[Du zürnest doch wohl nicht, berühmter Mäcenat]

[211] Lobgedichte auf Plen. Cum Tit. Herrn von Löwenstäth.


An. 1720.


Du zürnest doch wohl nicht, berühmter Mäcenat,
Wenn Demuth Freyheit braucht und durch ein redlich Blat
Den Ursprung ihrer Angst an solchem Ort erkläret,
Wo Mitleid und Verstand der Hofnung Trost gewähret.
Das Lob von deiner Huld, die Musen Nahrung giebt
Und, was sie selbst versteht, an andern schäzt und liebt,
Fliegt weiter, als du glaubst, und wird von tausend Zungen,
So viel nur ich gehört, der Warheit nachgesungen,
Zumahl in jener Stadt, wo Fleiß und Linden blühn,
Wo Kunst und Höfligkeit die Länder an sich ziehn.
Hier wirstu oft genand und von geschickten Leuten,
Die andrer Nachruf nicht aus blindem Eifer breiten,
Nach Würden ausgebracht. Ich seh, wohin ich will,
So steht man überall bey deinem Nahmen still,
Den Lieb und Danckbarkeit an manchem Baum verzogen
Und deßen güldner Zug mich öfters schön betrogen,
Indem ich, eh man mir den Löwenstäth gespielt,
Dein lorbeerreiches L. vor Franckreichs Ludwig hielt.
Sonst niemand, dacht ich stets, kan unter uns verdienen,
Mit Rinden, Bast und Zeit so rühmlich fortzugrünen.
So dacht ich, aber falsch. Denn hat dir gleich die Hand
Des wandelbahren Glücks nicht Cronen zugewand,
So hebt sich doch dein Geist durch klug- und hohe Gaben
Vor vielen, die den Rang vom blinden Zufall haben.
Denn über Land und Stadt mit stolzen Augen sehn,
Sich unter Staat und Gold auf Thron und Purpur blehn,
Durch einen Blick voll Zorn des Nachbars Ruh verbrennen
Und frey und ohn Entgelt und fürstlich morden können
Ist etwas, das viel heist; allein erhebt man sich
Durch Wohlthat und Vernunft, so herrscht man königlich,
So crönt man seinen Ruhm mit größern Lorbeerzweigen,
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Als die sich um den Schlaf der Überwinder beugen.
Budorgis kennt dich längst, und wen es auswärts schickt,
Der rühmt dir alles nach, was große Seelen schmückt
Und Weisen glücklich macht; du hast ein stilles Leben
Nebst Sinnen, Stand und Herz gelehrter Ruh ergeben,
Bist in dir selbst vergnügt, nimmst Künstler auf und ein,
Erhebest ihren Fleiß mit Gnad und Freundlichseyn
Und suchest überall dem Delius zu Ehren
Den Schülern seiner Kunst ihr zeitlich Wohl zu mehren.
Herr, hört die Langmuth zu, so darf ich frey gestehn,
Ich brenne vor Begier, der Weißheit nachzugehn,
Und suche durch Verstand und mit gewißen Gründen
Die wahre Seelenruh, das höchste Gut, zu finden.
Es hat mir die Natur und redliches Erziehn,
Dies ist mein Vatertheil, ein kleines Pfund verliehn,
Womit ich vor der Welt gewis noch wuchern könte,
Wofern mir ein August ein kleines Brodt vergönnte.
Was aber hilft der Trieb, wenn eußerlicher Zwang,
Wenn Mangel, wenn Verdruß, Neid, Aberglauben, Zanck
Und Kranckheit und Gefahr den edlen Vorsaz binden?
Hier lieg ich nunmehr gar in unbekandten Gründen,
Erzehle meine Noth den Püschen und der Nacht,
Hier, wo der dunckle Queis zwo Gränzen fruchtbahr macht.
Ich weis nicht mehr wohin und lerne bey dem Schmachten
Gesundheit, Ehre, Kiel und Wißenschaft verachten.
Wie kan es anders seyn? Wo Hunger die Gedult,
Wo Schmach die Kräfte schlägt, da hat der Geist nicht Schuld,
Wenn endlich Fleisch und Blut bey Hiobs schweren Plagen
Mit Hiobs Raserey den tauben Himmel schlagen.
Ich suche Trost und Rath, und sieh, je mehr ich fleh,
Je mehr ich Wolcken, Sturm und Wetter kommen seh:
Die besten Jahre fliehn und schmecken kein Vergnügen,
Das sonst die Jugend braucht; die Nechsten sehn mich liegen
Und wandern blind vorbey. Der Eltern armes Gut
Verzehrt sich wie ihr Herz in Jammer, Asch und Glut
Und wird mir, weil sie schon den Sarg vor Kummer faßen,
Die Lust, bald nachzugehn, zum Erbtheil hinterlaßen.
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Ja, Herr, wer fühlt, der glaubt. Dies ist ein scharfer Stich.
Ich geh aus Armuth schlecht, drum heis ich liederlich,
Da Thoren böser Art, die unter Silber gleißen,
