[21] Als er sich endlich wagte, ihr seine Liebe zu entdecken

Flammen in der Brust empfinden
Und dabey nicht Feuer schreyn,
Heist die Ruthen größer binden
Und sein eigner Hencker seyn.
Die Verheelung der Gedancken
Labet keinen dürren Mund,
Und die Scham verliebter Krancken
Macht das Herze spät gesund.
Drum wohlan, mein Geist, entdecke
Dies, was deine Sehnsucht quält;
Frisch gewagt kommt bald zum Zwecke,
Den die Furchtsamkeit verfehlt.
Nein, mein Herz, ach schweig und glaube,
Dein Entdecken hilft dich nicht,
Weil bereits die schöne Taube
Einem andern sich verspricht.
Schweig, mein Herz, und halt die Plagen
Deiner Leidenschaft geheim,
Lerne dein Verhängnüß tragen,
Koch aus Wermuth Honigseim!
Hat die Schickung deinem Fieber
Diesen schönen Arzt versagt,
Ey, so stirb doch zehnmahl lieber,
Eh dein Mund die Kühnheit wagt.
Doch getrost, mein Herz, und wage
Noch den allerlezten Streich!
Doch getrost! Versuch und schlage
Felsen durch die Thränen weich!
Kluge Schönheit, meine Funcken
Überreicht dir dieses Blat,
[22]
Das mehr naßes Salz getruncken,
Als dein Mund jezt Zucker hat.
Zürne nicht mit meiner Liebe,
Die die Redligkeit gebahr,
Stärcke bald die reinen Triebe,
Der Verzug bringt hier Gefahr.
Dein Befehl soll stets mein Wille
Und dein Winck mein Leitstern seyn,
Schencke mir nur in der Stille
Deiner Liebe Vorschmack ein!
Mein Geblüte fühlt den Zunder,
Der von deiner Tugend fängt,
Also nimmt es mich nicht Wunder,
Wenn mein Geist an deinem hängt.
Mercke nur des Himmels Schlüße,
Sonst erfährstu von der Reu,
Daß das Honig fremder Küße
Um das Ende bitter sey.
Ach erwege mein Begehren!
Dein Verstand ist scharf genug;
Las mich nicht die Glut verzehren,
Sonst wird dich der Todtenkrug
Meiner Asche noch verklagen
Und mein kalter Leichenstein
Dir so viel zur Nachricht sagen:
Lerne doch bedachtsam seyn!

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Rechtsinhaber*in
TextGrid

Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Günther, Johann Christian. Gedichte. Gedichte. Liebesgedichte und Studentenlieder. Leonore. Als er sich endlich wagte, ihr seine Liebe zu entdecken. Als er sich endlich wagte, ihr seine Liebe zu entdecken. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-236D-8