[Ich bähne mir den Weg, du hocherfahrner Mann]

[267] Auf das den 24. Dec. an. 1721. glücklich erschienene Nahmensfest Herrn Adam Christian Thebesius, Medicinae doctoris und practici in Hirschberg


Principibus placuisse viris non ultima laus est.

Horatius.

Ich bähne mir den Weg, du hocherfahrner Mann,
Zur Ehre deiner Huld, so gut ich etwan kan,
Jedoch nicht durch den Schwarm von blinder Heuchler Grillen,
Mit welchen viel bey uns Blat, Ohr und Auge füllen,
Wenn ihr zur Betteley gewohntes Dichterpferd
Mit Karren voller Lob zum Futterkasten fährt
Und Geiz und Müßiggang die dürre Muse zwingen,
Mehr als sie selber glaubt, der Einfalt vorzusingen.
O Misbrauch, deßen Spott auch Purpur oft befleckt
Und der Caninchen gleich anjezt so fruchtbahr heckt,
Daß mancher Wöchnerin kaum so viel Kräfte fehlen,
Als manche durch den Druck ihr Pathengeld bestehlen.
Alcandors stolze Braut bekommt in einer Nacht
Mehr Lieder, als ihr Fuß geschickte Schritte macht,
Und Neubarths rothe Schrift wird keinen Festtag zeigen,
Der nicht schon tausendmahl (die Hälfte zu verschweigen)
Mehr als Lips Tullian von manchem Hencker fühlt,
Der Silben radebrecht und mit dem Nahmen spielt,
Um nur mit solchem Grif der ausgepeitschten Leyren
Den kargen Mäcenat zur Tugend anzufeuern.
Zur Tugend? Ja, zu der, die gern den Beuthel zieht.
Nein, glaube, kluger Mann, so schlecht mein Glücke blüht,
So wenig las ich mich des Pöbels Unart blenden,
Der Wißenschaften Preis durch Eigennuz zu schänden,
Besonders da mein Geist, der blos die Warheit liebt,
Sie vor sich selbst verklagt und heimlich schon betrübt,
Wenn nur die Höfligkeit geringen Schein gegeben,
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Als suchte sich mein Kiel durch Schmeicheln zu erheben.
Vielmehr verstoß ich oft mein scheinbar Heil mit Fleiß.
Mit Fleiß? Im Ernst. Warum? Dieweil ich seh und weis,
Ich sey viel ehr geschickt, die Dürftigkeit zu tragen,
Als durch den falschen Fuchs den Freunden nachzujagen.
Die Weißheit ist zwar nicht die Weißheit unsrer Welt:
Vor dem galt deutsche Treu, jezt gilt nur List und Geld
Und künstlicher Betrug und vortheilhafte Tücke.
Wer neue Moden liebt, der machet so sein Glücke.
Ich bin zu grob darzu und bleibe, wer ich bin,
Und lebe, wie ich kan; man nennt es Eigensinn.
Der Eigensinn geht mit und thut auch keinen Schaden;
Wer allen recht thun will, wird Mohr und Ziegel baden.
Ein auf mein Saythenspiel vorlängst geworfner Haß
Macht solchen Thoren mehr als mir die Augen naß.
Das Amt der Poesie besteht nicht im Schmarozen,
Worauf nur insgemein die Meistersänger trozen.
Ihr Amt wirft ebenfalls der allgemeinen Ruh
Durch Scherzen und Erbaun ein stilles Wachsthum zu;
Sie ist kein Mährchenkram, die Einfalt zu berücken,
Kein süßes Höllengift, die Warheit zu ersticken;
Sie schmückt die Weißheit aus und giebt der Tugend Zoll,
Zu welcher sie das Volck in Bildern führen soll;
Ihr Kiel entdeckt mit Recht der Laster Grund und Schande
Und ofenbahrt den Ruhm der Redlichen im Lande,
Ohn Abscheu vor Gefahr, ohn Absicht auf den Lohn.
Der Vorsaz treibt auch mich, und thu ich jezo schon
Mir und der Billigkeit hierinnen kein Genügen,
So ist der Wille gut; ich muß mich ziemlich schmiegen
Und manchen Ignorant mich grob verfolgen sehn,
Die Falschheit tritt mir nah, die tummsten Lästrer schmähn;
Jedoch soll Falschheit, Creuz und Lästrung nichts erwerben,
Sie machen mich nur fest, mit beßrer Ruh zu sterben.
Daß Mencke, Stosch und Scharff mein Nichts vor Etwas schäzt,
Daß Breßlers kluger Geist mich unverdient ergözt,
Daß Beuchelts Haus und Huld nebst andern Freund und Gönnern,
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Ja daß auch Schindels Kunst, der Kern von allen Kennern
Der rechten Poesie, mir redlich wohlgewollt,
Ist mehr, als wäre mir ein Land voll Thoren hold,
Voll Thoren, die den Wiz nach Maul und Kleidung meßen,
Auf Schaden sinnreich sind und Fluch aus Beichtgeld preßen.
Drum lebe Polidor, der jezt vor Hochmuth schnaubt,
So herrlich, als es ihm des Himmels Zorn erlaubt!
Es brüste sich Serran mit seiner Pfeferdocke
In dem von Mammonsblech erkauften Hirtenrocke!
Und Platigastor thu so höhnisch, als er denckt,
Daß jedem nöthig sey, der Gott und Unschuld kränckt!
Ich seh es lächelnd an und weis vergnügt zu bleiben,
Wofern die Ersten mich zu ihren Dienern schreiben.
In wackrer Männer Gunst besteht ein Theil des Ruhms,
Der edle Seelen ziert. Der Glanz des Heiligthums,
Wo Meditrine wohnt, muß auch von deinen Gaben,
Gelehrt- und kluger Mann, ein Ehrenbildnüß haben.
Hier strahlt dein heilsam Lob und Einsicht und Verstand