Des Himmels Zorn zu Troz fromm, klug und würdig heißen.
Seht, sprech ich dann und wann zu meiner Musenschaar,
Die jezt mein Kummer ist und vor mein Labsahl war,
Geht, sprech ich, Mägdgen, geht und last mich nur zufrieden,
Denn wollt ihr glücklich seyn, so sind wir gut geschieden.
Was nüzt und helft ihr mich, wenn niemand sieht und hört,
Wenn Unrecht, Bliz und Schlag die sanfte Laute stört.
Was helft ihr? Kläglich thun. Wem nüzt ihr? Meinem Jammer.
Die müde Leyer ächzt und macht die finstre Kammer
Gebrochner Klagen voll. Geht, sucht euch einen Mann,
Der, was ihr haben müst, bequemer schafen kan.
Ihr seyd, ich weis es wohl, verwöhnte Sängerinnen
Und habt der Lilgen Art, die weder nehn noch spinnen,
Doch gerne rühmlich blühn. Geht, meidet den Verdruß;
Ich rath euch wieder mich und las euch, weil ich muß,
Damit, erkennt hieraus die Größe meiner Liebe,
Mein unentbehrlich Weh nur euch nicht mit betrübe.
Drum geht und lebet wohl! Doch, Musen, nein, verzieht!
Wer weis, was noch erscheint. Mich dünckt, die Hofnung blüht
In unserm Löwenstäth, von dem mir ein Gerüchte
Gewißen Trost verspricht. So schnell wird kaum vom Lichte
Der frühe Dampf zertheilt, als jezt mein Unmuth sinckt,
Da nur ein einzig Wort von deinem Titul klingt.
Die Geister fangen Glut, die muntren Finger spielen
Und müßen diese Kraft in jeder Sehne fühlen.
Herr, dringt dein Nahme durch, wie glücklich würd ich seyn!
Gedächtestu mir erst dein Herze zu verleihn,
Ich glaube zum Voraus, es würden Vers und Saythen
Mit Dichtern alter Welt noch um den Vorzug streiten.
Versuche meinen Kiel mit unverdienter Huld
Und las ein Musenkind nach so viel Ungedult
An dir, gelehrtes Haupt, den deutschen Colbert finden.
Du rettest so ein Schif, das unter Well und Winden
Weg, Seegel, Ruder, Mast, Compaß und Stern vermißt
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Und etwan darum nur nicht längst versuncken ist,
Weil irgend Glück und Gott mich noch so würdig schäzen,
Dem klugen Löwenstäth ein Danckaltar zu sezen.
Sey Vater meiner Kunst, sie ist kein fauler Balg,
Der lustig betteln geht und insgemein den Schalck
Im Müßiggang ernährt. Sie wird mit Ehrfurcht lieben
Und, wo sie Nahrung hat, sich fromm und fleißig üben.
Mein Wuntsch hat Billigkeit und sucht kein zeitlich Gut;
Es ist gesunder Wiz, es ist gesundes Blut,
Ein allzeit frohes Herz und so viel Nothdurftsgaben,
Als unser Leib bedarf und Leute nöthig haben,
Die Geist und Wißenschaft vom Pöbel scheiden soll.
Ja wär auch gleich mein Cad nicht stets gedrungen voll,
So lies ich mir gleichwohl an Mäßigkeit begnügen
Und wollte noch mit Lust auf Stroh und Säcken liegen.
Ein Weiser ist schon reich, wenn Hunger, Hiz und Frost
Sein kluges Alter schont. Er sieht des Hochmuths Kost
Mit gleichen Augen an und lebt in armer Stille
Viel sichrer als ein Fürst, der unter Gold und Fülle
Die Freyheit darben muß. Dein Ruhm verbleibt mein Fleiß,
So lang ich Kiel und Hand und Mund zu rühren weis.
Dein Nahme wird durch mich in Wort- und Reimen steigen
Und durch mein künftig Buch ein groß Exempel zeigen.
Der Schluß ist einmahl fest: Der Mensch tritt auf und ab.
Du, Herr, vergehst wie ich und warthest auf ein Grab
Und must dem Leibe nach, Gott las es spät geschehn,
Mit Hoh- und Niedrigen des Todes Schatten sehn.
Gleichwohl, erlaub es mir, versprech ich mir durch dich
Ein immer grünes Lob. Die Blätter müßen sich
(Dies kan der Phoebus thun) in Stein und Erz verwandeln
Und allen, die wie du als Musenväter handeln,
Ein ewig Denckmahl baun. So kan Messala stehn.
Ja müst ich heute noch zur frühen Baare gehn,
So ist dies Blat genung, der Eitelkeit zu sagen,
Ich sey vor deinen Ruhm bereits zu spät erschlagen.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Günther, Johann Christian. Gedichte. Gedichte. Lob- und Strafschriften. Breslau November 1719 - Brieg Oktober 1720. [Du zürnest doch wohl nicht, berühmter Mäcenat]. [Du zürnest doch wohl nicht, berühmter Mäcenat]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-2250-1