXXVI. Jahr und zehenden Tage deß dritten Monats / seines Lebens.


16 v. 398. Ob jhm gleich keine Bilder von Ertz und Metall auffgerichtet werden / welche offt vor dem Tode deß jenigen / dem sie auffgesetzet / nidergerissen werden. CCCLX. Bilder sind Phalereo Demetrio zu Athen auffgesetzet / welche bald nidergerissen als noch nicht das Jahr die Zahl diser Tage übertroffen. Plinius in dem XXXIV. Buche / in dem VI. Cap. Die Zunfften / (so redet er ferner an angezogenem Orte) hatten C. Mario Gratidiano Bilder auff allen Gassen gesetzet / welche sie bey dem Einzug Syllae wieder umbgekehret / und denn heist es wie Juvenalis von dem Sejano


– – – – – – ex facie toto orbe secunda

Fiunt urceoli, pelves, sartago, patellae.


Wie Julii deß Andern köstliches Bild von Ertz zuschmoltzen / und ein Stück darauß gegossen / waren noch die darüber sich ergetzeten / vorgebend / es hätte nichts tüchtigers als eine Carthaun auß dessen Bild gemacht werden können / der selbst nichts denn Feuer und Tod bey seinem Leben gespeyet.


17 v. 35. Severus hat weil er nach dem Käyserthum gestanden / keine andere heyrathen wollen / als eine derer Geburts-Stunde anzeigung Königlicher Würden hätte. Cum amissa uxore, aliam vellet ducere, genituras Sponsarum requirebat, ipse quoq; Matheseos peritissimus, & cum audisset, esse in Syria quandam, quae id geniturae haberet ut Regi jungeretur, eandem uxorem petiit, Juliam scilicet, & accepit interventu amicorum.


18 v. 40. Agrippina Neronis Mutter / Drusi dessen Namen Britannicus, welchen Nero mit Gifft hingerichtet / Stiffmutter / welche Statsüchtig mehr denn zu vil.


19 v. 46. Weil sie sich der Regirungssachen zu sehr unterwunden. Tacitus. Adjiciebat crimina longius repetita, quod consortium imperii, juraturosq; in foeminae verba Praetorias cohortes, idemq; dedecus Senatus ac populi speravisset. Annal. XIV.


20 v. 77. Severus hat das Königliche Glück / welches mit den Fürsten pflegete geführet und in ihre Kammer gestellet zu werden / zweyfach zu machen sich entschlossen / daß er dises heilige Bild idwederm seiner Kinder hinterlassen könte. In dem jhm aber die Zeit wegen annahender Todes-Stunde zu kurtz ward / soll er / wie man vorgibt / anbefohlen haben / solches einen Tag umb den andern in eines iden Kammer zu stellen. Quod Bassianus prius contemsit, quam faceret parricidium, saget Spartianus.


21 v. 176. Julia hat Caracallam mehrentheils aufferzogen / dannenher sie seine Mutter nicht wegen der Geburt / sondern getragener Vorsorge.


22 v. 177. Severi letzte Worte sind: Ich verlasse meinen Antoninen ein beständig Reich / so fern sie gut /ein schwaches dafern sie böse. Spartian. Massen er auch die herrliche Rede deß Micipsae, mit welcher er seine Söhne zu Einigkeit vermahnet / kurtz vor seinem Tode dem Caracallae zugeschicket.


23 v. 180. Von Erhebung der Römischen Fürsten in die Zahl der Götter / besihe die weitläufige Beschreibung Herodiani, in dem Anfang seines Vierdten Buchs. Massen auch das Gebäude dessen erwehnet noch auff etlichen alten Müntzen zu schauen.


24 v. 471. In disen und etlichen andern Vorsagungen wird gezihlet auff die unzüchtige Ehe der Julien mit ihrem Stiff-Sohn dem Caracalla, durch welche sie noch einmal auff den Römischen Thron gerathen.


25 v. 475. Caracalla hat alle hingerichtet / die Getae tod betrauret / wie er auch Julien, dafern sie wehklagen würde / gleichsfalls zu ermorden gesonnen gewesen. Occidere voluit & matrem Getae novercam suam, quod fratrem lugeret, & mulieres quas post reditum de curia flentes reperit. Spartianus.


26 v. 2. Weil er / wie Nero, seinen Stiff-Bruder hingerichtet.


