[142] Zweiter Akt
Eine Waldgegend.
Es ist Nacht und Mondschein.
Ligares und Zeno.
LIGARES.
Ich gehe Zeno! meinen Feind zu suchen,
Ich werde siegreich seyn, deß sey gewiß.
ZENO.
So ruhevoll gehst du dem Kampf entgegen,
Als sey der Sieg entschieden schon für dich?
LIGARES.
Ich scheine ruhig dir, weil ich gelöschet
Mit Feindes Blut des Zornes heißen Brand;
Und obgleich in Gedanken nur vergossen
Ist heilsam so des Gegners Herzensblut,
Daß sein Phantom schon meine Wallung kühlet,
Des Mondes Schatten meinen Geist erquickt.
ZENO.
Dein Vater wünscht dich, eh du gehst, zu sprechen;
Er scheint mir krank, versag es heute nicht.
[143]LIGARES.
Ich werd' ihn nicht sehn, denn mich treibts von hinnen
Gewaltsam ohne Rast. – Leb wohl denn, Freund!
Sag meinem Vater, daß ich gehen müsse;
Ich kann und will, und werd' ihn jetzt nicht sehn.
ZENO.
Bewegt scheint mir dein Vater und voll Sorge,
Komm! nimm doch Abschied von ihm, eh du gehst.
LIGARES.
Ich werd ihn nicht sehn, stirbt er eh ich komme,
Wohlan! so ist des Abschieds nicht mehr Noth.
Ich weiß, er will vom Kampf zurück mich halten;
Ich geh und spar so viele Worte ihm
Und mir den Zweifel, denn Alkmenes Reden
Bewegen mehr mich, als es mir geziemt.
Was stehst du noch? Geh! meld ihm was ich sage;
Geh! und begrüß ihn freundlich noch von mir.
Zeno ab.
Leb wohl, o Vater! wie mich schmerzt zu scheiden!
Doch muthig Herz! beginnen muß die That.
Ab.
Nach einer Pause kommt Timandras.
TIMANDRAS.
Verwachsen hier sind des Gebürges Pfade,
Ununterscheidbar, sind sich alle gleich,
Und welchen ich auch wohlbedenkend wähle,
So führt doch keiner aus der Wildniß mich.
Nicht Eine Spur verräth mir einen Menschen,
[144] Entsetzlich einsam ist es weit umher. –
Die Jagdgefährten sind wohl längst zu Hause,
Und keiner ahndet, wo ich irren mag. –
Horch, welche Töne! welch verworrnes Brausen!
Berggeister jagen durch die Felsen sich;
Sie rufen höhnisch sich mit rauher Stimme.
Es heult das Raubthier hungrig durch den Wald,
Und irre Lichter tanzen hin und wieder,
Als reiße sie ein wilder Wahnsinn fort.
Das Laub weht schaurig, und des Mondes Sichel
Senkt ungewissen Schein auf mich herab. –
Doch sieh! es scheint der Wald sich hier zu lichten,
Mich däucht ich hör des Waldstroms Rauschen auch,
Der sehnsuchtsvoll wie ich hinab will wandlen,
Erschreckt von dieser Klüfte Einsamkeit.
Ab.
Ein Zimmer.
Die Wände sind schwarz, mit weißen Hieroglyphen bedeckt, zur Seite steht ein Altar, auf dem ein Feuer brennt.
Der Magier allein.
MAGIER.
Hinauf zum Sitz der Sterne will sich drängen
Die hohe Kunst, die herrliche Magie:
Die Schicksals-Göttinn will sie Schwester nennen,
Gemeinsam mit ihr herrschend nieder sehn.
Das ehrne Zepter will sie ihr entwinden,
Es menschlich lenken mit der schwächern Hand;
Zum Rath der Götter ihre Wünsche mischen,
[145] Die Erdgeborne drängen sich zum Sitz
Der Wolken, wo die Himmelsmächte thronen.
Erzürnet, daß der Erde Tochter sich,
Die Kühne, darf den goldnen Tischen nahen,
Spricht räthselhaft die Schicksals-Göttinn ihr,
Weiß klüglich um die Herrschaft zu betrügen
Die Schwächre, die sie Schwester nennen darf.
So ist das Höchste, was die Erde zeuget,
Doch stets den Himmelsmächten unterthan,
Und besser fast ists blind dem Schicksal dienen
Als ohne Rettung sich im Strudel sehn:
Denn Fäden sind wir doch nur im Gewebe,
Und unsre Thaten machen das Gespinnst.