Und vieler Krancken Danck auf Marmor goldner Wand,
So wie zu Rom vor dem der, so dem Tod entgangen,
Der Isis seinen Wuntsch im Tempel aufgehangen.
Das Land vermißte nechst den theuren Süßenbach,
Sein Fall zog vieler Fall und noch mehr Hofnung nach;
Allein es darf von ihm nichts als das Antliz mißen,
Er lebt und zeigt sich noch in dir und deinem Wißen,
Dir, deßen Übung, Müh, Gefälligkeit und Kunst
Hygeen Trost verspricht, wenn Weib- und Narrengunst
Der Pfuscher Mordarzney und unverschämtes Prahlen
Mit Gelde zu voraus und mit der Haut bezahlen,
Wie leider Tag vor Tag so manche Glocke singt.
Ein Kerl, der nur zwey Jahr mit aus der Fremde bringt
Und seiner Mutter Geiz auf Hut und Tittel brämet,
Wird, wenn er sich nur fein der Zärtligkeit bequemet,
Ein andrer Theophrast. Ach, Frau Gevatterin,
Sie geh doch allemahl zum großen Doctor hin!
So klingt es durch die Stadt. Dem Stümper schwillt der Schedel,
Er schreibt Recepte nach, macht bald wie Stahl und Wedel,
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In die er nie gesehn, ein neues Polychrest,
Giebt Pulver, bis der Geist den müden Leib verläst,
Ruft selbst den Teufel an, es sterb ihm heuer keiner,
Und predigt nach der Art der hungrigen Zigeuner
Aus Glas und Waßer her und sagt und schwört dabey,
Wie alt der Patient und wer sein Vater sey,
Was vor ein kalter Fluß das Brustbein aufgetrieben
Und wo die Mutter ihm im Halse stecken blieben.
Dies zehlt er an der Hand und wird gleichwohl nicht roth
Und ist gleichwohl der Mann, der Gift und Pest und Tod
So plözlich als Eugen des Sultans Einbruch wendet.
O Schade, daß man ihn nicht jezt nach Franckreich sendet.
Verzeih, bescheidner Mann, den eifervollen Scherz;
Der Phoebus zeigt dadurch den innerlichen Schmerz,
Der Blut und Galle kocht, wenn Krämer ohne Sorgen
Den Freybrief seiner Kunst von ihrer Butte borgen.
Gewicht und Strich zeigt Gold und Phoebus seinen Sohn
In deiner Wißenschaft. Dich lernt ich von Person
Jüngsthin das erste Mahl bei ofnem Cörper kennen;
Mein lehrbegierig Herz fing an vor Lust zu brennen,
Vor Lust, mit welcher man durch deinen Mund vernahm,
Warum, woher und wie Brand, Tod und Fäulung kam,
Womit der Sterbende bey Durst und Krampf gerungen.
Es floß dir Sach und Wort kurz, gründlich, ungezwungen
Und, was am stärcksten würckt, mit solcher Freundligkeit,
Daß, glaub ich, wenn einmahl der unversöhnte Neid,
Ja selbst die Gratien sich recht ergözen wollten,
Sie nur die Medicin von dir erlernen sollten.
Mein Phoebus fühlte gleich ein hofnungsvolles Flehn,
Durch Umgang dein Verdienst noch näher anzusehn,
Und meinte, wenn du erst den Zuspruch angenommen,
Hernach gar oft von dir gelehrter wegzukommen.
Allein es that die Zeit der Sehnsucht Wiederstand,
Und darum macht er sich hiermit entfernt bekand.
Das Blat verspricht sich auch den Blick gelehrter Güte,
Ein weiser Mann wie du verschmäht kein gut Gemüthe.
Die Musen lieben dich, so wie auch du sie liebst
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Und durch ein wachsam Ohr dem Singen Kräfte giebst;
Sie sind in kurzer Zeit noch halb so froh gewesen
Und bilden sich was ein, daß du ihr Spiel gelesen.
Sie suchen überdies, so viel ich schon versteh,
Am deutschen Helicon viel Cedern glatter Höh,
Das Wort Thebesius mit deinem Angedencken
Und mit der Ewigkeit auf Rinden zu verschräncken.
Heut aber opfert dir die Andacht und ihr Lied
Den Weihrauch, deßen Glut allein der Himmel sieht,
Bey Seufzern, daß man dich an diesem deinen Tage
Noch über sechzig Jahr um Rath und Hülfe frage.
Das Glücke, so ein Arzt durch Klugheit feßeln kan,
Seh alles, was dich hast, mit schnöden Blicken an
Und heile dir, wie du der Fieber Grund und Schmerzen,
Leicht, sicher und geschwind den tiefsten Riß im Herzen.
Ich hofe künftighin nach Wuntsch und Mögligkeit,
Verzehrt nur nicht der Feind mein Alter vor der Zeit,
Dir, wohlverdienter Mann, wie aller Welt zu zeigen,
Der Günther, welchen jezt Verdruß und Misgunst beugen,
Sey, weil dein Beyfall ihm den Trieb zum Dichten nährt,
Von nun an erst mit Recht so vieler Neider werth.
Schweigt, eitle Musen, schweigt mit ehrfurchtsvoller Lippe!
Es stimmt ein höher Chor bey unsers Heilands Krippe.

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TextGrid Repository (2012). Günther, Johann Christian. Gedichte. Gedichte. Lob- und Strafschriften. Landeshut Oktober 1721 - Jena 15. März 1723. [Ich bähne mir den Weg, du hocherfahrner Mann]. [Ich bähne mir den Weg, du hocherfahrner Mann]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-22F4-4