27 v. 81. Ist Aloe welches in der Insel Zocotera unter dem XIII. gradu latitud. Boreae sehr köstlich fällt /und dannenher Aloe Zocotrina genennet wird.


28 v. 117. Ist die Binde welche die Fürsten jener Zeit an statt der Crone getragen. Von derer Farben außführlich. Casaubon. Exercit. XVI. in Baron.


29 v. 182. Das höchste Lob / das die Welt-weisen den Fürsten gegeben. Tacitus, Sed neq; Neroni infra servos ingenium. Annal. XIII. Besihe Boccalinum durch und durch.


30 v. 186. Auß allen / die Bassianus nach deß Brudern Tode hingerichtet; ist Laetus, der vornehmeste Anstiffter dises Bruder-Mords / der Erste gewesen /welchem Bassianus Gifft zugeschicket. Laetum ad mortem coegit misso a se veneno, ipse enim inter svasores Getae mortis primus fuerat, qui & primus interemtus est. Spartianus.


31 v. 192. Bassianus hat dem ermordeten Bruder ein sehr herrlich Begräbnüß außgefertiget.


32 v. 200. Bekant ist die Stichelrede Bassiani auff den todten Getam: Sit Divus, modo non Vivus.


33 v. 231. Als welcher in hohem Alter zu dem Reich kommen.


34 v. 431. Mit seinem Stiff-Bruder Britannico.


35 v. 461. Wo jemals Seneca seinem Ruhm zu nahe getreten / seiner Weißheit einen Schandfleck angehangen / und von der Nach-Welt unsterblichen Verweiß verdinet; so ist es durch dise Entschuldigung (welche er Neroni, den Mutter-Mord zu beschönen / auffgesetzet) geschehen. Denn / unangesehen Agrippina habe eines und andere begangen das nicht zu loben; war doch minder zu entschuldigen was ein leiblicher Sohn an seiner Mutter / die jhn zu dem Throne befördert /verwürcken dörffen. Ergo non jam Nero, cujus immanitas omnium questus anteibat, sed adverso rumore Seneca erat, quod oratione tali confessionem scripsisset. Tacit. Annal. XIV.


36 v. 485. Daß die uhralten Römischen Gesetze auff zwölff ehrne Taffeln gegraben gewesen / ist nur mehr denn zu vil bekant. Es waren aber gedachte Gesetze schon zu der selbigen Zeit / wegen grosser Veränderung der Lateinischen Sprache so unklar / daß wenig dieselbige sonder Außlegung verstanden. Was der gelehrete Licetus in seinem Buch de Lucernis Veterum von zweyerley Arten der Lateinischen Sprachen /deren eine unter vornehmen und wolgezogenen / die andere unter gemeinen Leuten üblich gewesen / vorbringet / und weitläufftig sich zu behaubten bemühet /wird er keinen der Lateinischen Sprache recht erfahrnen bereden / sintemal mehr denn bewust / daß auch die heiligsten Lider / Weissagungen / Verschwerungen und derogleichen / welche man nicht gerne vor deß unheiligen Pövels Ohren kommen ließ / in derselbigen uhralten Red-Art / die er vor die gemeine außgeben wil / abgefasset. Was er von Nicolao Laurentio oder Cola Rentzo vorbringet / erwegen wir in einem andern Ort.


37 v. 489. Wir behaubten allhier nicht daß die Monarchi / juris gentium, über welcher Meynung die Politici nicht einig / sondern zilen nur dahin / daß wo die Monarchi eingeführet / mehrentheils bey allen Völckern einer / und nicht zwey geherrschet.


38 v. 493. Claudius welcher der letzte so auß seinen Nachkommen geherrschet / weil dessen leiblicher Sohn / den Tacitus, supremum Claudiorum sangvinem nennet nie den Thron bestigen. Diser / damit er Agrippinam Neronis Mutter heyrathen möchte / decretum postulavit, quo justae inter patruos fratrumq; filias etiam in posterum statuerentur nuptiae. Tacit. Annal. XII. Sie lohnete jhm aber mit Gifft / welches jhn auß dem Ehe-Bette und Thron stürtzete / delectabili boletorum cibo.