Er wirft Papiere in das Feuer.
Unseel'ge Kunst! sey du mit mir begraben,
In tiefes Dunkel sey mit mir verhüllt;
Zu hoch hebst du den staubgebornen Menschen,
Ihm schwindelt in der luftigen Region;
Und ängstlich will er nach dem Nächsten greifen,
Festhalten was doch immer ihm entgeht;
So fällt er auf dem ungewohnten Boden,
Und strauchlen ist sein herrlichster Versuch.
Zeno kommt.
Sag Zeno! bleichen nicht im Ost die Sterne?
Fällt Morgenthau nicht aus des Himmels Aug?
ZENO.
Nein, Herr! es glänzen helle noch die Sterne
Und tiefes Dunkel ist noch weit umher.
[146]MAGIER.
Will heute nimmer dann der Morgen kommen?
So lange Nacht hab ich noch nie gesehn.
Nur einmal noch mögt ich die Sonne schauen,
Vernehmen einmal noch der Vögel Ruf.
ZENO.
Du wirst, o Herr! den Morgen oft noch sehen,
Kannst du wohl zweifeln, daß es wird geschehn?
MAGIER.
Ich sterbe, Freund! in wenig kurzen Stunden;
Doch Sterben ist für mich kein großer Schritt:
Denn keine Kluft war zwischen meinem Leben
Und jenem, fremd war nimmer mir der Tod.
Die Erde ist mir Heimath nicht geworden,
Ich bin nur nach dem Himmlischen gewallt. –
Sieh doch, ob nicht der Morgen jetzt will kommen!
ZENO.
Nein, Herr! es decket Nacht die Erde noch.
MAGIER.
Bedeutungsvoll ist heut der Sonne Kommen,
Prophetisch das Erwachen der Natur.
Ligares Schicksal würd' ich deutlich sehen;
Enträthseln vieles aus der Zukunft noch,
Erlebt' ich nur des Morgensterns Erblassen;
Doch hier rächt sich das Schicksal an der Kunst:
Ich werde sterben, eh' die Sterne bleichen,
[147] Den Schlüssel so verfehlen, der das Thor
Der Zukunft mir, das Festverschloßne schließet.
Die heilge Sphinx eröffnet schon den Mund,
Gezwungen der Beschwörung zu gehorchen,
Auf ihren Lippen schwebt das große Wort,
Das die geheimen Siegel mir soll lösen,
Doch eh sie's ausgesprochen, kommt der Tod.
Mit ewger Taubheit wird dieß Ohr geschlossen,
Mein Aug verdunkelt, eh der Sterne Licht,
Das schon sich naht, weissagendes berühret.
Das ists, warum mein Geist noch zögernd weilt,
Und zwischen Hoffen und Entsagen wählet. –
Sag Zeno, bricht der Morgen noch nicht an?
ZENO.
Noch ruht die Sonne in des Meeres Tiefen,
Die Sterne flimmern hell am Firmament.
MAGIER.
So seys denn! Schicksal! ja du hast gesieget;
Ich beuge deinem eh'rnem Zepter mich. –
Ich sühle matt mich, immer matter werden,
So geh denn! rufe meinen Sohn zu mir;
Das Wen'ge was ich weiß, will ich ihm sagen,
Da bessrer Aufschluß mir versaget ist.
ZENO.
Dein Sohn ist fort, längst fort ist er gegangen,
Mein innig Bitten hielt ihn nicht zurück.
[148]MAGIER.
O recht! nun hat sichs ganz an mir erfüllet,
Was mir zu glauben stets zu schrecklich war.
Ich sterbe von dem einzgen Sohn verlassen,
Wie einst die Gattinn treulos mich verließ;
Es ist ihr Sohn, was durft ich von ihm hoffen?
Doch still – Ein Mittel blieb noch übrig mir.
Noch bin ich mächtig, darf noch nicht verzagen,
Noch zwingt mein Wort der Elemente Kraft.
Und eh des Todes Arm ihn überwunden,
Trotzt nimmer ihrem Meister die Natur.
Er holt einen Zepter mit magischen Chiffern und eine Magnetnadel.
Sieh diese Nadel, steht sie nicht nach Norden?
ZENO.
Nach Norden? Ja nach Norden zieht sie sich.
MAGIER.
Schwankt sie nicht jetzt? dreht sie sich nicht nach Süden?
ZENO.
Ja wahrlich hin nach Süden kehrt sie sich.
MAGIER.
