[272] Auf die Phillis

Liebe, mindre doch die Plagen,
Denn ich kan sie kaum mehr tragen,
Und die Kräfte treuer Brust
Schwinden unter Schmerz und Lust;
Oder binde mir so lange
Durch den Schlummer Geist und Sinn,
Bis ich meinen Schaz umfange,
Dem ich längst versehen bin.
Jezo lern ich erst empfinden,
Was dein heimliches Entzünden
Bey so schwerer Sclaverey
Vor ein grausam Leiden sey.
Vormahls dacht ich auch im Herzen,
Ich erkennte deine Macht,
Aber dies' und jene Schmerzen
Sind vorwahr wie Tag und Nacht.
Filindrene war mir günstig,
Leonore gut und brünstig,
Und von beiden lidt ich viel,
Jezo nenn ich's Kinderspiel.
Filindrenens frühe Leiche
Lockte mir bey Sarg und Grab
Wie der andern falsche Streiche
Manchen Fluch und Thränen ab.
Phillis läst mich kaum drey Morgen
Zwischen Hofnung, Furcht und Sorgen,
Und ich schleiche durch den Thau,
Schon vor Unmuth bleich und grau,
Garthen, Wald, Camin und Linde,
Alles macht mich noch betrübt,
Was mir von dem lieben Kinde
Ein Erinnrungszeichen giebt.
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Ist mir doch die Welt zu enge,
Macht mir doch das Feld gedränge,
Und mein mürrisch Angesicht
Lacht dem besten Freunde nicht.
Unser Südwind hat die Stärcke
Von den Seufzern meiner Angst,
Die du, Phillis, wie ich mercke,
Noch mit Fleiß von mir verlangst.
Phillis, Phillis, komm doch wieder,
Sonst verlieren Geist und Lieder
Das Vermögen und die Kraft,
Die dir viel Ergözung schaft.
Licht und Schatten macht die Farben
Und dein Blick mein Wohlergehn;
Muß ich deßen Einfluß darben,
Kan ich nimmermehr bestehn.
Meine Kunst ist hier nichts nüze;
Ob ich bey dem Fieber schwize
Oder mich des Raths verzeih,
Beides ist mir einerley.
Sollt ich dich nur sehn und rühren,
Und erwärmte mich dein Mund,
Würd ich ohne Zeitverlieren
Auf den ersten Kuß gesund.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Günther, Johann Christian. Gedichte. Gedichte. Liebesgedichte und Studentenlieder. Phillis. Auf die Phillis. Auf die Phillis. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-234C-1