39 v. 510. Spartianus vermeynet / deß Todes Papiniani Haubt-ursache sey nicht / daß er sich verwidert die Entschuldigung dises Todschlags auffzusetzen; sondern die Freundschafft die er zu dem Geta getragen /hätte sein Ende befördert. Neq; Praefectus poterat dictare orationem. Gleichwol sehe ich nicht warumb bloß auß disem Grunde von der gemeinen Meynung zu weichen. Wer sich erinnert / wie hoch damals Papinianus gehalten / wird vilmehr vermutten daß von jhm als dem vortrefflichsten Rechts-Gelehrten / und der bey allen in grossem Ansehen / dise Schutz-Rede gefordert / utpote cujus magnum nomen obumbrat.


40 v. 551. Laetus wirfft der Julien in disem und folgenden 580. v. Jhre Grausamkeit und zugleich ihr unansehliches Vaterland vor. Sie war auß Syrien / welches Land vil Löwen nähret / wie auch die Schrifft selbst zeuget. Besihe Ambrosin. in Continuat. Aldrovandi. Und Jonston. Histor. animal. quadruped. So waren / was das andere anlanget / die Syrer / als zu steter Dinstbarkeit geneigete Gemütter von den Römern sehr verachtet / massen sie denn ihren Leib-eigenen offt den Namen Syrus und Syra gegeben.


41 v. 581. Mit andern Straffen wurden zu Rom die Frey-gebornen / mit andern die Leibeigenen beleget /dannenher offt in den Geschicht-Büchern poenarum servilium erwehnet wird. Unter solchen Straffen war zu Rom das Creutz die gemeineste / nicht aber in Syrien und bey den Juden / als welche wie Casaubon herrlich erwiesen in Exercit. contra Baron. bey jhnen gar nicht bräuchlich. Was man von ihrem auffhencken vorbringet / dinet hirzu gantz nicht / denn sie niemand an dem Holtz sondern auff der Erden erwürget. Sie stecketen den schuldigen Missethäter biß zu den Knien in den Mist / und wickelten ein hartes Schnuptuch in ein linderes / legeten dasselbige umb seinen Hals / man zog aber daran von beyden Seiten / biß jhm die Seele ausgegangen war. Mass. Sanhed. c. 17. Die nun auff dise Art erwürget / wurden nachmals an den Pfahl gebunden / darvon zu anderer Zeit wir mehr außführlich zu reden gesonnen.


42 v. 642. Die Erwürgeten wurden zu Rom mit Hacken durch die Gassen gezogen / und in die Tyber oder bey die Gemonische Staffeln geschmissen.


43 v. 704. Dantes in seinem XII. Gedichte der Höllen / stellet die Gewaltthäter und Tyrannen in eine bluttig-sidende See.

Ficca gli occhi a valle: che s'approcia

La rivera del sangve in la qual bolle

Qual che per violenza in altrui noccia.

Und etwas ferner:

Noi ci movemmo con la scorta fida

Longa la proda del bollor vermiglio

Ove i bolliti facen alte strida.

Beyde Ort haben wir folgends nur überhin versetzet.

Schlag dein Gesicht auff dises tiffe Thal

Es rauscht daher / der Blutt-Fluß darinn kocht

Der mit Gewalt geschadet und gepocht,

Und nun die Straff erträgt in diser Qual.

Und folgends:

Wir gingen mit dem treuen Leiter fort

Längst hin den Strand der Blutt-gefärbten Bach

In welcher groß Geheule nach und nach

Außgossen die gesotten umb den Mord.


44 v. 41. Thraseae wird vorgeworffen / daß er seinen Ruhm durch Neronis Verkleinerung suche. Besihe wormit jhn Capito beschuldiget bey dem grossen Geschicht-Schreiber. Annal. XVI.


45 v. 60. Als Papiniani Frauen Schwester.


46 v. 155. Getae, der Syrischen Julien Kinde.


47 v. 177. Papinianus Bassiani Schwager.