Auf Erden ist wohl nichts so fest bestimmt
Als dieser Nadel Zug nach Norden ist.
Und siehe! dennoch weiß ich sie zu irren,
Daß sie des angebornen Zugs vergißt,
Von ihrem Sterne treulos ab sich wendet,
[149] Und in verkehrtem Thun sich widerspricht.
Sich hier hin bald, und bald sich dort hin kehret,
Als sey sie irren und verworrnen Sinns.
So weiß ich diesen Zepter auch zu richten,
Daß er des Menschen Geist so ganz beherrscht,
Daß er vergißt sein eignes tiefstes Leben,
Und dieses Zepters starkem Zug gehorcht;
Doch schnell vorüber ist sein herrschend Wirken,
Besieget von des Menschen eignem Stern,
Der bald ihn stärker als der Zepter ziehet,
Sich den Trabanten siegend unterwirft,
Der irrend sich zu andern Mächten wandte,
Gerissen aus der eignen ersten Bahn.
Er legt den Zepter auf den Altar.
Ich werde früher sterben, als ich müßte,
Es kostet mich die letzte Lebenskraft,
Den Einfluß des Gestirnes zu besiegen,
Das meinen Sohn jetzt abwärts von mir zieht;
Doch kommen muß er, läg' er auch in Ketten,
Und wallt' er auch an Lethes Ufer schon,
Es würd' ihn aus dem dunklen Grabe reißen,
Gewaltsam ziehen aus der Liebe Arm;
Gehorchen müssen Todte diesem Rufe,
Er sprengt das feste Thor der Unterwelt:
Und nichts was irdisch ist, kann widerstehen
Des Zepters mächtigem Beschwörungswort.
Pause.
Ich fühle matter mich und matter werden,
Gewaltsam ziehts, es ziehet mich hinab.
[150]ZENO.
O Herr! du wirst so blaß, ja du erbebest;
Du sinkst! o komm, ich führ zum Lager dich.
Er geleitet ihn zum Bette.
Laß stärker doch den Zepter, schneller ziehen,
Sonst siehst du dennoch deinen Sohn nicht mehr.
MAGIER.
Ich tödt' ihn, wenn ich stärker jetzt noch wirke,
Das Leben raubet der noch größ're Zug.
Die Seele muß dem Leibe sich entwinden,
Der träg und müd' nicht schnell gehorchen kann;
Drum trennt sie sich vom irdischen Gefährten,
Wenn allzustark sie die Beschwörung ruft.
ZENO.
Mich schauert, Herr! ach! deine Augen sinken,
Gewiß, sie sehen deinen Sohn nicht mehr.
MAGIER.
Es ist vorbei – ja ich bin überwunden –
Ich fühls – das Leben trennt sich schnell von mir –
Doch schwör mir, Zeno! – schwör mir heil'ge Eide –
Daß diesen Zepter du verbergen willst –
Und so, daß keiner, keiner je ihn finde –
Denn seine Wirkung, weiß ich, kennt mein Sohn;
Verderblich fürcht' ich, würd' er ihn mißbrauchen.
O schwöre Zeno! schwöre schnell den Eid.
[151]ZENO.
Ich schwöre dir bei allem was ich ehre,
Ich senk' ihn in des Waldstroms tiefsten Grund.
MAGIER.
Er kommt nicht – Zeno! sage meinem Sohne,
Daß er des Feindes Leben schonen soll –
Und sag ihm, daß er seine Mutter finden –
Timandras – ach! ich kann nicht – Lebe wohl –
Er stirbt.
Nach einer kleinen Pause kommt Ligares.
LIGARES.
Gewaltsam hat mich's, mächtig hergezogen,
Und wie mein Wille immer vorwärts drang,
Ward ich gezwungen doch zurück zu kehren
Mit Widerstreben, halb und halb erwünscht.
Mein Vater schläft? Wir wollen ihn nicht wecken;
Komm, Zeno! komm, er ruht wohl mehr allein.
ZENO.
Ligares bleib! du wirst ihn nicht mehr wecken;
Er schläft den festen, langen Todesschlaf.
LIGARES.
Mein Vater todt? O all ihr Himmelsmächte!
Er wirft sich neben dem Todten nieder.
ZENO.
Warum erhörtest du mein Bitten nicht?
Sein einz'ger Wunsch war dich nur noch zu sehen:
[152] Denn Vieles offenbaren wollt' er dir,
Dir manche Klippen der Gefahr noch zeigen;
Auch hofft' er ängstlich jeden Augenblick,
Du kämst, sein sterbend Auge zuzudrücken;
Und als der schwere Schlaf ihn übermannt,
Wollt er für dich mir etwas noch vertrauen:
Allein der Tod schloß seine Lippen zu.
So starb er an dem letzten Wunsch verzagend,
Den einz'gen vielgeliebten Sohn zu sehn.
Pause.
Verworren waren seine letzten Worte:
Von deiner Mutter, von Timandras noch;
Doch was er wollte, weiß ich nicht zu sagen,
Denn es erstarrten schon im kalten Tod
Des Greises Lippen, seine müde Zunge
War tonlos schon, sein Odem fast verhaucht.
Lange Pause. Man hört pochen.
Horch! ja ich höre draußen Menschentritte –
Es pocht; er öffnet die Thüre.
Tritt näher, Fremdling! sprich, was führt dich her?
Timandras tritt ein.
TIMANDRAS.
Wer du auch seyst, zu dem mich hat geleitet
Der güt'ge Zufall, o gewähre mir,
Daß ich die Nacht hier darf bei dir verweilen;
Du siehst gastfreundlich aus, versag es nicht;
Denn schrecklich ist die Einsamkeit des Waldes
Dem Wandrer, der sich in der Nacht verirrt.
[153]ZENO.
Du magst verweilen bis der Morgen leuchtet,
Ich zeige dann den Pfad zur Heimath dir.
Du scheinst ein Jäger mir, der hier verirrte,
Betrogen von des flücht'gen Wildes Spur.
TIMANDRAS.
So ist es Freund, du hast es recht errathen,
Mich hat die Jagdlust ins Gebürg gelockt.
ZENO.
Laß nieder dich, und schlumm're, bist du müde?
Ich gehe, daß du ungestörter seyst.
Er nimmt den Zepter vom Altar, und geht ab.
TIMANDRAS.
Wo bin ich doch? Mir ist nicht wohl zu Muthe;
In wessen Hand bin ich gefallen wohl?
Dies Zimmer ist so wunderbar verzieret,
Und schaurig ist des Feuers bleicher Glanz.
Mir ist, als hört' ich diese Wände flüstern,
Rathschlagen mit einander über mich.
Die Luft ist hier so schwer, und so beklommen,
Man athmet wie in einer Todtengruft.
Pause.
Warum bin ich zu Hause nicht geblieben?
Warum verlohr ich die so schöne Zeit?
Die süße Heimath in Ladikäs Armen
Vertauscht' ich mit der Wälder Einsamkeit.
Ligares springt auf.
[154]LIGARES.
Welch Unglückswort ist deinem Mund entschlüpfet?
Zieh deinen Dolch! Nimm deines Lebens wahr!
Es gilt gemordet werden oder morden;
Heil ist nur in des Gegners Untergang.
TIMANDRAS.
Was that ich dir? Was treibt dich, mich zu morden?
LIGARES.
Die unerhörteste Beleidigung,
Die auszusprechen ich erröthen würde.
Nimm nun den Dolch, und keine Worte mehr!
TIMANDRAS.
Du irrest wohl? Ich hab dich nie gesehen,
Und niemals Schlimmes gegen dich geübt.
LIGARES.
Timandras heißest du, Obalus Neffe,
Der als Satrape die Provinz regiert.
Dir seys genug, daß ich dich so erkenne.
TIMANDRAS.
Wohlan, es sey! Du zwingest mördrisch mich.
Sie fechten. Ligares wird in die rechte Hand verwundet, er läßt den Dolch fallen. Zeno kommt.
ZENO.
Was ist? Ligares! Sag, was ist geschehen?
Was that er dir? Du blutest! laß doch ab.
[155]LIGARES.
Timandras ist's! Der Rache Tag gekommen;
Zu Timandras.
Vertheid'ge dich, noch hab' ich Kraft in mir;
Noch ist dein Sieg, noch lange nicht entschieden;
Im zweiten Kampf neigt sich das Glück zu mir.
ZENO.
O nein, Ligares! du bist ganz erschöpfet –
Und wie du blutest! Laß, es kann nicht seyn.
LIGARES.
Heut muß es, oder niemals kann's geschehen!
Es hat ein Gott ihn her zu mir geführt.
Sie fechten; Ligares wird in den linken Arm verwundet.
TIMANDRAS.
Unsinniger! von Raserei getrieben,
Erwirbst du so der eignen Thorheit Lohn?
Geht schnell ab. Lange Pause.