48 v. 205. Übermassen artig sind die Worte welche Petrus Aretinus in den Mund seines Hippocrito, (Atto secundo Scena terza) leget. Non è dubbio, che il cortigiano favorito dal suo Principe, non sia una signoria. Tamen lo incampiar in un filo di paglia lo fa morire sopra un fascio di fieno. Es ist kein Zweiffel daß es umb einen Hofmann / welchem sein Fürst sehr gewogen / nicht eine grosse Herrli[ch]keit sey: aber das anstossen an die geringste Spreuer-Spitze / machet daß er auff einem Hew-gebündlein sterben muß. Noch artiger was Scribanus (in Politic. Christ. cap. XII. lib. I.) setzet. O aulas sphaeristeria! & o! quotquot in illis regiae pilae. An selbigem Ort erwehnet er gleichsfalls deß Hertzogs von Ancrè, welcher an dem Frantzösischen Hofe jämmerlich umbkommen / bringet etliche Stücke auß der auff jhn gemachten Grab-Schrifft vor /und beklaget hoch daß sie nicht gantz in seine Hände gerathen / weil denn selbige mir unverhofft auff meinen Reisen zukommen / wil ich sie (weil es nicht eine wie Scribanus vermeynet / sondern deren etliche) gantz hiher setzen / umb so vil mehr weil er so hoch verlangen darnach getragen. O quis invidit mihi & Orbi corporis medium! und o multa ab hac manu nulli veterum cessura. Auch vil die die wenigen Zeilen / & defrustati corporis frusta wie er redet / bey jhm gelesen / selbige unzubrochen zu lesen begehret:

Eheu! rerum vices,

Gallicum Sejanum

Regno propinquum, Regi proximum

Poenitens aut fatigata

Fortuna destinuit.

Principum Invidiae, victima mactatur

Ut sacer Homo saginatus publico

Galliam expiet.

Ferrum expertus, male qui cupivit aurum

Regnum qui VIVUS in partos secuit

MORTUUS
secatur in frusta.

Aequius an Immanius?

Diris, sibilis, inclamationibus plebs surens

Justa fecit

Tracto, discerpto, nullibi aut ubiq; sepulto.

Eheu! quam dissimili

Exitu clauditur Aulicorum fabula!

O rerum vices! o fata!

* * * * * * * * * *

Concini Manibus.

Heu lubricum Aulae Culmen

Hominem fortuna temere extulit

Haud temere perdidit.

Opes nimis amplae, animo nimis angusto

Rerum potitus, sui impotens,

Cunctis major, sua tantum minos

Magnitudine.

Felicitatem dominandi non diu tennit

Quod felicitate serviliter teneretur.

Principum Amore, civium odia meritus,

Vices non metuens, Regi metuendus.

Cum viveret universis nimium notus

Moritur ignotus Sibi.

Viri Sepulcrum Viator non quere!

Necato, in partes disfecto,

Sepulcrum non deerat, si quod sepeliretur

non defuisset.

* * * * * * * * * *

In Obitum Concini.

Eheu!

Suorum tandem

Sive bene, sive male factorum

Paenitens Fortuna

Praerupte haec alta

Mox per inconstantiam labitur,

Molita exitium Concino

Crudelis in morte, quae liberalis in vita.

Auro quem operuerat

Humo negavit contegere.

Haec membra Viator

Fas insepulta spectare.

Trucidato vasta macellum civitas facta,

Cruorem reperies

Ossa si quaeros.

Siste,

Ac necis misertus tam dirae,

Lacrimans discede.


Wer aber mag sie auffgesetzet haben? Ein vortrefflicher und so durch allerhand Wissenschafften / als ruhm-würdigst und lange Zeit geführete Waffen hochberühmter Chevallier hat mir entdecket / daß dise Schrifften auß Maphaei Barberini Feder geflossen /welcher nachmals mit der dreyfachen Krone den Namen Urbani deß Achten angenommen. Massen mir auch die Ursache so jhn dise vortreffliche und wichtige Wort hervor zu geben bewogen / nicht verborgen.


49 v. 221. Papiniani Sohn hatte das Rentmeister-Ambt in Rom erhalten / und üblichem Brauch nach kaum drey Tage vor seinem Tode dem Volck offentliche Lust und Freuden-Spile angestellet. Ante triduum quaestor opulentum munus ediderat. Spartianus.