LIGARES.
Besonnen ficht er, wie ein Glücklicher!
Er hat gesiegt – sie liebt ihn – und er siegt!
Was wünschenswerth ist, das ist ihm geworden;
Ihm kommt das Glück zuvor, drängt sich ihm auf.
Wirft frech und feil sich immer ihm entgegen,
Indeß es taub vor meinen Bitten ist.
Er hat gesiegt! O Zeno, laß mich sterben!
In meiner Seele brennet diese Schmach.
Nicht meine Wunden schmerzen, der Gedanke
Gräbt blutig sich in meinen Busen ein.
[156]ZENO.
Unglücklicher! was hast du doch gewaget!
Es ist nun Sicherheit nicht hier für dich.
Obalus wird den Neffen an dir rächen,
Ein Meuchelmörder wirst du scheinen ihm.
Es bleibt nichts übrig dir, als dich zu flüchten,
Und schnell, eh dein Verfolger dich ergreift.
LIGARES.
Es sey; ich will von hier noch heute gehen
Nach Medien, in des Vaters Vaterland.
Bestatte hier noch des Alkmenes Leiche,
Dann folgst du mir; doch früher geh ich schon
Jenseits des Stromes will ich mich verbergen;
Denn unerträglich ists gefangen seyn.
Nein diese Freude will ich ihm nicht gönnen,
In knecht'schen Fesseln soll er mich nicht sehn.
ZENO.
Komm, laß mich deine Wunden erst verbinden,
Eh du verblutend gänzlich dich erschöpfst.
Beide ab.
Ein reich verziertes Zimmer.
Mandane kommt mit einigen Sklavinnen, die Körbe mit Blumen und andern Geschenken tragen.
MANDANE.
Hieher die Blumen! dort die reichen Zeuge!
Den dunklen Purpur deckt mit Fadengold;
Das zarte Roth geraubt der Rosen Kelche,
[157] Verhülle sich im leichten Silberflor;
Die Perlen laßt in langen Reihen schimmern,
Durchblitzet von der Diamanten Schein;
Mit goldnen Ketten fesselt die Rubinen;
Den reichen Gürtel leget noch hinzu.
Die Sklavinnen gehen ab.
Wie schön das durcheinander blitzt und glänzet!
Mich selbst verblendet fast die Herrlichkeit;
Wie wird Ladikä sich daran erfreuen,
Bewundernd diesen Glanz vereinet sehn!
Ladikä kommt.
Sieh doch, Ladikä! hebe doch die Augen;
Das alles gab Timandras mir für dich. –
In Persien war der Goldstoff hier gewebet,
In Tyrus war der Purpur hier gefärbt,
O sieh die Teppiche, die reichen Blumen!
In Indien nur stickt man so fein und reich.
Arabien sendet diese Spezereien.
Und die Demanten! nichts ist ihnen gleich;
Wie werden sie im dunklen Haar dir glänzen,
Wie Sterne schimmern am Gewand der Nacht!
LADIKÄ.
Dies alles hat Timandras mir gesendet?
Was sprach er? sag! wann sahst du ihn zuletzt?
MANDANE.
Er sprach, wie oft er pflegt, von deinen Reitzen,
Von deiner Anmuth, und dergleichen mehr.
[158] Das Aehnliche hast du schon oft gehöret,
Ich spare gern die Wiederholung dir.
LADIKÄ.
Seit wann bist du so karg mit deinen Worten?
Was er sagt, ist der Wiederholung werth.
Sonst sprichst du Tage lang von schlechten Dingen,
Ein kurzes Wort ist heute dir zuviel.
MANDANE.
Er sprach, du seyst die holdeste der Frauen,
So liebereich wie blüthenvoll der Mai,
Und viel noch Schönes, das ich jetzt vergessen;
Du kennst ja der Verliebten Sprache wohl.
Hat nicht Ligares oft sie dir gesprochen?
Die gleiche Gluth wählt gleichen Ausdruck sich.
LADIKÄ.
Wie darfst du dem Timandras ihn vergleichen,
Dem holden anmuthsvollen, süßen Freund,
Ligares, den Entsetzlichsten der Menschen?
Mir schauert, denk' ich seiner Liebe nur.
Wohl mir! daß ich dem schlimmsten Traum erwachet,
In dem ich thörigt wähnend mich betrog,
Ich lieb' ihn. Nein! ich hab ihn nie geliebet;
Als ich es glaubte, war ich selbst mir fremd;
Doch in Timandras hab ich mich gefunden,
Denn meiner Liebe Heimath ist sein Herz.
MANDANE.
Ich trage Mitleid mit Ligares Liebe.
[159]LADIKÄ.
Ja Mitleid hab ich, aber Liebe nicht,
Doch Liebe nur kann seinem Durst genügen,
Und was ich auch von Freundschaft bieten mag,
Verschmäht er trotzig, und mit stolzem Zürnen,
Und zwingt mich so unfreundlich ihm zu seyn.
Glaub mir, Mandane! daß es selbst mich drücket,
Sein Herz in Gram und Zorn getheilt zu sehn.
MANDANE.
Betrübt es dich, so such es zu vergessen.
Komm! schmücke dich, mir däucht es wäre Zeit,
Soll ich die Myrten dir zum Kranze flechten,
Und Rosen in dein dunkellockigt Haar?
LADIKÄ.
Ja, Myrten nimm, und junge Rosenknospen,
Vergiß auch der Orangen Blüthe nicht,
Die schwer und duftig Balsamwolken hauchet,
Die mische mit der Myrten dunklem Grün;
Vor allen lieb ich diese süße Blüthe,
Ein ganzer Sommer ist in ihrem Kelch;
Des Mittags Gluth und laue Abendlüfte,
Wollüstig Sehnen, und Befriedigung. –
Horch! hörst du nicht? Es ist Timandras Stimme!
O komm! komm! laß uns ihm entgegen gehn.
Beide ab.
[160] Waldgegend; ein Strom, worauf ein Nachen.
Ligares, Zeno und der Knabe kommen.
LIGARES.
Frisch ist der Morgen, kräftig neugeboren,
Doch meine Seele ist zum Tode müd;
Mein Lebensfaden ist wie abgebrochen,
Und Charons Nachen ist mir dieser Kahn;
Wie er mit mir vom Ufer ab sich wendet,
Verlier ich alles, was mir theuer war,
Der Kindheit Spiele, und der Jugend Träume,
Sie bleiben alle hinter mir zurück.
Ein neues Leben soll ich drüben suchen,
Und doch keimt keine Zukunft mehr in mir;
Wie soll der Baum noch neue Zweige treiben,
Wenn schon das Mark des Stammes sich verzehrt?
ZENO.
Mir wird so schwer mich jetzt von dir zu scheiden,
Und doch werd ich dich Morgen wieder sehn.
LIGARES.
Den schweren Abschied laß uns, Freund! verkürzen:
Leb wohl! jenseits des Stromes harr ich dein.
Er steigt mit dem Knaben in den Nachen.
Leb wohl, mein Zeno! ihr geliebten Haine!
Lebt wohl, ihr Klüfte süßer Einsamkeit!
Zeno ab.
Nun Knabe schnell, daß mir die Sinne schwinden,
Und ich nicht fühle, was mit mir geschieht.
[161]KNABE.
Es hat sich um das Ruder was geschlungen,
Das meinen Kahn am Lande fest noch hält.
LIGARES.
Ich helfe dir, ergreife nur das Ruder.
Ha! sieh da ists, was uns am Lande hält.
Er zieht das Zepter von einem Senkblei umschlungen hervor.
Das Zepter ists, das magische des Vaters. –
O Schicksal! Schicksal! ich verstehe dich.
Zu rechter Zeit spielst du mir in die Hände,
Was Rache mir und Rettung noch verspricht.
Der Zufall mahnt mich an geschworne Eide,
Die ich feigherzig fliehend fast vergaß.
Er oder ich! hab ich das nicht geschworen? –
O Glück! noch ganz abgünstig bist du nicht,
Gezwungen hast du dieses Stromes Tiefe,
Daß er sein Eingeweide spenden muß.
Er springt aus dem Kahn.
Geh hin, mein Knabe! Zeno zu begrüßen,
Sag ihm, ich werde nicht nach Medien gehn.
Doch wünscht' ich, daß er hin sich wenden möge,
Geleit ihn hin, mein Knabe! Lebe wohl!
Und alles, was mein Vater hat besessen,
Mein ganzes Erbe theilet unter euch.
Die Götter lohnen eure treue Liebe!
KNABE.
O Herr! wie traurig wird nicht Zeno seyn!
[162]LIGARES.
Es ist nicht gut Gemeinschaft mit mir haben,
Wohl dem, der jetzt sich von mir trennen kann;
Daran wird Zeno meine Liebe kennen,
Daß ich für immer von ihm scheiden mag.