50 v. 293. Wer disen Auffzug recht verstehen wil /muß die Notitiam Imperii Orientis & Occidentis vor sich nehmen / und in selbter auffsuchen was von den Praefectis Praetorii und ihren Ehren-Zeichen angedeutet wird. Ich wil nur mit wenig Worten andeuten / daß sie Illustres oder Durchlauchte genennet / daß das vornehmste Zeichen ihrer Würde der Dolch / welchen sie stets öffentlich getragen / anzudeuten / daß jhnen Gewalt über Tod und Leben ertheilet / jhnen ward der Elfenbeinerne Stul auff Rädern / Curulis eburnea erlaubet / wie sie denn auch eigentlich sich eines vergoldeten Wagens gebrauchet / da andern Beambteten nur versilberte vergönnet. Sie führeten mit sich die Bilder der Fürsten / unter welchen die Felicitas Imperii mit einem Horn deß Überflusses gestellet ward. Jhr Gemach ward gezihret mit einem Tische oder Altar von Ertzt / welcher bedecket mit einem weissen Tuch / dessen Säume von Gold gewürcket / auff selbigem stund das Buch ihrer Ambts-Verrichtungen gezeichnet mit deß Fürsten Bilde / neben dem Buch vier brennende Lichter / auff so vil göldenen Leuchtern. Wer dises beobachten wird / kan / was allhir etwa dunckel vorkommen möchte / leicht verstehen. Gesetzt auch daß zu Bassiani Zeiten nicht alle dise Zirathen bräuchlich gewesen / (weil man der meisten gewiß) stehet doch der Dicht-Kunst an sich ihrer Freyheiten zu gebrauchen.


51 v. 375. Wie übel das Heer mit Getae Todschlag zufriden gewesen / führet Spartianus weitläufftig auß / den sihe.


52 v. 493. Dio in Caracall. Erzehlet / daß er der Antoninus offt durch grausame Gespenster erschrecket /in dem jhm der Vater und Bruder mit entblösseten Schwerdtern erschinen. Und in dem LXXVIII. Buch /erwehnet er / daß als Antoninus von Antiochien außgezogen / der Vater jhm in dem Schlaf mit dem Schwerdt vorkommen / und dise Wort gesprochen: Wie du deinen Bruder umbgebracht / also wil ich dich auch umbbringen.


53 v. 338. Die Römer gaben zu weilen bey ihrem Abschid entweder in dem letzten Willen / oder auch ausser demselbigen / die Freyheit / dises letztere geschahe / wie bey Lebe-Zeiten auff unterschidene Weise /wie die Rechts-Gelehrten weitläufftig außführen. Unter andern pflegete der Herr den Leib-eigenen umbzuwenden / und gleichsam durch dises Zeichen dar zu thun / daß er jhn auß der Leib-eigenschafft in die Freyheit versetzete. Persius Satyr. 5.


– – – – Heu steriles veri quibus una Quiritem
Vertigo facit, hic Dama est, non tressis, agaso,
Vappa, lippus, & in tenui farragine mendax,
Verterit hunc Dominus: momento turbinis exit
Marcus Dama, etc.

54 v. 356. Dio erzehlet Bassianus habe den Soldaten /der Papinianum hingerichtet / hart gescholten / ὅτι ἀξίνῃ αὐτὸν, καὶ οὐ ξὶφει διεχρήσατο daß er jhn mit dem Beil / nicht mit dem Schwerdt gerichtet. Spartianus erzehlet deß Käysers eigene Worte / Gladio te exequi oportuit meum jussum, du hättest mit dem Schwerdt meinen Befehl vollzihen sollen. In Antonin. Deßgleichen setzet er in Geta, Papinianus ward mit dem Beil gerichtet / welches Antoninus nicht billigte /umb daß es nicht mit dem Schwerdt geschehen. In gemein ist zu wissen / daß die Enthaubtung durch das Schwerdt ehrlicher gewesen / denn dise die durch das Beil geschehen / welche Art deß Todes zu vollzihen etliche mit fleiß gelernet. Bey dem Lucano VIII.

Nondum artis erat caput ense rotare.

Bey dem Svetonio (Caligul. c. XXXII.) kommet vor /Miles decollandi artifex, sehr frembd ist was auß Euphorione Chalcidensi bey dem Athenaeo erzehlet wird. Εὐφορίων δὲ ὁ χαλκιδικός ἐν ἱστορικοῖς ὑπομνήμασιν οὕτω γράφει, παρὰ δὲ τοῖς ῥωμαίοις προτίϑεσϑαι πέντε μνᾶς τοῖς ὑπομένειν βουλομένοις τὸν κεφαλὸν ἀποκοπῆναι πελέκει, ὡοτε τοὺς κληρονόμους τὸ ἆϑλον, καὶ πολλάκις ἀπογραφομένους πλείους δικαιολογεῖσϑαι καϑ᾽ ὁ δικαιότατός ἕστιν ἕκαστος αὐτὸς ἀποτυμπανισϑῆναι. Euphorion von Chalcis schreibet in seinen Geschicht-Büchern / daß bey den Römern den jenigen die jhnen das Haubt mit dem Beil wolten abschlagen lassen / mit disem bedinge / daß der Lohn an ihre Erben käme / fünff Minae versprochen würden. Daß auch offt etliche / auffgezeichnetes Nahmens bey den Richtern sich in Rechts-Streit einlissen / in dem idweder sich zu erweisen bemühete / daß jhm am billichsten also das Haubt abzuschlagen. Deipnosoph. lib. IV. Diser thörichten Grausamkeit findet man sonst keinen Fußstapffen in den Römischen Schreibern. Was sonsten die Enthaubtung belanget / ist zu wissen / daß heutiges Tages das Fall-Beil zu Rom wieder bräuchlich / wie in Franckreich und Engelland das Hand-Beil. Daß aber der Schreiber Sesquiseculi Anglicani Jovium Lügen strafft / umb daß er in seinen Geschicht-Büchern erzehlet / Anna Bolena hätte ihren Schnee-weissen Nacken dem Schwerdt deß Henckers darbitten müssen; sintenmal man in Engelland kein Schwerdt gebrauchete / ist ein sehr grober Irrthum und unzeitiger Eifer / einem andern einen Unverstand vorzurucken / in welchem man selber schwebet: In dem unstritig daß Bolena mit dem Schwerdt gerichtet / und der Scharffrichter der diser Kunst gewiß gewesen / von Cales nach Londen gefordert / wie die Engelländischen Geschicht-Schreiber melden. In Spanien wird an den Missethätern der Hals an stat deß Schwerds mit einem Messer entzwey geschnitten.


55 v. 391. Das vornehmste Frauenzimmer begleitete die Ehe-Frauen und Verwandten / welche vor ihre Ehe-Männer / Eltern oder Kinder dem Fürsten oder dem gantzen Rath einen Fußfall zu thun willens /massen auß unterschidenen Geschicht-Schreibern zu sehen.


56 v. 423. Nach Art der Römer und Grichen / welche Brüste und Arme / wie auch das Haubt in höchstem trauren schlugen / welches der eigentliche Planctus. Senec. Troad.

– – – – – – – jam nuda vocant

Pectora dextras, nunc nunc vires

Exprome dolor.

Und bald

Tibi nostra ferit dextra lacertos,

Humerosq; ferit tibi sangvineos

Tibi nostra caput dextera pulsat

Tibi maternis ubera palmis

Laniata jacent. etc. etc.


57 v. 476. Man glaubet daß die Lorber-Bäume von keinem Ungewitter getroffen werden. Besihe Plinium XV. 30. H.N. Solte es ja etwa geschehen / so wil es vor eine Vorbedeutung grossen Unglücks gehalten werden. Ein sonderbares und denckwürdiges Beyspiel erzehlet Rousset in seinem Schaw-Platz trauriger Geschichte. Mir ist leid / daß in Mangel deß Frantzösischen Buches / ich Herren Zeilers (Hist. 19. pag. 689.) Dollmetschung allein hieher setzen muß. Ehe man sich (so schreibet er) zur Taffel setzte / haben sich wunderliche und seltsame Sachen / als Vorläuffer deß Zorns Gottes / denen diser armselige Mensch hätte vorkommen sollen / zugetragen. Das Wetter war still / und der Himmel klar und heiter / als sich jähling ein gewaltig Ungestüm mit Hagel und Regen vermischt / erhebte / und vil / wegen diser neuen und unverhofften Veränderung / erschreckte. Im Eingang deß Hofs deß Canope Pallast / war ein grosser Lorber-Baum / welchen das Wetter mit der Wurtzel außriß /und zu Boden warff. Daß denn ein wunderlichs Wesen war / weiln man darvor hält / daß kein Lorber-Baum jemals sey vom Wetter getroffen worden. Aber solches ist ein Vorbedeutung gewesen / daß dessen klägliches Ende nunmehr nahend sey / der als ein Lorber-Baum allem Ungewitter deß Himmels zu entgehen scheinte / nunmehr solte ausgerottet werden.

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TextGrid Repository (2012). Gryphius, Andreas. Dramen. Papinianus. Papinianus. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-182A-8